Russische Regierung nimmt Stellung zu Sentsov-Prozess

Stellungnahme zu Fragen des Europäischen Gerichts für Menschenrechte

Oleg Sentsov, 2015 in einem skandalösen Prozess zu einer zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, hatte beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen sein Verfahren und etliche Gesetzesverstöße in diesem Zusammenhang geklagt - das Verfahren sei politisch motiviert, die angeblichen Beweise seien gefälscht und die Schuldbekenntnisse, soweit es sie gegeben habe, durch Folter erpresst. Sowohl Sentsov selbst als auch einer der Mitangeklagten, Gennadij Afanasjev, hatten von Folterungen berichtet (letzterer hatte mit dieser Begründung seine ursprürnglichen, Sentsov belastenden Aussagen vor Gericht widerrufen. Zu sieben Jahren Haft verurteilt, ist er inzwischen im Rahmen eines Gefangenenaustauschs mit der Ukraine freigekommen).

Das EGMR hat die Klage angenommen und eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Prozess an die russische Regierung gerichtet. Da die Verhaftung Sentsovs auf der Krim erfolgt ist, die nach internationalem Recht zur Ukraine gehört, wurde nicht zuletzt auch danach gefragt, unter welcher Jurisdiktion sich Sentsov zur Zeit der Festnahme im Mai 2014 befunden habe. Weitere Fragen betrafen Details im Prozess selbst – die vorgelegten Beweise, die Aussagen der Beschuldigten und weshalb die Namen mehrerer Zeugen geheimgehalten wurden, ob Sentsov grausamer Behandlung unterworfen und ob der Prozess selbst unabhängig und unvoreingenommen durchgeführt worden sei.

Für die russische Regierung hat inzwischen Michail Galperin, der russische Bevollmächtigte in Straßburg und Stellvertretender Justizminister, Stellung genommen.

Seit dem 18. März 2014 (dem Tag der Annexion) befinde sich die Krim unter russischer Jurisdiktion. Die Folterspuren bei Sentsov (Schrammen und Blutergüsse) wurden damit erklärt, dass er „für kurze Zeit mit dem Gesicht an die Wand gedrückt“ worden sei. Zu Gennadij Afanasjev wurde jegliche Auskunft verweigert, da Afanasjev selbst nicht beim EGMR geklagt habe und dieses daher zu keinerlei Ermittlungen in seinem Fall berechtigt sei.

Was die „geheimen“ Zeugen im Prozess betreffe, so seien hier alle Bestimmungen der Strafprozessordnung eingehalten worden. Die Frage nach den vorgelegten Beweisen sei überraschend, denn diese könnten allein russische Richter beurteilen, das EGMR könne hier nicht als „vierte Instanz“ fungieren.

Die Anwältin Natascha Dobreva, die Sentsov beim EMGR vertritt, betont, dass es genaue internationale Standards in Strafprozessen gebe. Beweise, die durch Folter erlangt wurden, können grundsätzlich nicht als Grundlage für einen Schuldspruch dienen. Für die Beurteiung, inwieweit ein Prozess diesen Normen gerecht werde, könnten Menschenrechtsorganisationen herangezogen werden.

Die Klagevertreter können nun ihrerseits bis zum 3. Juni auf die Stellungnahme der russischen Regierung reagieren.

23. Mai 2019

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