Seit Inkrafttreten des berüchtigten Gesetzes „über ausländische Agenten“, das von der Duma im Eilverfahren verabschiedet und umgehend von Föderationsrat und Präsident bestätigt wurde, ist ein Jahr vergangen. In diesem Jahr hat sich nicht eine unabhängige nichtkommerzielle Organisation als „ausländischer Agent“ registrieren lassen.
Eine Welle staatsanwaltlicher Überprüfungen brachte zahlreiche Gerichtsprozesse ins Rollen, die mit der praktischen Umsetzung dieses Gesetzes in Zusammenhang stehen. Eine Prüfung des Gesetzes durch das Verfassungsgericht der Russischen Föderation und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte steht noch aus.
Wahrscheinlich deshalb ist jetzt bei vielen verantwortlichen Politikern, vom Präsidenten bis zum Generalstaatsanwalt, die Rede von der Notwendigkeit, an diesem Gesetz Korrekturen anzubringen, um die im Gesetz vorkommenden Definitionen zu präzisieren.
Wir sind der Auffassung, dass dieses von Grund auf unrechtmäßige und verfassungswidrige Gesetz durch keinerlei einzelne Korrekturen verbessert werden kann. Das „Agentengesetz“ basiert nicht auf rechtsstaatlichen Prinzipien. Es gibt nicht ein einziges Problem, das durch dieses Gesetz gelöst würde. Seine Initiatoren verfolgten damit eindeutig Zwecke der politischen Konjunktur. Seine rechtlichen Bestimmungen sind bewusst unklar und verschwommen gehalten.
Weder ihre Finanzierung (sofern die Finanzquellen gesetzlich nicht ausdrücklich verboten sind) noch ihre Tätigkeit (sofern keine nachweislichen Gesetzesverletzungen vorliegen) noch ihre rechtliche Organisationsform darf ein Grund sein, bestimmte Organisationen unter vielen anderen öffentlichen Akteuren auszusondern und zu diskriminieren.
Alle nichtkommerziellen Organisationen, die Mittel aus dem russischen Haushalt und von privaten Sponsoren und Stiftungen, inländischen wie ausländischen erhalten, nehmen in der einen oder anderen Weise Einfluss auf die öffentliche Meinung, um in ihrem Sinne positive Veränderungen im Lande zu erreichen. Wenn sie mit ihren Handlungen Gesetze verletzen, müssen sie alle gleichermaßen zur Verantwortung gezogen werden.
Das „Agentengesetz“ sieht gerade das umgekehrte Verfahren vor. Es geht de facto bei einer willkürlich ausgewählten Gruppe von Organisationen von einer präsumptiven Schuldvermutung aus, und zwar vor, ja an Stelle einer inhaltlichen Bewertung der Arbeit dieser Organisationen und ihrer Wirkungen.
Die beabsichtigte Ungenauigkeit in den Formulierungen und die juristisch unprofessionellen Definitionen öffnen der Willkür Tür und Tor. Damit verletzt das Gesetz die Rechtsgrundlagen eines modernen demokratischen Staates. Die praktische Anwendung dieses Gesetzes durch viele russische Gerichte stellt seine Unvereinbarkeit mit dem Recht und dem gesunden Menschenverstand zusätzlich unter Beweis. Gelegentlich führt es zu absurden Situationen, etwa wenn die Mitarbeit an einem Bericht über die Menschenrechte, die Vertretung eines Falles vor Gericht oder selbst die gesetzlich vorgeschriebene Publikation des Rechenschaftsberichts über die eigene Arbeit als politische Tätigkeit bewertet werden.
Dieses Gesetz ist nicht zu verbessern. Jede Korrektur, selbst in bester Absicht, ginge ja davon aus, dass der Kern seiner Konzeption erhalten bleibt, und trüge dazu bei, antikonstitutionelle und widerrechtliche Methoden in der russischen Gesellschaft und im Staat nur noch fester zu verankern.
Die einzige Lösung besteht darin, das „“Agentengesetz“ so schnell wie möglich außer Kraft zu setzen.
15.11.2013
Quelle: http://www.memo.ru/d/177364.html