Digest der russischen Anti-Kriegsproteste vom 05.03.2023 – 11.03.2023

 

Mascha Moskaleva - Fortsetzung

Mascha Moskaleva wird nach wie vor in Isolation gehalten, man gibt ihr keine Möglichkeit, ihren Vater zu kontaktieren, die Herausgabe eines Telefons wird ihr verweigert. Die Abgeordnete Olga Podolskaja und eine Freiwillige wurden nicht zu ihr gelassen, wie der Anwalt ihres Vaters mitteilt. Seit dem 1. März besteht keinerlei Kontakt zu Mascha.

Udpates: Am 28. März wurde Aleksej Moskalev zu zwei Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Zwar ist es ihm jedoch gelungen, aus dem Hausarrest zu fliehen, er wurde aber inzwischen in Minsk festgenommen. Inzwischen hat sich die von der Familie getrennt lebende Mutter von Mascha Moskaleva bereit erklärt, ihre Tochter zu sich zu nehmen.

 

Einzelkundgebungen

In Voronezh wurde bei einer Einzelkundgebung Viktorija Kotschkassova festgenommen. Sie hatte sich mit einem Anti-Kriegsplakat neben das Ivan-Nikitin-Denkmal gestellt. Auf dem Plakat stand „Herzlichen Glückwunsch zum Feiertag, liebe Damen.“

 

In Naltschik wurde nach einer Einzelkundgebung gegen den Krieg Pavel Ulibegov für fünf Tage festgenommen („Diskreditierung der Armee“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“). Ulibegob hatte ein Plakat mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ bei sich getragen.

In Moskau wurde am 8. März Olga Demidova in der Nähe des Zentralen Telegrafengebäudes mit einem Plakat festgenommen, auf dem stand: "Wir brauchen keine Blumen. Wir brauchen Frieden!" Die Aktivistin erklärte, dass die Aktion darauf abzielte, die Idee des Feiertags in der jetzigen Realität zu überdenken.

Ein Gericht in Samara verhängte gegen Vladimir Avdonin eine Geldstrafe in Höhe von 45 000 Rubel (ca. 3 monatliche Mindestlöhne) wegen „Diskreditierung der Armee“. Avdonin hatte am 24. Februar mit dem Plakat „Nein zu Putins Terror!“ eine Einzelkundgebung abgehalten.

In Ufa verurteilte das Gericht den 24-jährigen Klim Ptaschinskij wegen „Diskreditierung der Armee“ zu einer Geldstrafe von 30 000 Rubel (ca. 2 monatliche Mindestlöhne). Ptaschinskij war am 13. Januar mit einem Plakat mit der Aufschrift „Stoppt die Invasion in der Ukraine“ festgenommen worden. Ptaschinskij hatte sich mit dem Plakat neben den Empfangsbereich für den russischen Präsidenten gestellt, der an diesem Tag Ufa besuchen sollte.

Weitere Formen der „Diskreditierung“

Die Arbeit des Künstlers Lescha Burston auf der Burovaja-Straße in St. Petersburg: „Diskreditierung der Kraft der Liebe!“

In Ufa nahmen Polizisten den Einwohner Kirill Rusakov wegen Anti-Kriegsaufklebern und -graffitis in seinem Treppenhaus fest.

Im Fenster der freien Buchhandlung „Alle sind frei“ entstand ein Loch, vermutlich von einer Gewehrkugel. Am Fenster des Ladens stand die Aufschrift „Der Welt den Frieden“, was offenbar eine aggressive Reaktion hervorrief. „Es ist nicht zu glauben, dass es Menschen gibt, die das Konzept eines friedlichen Lebens derart heftig zurückweisen,“ kommentierten die Mitarbeiter des Geschäfts den Vorfall.

Machmud Achmedov, wohnhaft im Bezirk Neftekumsk in Stavropol, wurde wegen eines Avatars im seinem WhatsApp-Profil zu 30.000 Rubel Geldstrafe verurteilt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das pazifistische Bild im Profil Achmedovs sowie die Aufschrift darin die russische Armee diskreditiere.

In St. Petersburg verhängte das Nevskij Bezirkgericht wegen Diskreditierung der Armee eine Strafe von 30 000 Rubel gegen Andrej Makedonov wegen der Aufschrift „Nein zum Krieg“ am schwarzen Brett eines Eingangsbereichs.

Im Gebiet Volgograd verurteilte das Gericht die 20-jährige Bloggerin Tusja (Natalija Zemljanuchina) zu 10 000 Rubel Geldstrafe (0,7 monatliche Mindestlöhne) wegen „Aufstachelung zum Hass oder zur Feindschaft,“ weil sie bei Telegram Screenshots eines Chats mit ihrer Freundin aus der Ukraine veröffentlicht hatte.


Moskau, Arbat. Zoj-Mauer [Viktor Zoj, sowjetischer Rockmusiker, 1960 – 1990]. Aufschrift auf der Wand: [etwa] „Fick' den Krieg! 23.02.2023“

Das Stadtgericht Pjatigorsk hat Jelena Kabakova, Dozentin an der Fakultät für Informations- und Kommunikationstechnologien, Mathematik und Informationssicherheit der Staatlichen Universität Pjatigorsk wegen „Diskreditierung der Armee“ zu einer Geldstrafe von 30 000 Rubel verurteilt. Während des Unterrichts zeigte sie ein Bild ihrer Verwandten, die in der Ukraine leben, und sprach mit einem Studenten, dessen Stiefvater mobilisiert wurde, das Thema Krieg an. Auf der Website des Gerichts wird Kabakova mit folgenden Worten zitiert: "Warum sollte ich in die Ukraine gehen, um Zivilisten zu töten, wenn ich hier bin, kann man mich erschießen"; "Er sollte lieber 10 Jahre für Umgehung der Mobilisierung absitzen, als dort hinzugehen und Zivilisten zu töten" .

Gegen Dmitrij Bojev aus Vladikavkas wurde ein Ordnungsstrafverfahren wegen eines Posts bei „Odnoklassniki“ [Klassenkameraden] eingeleitet. Nach Meinung des Gerichts soll er dort den Buchstaben Z mit dem Symbol des Dritten Reiches verglichen haben. Gegen Bojev war bereits im Februar eine Geldstrafe verhängt worden.

Zu insgesamt 41 500 Rubel Geldstrafe (2,6 monatliche Mindestlöhne) wurde Irina Terechova aus dem Gebiet Tula wegen Kommentaren bei „Odnoklassniki“ („Diskreditierung der Armee“) verurteilt.

Gegen Vladimir Ljubimov, Mitglied der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation und Abgeordneter der Regionalduma von Ivanovo, wurde ein Protokoll wegen „Diskreditierung der Armee“ aufgenommen. Ljubimov hatte bei VKontakte ein Bild gepostet mit der russischen Flagge und der Aufschrift [etwa] „Begräbnis der Männer durch Mobilmachung, Verwitwung von Frauen, Verwaisung von Kindern.“

Am Moskauer Flughafen Vnukovo wurde der Regisseur und Filmschuldozent Artur Aristakisjan im Wartebereich festgenommen. Polizisten führten ihn ab, nahmen ihm seine persönlichen Sachen und sein Telefon weg, woraufhin der Kontakt zu Artur abbrach. In jüngster Zeit kam es zur Veröffentlichung einiger Posts über die Internationale Moskauer Universität (MMU), an der Artur ebenfalls lehrt. Die Leitung und die Dozenten der Universität werden beschuldigt, „Unpatriotismus“ zu propagieren. Polizisten hatten während der Abwesenheit Aristakisjans versucht, in dessen Wohnung einzudringen.


Graffiti in einem Moskauer Aufzug. „Krieg. Putin.“

 

Das Recht, nicht zu töten

Zwanzig russische Soldaten der 126. Küstenverteidigungsbrigade der Schwarzmeerflotte haben ihre Entlassung aus dem Dienst aus Gewissensgründen beantragten, dies jedoch wurde abgewiesen.

Gegen den Militärarzt und Leutnant des Sanitätsdienstes Denis Vasiljev aus dem Gebiet Murmansk wird wegen seiner Weigerung, in die Ukraine zu gehen und an Kriegshandlungen teilzunehmen in einem Strafverfahren ermittelt (ihm drohen zwischen zwei bis drei Jahre Freiheitsentzug).

Evgenij Ljubovenko, Wehrdienstverweigerer und Tierarzt aus St. Petersburg berichtete, wie er sich vor der Mobilmachung schützte, indem er einen Antrag auf Ersatzdienst stellte, er wurde von seiner Arbeitsstelle entlassen.


Gezielte Aktionen

In Novosibirsk wurde eine Sammelstelle für Hilfsgüter zugunsten Mobilisierter angezündet.

Im Einberufungsamt in Domodedovo drohte ein Mobilisierter eine Granate zu zünden, die Granate stellte sich allerdings als Attrappe heraus.

Eine Einwohnerin der Stadt Anapa versuchte, eine Bankfiliale in Brand zu setzen, dabei rief sie „Ruhm den ukrainischen Streitkräften.“ Die Frau wurde festgenommen und ein Protokoll wegen „geringfügigem Rowdytum“ aufgenommen.

In der Stadt Artjom in der Region Primorje haben Partisanen ein Su-27 Kampfflugzeug niedergebrannt.

In Burjatien haben Unbekannte eine Eisenbahnstrecke beschädigt.

Plakat im Park der Kultur und Erholung in Ivanovo: „Zorro hat völlig den Kopf verloren.“

 

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

31. März 2023

 

 

Copyright © 2024 memorial.de. Alle Rechte vorbehalten.
MEMORIAL Deutschland e.V. · Haus der Demokratie und Menschenrechte · Greifswalder Straße 4 · 10405 Berlin
Joomla! ist freie, unter der GNU/GPL-Lizenz veröffentlichte Software.
Back to Top