CD-ROM zu Stalins "Erschießungslisten"

(06.03.2002)
Das Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation und MEMORIAL Moskau veröffentlichen CD-ROM zu Stalins "Erschießungslisten"


Mit der Veröffentlichung dieser CD-ROM werden Stalins sogenannte "Erschießungslisten" erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die 60 Jahre lang strengster Geheimhaltung unterlagen. Vor allem in den Jahren 1936 bis 1938 fällten Stalin und eine Gruppe ihm nahestehender Mitglieder des Politbüros systematisch Urteile über Erschießungen und Lagerhaft, die auf nichts weiter beruhten als auf vom Geheimdienst NKWD zusammengestellten Listen. Diese Listen erhielten keinerlei Informationen über die Verhafteten und die ihnen vorgeworfenen Vergehen, sondern lediglich deren Vor- und Nachnamen, Vatersnamen und Vorschläge des NKWD für das Strafmaß. Nach der Prüfung durch das Politbüro wurden die Listen an das Kriegskollegium des Obersten Gerichtshof der UdSSR übergeben und dort - nur noch eine Formalität - juristisch ausgefertigt. Auf diese Weise sind mehr als 40 000 Menschen erschossen oder in Lager geschickt worden.

Die Praxis der "Erschießungslisten" geht auf eine Verordnung zurück, die das Zentrale Exekutivkomitee und der Rat der Volkskommissare 1934 als Reaktion auf die Ermordung Kirovs erlassen hatten. In dieser Verordnung wurden bei Verdacht auf terroristische Tätigkeit Untersuchungsverfahren auf eine Dauer von höchstens 10 Tagen beschränkt. Gerichtsverhandlungen sollten ohne Anwesenheit der Angeklagten und ohne die Befragung von Zeugen vonstatten gehen, das Einlegen von Berufung und Begnadigungsgesuche waren nicht zugelassen. Todesurteile in solchen Fällen sollten so schnell als möglich vollstreckt werden.

Die ersten Versuche, dieses "vereinfachte" Verfahren in breitem Maßstab anzuwenden, gab es im Herbst 1936. Auf die Bitte des Volkskommissars für innere Angelegenheiten, Jeszov, beschloss das Politbüro die "Verurteilung" von 585 auf einer Liste aufgeführten Personen, denen die Mitgliedschaft in einer "trotzkistischen konterrevolutionären terroristischen Organisation" vorgeworfen wurde. 1937 begann dann die regelmäßige Bestätigung solcher Listen durch das Politbüro. Nach September 1938 wurde die Aburteilung von Personen anhand von Listen seltener. Noch fünf solcher Listen - die letzte aus dem April 1950 - mit insgesamt 1125 Namen fanden sich im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation.

Die Arbeit des Obersten Gerichtshof war nach der Prüfung der Listen durch das Politbüro nur mehr bloße Formalität. Zwar sind die Protokolle der Sitzungen des Gerichts der Forschung leider immer noch nicht zugänglich, doch geht aus den erhältlichen Auszügen hervor, dass die Anhörung jedes Angeklagten nicht länger als fünf bis zehn Minuten gedauert hat.

Nicht alle Mitglieder des Politbüros, nur die engen Vertraute Stalins waren in die Prüfung dieser Listen einbezogen. Am häufigsten findet man unter den Listen die Unterschriften von Molotow und von Stalin selbst, die jeweils an der Überprüfung von über 350 solcher Listen beteiligt waren. Erhalten geblieben sind auch Randbemerkungen, die Stalin, Molotow oder andere auf die Listen gekritzelt haben.

Die Listen auf der CD-ROM sind mit einer Stichwortsuchfunktion versehen und - soweit es möglich war - durch biographische Daten über die Repressionsopfer ergänzt. Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge dieser Veröffentlichung noch weitere ähnliche Dokumente in den Archiven ans Tageslicht kommen.

Mehr hierzu auf russisch: www.memo.ru/daytoday/sp.htm

(06.03.2002)
Das Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation und MEMORIAL Moskau veröffentlichen CD-ROM zu Stalins "Erschießungslisten"


Mit der Veröffentlichung dieser CD-ROM werden Stalins sogenannte "Erschießungslisten" erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die 60 Jahre lang strengster Geheimhaltung unterlagen. Vor allem in den Jahren 1936 bis 1938 fällten Stalin und eine Gruppe ihm nahestehender Mitglieder des Politbüros systematisch Urteile über Erschießungen und Lagerhaft, die auf nichts weiter beruhten als auf vom Geheimdienst NKWD zusammengestellten Listen. Diese Listen erhielten keinerlei Informationen über die Verhafteten und die ihnen vorgeworfenen Vergehen, sondern lediglich deren Vor- und Nachnamen, Vatersnamen und Vorschläge des NKWD für das Strafmaß. Nach der Prüfung durch das Politbüro wurden die Listen an das Kriegskollegium des Obersten Gerichtshof der UdSSR übergeben und dort - nur noch eine Formalität - juristisch ausgefertigt. Auf diese Weise sind mehr als 40 000 Menschen erschossen oder in Lager geschickt worden.

Die Praxis der "Erschießungslisten" geht auf eine Verordnung zurück, die das Zentrale Exekutivkomitee und der Rat der Volkskommissare 1934 als Reaktion auf die Ermordung Kirovs erlassen hatten. In dieser Verordnung wurden bei Verdacht auf terroristische Tätigkeit Untersuchungsverfahren auf eine Dauer von höchstens 10 Tagen beschränkt. Gerichtsverhandlungen sollten ohne Anwesenheit der Angeklagten und ohne die Befragung von Zeugen vonstatten gehen, das Einlegen von Berufung und Begnadigungsgesuche waren nicht zugelassen. Todesurteile in solchen Fällen sollten so schnell als möglich vollstreckt werden.

Die ersten Versuche, dieses "vereinfachte" Verfahren in breitem Maßstab anzuwenden, gab es im Herbst 1936. Auf die Bitte des Volkskommissars für innere Angelegenheiten, Jeszov, beschloss das Politbüro die "Verurteilung" von 585 auf einer Liste aufgeführten Personen, denen die Mitgliedschaft in einer "trotzkistischen konterrevolutionären terroristischen Organisation" vorgeworfen wurde. 1937 begann dann die regelmäßige Bestätigung solcher Listen durch das Politbüro. Nach September 1938 wurde die Aburteilung von Personen anhand von Listen seltener. Noch fünf solcher Listen - die letzte aus dem April 1950 - mit insgesamt 1125 Namen fanden sich im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation.

Die Arbeit des Obersten Gerichtshof war nach der Prüfung der Listen durch das Politbüro nur mehr bloße Formalität. Zwar sind die Protokolle der Sitzungen des Gerichts der Forschung leider immer noch nicht zugänglich, doch geht aus den erhältlichen Auszügen hervor, dass die Anhörung jedes Angeklagten nicht länger als fünf bis zehn Minuten gedauert hat.

Nicht alle Mitglieder des Politbüros, nur die engen Vertraute Stalins waren in die Prüfung dieser Listen einbezogen. Am häufigsten findet man unter den Listen die Unterschriften von Molotow und von Stalin selbst, die jeweils an der Überprüfung von über 350 solcher Listen beteiligt waren. Erhalten geblieben sind auch Randbemerkungen, die Stalin, Molotow oder andere auf die Listen gekritzelt haben.

Die Listen auf der CD-ROM sind mit einer Stichwortsuchfunktion versehen und - soweit es möglich war - durch biographische Daten über die Repressionsopfer ergänzt. Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge dieser Veröffentlichung noch weitere ähnliche Dokumente in den Archiven ans Tageslicht kommen.

Mehr hierzu auf russisch: www.memo.ru/daytoday/sp.htm

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