Stellungnahme des Arbeitskreises Sowjetexil gegen ein Verbot von Memorial International  

Nachstehend dokumentieren wir ein Schreiben, das der Arbeitskreis Sowjetexil (Berlin) an den  Botschafter der Russischen Föderation Herrn Netschajew gerichtet und Memorial Deutschland zur Verfügung gestellt hat.

Der Arbeitskreis Sowjetexil aus Berlin protestiert gegen die Anordnung des russischen Obersten Gerichtshofs vom 28. Dezember 2021, die Menschenrechtsorganisation Memorial International aufzulösen! Am 29.12.2021, wurde deren Moskauer Zentrale mit ihrem Archiv zum Schließen gezwungen. 

Die Initiatoren sind Mitglieder des Arbeitskreises zum Gedenken an die in der sowjetischen Emigration verfolgten, deportierten und ermordeten deutschen Antifaschisten. Wir sind Nachkommen deutscher Nazigegner, denen in den 1930er Jahren die Flucht oder die Ausreise in die Sowjetunion gelungen war. Die Sowjetunion war für die aus Nazideutschland Entkommenen das Land der Hoffnungen, wurde für viele Tausende dieser Emigrantinnen und Emigranten jedoch zum Land der Einkerkerung, Folter und oft auch Ermordung.   

Unser Arbeitskreis hat sich in den letzten 20 Jahren mit dem Auffinden verborgener oder verschwiegener Lebenslinien von deutschen Sowjetemigranten beschäftigt. Bis zum Ende der DDR waren solche Recherchen von der Staats- und Parteiführung in Abstimmung mit den sowjetischen Sicherheitsorganen verhindert worden. 

Mit der ungleich größeren Reichweite von Memorial International verbindet unseren Arbeits- und Gedenkkreis die Internationalität des Anliegens: Den verschwiegenen, verleugneten, in Massengräbern verscharrten Opfern der Stalinherrschaft werden ihre Biografien zurückgegeben. Angehörige von Sowjetemigranten verschiedener Nationen können dank Memorial endlich den Spuren ihrer Nächsten nachgehen, ihnen Grabstätten einrichten und der Trauer öffentlich Ausdruck verleihen. 

Die Archive müssen geöffnet bleiben, in denen die über Jahrzehnte geheim gehaltenen Zeugnisse der Repression verwahrt sind! 

Das Schließen der Moskauer Zentrale und die erzwungene Auflösung von Memorial International werden die Weiterarbeit an der Vergangenheit nicht verhindern.  Das Thema stalinistische Verfolgung ist in der Welt. Auch künftige Generationen werden von den Verbrechen des sowjetischen Staates an seinen Bürgern erfahren!

Wir fordern die zuständigen Organe in Russland auf, den Vorwurf der Agententätigkeit gegen Memorial International zurückzunehmen und dem Moskauer Archiv die Weiterarbeit zu ermöglichen! 

Für den Arbeitskreis: 

Dr. Inge Münz-Koenen (Sprecherin) 

Berlin, den 03. Januar 2022

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