Erklärung der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Bereits 20 Jahre – seit 1999 – führt MEMORIAL International jährlich den Schülerwettbewerb „Der Mensch in der Geschichte. Russland – das 20. Jahrhundert“ für die Oberstufe durch. In diesen 20 Jahren haben etwa 50.000 Schüler aus allen russischen Regionen daran teilgenommen. Mitglieder der Jury waren zu verschiedenen Zeiten Akademiemitglied Sigurd Schmidt sowie die Schriftsteller Daniil Granin und Svetlana Alexijewitsch. Heute leitet Ljudmila Ulizkaja die Jury. Die Hauptaufgabe des Wettbewerbs besteht darin, bei den Schülern das Interesse an der russischen Geschichte sowie an der Geschichte ihrer Familie, ihrer kleinen Heimat, zu wecken.

Seit 2016 ist der Wettbewerb Attacken von Aktivisten der radikalen Organisationen NOD (Nationale Befreiungsbewegung) und SERB (South East Radical Block) ausgesetzt, und das nicht ohne publizistische Schützenhilfe durch die föderalen Fernsehkanäle REN-TV und Rossija 24. In diesem Jahr strahlte Rossija 24 am Abend vor der Jubiläumsveranstaltung - der zwanzigsten Preisverleihung - einen Beitrag aus, in dem der Wettbewerb und seine Teilnehmer auf perfide Weise verleumdet wurden. Die Organisatoren des Wettbewerbs wurden als „moderne Judasse“ bezeichnet, die Autoren folgten damit den übelsten Traditionen der sowjetischen Propaganda. Diese Kampagne wurde auch nach der Preisverleihung fortgesetzt. Vorwürfe des „Antipatriotismus“ und des Ansinnens, die Geschichte „umzuschreiben“, wurden nicht nur gegen die Organisatoren erhoben, sondern auch gegen die Schüler und ihre Lehrer.

Das Empörendste spielte sich jedoch erst ab, nachdem die Preisträger nach Hause zurückgekehrt waren. Seit dem 6. Mai erfährt das Organisationskomitee des Wettbewerbs immer häufiger davon, dass in den meisten der 24 Regionen, in denen die diesjährigen Preisträger leben, ihre wissenschaftlichen Leiter und Lehrer zu den Schuldirektoren zitiert werden, zu Unterredungen mit Personen, die sich als Mitarbeiter lokaler Bildungsabteilungen, der Regionalverwaltung oder des FSB ausgeben. Die Lehrer werden befragt, wie die Information über den Wettbewerb verbreitet wird, es wird verlangt, die Arbeiten der Teilnehmer vorzulegen (auch aus früheren Jahren) und von einer weiteren Zusammenarbeit mit Memorial wird nachdrücklich abgeraten. Gelegentlich wurden zu solchen prophylaktischen Gesprächen auch die Laureaten, die Schüler selbst, dazugeladen.

Die Tatsache, dass diese Besuche in den Schulen mehrerer Regionen synchron und parallel verliefen, deutet darauf hin, dass diese „Überprüfungen“ keine lokale Initiative sind, sondern zentral gesteuert.

Wir sehen darin nicht nur den Versuch, die langjährige Bildungsarbeit von Memorial zu diskreditieren, sondern auch das Bestreben, Schüler und Lehrer in Angst zu versetzen und Zensur auszuüben. Diese Versuche, die Teilnehmer des Wettbewerbs unter Druck zu setzen, sind inakzeptabel.

Wir hoffen auf die Unterstützung und Solidarität der Öffentlichkeit.

 

4. Juni 2019

 

 

 

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