„Hände weg von MEMORIAL“
Berlin, 14.12.2021 In mehreren Städten Deutschlands demonstrierten am gestrigen Montagabend hunderte von Menschen gegen die drohende Zerschlagung der internationalen Menschenrechtsorganisation MEMORIAL in Moskau.
In Berlin versammelten sich über 200 Menschen vor der Russischen Botschaft Unter den Linden. Dazu aufgerufen hatten die Organisationen MEMORIAL Deutschland, Amnesty International sowie der Schriftstellerverband PEN.
„MEMORIAL ist eine freie und unabhängige Stimme, die heute ‚stört‘, weil der Kreml die Vergangenheit in seinem Sinne interpretieren und für politische Zwecke instrumentalisieren will“, so Sabine Erdmann, Vorstandsmitglied MEMORIAL Deutschland.
Ein Verbot von MEMORIAL, so Erdmann, wäre eine Zäsur. Es ist die älteste und bekannteste NGO in Russland mit großen Verdiensten um die Aufarbeitung der Repressionsgeschichte und die Verteidigung von Menschenrechten heute.
Daneben sprachen Dr. Julia Duchrow (Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International), Ellen Überschär (Leiterin der Böll-Stiftung), Christoph Links (PEN), Tim Bohse (DRA), Alexander Formosov (Dekabristen) sowie Eckehard Maaß (Deutsch-Kaukasische Gesellschaft). Sie alle hoben die Bedeutung der Menschenrechtsorganisation hervor und forderten den Kreml auf, deren Existenz zu sichern und die Unabhängigkeit von MEMORIAL zu wahren.
Auch in Dresden, München, Leipzig und Halle kam es zu Protesten lokaler Gruppen von MEMORIAL Deutschland sowie deren Partnerorganisationen.
Demonstration in München, organisiert von der Münchner MEMORIAL-Gruppe und Amnesty International. Foto: Robert Jonsson
Parallel protestierte auch MEMORIAL Česká republika vor der Russischen Botschaft in Prag gegen den Eingriff des russischen Staates in die Menschenrechtsbewegung.
Kundgebung in Prag
MEMORIAL Deutschland und MEMORIAL Tschechien sind Teil der von der Zerschlagung betroffenen internationalen Menschenrechtsorganisation MEMORIAL mit Sitz in Moskau. Ebenfalls von der Zerschlagung betroffenen ist das MEMORIAL Menschenrechtszentrum (ebenfalls in Moskau).
Seit Jahren werden die MEMORIAL-Verbände in Russland von staatlicher Seite drangsaliert, Aktivisten verfolgt und in den Staatsmeiden verleumdet. Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau strebt nun mittels falscher Behauptungen eine Zerschlagung der mehr als 30 Jahre alten regierungskritischen Organisation an.
Die Verhandlung über ein Verbot von Memorial International begann am 25. November vor dem Obersten Gericht in Moskau. Sie brachte noch kein Ergebnis und wird heute, am 14. Dezember fortgesetzt.
Hintergrund:
Im aktuellen Podcast von MEMORIAL Deutschland erklärt Irina Scherbakowa von MEMORIAL International den Hergang eines absurden Vorgangs, was eine Schließung für die Menschenrechte in Russland bedeuten würde und weshalb der Prozess vor allem auch ein Zeichen an den Westen ist. Scherbakowa berichtet von Folter gegen Andersdenkende und erhebt schwere Vorwürfe gegen den russischen Staat.