Terror gegen Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten der Ukraine. Bericht über weitere Festnahmen

Auf der Krym nahmen die Besatzer wegen „vertraulicher Kontakte zu einem ausländischen Staat“ mehrere einheimische Bürger fest, und in Melitopol einen Mediziner: Er soll ukrainischen Geheimdiensten Informationen über Patienten weitergegeben haben.

Iryna Skatschko

 

Screenshot aus einem russischen Propaganda-Video, das eine Festnahme zeigt. khpg.org
Screenshot aus einem russischen Propaganda-Video, das eine Festnahme zeigt. khpg.org

 

Auf der besetzten Krym nahm der FSB einen 44-jährigen aus der Region Simferopol fest. Er wird verdächtigt, „mit ukrainischen Geheimdiensten kooperiert“ zu haben. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen „vertraulicher Zusammenarbeit mit einem ausländischen Staat“ eingeleitet.

Der Krym-Bewohner soll über Telegram mit einem SBU-Mitarbeiter kommuniziert und ihm Informationen über die Standorte von Streitkräften und die Verkehrsinfrastruktur der Halbinsel übermittelt haben. Im FSB-Pressedienst heißt es, russländische Spezialkräfte hätten den Betroffenen in dem Augenblick festgenommen, als er „über ein Kilo Sprengstoff aus einem Versteck holen“ wollte. Angeblich wollte er eine Bombe bauen, um einen „Terroranschlag“ zu begehen.

Er kam in Untersuchungshaft. Wann die Festnahme genau erfolgt war, ist unklar. Bekanntlich halten die Besatzer entführte Personen oft bis zu einigen Wochen ohne jeglichen Kontakt zu ihrer Familie und ohne Rechtsbeistand fest. Offiziell wird die Verhaftung erst später durchgeführt. Dabei wird in Propaganda-Videos eine angebliche „Festnahme in flagranti“ gezeigt, wobei solche Videos gewöhnlich nach stundenlangen Verhören und manchmal auch Folterungen aufgezeichnet werden.

In Melitopol wurde ein ortsansässiger Arzt festgenommen, weil er angeblich ukrainischen Geheimdiensten persönliche Daten über Patienten übermittelt habe. Dies teilten am 29. Juni russische Propaganda-Medien mit. Auf dem Video wird ein Mann im Trainingsanzug aus einem Raum in ein Auto gebracht. „Die Beschuldigungen gegen den Arzt sind absurd, denn es ist absolut unverständlich, was ukrainische Geheimdienste mit den Angaben über den Gesundheitszustand von Melitopoler Bürgern anfangen sollte“, sagen Journalisten von RIA „Pivden“ (Süden). Allenfalls könnte er sich mit Kollegen aus der freien Ukraine beraten oder Möglichkeiten gesucht haben, Patienten zur Behandlung aus dem besetzten Gebiet herauszubringen.

Zugleich ließ das Südliche Militärgericht einen der drei Angeklagten im Verfahren gegen den Anschlag auf Krym-„Gauleiter“ Serhij Axjonov in Haft nehmen: Volodymyr Bodnar wurde lt. Bericht der Krym-Menschenrechtsgruppe zu 13 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Im Februar letzten Jahres berichtete der FSB, dass auf der Krym vor einem Terrorakt gewarnt worden sei: Eine Gruppe von drei Personen habe geplant, Axjonovs Auto in die Luft zu sprengen. Festgenommen wurden die 45jährige Oksana Schevtschenko aus Terpinnja in der Region Melitopol, Gebiet Zaporizhzhia, ihr Lebenspartner, der 50jährige Volodymyr Bodnar und der 75jährige Krym-Bewohner Volodymyr Ananjev (geboren in Ivano-Frankivsk).

Dann veröffentlichten die russischen Geheimdienste gestellte Videos, die die Festnahme von Oksana Schevtschenko und Volodymyr Bodnar zeigen. Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes SBU sollen beide im Jahre 2022 angeworben haben. Sie erhielten angeblich den Auftrag, eine deutsche Mine nach Melitopol zu bringen, um sie im Mai 2023 auf die Krym zu schaffen und dort bei einem Gastank aufzubewahren. Und an keinem eizigen der zahlreichen Checkpoints waren sie bemerkt worden.

Auf der Halbinsel mieteten der Mann und seine Freundin angeblich eigens eine Garage, um die Mine dort zu deponieren. Ananjev soll noch weiteren Sprengstoff aufbewahrt haben, auf der Basis von Plastid.

Nach einem Jahr brachte die Staatsanwaltschaft das Verfahren vor Gericht. Alle drei wurden angeklagt, einen Terrorakt vorbereitet und Sprengstoff und Sprengkörper illegal beschafft, aufbewahrt und transportiert zu haben.

Das Gericht behandelte ihre Verfahren getrennt. Im Mai dieses Jahres wurde Oksana Schevtschenko zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe von 500.000 Rubeln verurteilt. „Vom 22. Januar bis zum 2. Februar 2024 eruierte sie mit den anderen Mitgliedern der kriminellen Gruppe potentielle Örtlichkeiten, die für das Verbrechen in Frage kamen. Unter anderem fand sie heraus, wo Axjonov wohnt und wo er sich aufzuhalten pflegt. Volodymyr Bodnar wird vorgeworfen, sich nach Zaporizhzhia begeben zu haben, um von dort Komponenten für einen Sprengsatz auf die Krym zu schaffen. Danach seien diese Komponenten eine Zeitlang zu Hause bei Volodymyr Ananjev aufbewahrt worden. Der fertiggestellte Sprengsatz wurde in eine von Schevtschenko angemietete Garage gebracht. Gemeinsam mit Bodnar observierte die Verurteilte Axjonov“, so zitiert die Krym-Menschenrechtsgruppe russische Medien .

Volodymyr Ananjevs Urteil steht noch aus. Im April lehnte er ein Schuldbekenntnis ab (Schevtschenko und Bodnar haben sich nach russischen Medienberichten auf eine vorgerichtliche Übereinkunft geeinigt). „Volodymyr war mit ihnen nicht bekannt und konnte mit ihnen gar keinen Kontakt haben, denn sie sind aus Gebieten, die nach 2022 besetzt wurden“, erklärt Olga Skrynyk von der Charkiver Menschenrechtsgruppe. Offensichtlich wurde er einige Tage vor seinem offiziellen Haftbeginn festgenommen. Mindestens in der Zeit vom zweiten bis zum fünften Februar war nicht bekannt, wo er sich aufhielt.

Volodymyr Ananjev ist auf der Krym ein bekannter Aktivist, der sich für die Rechte der Landbesitzer einsetzt. Er hat gesundheitliche Probleme, er leidet unter Bluthochdruck, einem Glaukom und einem Wirbelsäulenschaden.

Zunächst hat man ihm die Aufbewahrung von Sprengstoff zur Last gelegt, den man natürlich nicht gefunden hat, berichtet Olha Srypnyk. Aber weil er es ablehnte, mit der Ermittlung zusammenzuarbeiten und sich von seiner proukrainischen Haltung loszusagen, wird er jetzt noch nach einem weiteren Artikel angeklagt - und zwar wegen Terrorismus.

29. Juni/3. Juli 2025

Quelle: https://khpg.org/1608814778

 

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