(07.12.2002)
Die erste Militäraktion in Tschetschenien (Tsch.)  (1994-96) wurde bekanntlich nicht mit klaren Rechtsbegriffen bezeichnet,  sondern durch Euphemismen wie "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen  Ordnung" oder "Lösung der Verfassungskrise" umschrieben.
 Diese rechtliche Unklarheit herrscht auch in Bezug auf den derzeit  durchgeführten militärischen Einsatz. Zu ihrer Rechtfertigung wird  offiziell zumeist auf den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus  verwiesen und von Anti-Terror-Operation gesprochen; gelegentlich ist  auch die Rede von der Antwort auf Angriffe durch organisierte Banden  oder einfach nur "Tschetschenen". Diese Äusserungen besitzen  deklaratorischen Wert, stellen jedoch keine rechtliche Begründung dar.
 Das Konzept der nationalen Sicherheit, das mit Präsidentenerlass Nr.  1300 vom 17.12.97 bestätigt wurdet, sieht vor, dass "die Anwendung  militärischer Gewalt gegen Zivilisten oder zur Umsetzung  innenpolitischer Ziele nicht zulässig ist. Gleichzeitig ist der Einsatz  von Einheiten der Streitkräfte der Russischen Föderation zusammen mit  anderen Truppen, bewaffneten Kräften und Einrichtungen in Bezug auf  illegale bewaffete Gruppen, die eine Gefahr für das nationale Interesse  der Russischen Föderation darstellen, in strikter Übereinstimmung mit  der Verfassung der Russischen Föderation und föderalen Gesetzen  zulässig". Das Konzept unterstreicht auch die Notwendigkeit, "die Normen  des Völkerrechts und die russischen Gesetze bei der Anwendung von  Zwangsmaßnahmen(einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt)  einzuhalten".
 Es ist also davon auszugehen, dass die Anwendung militärischer Gewalt  mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit nicht nur  dadurch bestimmt werden kann, was die für die entsprechenden  Entscheidungen zuständigen Stellen für zweckmäßig halten, sondern auf  konkrete Rechtsnormen gestützt und in einen rechtlichen Rahmen gestellt  sein muss.
 Wie sehen also die rechtlichen Möglichkeiten aus, auf die die Regierung  bei der Rechtfertigung der breitangelegten militärischen Aktionen in  Tsch. verweisen kann?
 1. Artikel 88 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im Falle einer  realen Gefahr für die Sicherheit der Bürger oder die verfassungsmäßige  Ordnung, die außerordentliche Maßnahmen erforderlich macht, durch Erlass  im gesamten Hoheitsgebiet oder in einzelnen Regionen den  Ausnahmezustand erklärt und den Föderationsrat sowie die Staatsduma  unverzüglich davon in Kenntnis setzt. Der entsprechende Erlass muss  durch den Föderationsrat bestätigt werden. Die Formulierung dieser  Verfassungsnorm lässt jedoch die Frage offen, ob die Erklärung des  Ausnahmezustands ein Recht des Präsidenten ist, das dieser nach eigenem  Ermessen ausübt, oder eine Pflicht, die er zu erfüllen hat.
 Das Gesetz über den Ausnahmezustand wurde bereits 1991 angenommen (Nr.  1252-1 vom 17.05.91). Es wurde jedoch weder während des ersten  bewaffneten Einsatzes in Tsch. noch in der jetzigen Situation  angewendet, obwohl die Machtorgane bei der Begründung des militärischen  Einsatzes auf eben diese Situation Bezug genommen haben, die nach  Artikel 4 Buchstabe a des Gesetzes Grundlage für die Erklärung des  Ausnahmezustands sind: Versuch einer gewaltsamen Veränderung der  verfassungsmäßigen Ordnung, Massenunruhen mit Gewaltanwendung,  internationale Konflikte, Blockade einzelner Gebiete, Gefahr für Leben  und Sicherheit der Bürger oder die ordentliche Tätigkeit staatlicher  Einrichtungen.
 Die Tatsache, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand nicht angewendet  werden soll, erklärt sich zunächst damit, dass dieses die Teilnahme der  Streitkräfte an Maßnahmen zur Normalisierung der Lage nicht vorsieht und  diese Aufgabe den Truppen des Innenministeriums (MWD) überträgt (der  Einsatz der Streitkräfte ist ausschließlich im Rahmen der  Katastrophenhilfe zugelässig). Ein weiterer Grund, der nicht offen  ausgesprochen wird, sind die präzisen Vorschriften des Gesetzes über den  Ausnahmezustand, das eine rechtliche Regelung für den Ausnahmezustand  vorgibt und die genaue Angabe der staatlichen Stellen fordert, die für  die entsprechenden Maßnahmen zuständig sind, sowie die Angabe von Ausmaß  und Umfang der außerordentlichen Maßnahmen in dem entsprechenden Erlass  und die erschöpfende Aufzählung der zeitweiligen Einschränkung der  Rechte und Freiheiten der Bürger und darüber hinaus Garantien enthält  für die Rechte des Bürgers und den Schutz dieser Rechte (Artikel 8, 17,  18 ff) schafft. Artikel 27 bestimmt deutlich, dass die Einführung des  Ausnahmezustands nicht als Grund für die Anwendung von "Folter,  grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" dienen darf; die  Artikel 28 und 33 bestimmen, dass die gesetzlich geregelte Anwendung von  Gewalt und der Einsatz von Feuerwaffen während des Ausnahmezustand  nicht geändert werden dürfen und Angehörige des Innenministeriums und  Wehrpflichtige für die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt und die  Überschreitung ihrer dienstlichen Befugnisse, einschließlich der  Verletzung der garantierten Bürgerrechte, zur Verantwortung gezogen  werden. In der Tat werden mit dieser Regelung "die Hände gebunden" und  der Ermessensspielraum (oder einfacher gesagt, die Willkür) bei der  Durchführung bewaffneter Operationen erheblich eingeschränkt.
 Man kann dem zustimmen, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand extreme  Situationen, die die zusätzliche Beteiligung der Streitkräfte zur  Stabilisierung des Ausnahmezustands rechtfertigen, nicht in vollem  Umfang in Betracht zieht; dass das Gesetz also auch Normen enthalten  sollte, die eine solche Beteiligung und die Anwendung bewaffneter Gewalt  in einen festen rechtlichen Rahmen stellen. Seit seiner Annahme wurde  das Gesetz jedoch nicht geändert. Formal ist es weiterhin in Kraft, in  der Praxis wird es jedoch ignoriert.
 2. Nach dem föderalen Gesetz über die Verteidigung Nr. 61-FS vom  24.04.96 sind die Streitkräfte (die als "staatliche militärische  Organisation (definiert werden,) die die Grundlage der Verteidigung der  Russischen Föderation" bilden) dazu bestimmt, "einen Angriff gegen die  Russische Föderation abzuwehren, die Integrität und Unverletztlichkeit  des Hoheitsgebiets der Russischen Föderation mit Waffengewalt zu  schützen und darüber hinaus Aufgaben zu erfüllen, die sich aus  völkerrechtlichen Verträgen der Russischen Föderation ergeben. Das ihrer  Zweckbestimmung nicht entsprechende Heranziehen der Streitkräfte der  Russischen Föderation zur Erfüllung von Aufgaben mit Waffengewalt  erfolgt durch den Präsidenten der Russischen Föderation nach Maßgabe der  föderalen Gesetze" (Artikel 10 Absatz 2 und 3). Im Zusammenhang mit dem  genannten Artikel ist ohne Frage die Rede von bewaffnetem Schutz vor  einem Angriff von außen, denn rechtlich gesehen kann bei einem Subjekt  der Föderation (d.h. einer territorialen Einheit innerhalb des Landes)  &_65533; und als solches gilt Tsch. offiziell &_65533; nicht von  einem Angriff gegen die Russische Föderation gesprochen werden. Doch  selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich im vorliegenden Fall um  einen Angriff handelt, muss Artikel 19 des Gesetzes über die  Verteidigung zur Anwendung gelangen, der die Einführung des  Kriegszustands vorsieht. Der Artikel definiert den Kriegszustand als  besondere rechtliche Regelung, die das Handeln der staatlichen und  Selbstverwaltungsorgane bestimmt und mit der eine Einschränkung der  Rechte und Freiheiten verbunden ist. "Im Kriegszustand können die  Streitkräfte, andere Truppen, bewaffnete Kräfte und Einrichtungen  militärisch zur Abwendung eines Angriffs unabhängig von der Ausrufung  des Krieges eingreifen. Der Kriegszustand wird nach Artikel 87 der  Verfassung jedoch durch den Präsidenten verhängt, der den Föderationsrat  und die Staatsduma unverzüglich davon in Kenntnis setzt, der  entsprechende Erlass muss durch den Föderationsrat bestätigt werden.  Hier sollte nicht vergessen werden, dass der Kriegszustand in  Übereinstimmung mit der Verfassung durch ein föderales Verfassungsgesetz  geregelt werden muss (ein solches Gesetz wurde bislang nicht  verabschiedet).
 In diesem Fall wurde der Kriegszustand nicht ausgerufen. Wenn man also  die Militäroperation in Tsch. aus Sicht des geltenden russischen Rechts  betrachtet, kann man nur festgestellen, dass es sich hier um einen  bewaffneten Einsatz der Streitkräfte handelt, der nicht zu ihrer  Zweckbestimmung entspricht. Dies ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen,  das bereits zitierte Konzept der nationalen Sicherheit weist darauf  hin; der "politische" Charakter des Konzept geht jedoch deutlich aus  seinem Wortlaut hervor. Gesetze, die die Modalitäten des Einsatzes von  Waffen und militärischer Kontingente außerhalb ihrer Zweckbestimmung  regeln, gibt es gegenwärtig nicht. Es folgt jedoch aus Artikel 5 Absatz 1  Unterabsatz 3 des Gesetzes über die Verteidigung, dass ein Heranziehen  der Streitkräfte und anderer bewaffneter Kräfte außerhalb ihrer  Zweckbestimmung durch Erlass des Präsidenten erfolgen muss, der der  durch den Föderationsrat bestätigt wird. In diesem Fall wurde kein  derartiger Erlass veröffentlich und zur Bestätigung vorgelegt, der  Einsatz der Streitkräfte zur Durchführung von Aufgaben, die nicht mit  ihrer Zweckbestimmung verbunden sind, wird damit unmöglich.
 3. Die breitangelegten militärischen Aktionen in Tsch. werden zumeist  als Anti-Terror-Aktion begründet, wobei auf das Gesetz über den Kampf  gegen den Terrorismus verwiesen wird (Nr. 130-FS vom 03.07.98).  Tatsächlich heißt es in Artikel 7 dieses Gesetzes, das die Zuständigkeit  der Stellen zur Bekämpfung des Terrorismus festlegt, dass das  Verteidigungsministerium den Schutz von militärischen Objekten und  Waffen, die Sicherheit der Seeschiffahrt und des Luftraums gewährleistet  und auch an der Durchführung von "Anti-Terror-Operationen teilnimmt".  Diese allgemeine Formulierung im Gesetzestext wird nicht näher erläutert  und die Frage nach dem Wie, der Art und des Umfangs der Beteiligung  bleibt offen.
 Artikel 3 des Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus definiert  eine Anti-Terroroperation als "besondere Maßnahmen, die Terroranschläge  verhindern, die Sicherheit von Menschen gewährleisten, Terroristen  unschädlich machen und die Folgen eines Terroranschlags gering halten  sollen". Kapitel III des Gesetzes regelt die Durchführung von  Anti-Terror-Operationen. Das Gesetz sieht die Einrichtung eines  Operationsstabs vor, der aufgrund eines Regierungsbeschlusses gebildet  wird und die unmittelbare Leitung einer solchen Operation unter Führung  eines Vertreters des FSB oder des Innenministeriums (je nachdem, in  wessen Kompetenzbereich die Durchführung einer bestimmten  Anti-Terror-Operation fällt) wahrnimmt und auf der Grundlage eines  besonderen Richtlinienpapiers tätig wird, das den Rahmenbestimmungen des  föderalen Anti-Terror-Ausschusses entspricht. Der Operationsstab für  die Anti-Terror-Operation hat allerdings das Recht, die notwendigen  Kräfte und Mittel der föderalen Organe anzufordern, die unmittelbar mit  dem Kampf gegen den Terrorismus befasst sind, u.a. auch des  Verteidigungsministeriums (Artikel 11). Eine Analyse der oben genannten  Definition einer Anti-Terror-Operation sowie verschiedener weiterer  Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere des Artikels 2 über die  Grundsätze des Kampfs gegen den Terrorismus ("Priorität der Maßnahmen  zur Vorbeugung des Terrorismus", "Zusammenwirken offener und verdeckter  Methoden des Kampfes", "Priorität des Schutzes der Rechte derjenigen,  die aufgrund eines Terrorakts gefährdet sind"), führt zu dem Schluss,  dass das Gesetz bei Durchführung einer Anti-Terror-Operation den  Spezialdiensten vorrangige Bedeutung einräumt und der Einsatz der  Streitkräfte und deren Waffen nur als ergänzende Unterstützung erfolgen  kann, in jedem Fall jedoch nicht zu schwerwiegenderen Folgen im  Verhältnis zum eigentlichen Terrorakt führen darf, der verhindert werden  sollte (Tod von Zivilisten, Zerstörung von Gebäuden, Infrastruktur  usw.).
 Gleichzeitig folgt daraus, dass die Rechtsgrundlage für den Kampf gegen  den Terrorismus nicht nur durch das genannte Gesetz, sondern auch durch  die Verfassung und andere föderale Gesetze sowie die allgemeingültigen  Grundsätze und Normen des Völkerrechts gegeben ist (Artikel 1 des  Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus). Das bedeutet  insbesondere, dass die Normen des Gesetzes über den Kampf gegen den  Terrorismus systematisch unter Berücksichtigung der bereits genannten  Verfassungsnormen und Bestimmungen föderaler Gesetze über den Einsatz  der Streitkräfte interpretiert und angewendet werden müssen.
 Insofern entbehrt der breitangelegte Einsatz der schwer bewaffneten  Streitkräfte in Tsch. einer überzeugenden Rechtsgrundlage durch  Verfassung und föderale Gesetze sowie einer ordentlichen Rechtsform. Der  Einsatz der Streitkräfte erfolgt im rechtlichen Vakuum und lässt  breiten Raum für Willkür und Nichteinhaltung der grundlegenden  Verfassungsrechte der Zivilbevölkerung.
 Aus dem Russischen übersetzt im Dez. 2002; der Artikel wurde von  Memorial am 27.12.1999 in russischer Sprache publiziert
(07.12.2002)
Die erste Militäraktion in Tschetschenien (Tsch.)  (1994-96) wurde bekanntlich nicht mit klaren Rechtsbegriffen bezeichnet,  sondern durch Euphemismen wie "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen  Ordnung" oder "Lösung der Verfassungskrise" umschrieben.
 Diese rechtliche Unklarheit herrscht auch in Bezug auf den derzeit  durchgeführten militärischen Einsatz. Zu ihrer Rechtfertigung wird  offiziell zumeist auf den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus  verwiesen und von Anti-Terror-Operation gesprochen; gelegentlich ist  auch die Rede von der Antwort auf Angriffe durch organisierte Banden  oder einfach nur "Tschetschenen". Diese Äusserungen besitzen  deklaratorischen Wert, stellen jedoch keine rechtliche Begründung dar.
 Das Konzept der nationalen Sicherheit, das mit Präsidentenerlass Nr.  1300 vom 17.12.97 bestätigt wurdet, sieht vor, dass "die Anwendung  militärischer Gewalt gegen Zivilisten oder zur Umsetzung  innenpolitischer Ziele nicht zulässig ist. Gleichzeitig ist der Einsatz  von Einheiten der Streitkräfte der Russischen Föderation zusammen mit  anderen Truppen, bewaffneten Kräften und Einrichtungen in Bezug auf  illegale bewaffete Gruppen, die eine Gefahr für das nationale Interesse  der Russischen Föderation darstellen, in strikter Übereinstimmung mit  der Verfassung der Russischen Föderation und föderalen Gesetzen  zulässig". Das Konzept unterstreicht auch die Notwendigkeit, "die Normen  des Völkerrechts und die russischen Gesetze bei der Anwendung von  Zwangsmaßnahmen(einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt)  einzuhalten".
 Es ist also davon auszugehen, dass die Anwendung militärischer Gewalt  mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit nicht nur  dadurch bestimmt werden kann, was die für die entsprechenden  Entscheidungen zuständigen Stellen für zweckmäßig halten, sondern auf  konkrete Rechtsnormen gestützt und in einen rechtlichen Rahmen gestellt  sein muss.
 Wie sehen also die rechtlichen Möglichkeiten aus, auf die die Regierung  bei der Rechtfertigung der breitangelegten militärischen Aktionen in  Tsch. verweisen kann?
 1. Artikel 88 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im Falle einer  realen Gefahr für die Sicherheit der Bürger oder die verfassungsmäßige  Ordnung, die außerordentliche Maßnahmen erforderlich macht, durch Erlass  im gesamten Hoheitsgebiet oder in einzelnen Regionen den  Ausnahmezustand erklärt und den Föderationsrat sowie die Staatsduma  unverzüglich davon in Kenntnis setzt. Der entsprechende Erlass muss  durch den Föderationsrat bestätigt werden. Die Formulierung dieser  Verfassungsnorm lässt jedoch die Frage offen, ob die Erklärung des  Ausnahmezustands ein Recht des Präsidenten ist, das dieser nach eigenem  Ermessen ausübt, oder eine Pflicht, die er zu erfüllen hat.
 Das Gesetz über den Ausnahmezustand wurde bereits 1991 angenommen (Nr.  1252-1 vom 17.05.91). Es wurde jedoch weder während des ersten  bewaffneten Einsatzes in Tsch. noch in der jetzigen Situation  angewendet, obwohl die Machtorgane bei der Begründung des militärischen  Einsatzes auf eben diese Situation Bezug genommen haben, die nach  Artikel 4 Buchstabe a des Gesetzes Grundlage für die Erklärung des  Ausnahmezustands sind: Versuch einer gewaltsamen Veränderung der  verfassungsmäßigen Ordnung, Massenunruhen mit Gewaltanwendung,  internationale Konflikte, Blockade einzelner Gebiete, Gefahr für Leben  und Sicherheit der Bürger oder die ordentliche Tätigkeit staatlicher  Einrichtungen.
 Die Tatsache, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand nicht angewendet  werden soll, erklärt sich zunächst damit, dass dieses die Teilnahme der  Streitkräfte an Maßnahmen zur Normalisierung der Lage nicht vorsieht und  diese Aufgabe den Truppen des Innenministeriums (MWD) überträgt (der  Einsatz der Streitkräfte ist ausschließlich im Rahmen der  Katastrophenhilfe zugelässig). Ein weiterer Grund, der nicht offen  ausgesprochen wird, sind die präzisen Vorschriften des Gesetzes über den  Ausnahmezustand, das eine rechtliche Regelung für den Ausnahmezustand  vorgibt und die genaue Angabe der staatlichen Stellen fordert, die für  die entsprechenden Maßnahmen zuständig sind, sowie die Angabe von Ausmaß  und Umfang der außerordentlichen Maßnahmen in dem entsprechenden Erlass  und die erschöpfende Aufzählung der zeitweiligen Einschränkung der  Rechte und Freiheiten der Bürger und darüber hinaus Garantien enthält  für die Rechte des Bürgers und den Schutz dieser Rechte (Artikel 8, 17,  18 ff) schafft. Artikel 27 bestimmt deutlich, dass die Einführung des  Ausnahmezustands nicht als Grund für die Anwendung von "Folter,  grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" dienen darf; die  Artikel 28 und 33 bestimmen, dass die gesetzlich geregelte Anwendung von  Gewalt und der Einsatz von Feuerwaffen während des Ausnahmezustand  nicht geändert werden dürfen und Angehörige des Innenministeriums und  Wehrpflichtige für die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt und die  Überschreitung ihrer dienstlichen Befugnisse, einschließlich der  Verletzung der garantierten Bürgerrechte, zur Verantwortung gezogen  werden. In der Tat werden mit dieser Regelung "die Hände gebunden" und  der Ermessensspielraum (oder einfacher gesagt, die Willkür) bei der  Durchführung bewaffneter Operationen erheblich eingeschränkt.
 Man kann dem zustimmen, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand extreme  Situationen, die die zusätzliche Beteiligung der Streitkräfte zur  Stabilisierung des Ausnahmezustands rechtfertigen, nicht in vollem  Umfang in Betracht zieht; dass das Gesetz also auch Normen enthalten  sollte, die eine solche Beteiligung und die Anwendung bewaffneter Gewalt  in einen festen rechtlichen Rahmen stellen. Seit seiner Annahme wurde  das Gesetz jedoch nicht geändert. Formal ist es weiterhin in Kraft, in  der Praxis wird es jedoch ignoriert.
 2. Nach dem föderalen Gesetz über die Verteidigung Nr. 61-FS vom  24.04.96 sind die Streitkräfte (die als "staatliche militärische  Organisation (definiert werden,) die die Grundlage der Verteidigung der  Russischen Föderation" bilden) dazu bestimmt, "einen Angriff gegen die  Russische Föderation abzuwehren, die Integrität und Unverletztlichkeit  des Hoheitsgebiets der Russischen Föderation mit Waffengewalt zu  schützen und darüber hinaus Aufgaben zu erfüllen, die sich aus  völkerrechtlichen Verträgen der Russischen Föderation ergeben. Das ihrer  Zweckbestimmung nicht entsprechende Heranziehen der Streitkräfte der  Russischen Föderation zur Erfüllung von Aufgaben mit Waffengewalt  erfolgt durch den Präsidenten der Russischen Föderation nach Maßgabe der  föderalen Gesetze" (Artikel 10 Absatz 2 und 3). Im Zusammenhang mit dem  genannten Artikel ist ohne Frage die Rede von bewaffnetem Schutz vor  einem Angriff von außen, denn rechtlich gesehen kann bei einem Subjekt  der Föderation (d.h. einer territorialen Einheit innerhalb des Landes)  &_65533; und als solches gilt Tsch. offiziell &_65533; nicht von  einem Angriff gegen die Russische Föderation gesprochen werden. Doch  selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich im vorliegenden Fall um  einen Angriff handelt, muss Artikel 19 des Gesetzes über die  Verteidigung zur Anwendung gelangen, der die Einführung des  Kriegszustands vorsieht. Der Artikel definiert den Kriegszustand als  besondere rechtliche Regelung, die das Handeln der staatlichen und  Selbstverwaltungsorgane bestimmt und mit der eine Einschränkung der  Rechte und Freiheiten verbunden ist. "Im Kriegszustand können die  Streitkräfte, andere Truppen, bewaffnete Kräfte und Einrichtungen  militärisch zur Abwendung eines Angriffs unabhängig von der Ausrufung  des Krieges eingreifen. Der Kriegszustand wird nach Artikel 87 der  Verfassung jedoch durch den Präsidenten verhängt, der den Föderationsrat  und die Staatsduma unverzüglich davon in Kenntnis setzt, der  entsprechende Erlass muss durch den Föderationsrat bestätigt werden.  Hier sollte nicht vergessen werden, dass der Kriegszustand in  Übereinstimmung mit der Verfassung durch ein föderales Verfassungsgesetz  geregelt werden muss (ein solches Gesetz wurde bislang nicht  verabschiedet).
 In diesem Fall wurde der Kriegszustand nicht ausgerufen. Wenn man also  die Militäroperation in Tsch. aus Sicht des geltenden russischen Rechts  betrachtet, kann man nur festgestellen, dass es sich hier um einen  bewaffneten Einsatz der Streitkräfte handelt, der nicht zu ihrer  Zweckbestimmung entspricht. Dies ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen,  das bereits zitierte Konzept der nationalen Sicherheit weist darauf  hin; der "politische" Charakter des Konzept geht jedoch deutlich aus  seinem Wortlaut hervor. Gesetze, die die Modalitäten des Einsatzes von  Waffen und militärischer Kontingente außerhalb ihrer Zweckbestimmung  regeln, gibt es gegenwärtig nicht. Es folgt jedoch aus Artikel 5 Absatz 1  Unterabsatz 3 des Gesetzes über die Verteidigung, dass ein Heranziehen  der Streitkräfte und anderer bewaffneter Kräfte außerhalb ihrer  Zweckbestimmung durch Erlass des Präsidenten erfolgen muss, der der  durch den Föderationsrat bestätigt wird. In diesem Fall wurde kein  derartiger Erlass veröffentlich und zur Bestätigung vorgelegt, der  Einsatz der Streitkräfte zur Durchführung von Aufgaben, die nicht mit  ihrer Zweckbestimmung verbunden sind, wird damit unmöglich.
 3. Die breitangelegten militärischen Aktionen in Tsch. werden zumeist  als Anti-Terror-Aktion begründet, wobei auf das Gesetz über den Kampf  gegen den Terrorismus verwiesen wird (Nr. 130-FS vom 03.07.98).  Tatsächlich heißt es in Artikel 7 dieses Gesetzes, das die Zuständigkeit  der Stellen zur Bekämpfung des Terrorismus festlegt, dass das  Verteidigungsministerium den Schutz von militärischen Objekten und  Waffen, die Sicherheit der Seeschiffahrt und des Luftraums gewährleistet  und auch an der Durchführung von "Anti-Terror-Operationen teilnimmt".  Diese allgemeine Formulierung im Gesetzestext wird nicht näher erläutert  und die Frage nach dem Wie, der Art und des Umfangs der Beteiligung  bleibt offen.
 Artikel 3 des Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus definiert  eine Anti-Terroroperation als "besondere Maßnahmen, die Terroranschläge  verhindern, die Sicherheit von Menschen gewährleisten, Terroristen  unschädlich machen und die Folgen eines Terroranschlags gering halten  sollen". Kapitel III des Gesetzes regelt die Durchführung von  Anti-Terror-Operationen. Das Gesetz sieht die Einrichtung eines  Operationsstabs vor, der aufgrund eines Regierungsbeschlusses gebildet  wird und die unmittelbare Leitung einer solchen Operation unter Führung  eines Vertreters des FSB oder des Innenministeriums (je nachdem, in  wessen Kompetenzbereich die Durchführung einer bestimmten  Anti-Terror-Operation fällt) wahrnimmt und auf der Grundlage eines  besonderen Richtlinienpapiers tätig wird, das den Rahmenbestimmungen des  föderalen Anti-Terror-Ausschusses entspricht. Der Operationsstab für  die Anti-Terror-Operation hat allerdings das Recht, die notwendigen  Kräfte und Mittel der föderalen Organe anzufordern, die unmittelbar mit  dem Kampf gegen den Terrorismus befasst sind, u.a. auch des  Verteidigungsministeriums (Artikel 11). Eine Analyse der oben genannten  Definition einer Anti-Terror-Operation sowie verschiedener weiterer  Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere des Artikels 2 über die  Grundsätze des Kampfs gegen den Terrorismus ("Priorität der Maßnahmen  zur Vorbeugung des Terrorismus", "Zusammenwirken offener und verdeckter  Methoden des Kampfes", "Priorität des Schutzes der Rechte derjenigen,  die aufgrund eines Terrorakts gefährdet sind"), führt zu dem Schluss,  dass das Gesetz bei Durchführung einer Anti-Terror-Operation den  Spezialdiensten vorrangige Bedeutung einräumt und der Einsatz der  Streitkräfte und deren Waffen nur als ergänzende Unterstützung erfolgen  kann, in jedem Fall jedoch nicht zu schwerwiegenderen Folgen im  Verhältnis zum eigentlichen Terrorakt führen darf, der verhindert werden  sollte (Tod von Zivilisten, Zerstörung von Gebäuden, Infrastruktur  usw.).
 Gleichzeitig folgt daraus, dass die Rechtsgrundlage für den Kampf gegen  den Terrorismus nicht nur durch das genannte Gesetz, sondern auch durch  die Verfassung und andere föderale Gesetze sowie die allgemeingültigen  Grundsätze und Normen des Völkerrechts gegeben ist (Artikel 1 des  Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus). Das bedeutet  insbesondere, dass die Normen des Gesetzes über den Kampf gegen den  Terrorismus systematisch unter Berücksichtigung der bereits genannten  Verfassungsnormen und Bestimmungen föderaler Gesetze über den Einsatz  der Streitkräfte interpretiert und angewendet werden müssen.
 Insofern entbehrt der breitangelegte Einsatz der schwer bewaffneten  Streitkräfte in Tsch. einer überzeugenden Rechtsgrundlage durch  Verfassung und föderale Gesetze sowie einer ordentlichen Rechtsform. Der  Einsatz der Streitkräfte erfolgt im rechtlichen Vakuum und lässt  breiten Raum für Willkür und Nichteinhaltung der grundlegenden  Verfassungsrechte der Zivilbevölkerung.
 Aus dem Russischen übersetzt im Dez. 2002; der Artikel wurde von  Memorial am 27.12.1999 in russischer Sprache publiziert