MEMORIAL ist eine der ältesten gesellschaftlichen Organisationen Russlands. Ihr Hauptanliegen ist die Wahrung des Andenkens an die Opfer politischer Verfolgungen. Hier sei daran erinnert, dass der Ausdruck „ausländischer Agent“ eines der häufigsten Etiketten war, mit dem „Volksfeinde“ unter Stalin sowie Andersdenkende zu späteren Zeiten stigmatisiert wurden. Heute ist dieses Etikett zurückgekehrt – und es wird, wie zu früheren Zeiten, eingesetzt, ohne dass irgendwelche inhaltlichen Einwände gegen die Arbeit der Organisationen vorgebracht würden, die willkürlich in das Register von „Organisationen, die die Funktionen eines ausländischen Agenten ausüben“, eingetragen werden.
MEMORIAL International stützt sich in seiner Klage auf die Position des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation, wie sie im Beschluss 10-P vom 8. April 2014 festgehalten wurde. Danach muss eine NGO, „die die Funktionen eines ausländischen Agenten ausübt, eine russische NGO sein, das heißt, dass internationale und ausländische Organisationen, ebenso wie ihre Vertretungen (Filialen), die auf dem Territorium der Russischen Föderation eröffnet wurden“, nicht zu ihnen gezählt werden können.
Nach Auffassung der Angestellten des Justizministeriums legt MEMORIAL die Position des Verfassungsgerichts falsch aus. Das Verfassungsgericht habe unter internationalen Organisationen nur solche verstanden, die in ausländischen Staaten gegründet und registriert worden seien. Und die Internationale Gesellschaft MEMORIAL sei in Russland registriert. Offensichtlich hält das Justizministerium internationale Organisationen, die in Russland gegründet und registriert wurden, eigentlich nicht für „international“.
Was die öffentlichen Erklärungen von MEMORIAL betrifft, die das Justizministerium als „politische Tätigkeit“ interpretiert, so versteht MEMORIAL diese Verlautbarungen als Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, ein Recht, das die Verfassung der Russischen Föderation garantiert.
15. Dezember 2016