Menschenrechte: „Im Sog des Sturms“

Internationaler Tag der Menschenrechte am 10. Dezember: Erklärung der Internationalen Vereinigung Memorial

Das Fazit des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts erfüllt mit großer Sorge.

Das vergangene 20. Jahrhundert gab der Menschheit nach zwei Weltkriegen Hoffnung. In der Mitte dieses Jahrhunderts veränderten zwei miteinander verbundene Ereignisse die Welt. Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Bereits 1946 hatte das Nürnberger Tribunal ein Urteil gegen die Führung des nationalsozialistischen Regimes gefällt. Militärische Aggression wurde als Verbrechen erklärt, das Recht des Stärkeren, Willkür zu üben, hörte auf zu existieren. Die Menschheit, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erlebt hatte, erklärte die Idee der Menschenrechte zur Grundlage der internationalen Rechtsordnung.

Vier Jahrzehnte später begann das sowjetische Imperium zu zerfallen. An der Schwelle der 1990er-Jahre schien es, als hätte sein Zusammenbruch die Möglichkeit für eine systematische und konsequente Umsetzung der Prinzipien der Menschenrechte und des Völkerrechts auf der ganzen Welt eröffnet.

Doch heute werden diese grundlegenden Prinzipien infrage gestellt. Die internationalen Mechanismen, die zu ihrem Schutz geschaffen wurden, haben sich als machtlos erwiesen.

Die Aggression des Putin-Regimes gegen die Ukraine fand keinen angemessenen Widerstand seitens der Weltgemeinschaft.

Immer deutlicher zeichnet sich ein Bündnis des Putin-Regimes mit verschiedenen diktatorischen Regimen in unterschiedlichen Teilen der Welt ab. Dieses Bündnis gründet sich auf die Ablehnung der Menschenrechte und den uneingeschränkten Vorrang staatlicher Interessen vor diesen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika, die über viele Jahrzehnte weltweit für die Einhaltung der Menschenrechte eingetreten waren und Führungsanspruch unter den demokratischen Staaten erhoben, zeigen nun eine offen feindliche Haltung gegenüber den Prinzipien der Menschenrechte und der auf Recht gegründeten internationalen Ordnung.

Schließlich gewinnen auch in den demokratischen Staaten Europas populistische Kräfte an Einfluss, die zum Verzicht auf die grundlegenden Werte der Menschenrechte aufrufen.

Wie wir sehen, befinden sich diese grundlegenden Werte „im Sog des Sturms“. Das, was die Menschheit im vergangenen Jahrhundert um den Preis unvorstellbarer Verluste und Leiden erreicht hat, bricht vor unseren Augen zusammen.

Wird das 21. Jahrhundert eine Zeit der Rückkehr zu einer Welt werden, die von Großmächten in „Einflusszonen“ aufgeteilt ist? Ein Jahrhundert des Triumphs von Despotismus und Imperialismus, in dem die Menschenrechte erneut zur inneren Angelegenheit der Staaten werden? Und damit ein Jahrhundert neuer Weltkriege?

Oder wird die Menschheit, nachdem sie die Krise überwunden hat, ihren Weg zu einer Welt fortsetzen, in der die Achtung der Menschenrechte und ein würdiges Leben für ALLE garantiert sind?

Die Antwort auf diese Fragen hängt von UNS ALLEN ab.

Vorstand der Internationalen Vereinigung Memorial, 9. Dezember 2025

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