Stimmen gegen den Krieg - Proteste vom 30. April bis 9. Mai

Digest der russischen Anti-Kriegsproteste vom 30.4.2023 – 9.5.2023

Geldstrafen, Ordnungs- und Strafverfahren

In Izhevsk hat die Polizei zwei Personen festgenommen, die verdächtigt werden, auf ein Reklameschild für den Dienst als Vertragssoldat, „***** Faschisten“ gesprüht zu haben. Die Aufschrift auf dem Schild war in der Stadt Mozhga (Udmurtien) aufgetaucht. Die Polizei nahm ein Protokoll wegen „Diskreditierung der Armee“ auf.

In Orsk erhielt die Dozentin eines Technikums eine Geldstrafe, weil sie versucht hatte, an einer Informationstafel einen Ausdruck des Wikipedia-Artikels „Russlands Invasion in der Ukraine“ anzubringen.

Der ehemalige Koordinator des Navalnyj-Stabs in Voronezh, Jevgenij Karpov, wurde im Rahmen eines Strafverfahrens wegen „Diskreditierung der Armee“ zur Fahndung ausgeschrieben. Das Verfahren war wegen Anti-Kriegsposts in seinem Projekt „Vornadzor“ [Anti-Korruptionsprojekt in Voronzeh] eingeleitet worden. Zuvor hatte man bei den Eltern des Aktivisten eine Hausdurchsuchung durchgeführt und Computertechnik beschlagnahmt, die Sicherheitskräfte befragten die Eltern zur Rückkehr ihres Sohnes aus Georgien und zu weiteren Angehörigen.

Ajchal Ammossov, Aktivist aus Jakutien, wurde zur Fahndung ausgeschrieben und außerdem auf die Liste der Terroristen und Extremisten gesetzt. Vermutlich wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Im letzten Sommer hatte es gegen ihn bereits ein Verfahren wegen „Diskreditierung der Armee“ gegeben, nachdem er im Zentrum von Jakutsk ein Plakat mit der Aufschrift „Yakutian punk against war“ aufgehängt hatte. Im Dezember 2022 hatte Ammossov Russland verlassen.

In Rjasan verurteilte das Gericht den Regisseur Sergej Jerzhenkov und den Aktivisten Sergej Skorejev wegen Vandalismus zu acht Monaten Freiheitsbeschränkung. Das Verfahren war eingeleitet worden, weil die beiden am Lenin-Denkmal in der Stadt Kassimov (Gebiet Rjasan) die Aufschrift „Putin z****l, verschwinde“ angebracht hatten. Nach Aussagen Jerzhenkovs wurde er während der Festnahme gefoltert.

Das Ermittlungskomitee hat ein gesondertes Verfahren gegen die burjatische Menschenrechtsaktivistin Nadezhda Nisovkina eingeleitet, weil sie sich geweigert hatte, gegen die Rentnerin Natalja Filonova auszusagen, die wiederum wegen ihrer Positionierung gegen den Krieg verhaftet worden war. Im Mai 2022 war Nisovkina zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie die Videoaufzeichnung eines Gesprächs mit Filonova veröffentlichte, nachdem diese gefordert hatte, den Buchstaben Z von einem Bus in Ulan-Ude zu entfernen.


Nadja Nisovkina, Ulan Ude. Foto: Anton Klimov, Menschen des Bajkal

Im Leningrader Gebiet wurden 14 Personen festgenommen, die eine Anti-Kriegsausstellung besucht hatten. Sicherheitskräfte drangen in die Wohnung ein, in der die Arbeiten von Anti-Kriegs-Künstlern gezeigt wurden. Unter den Festgenommenen sind mehrere oppositionelle Journalisten. Sie werden des Diebstahls verdächtigt.

Einzelkundgebung und Demonstrationen

In Jekaterinburg und in Kasan wurden vier Demonstranten mit Friedensplakaten festgenommen. Gegen einen der Demonstranten wurde ein Protokoll wegen Diskreditierung der Armee erstellt.


Kasan. Foto: Sota

In Novosibirsk fand eine Demonstration unter dem Motto „Kein Krieg, außer dem Klassenkrieg“ statt, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Die Aktivisten der Bewegung „Rote Wende“ sprachen unter anderem über die Anzahl der umgekommenen russischen Soldaten in der Ukraine.

Kultur

Im Gebiet Kursk wurde die Mutter eines Künstlers festgenommen, der eine Anti-Kriegsausstellung organisiert hatte. Die Ausstellung war am 22. April in Zheleznogorsk mit Bildern von Andrej Sjomkin eröffnet worden. Der Vermieter rief wegen eines angeblich eingeschlagenen Fensters die Polizei, Sjomkin selbst hatte Russland kurz vor der Eröffnung der Ausstellung verlassen, seine Mutter wurde am 1. Mai von der Polizei festgenommen, ihre Wohnung durchsucht und Sjomkin von ihrem Telefon aus angerufen.

Verschiedenes

Das Gericht hat die Website der „Bewegung bewusster Kriegsdienstverweigerer“ blockiert. Die Bewegung hilft seit 2014 Menschen, sich legal vom Wehrdienst befreien möchten und bietet Wehrpflichtigen psychologische und rechtliche Unterstützung an. Der Grund für die Sperrung waren Inhalte, die „die Armee diskreditieren und Wehrdienstverweigerung rechtfertigen.“

In Moskau sind Aufkleber aufgetaucht mit dem Gesicht von Leonid Jakubovitsch, Moderator der Sendung „Polja Tschudes“ [ähnlich der Sendung „Glücksrad“, bei der fehlende Buchstaben für einen Begriff gefunden werden müssen]. Der Text auf dem Aufkleber bedeutet: „300 000 Seelen auf dem Glücksrad! Welcher Buchstabe? Х…Й В…ЙН… .“ [Die hier fehlenden Buchstaben ergeben in etwa den Ausdruck „Fick den Krieg“].

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

14. Juni 2023

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