Memorial-Verbände publizieren "Stimmen des Krieges"

 

Der russische Einmarsch in die Ukraine fordert nach wie vor Hunderttausende von Opfern. Millionen sind gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen, einige schon zum zweiten und dritten Mal. Jede dieser menschlichen Geschichten ist einzigartig und wert, dass die Außenwelt davon erfährt. Aber wie dramatisch die Vorgänge und wie furchtbar und grausam auch die Kriegsverbrechen auch sind, die die russische Armee bei den Versuchen begangen hat, das freiheitsliebende ukrainische Volk zu unterdrücken, die Erfahrung zeigt, dass die Erlebnisse mit der Zeit an Deutlichkeit verlieren. Die Erinnerungen verblassen und gehen für die Geschichte verloren. Die schlimmsten Untaten gehen im Sturm der historischen Entwicklung unter. Aber wenn Untaten in Vergessenheit geraten, bahnt das den Weg für ihre Wiederholung in Zukunft.

 

© Lilya Matvejeva

 

Die Charkiver Menschenrechtsgruppe (Memorial Ukraine) hat das Projekt „Stimmen des Krieges“ gestartet, um die Geschichten Tausender von Ukrainern nicht nur aktuell zu Gehör zu bringen, sondern um sie auch für die Zukunft zu bewahren. Es sind Geschichten von persönlichen Tragödien, Verlusten, Leiden an Hunger und Kälte, am Verlust der Wohnung, zugleich sind es aber Geschichten der Standhaftigkeit, Solidarität, Barmherzigkeit und Menschlichkeit. Und es sind Zeugnisse historischer Ereignisse und Verbrechen, die unbedingt einer objektiven juristischen Bewertung bedürfen.

Ukrainische Menschenrechtsorganisationen dokumentieren den Mord an Zivilpersonen, Folterungen, Deportationen, die Vernichtung historischer Denkmäler und andere Verbrechen, sie werten offen zugängliche Quellen mit modernen Untersuchungs-Techniken aus. Aber manchmal sind auch Technologien machtlos, so wie es bei der Blockade von Mariupol der Fall war, als während des russischen Angriffs alle Kommunikationsverbindungen abbrachen. Der einzige Weg, etwas über den Horror zu erfahren, der sich in der Stadt abspielte, waren Interviews mit Mariupolern, die es durch ein Wunder geschafft hatten, aus der eingekesselten und brennenden Stadt zu entkommen. Gerade diese Stimmen haben der Welt von der furchtbaren Realität berichtetet. Das gilt nicht nur für die Bewohner Mariupols, sondern auch für die aus anderen besetzten Regionen.

Für diese Menschen ist es oft nicht weniger wichtig, gehört zu werden, als für uns sie zu hören. Die Protagonistinnen und Protagonisten der Interviews haben uns nach der Aufzeichnung häufig gesagt, dass sie sich erleichtert fühlten. Seit Beginn des großangelegten Kriegs am 24. Februar 2022 wurden auf der Website und auf dem YouTube-Kanal der Charkiver Menschenrechtsgruppe bereits Hunderte von Geschichten auf Ukrainisch, Englisch und Russisch publiziert.

Im Rahmen des neuen Projekts werden die Memorial-Verbände in Tschechien, Polen, Frankreich, Italien und Deutschland diese Interviews übersetzen und die Videos mit Untertiteln in ihren Sprachen versehen, sie auf ihren Websites, auf ihren Seiten in sozialen Netzen und anderen Medien veröffentlichen. Pro Monat ist geplant, vier bis fünf Interviews zu publizieren. Das Projekt wird vom Prague Civil Society Centre gefördert.

Zusätzlich wird der ukrainische Memorial-Verband aus anderen Mitteln noch eine Übersetzung ins Spanische besorgen. Außerdem sollen die von Memorial-Aktivisten erstellten wöchentlichen Übersichten über die russischen Proteste gegen den Krieg in allen Projektsprachen veröffentlicht werden.

Somit werden die Geschichten des Kriegs weltweit in neun Sprachen erscheinen.

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