Ilja Kapustin, der im Rahmen des Verfahrens gegen Mitglieder der Gruppierung „Set“ [Aktivisten der Antifaschistischen Bewegung] als Zeuge vernommen wurde, Russland mittlerweile verlassen und in Finnland politisches Asyl beantragt hat, hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen den Russischen Staat eingereicht. Kapustin und sein Anwalt klagen wegen Anwendung von Folter gegen die Verletzung des Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Freiheit und Sicherheit) sowie Artikel 13 (Recht auf eine wirksame Beschwerde). Eine Klage Kapustins bei Gericht in St. Petersburg wegen Anwendung von Folter durch Angehörige der Sicherheitsorgane war von den dortigen Behörden bereits abgewiesen worden. Im Herbst 2017 war gegen acht Personen aus St. Petersburg und Pensa wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 205.4 (2) StGB RF) ein Verfahren eingeleitet worden.

Wie in der Folge bekannt wurde, hatte man den Verhafteten Waffen untergeschoben, Geständnisse, die später widerrufen wurden, waren durch massive Folter erpresst worden. Ilja Kapustin, der selbst weder verdächtigt noch angeklagt ist, sondern nur als Zeuge in dem Verfahren gehört werden sollte, war am späten Abend des 25. Januars 2018 in St. Petersburg von maskierten Personen ergriffen und in einen Bus gezerrt worden, wo man drei Stunden lang auf ihn einschlug und ihn mit Elektroschocks traktierte. Man verlangte von Kapustin, Fragen zu beantworten und drohte, ihm die Beine zu brechen und ihn anschließend im Wald auszusetzen. Danach brachte man ihn in das Gebäude des örtlichen FSB, um ihn dort als Zeugen zu verhören, wobei es zu weiteren Folterandrohungen kam. Nach einer Durchsuchung seiner Wohnung wurde Kapustin nach Hause entlassen.

Der Klage beim EGMR liegen die Ergebnisse einer forensischen Untersuchung - einschließlich eines Fotos - bei, in der von mindestens 81 Abschürfungen die Rede ist. Kapustin erklärt seine Klage beim EGMR gegenüber der Zeitung Kommersant folgendermaßen: „Ich musste mich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, weil das Ermittlungskomitee Russlands und die Gerichte sich weigern, ihren Verpflichtungen nachzukommen, mich vor der Willkür der FSB-Mitarbeiter zu schützen. Anstatt diesen Machtmissbrauch von Seiten der Polizei und des FSB zu durchkreuzen, nehmen sie sie in Schutz und gestatten ihnen jegliche Willkür. Es muss alles getan werden, was in unserer Macht steht, die Vertreter des russischen Staatsapparates zu zwingen damit aufzuhören, die eigenen Befugnisse zu missbrauchen. Die Klage beim EGMR ist das, was ich tun kann, um die russischen Behörden zu bewegen, die Amtspersonen der Sicherheitsorgane ruhig zu stellen.“

19. November 2018

 

 

 

 

 

 

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