„Berliner Erklärung“ aus Anlass der Ausstellung „Der Fall Chodorkowski – Bilder des Unrechts“ im Mauermuseum – Museum Haus am Checkpoint Charlie in Berlin

Vor fast 60 Jahren – am 4. November 1950 – wurde in Rom die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Die Unterzeichnerstaaten erkannten, dass die Wahrung und Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten die Grundlage für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt sind.

Nach dem Ende der Spaltung Europas trat auch die Russische Föderation 1996 dem Europarat bei und ratifizierte 1998 die Europäische Menschenrechtskonvention. Damit verband sich die Hoffnung, dass nun auch für die Menschen in der Russischen Föderation eine Zeit anbrechen würde, in der die Macht des Rechts dem Recht des Stärkeren wirksam entgegengesetzt werden könnte.

Zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention sehen wir diese Hoffnungen enttäuscht. Die Demonstrationsfreiheit ist noch immer nicht gewährleistet, Die Arbeit unabhängiger Nichtregierungsorganisationen wird behindert. Von einer unabhängigen Justiz kann keine Rede sein. Noch immer hat sich nichts an der Praxis geändert, dass erhobene Anklagen in praktisch allen Fällen auch zu Verurteilungen führen.

Wir befürchten, dass das auch in dem in diesen Tagen zu Ende gehenden zweiten Strafprozess gegen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew nicht anders sein wird. Nach Einschätzung vieler unabhängiger Beobachter, die den Prozess seit dessen Beginn im März 2009 verfolgt haben, hat es keine sachgerechte Prüfung der strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Angeklagten gegeben. Vielmehr ist der Prozess zu einem Symbol dafür geworden, dass sich in der Russischen Föderation im Zweifel noch immer die Macht gegen das Recht durchsetzt.

Bereits die Vorwürfe der Anklage erscheinen uns vor dem Hintergrund der ersten Verurteilung der Angeklagten sowie der verschiedenen Verfahren gegen Yukos wegen angeblicher Steuerhinterziehung offensichtlich konstruiert. Immer wieder wurde von Behinderungen der Verteidigung berichtet, die dem in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Recht auf ein faires Verfahren widersprechen. Beteuerungen aus der russischen Führung, die Gerichte behandelten den Fall unabhängig und unparteiisch, stehen in unüberbrückbarem Gegensatz zu den fortwährenden Versuchen der Führung Michail Chodorkowski in den Medien als einen russischen Al Capone zu dämonisieren und zu stigmatisieren.

Vor diesem Hintergrund unterstützen wir den von Präsident Medwedew bei seinem Amtsantritt angekündigten Kampf gegen den Rechtsnihilismus und staatliche Korruption in seinem Land ausdrücklich und appellieren an ihn:

·     Setzen Sie die Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Ihrem Lande durch!
·     Sorgen Sie für eine unabhängige Justiz und für Gerichtsverfahren, in denen das Recht der Angeklagten auf einen fairen Prozess gewährleistet ist!
·     Sorgen Sie für eine unabhängige Überprüfung der im Zusammenhang mit den früheren und aktuellen Strafverfahren gegen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew von der Verteidigung seit 2003 erhobenen Vorwürfe!
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