Drastische Strafmaßnahmen gegen prominente politische Gefangene

Vladimir Kara-Mursa, der in der Region Omsk eine 25-jährige Haftstrafe verbüßt, wurde am 19. Juni für ein halbes Jahr aus dem Strafisolator in eine spezielle Strafzelle mit extrem harten Haftbedingungen verlegt. Diese Maßnahme wurde verhängt, weil er die Hände ein paar Sekunden lang nicht nach Vorschrift hinter dem Rücken gehalten habe, um seine Mütze abzulegen, wie ebenfalls vorgeschrieben.

Kara-Mursa war am 17. April 2023 wegen angeblichen Staatsverrats und weiterer unterstellter Verbrechen zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden, die höchste Haftstrafe, die in den letzten Jahren verhängt wurde und nur zur Zeit Stalins üblich war. In den Jahren 2015 und 2017 war er Opfer von Vergiftungsanschlägen, ähnlich für Navalnyj, die er mit knapper Not überlebte, von denen er aber schwere Gesundheitsschäden davontrug. Daher ist die Verlegung in eine Strafzelle mit extremen Haftbedingungen für die höchstmögliche Frist von sechs Monaten für ihn lebensbedrohlich.

Darüber hinaus wird Kara-Mursa das Recht verwehrt, mit seiner Familie wenigstens telefonisch in Kontakt zu treten. Heute wurde seine diesbezügliche Klage abgewiesen. Er hatte seiner Frau zum zwanzigsten Hochzeitstag sowie seiner Tochter zum Erreichen der Volljährigkeit gratulieren wollen.

„Ich verstehe nicht wie und vor allem warum man erklären muss, weshalb es für einen Menschen wichtig ist, seiner Frau aus Anlass des zwanzigsten Hochzeitstags oder sein Kind zur Volljährigkeit anzurufen – das ist etwas, was ein Mensch nur einmal im Leben stattfindet“, so Kara-Mursa bei der Verhandlung. In den über zwei Jahren seiner Haft hat Kara-Mursa nur ein einziges Mal mit seiner Frau und zweimal mit seinen Kindern telefonieren können.

Am 18. Juni war bereits Ilja Jaschin, der im Gebiet Smolensk einsitzt, ebnfalls aus dem Strafisolator (wo er sich "wegen notorischer Verstöße gegen die Vorschriften" befand) ebenfalls in eine solche Strafzelle verlegt worden.

Jaschin ist Mitglied der oppositionellen Partei Jabloko, war ein langjähriger Freund des ermordeten Oppositionspolitikers Nemtsov und hatte 2021 versucht, für die Nachwahlen zum Moskauer Stadtparlament zu kandidieren, wurde jedoch nicht zugelassen. Er hatte gegen die Großinvasion in die Ukraine protestiert und insbesondere auf seinem Youtube-Kanal über das Massaker russischer Truppen in Butscha berichtet. Am 9. Dezember 2022 wurde er wegen "Diskreditierung" der russischen Streitkräfte und Verbreitung falscher Informationen über die "militärische Spezialoperation" in der Ukraine zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt.

Seine Verlegung in die Strafzelle kommentierte Ilja Jaschin wie folgt:
„Wahrscheinlich hat es für Sie keine Bedeutung, wenn man von strafrechtlicher Verantwortung spricht, weil Sie offenkundig davon ausgehen, über dem Gesetz zu stehen. Aber die Zeiten ändern sich. Und mitunter ändert sich das Regime. Und Ihre Überzeugung, selbst straflos zu bleiben, kann sich als Irrtum erweisen…---Natürlich ist es emotional und physisch belastend, ständig in einem Betonkarzer ‚unter Verschluss‘ zu sitzen. Das erfordert eine enorme Willens- und Kräfteanspannung. Aber zugleich bin ich ruhig und empfinde eine moralische Befriedigung.“

21. Juni 2024

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