Am 7. Mai wurden in Tver zwei Gedenktafeln entfernt, die dort 1991 und 1992 zum Gedenken an Opfer politischer Verfolgungen zur Zeit des Stalinismus angebracht worden waren. Sie betrafen sowjetische Bürger und die polnischen Kriegsgefangenen des Lagers Ostaschkov, die 1940 in Kalinin (dem heutigen Tver) erschossen wurden.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft von Tver gefordert, diese beiden Tafeln abzumontieren. Anfang Dezember wandte sich Memorial Tver mit einem Appell an die Abgeordneten der Stadt Tver, um das zu verhindern.

Memorial International hat dazu am 7. Mai folgende Erklärung veröffentlicht:

"Heute, am 7. Mai 2020, wurden zwei Gedenktafeln von der Fassade des ehemaligen NKVD-Gebäudes im Gebiet Kalinin abmontiert (heute bfindet sich dort die Universität für Medizin). Die Tafeln waren 1991 zum Gedenken an die Opfer des Stalinschen Terrors angebracht worden mit folgenden Aufschriften: „Zum Gedenken an die Gequälten. Hier befand sich in den 1930er bis zu den 1950er Jahren die NKVD-MGB-Verwaltung für das Gebiet Kalinin und das Untersuchungsgefängnis“ und „Zum Gedenken an die Polen aus dem Lager Ostaschkov, die vom NKVD in Kalinin ermordet wurden, der Welt zur Mahnung“.

Die Demontage dieser Tafeln ist mehr als nur ein Akt des Vandalismus. Sie ist ein Vergehen an der Geschichte, eine Verhöhnung des Gedenkens an unsere Mitbürger und an die polnischen Kriegsgefangenen, die in den Kellern dieses Gebäudes ermordet wurden, ein weiterer Versuch, die allen bekannten und vielfach dokumentarisch bewiesenen Verbrechen es Stalinschen Regimes zu leugnen.

Es ist doppelt widerwärtig, dass dies aus Provokation auch noch am Vorabend des 75. Jahrestages des Sieges geschah. Wenn die Regierung der Russischen Föderation nicht umgehend entschiedene Maßnahmen ergreift, dann wird in den Zeitungen in der ganzen Welt neben Artikeln zum Jubiläum des Sieges die Nachricht stehen, dass in Russland das Gedenken an eines der schwersten Verbrechen des Zweiten Weltkriegs vernichtet wird.

Der Vorstand von Memorial International
Moskau, 7. Mai 2020"

 

Auch der Menschenrechtsrat beim Präsidenten hat auf den skandalösen Vorfall reagiert. Er forderte die Behörden auf, die Rechtmäßigkeit der Aktion - der Demontage der Tafeln - zu überprüfen. Der Beschluss der Stadt Kalinin (Tver) von 1991 über die Anbringung der Gedenktafeln sei auch von der Staatsanwaltschaft nicht aufgehoben worden und sei nach wie vor gültig.

9. Mai 2020

 

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