Das Militärgericht in Rostov hat 23 ukrainische Staatsangehörige zu drastischen Haftstrafen von 13 bis 23 Jahren verurteilt, angeblich wegen Terrorismus und tatsächlicher oder unterstellter Kontakte zu Asov.
Elf von ihnen (neun Frauen und zwei Männer) sind von diesem Urteil allerdings nur theoretisch betroffen, weil es in Abwesenheit erfolgte – sie sind bei einer der letzten Austauschaktionen freigekommen.
Ihnen wurden vor allem Terroraktionen mit dem Ziel einer gewaltsamen Machtergreifung vorgeworfen, zunächst noch nach dem „Strafgesetz“ der Donezker „Volksrepublik“, ab 2023 bereits nach dem der Russischen Föderation.
Oleksyj Smykov wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt, sechs weitere Häftlinge zu 22 Jahren Artur Hretsky., Oleksandr Merotschenew, Mykyta Tymonin, Oleksandr Muchin, Oleh Tyschkul und Jaroslav Zhdamarov), zwei Gefangene zu 20 Jahren (Oleksandr Irch und Artem Hrebeschkov); Anatolij Hrytsyk erhielt 19, Oleh Mizhhorodskyj 17 und Oleh Zharkov 13 Jahre.
Das Asov-Regiment ist Teil der ukrainischen Streitkräfte. Es wurde im August 2022 in Russland per Gesetz zur „terroristischen Organisation“ erklärt (in der „Volksrepublik Donezk“ („DNR“) bereits 2016). Alle Verurteilten waren jedoch bereits im Frühjahr 2022 in die Hände der Besatzer gefallen. Sie waren entweder von zu Hause entführt oder auf der Straße festgenommen worden, oder sie hatten die Filtrationslager nicht passiert. Zunächst wurden die Festgenommenen in Donezk gefangen gehalten und erst später (bereits 2023) nach Rostov am Don überführt. Ein Gesetz vom August 2022 hätte gegen die Angeklagten nicht zur Anwendung kommen dürfen. Darüber hinaus hatten mehrere von ihnen zum Zeitpunkt ihrer Festnahme und Verschleppung ohnehin keine Kontakte zu Asov. Davon abgesehen berichteten die Angeklagten wiederholt darüber, dass sie ohne Anwalt verhört und dass ihre Aussagen verfälscht worden seien.
Seine Festnahme beschreibt Oleksandr Muchin in seinem Schlusswort vor Gericht: „…ich war zu Hause in Mariupol. Alles passierte sehr schnell. Der Krieg, irgendwelche Leute kamen ins Haus, schlugen mich, zogen mir einen Sack über den Kopf und brachten mich raus. Das war so am 20. oder 21. März. Kaum jemanden kümmert es, wo ich mich in der Zeit vom 20. März 2022 bis 8. April befand. Ich hatte ja den Sack über dem Kopf. Was ich unterschrieben habe, das weiß ich nicht.“
Der ebenfalls angeklagte Oleksandr Ischtschenko hat das Verfahren nicht mehr erlebt, er ist am 22. Juli 2024 im Alter von 55 Jahren in der Haft verstorben, mutmaßlich infolge von Folterungen. Auch die übrigen Angeklagten beklagten sich über systematische Misshandlungen, fehlende medizinische Versorgung und weitere Menschenrechtsverletzungen während der „Untersuchungshaft“. Die Frau Oleh Zharkovs berichtete Journalisten von ihrem Eindruck, als sie ihren Mann auf einem Youtube-Kanal zu sehen bekam: „Ich sah Oleh bei Youtube im Gerichtssaal und war völlig konsterniert. Das war nicht er, sondern ein völlig erschöpfter, alter Mann. Er hatte eine frische Narbe an der Schläfe – haben sie ihn geschlagen?“
Ein wesentliches Problem ist, dass Russland Kriegsgefangene nicht als solche anerkennt, wie Jevhen Sacharov erklärt: „Russland versteht das nicht als militärischen Konflikt und nicht als Krieg, sondern als militärische Spezialoperation. Also ist das kein Krieg Und deshalb sind Kriegsgefangene keine Kriegsgefangenen. Unsere Kriegsgefangenen werden wegen gewöhnlicher Straftaten, Mord, Körperverletzung, Raub, Spionage und Terrorismus angeklagt und zu extrem hohen Haftstrafen verurteilt.“
Memorial hat alle Verurteilten als politische Gefangene anerkannt.