Der Rat von Menschenrechtlern hat einen Brief an den Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation Mischustin veröffentlicht, in dem die Einrichtung eines Nationalen Auskunftsbüros für Kriegsgefangene und andere Maßnahmen zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen Russlands gefordert wird. Wir bringen den Brief in Übersetzung.
An den Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation Michail Vladimirovitsch Mischustin
Sehr geehrter Michail Vladimirovitsch!
Wir wenden uns an Sie, weil wir um das Schicksal derjenigen Menschen besorgt sind, die im Laufe der „Spezialoperation“ in der Ukraine in Gefangenschaft geraten sind. Die Russische Föderation ist Vertragspartei der vier Genfer Konventionen und ihrer drei Zusatzprotokolle, die internationale Rechtsnormen für eine humane Behandlung in bewaffneten Konflikten festlegen. Diese internationalen Verträge sind Teil des russischen Rechts.
Die Dritte Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen schützt Kriegsgefangene vor Misshandlungen, indem sie jede rechtswidrige Handlung oder Unterlassung verbietet, die zum Tod eines Kriegsgefangenen führt oder seine Gesundheit ernsthaft gefährdet, und Kriegsgefangenen das Recht auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre zugesteht (Art. 13, 14 der Konvention).
Die Konvention verbietet ebenso:
Darüber hinaus erlegt die Konvention den an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Staaten eine Reihe von Verpflichtungen auf, von denen die folgenden die wichtigsten sind:
Darüber hinaus verpflichtet das Übereinkommen die am bewaffneten Konflikt beteiligten Staaten zum Austausch von Informationen über Kriegsgefangene. Die Informationen über jeden Kriegsgefangenen müssen folgende Angaben enthalten: Name, Vorname, Dienstgrad, Personennummer, Geburtsort und genaues Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Name des Vaters und Mädchenname der Mutter, Name und Anschrift der zu benachrichtigenden Person sowie die Anschrift, an die der Schriftverkehr mit dem Kriegsgefangenen gerichtet werden kann (Art. 122 der Konvention). Bis zum heutigen Tag haben die russischen Medien nur einmal über den Austausch von 10 russischen Kriegsgefangenen und einmal über die Übermittlung einer Liste von mehr als 500 gefangenen Ukrainern an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes berichtet.
Es gibt keine offiziellen Informationen über die Umsetzung des größten Teils der Verpflichtungen Russlands entsprechend der Dritten Genfer Konvention. Dies wird durch regelmäßige Anfragen an Menschenrechtsorganisationen bestätigt. Die Menschen, die sich an uns und unsere Kollegen wenden, wissen nicht, wo und wie sie Informationen über ihre Angehörigen, die in Kampfhandlungen verwickelt sind, erhalten können, an wen sie sich wenden können und wie.
Wir halten es für dringend erforderlich, dass die Regierung der Russischen Föderation die folgenden Schritte unternimmt, um ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Behandlung von Kriegsgefangenen nachzukommen:
Wir bitten Sie, entsprechende Anweisungen zu erteilen.
Wir danken Ihnen für eine Antwort im Voraus.
Unterschriften:
Svetlana Astrachantseva
Valerij Borschtschev
Svetlana Gannuschkina
Sergej Davidis
Jurij Dzhibladse
Sergej Krivenko
Sergej Lukaschevskij
Karinna Moskalenko
Oleg Orlov
Lev Ponomarev
Olga Sadovskaja
Natalja Taubina
Alexander Tscherkassov
Elena Schachova
Weitere Menschenrechtsaktivisten haben sich mit ihrer Unterschrift angeschlossen.
31. März 2022