Appell für Ojub Titiev

Eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – insgesamt 60 Personen – hat sich am 14. Mai in einem Schreiben an Präsident Putin für den inhaftierten Ojub Titiev eingesetzt. Sie weisen darauf hin, dass das Verfahren gegen Titiev aus politischen Gründen fabriziert wurde und fordern, die weiteren Untersuchungen nicht der tschetschenischen Justiz zu überlassen, sondern übergeordeten, föderalen Organen zu übergeben.

Es folgt der Wortlaut ihres Appells in Übersetzung.

"Im Januar dieses Jahres wurde in Tschetschenien Ojub Titiev, der Leiter des Memorial-Verbandes in Groznyj, einer der führenden Menschenrechtsorganisationen unseres Landes, verhaftet. Er wird des Drogenbesitzes bezichtigt. Wir sind überzeugt, dass das Verfahren gegen Titiev von den lokalen Behörden fabriziert wurde, um Memorial zu zwingen, sich aus Tschetschenien zurückzuziehen. Memorial ist die einzige Organisation, die in den letzten Jahren in dieser Republik weiterhin Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und veröffentlicht und den Opfern Rechtsbeistand geleistet hat.

Als zwei Wochen vor Titievs Verhaftung der Instagram-Account des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrov blockiert worden war, stellte sein engster Mitarbeiter, Parlamentssprecher Magomed Daudov, in einer offiziellen Erklärung eine Verbindung dieses Vorfalls zu der Tätigkeit von Menschenrechtlern her und bezeichnete diese als „Feinde“, die man „von der gesunden Gesellschaft isolieren“ sollte. Nach Titievs Verhaftung erklärte bereits Kadyrov selbst, dass die Menschenrechtler „wissen müssen: In unserer Region funktioniert ihre Arbeit nicht“. Er kündigte an, „unseren Feinden das Rückgrat zu brechen“.

In diesem Kontext liegt es offen zutage, dass das Verfahren gegen Titiev politisch motiviert ist, umso mehr, als Titiev auch nicht der erste Kritiker der tschetschenischen Regierung ist, bei dem lokale Sicherheitsorgane Drogen entdeckt haben wollen. Offensichtlich wollen sich die tschetschenischen Behörden so einer missliebigen Organisation entledigen und Rache an Titiev für seine Menschenrechtsarbeit nehmen.

Die Ermittlungsorgane der Republik sabotieren demonstrativ eine Überprüfung von Titievs Erklärung, dass Polizisten ihm die Drogen untergeschoben hätten. Einige von uns haben bereits an den Generalstaatsanwalt, den Innenminister und den Leiter des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation appelliert, das Verfahren gegen Titiev und die Überprüfung seiner Erklärung in die Zuständigkeit föderaler Ermittlungsorgane zu geben.

Allerdings kamen aus deren Behörden nur formale Absagen in dem Sinn, dass es „zum Zweck einer objektiven und umfassenden Untersuchung und um eventuelle Gesetzesverstöße auszuschließen“ das Strafverfahren gegen Titiev dem Innenministerium entzogen und dem Ermittlungskomitee für die Republik Tschetschenien übergeben werde. Somit werden sowohl die Untersuchung selbst als auch die Überprüfung von Titievs Vorwürfen gegen die Polizei in Tschetschenien durchgeführt. Inzwischen stellt sich heraus, dass nach wie vor nichts unternommen wird, um den wahren Sachverhalt aufzuklären.

Der zynische Einsatz des Rechtswesens, um alle Menschenrechtler und Menschen guten Willens abzuschrecken, die um Gesetzlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte in Tschetschenien kämpfen, ist empörend. Wir wenden uns an Sie als den Garanten der russischen Verfassung mit der Bitte, das Verfahren gegen Titiev umgehend in die Hände föderaler Organe zu geben, es unter Ihre Kontrolle zu nehmen und dem Kesseltreiben gegen Memorial ein Ende zu bereiten.

Wir hoffen auf Ihre konstruktive Reaktion auf diesen Appell."

14. Mai 2018

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