Navalnyj-Organisationen als extremistisch eingestuft

Erklärung des Menschenrechtszentrums Memorial

Am späten Abend des 9. Juni stufte der Richter des Moskauer Stadtgerichts Vjatscheslav Polyga den Fonds zur Korruptionsbekämpfung (FBK), den Fonds zum Schutz der Bürgerrechte (FZPG) sowie die Navalnyj-Stäbe als extremistisch ein – Strukturen, die mit dem politischen Häftling Aleksey Navalnyj in Verbindung stehen.

Diese Entscheidung hat keinerlei Rechtsgrundlagen, und das nicht einmal vom Standpunkt der russischen Anti-Extremismus-Gesetzgebung aus, die unzulässig weit gefasst, verschwommen und repressiv ist. Weder in den veröffentlichten Unterlagen des Verfahrens noch in den Tätigkeiten dieser Vereinigungen selbst gibt es etwas, was auf eine „extremistische Tätigkeit“ hinweist. Die fieberhafte Schnelligkeit bei dieser Gerichtsentscheidung und die uns bekannten Umstände der gerichtlichen Untersuchung zwingen dazu, von einer demonstrativen Missachtung grundlegender Rechtsprinzipien zu sprechen.

Der Prozess fand ohne jegliche vernünftige Begründung faktisch unter Ausschluss der Medien und der Gesellschaft statt. Es gab nicht einmal die Illusion einer kontroversen Verhandlung: Das Gericht ignorierte alle Anträge der Beklagten und stimmte im Gegenteil unkritisch allen Forderungen der Staatsanwaltschaft zu. Als Begründung der staatsanwaltschaftlichen Forderungen wurde dabei eine wenig sinnvolle Ansammlung von Papieren vorgelegt, die als Beweise unzulässig und zu dem Fall überhaupt keine Beziehung hatten.

Wir halten die Entscheidung über das Verbot dieser öffentlichen Vereinigungen, das die Rechte und die Freiheiten der Bürger Russlands verletzt, für rein politisch motiviert. Sie steht in eklatantem Widerspruch zu dem Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Die offensichtlichen Folgen werden neue rechtswidrige, politisch motivierte Strafverfolgungen und administrative Repressionen sein. Das Kalkül ist klar: Die Angst vor solchen willkürlich angewandten Sanktionen soll eine friedliche, oppositionelle, politische und im weiteren Sinne öffentliche Aktivität ebenso lähmen wie die öffentliche Kritik an den Machthabern.

Die Entscheidung zu FBK, FZPG und den Navalnyj-Stäben ist ein weiterer Schritt in die Richtung, politische Diskussion und Konkurrenz ausschließlich mit Repressionen zu ersetzen.

Es steht außer Frage, dass diese Entscheidung aufgehoben werden muss.

11. Juni 2021

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