Nachrichten mit dem Stichwort

"People in Need" in Russland unerwünscht

Erklärung von Memorial International

Am 12. November wurde in Russland nach einem 2015 verabschiedeten Gesetz eine weitere ausländische humanitäre Nichtregierungsorganisation für „unerwünscht“ erklärt – die tschechische NGO "People in Need". Das bedeutet, dass diese in Russland keinerlei Tätigkeit mehr ausüben darf und dass jegliche Kontakte inländischer Organisationen mit ihr strikt verboten sind. Die NGO hat ihre Arbeit in Russland daher umgehend ausgesetzt und erklärt dazu auf Facebook: „Um unsere russischen Partner nicht zu gefährden, haben wir beschlossen, all unsere Aktivitäten in Russland zeitweilig einzustellen. Wir werden uns jedoch weiterhin für Menschenrechte und demokratische Werte in Russland einsetzen.“

Es folgt die Erklärung von Memorial International aus diesem Anlass, die von zahlreichen weiteren Organisationen unterstützt wird.

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Solidarität mit Jurij Dmitriev

Prominente Unterstützung für Erklärung zugunsten Dmitrievs

Seit etwa eineinhalb Jahren nun ist Jurij Dmitriev, Leiter von Memorial Karelien, der seit vielen Jahren die Geschichte des sowjetischen Terrors in Karelien erforscht, in Haft. In einem ersten Verfahren war Dmitriev vom Stadtgericht Petrozavodsk von dem Vorwurf der Pornographie freigesprochen und am 27. Januar 2018 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Am 27. Juni 2018 wurde Dmitriev erneut verhaftet, diesmal wegen angeblicher gewaltsamer sexueller Handlungen gegen Minderjährige unter 14 Jahren [Art. 132, Abschn. 4b des russ. StGB], ihm drohen nun bis zu 20 Jahren Haft. Jetzt haben über 200 bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eine Erklärung zur Unterstützung Dmitrievs veröffentlicht, darunter der Politiker Grigori Javlinskij (Jabloko), die Literaturnobelpreisträgerin Svetlana Aleksievitsch, die Schriftstellerin Ljudmilla Ulizkaja, dieSchauspielerin Lija Achedshakova, Valerij Borschtschev (Moskauer Helsinki Gruppe), der Dichter Dmitrij Bykov, Aleksandr Daniel, Vorstandsmitglied bei Memorial International, Kinoregisseur Andrej Zvjaginzev, die Musiker Boris Grebenschtschikov, Julij Kim und Andrej Makarevitsch sowie Jan Raczynski, Vorsitzender von Memorial International. Wir bringen die Erklärung in Übersetzung.

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Die Repressionsspirale gegen Memorial Perm dreht sich weiter

Nach der Haussuchung, die letzte Woche im Büro von Memorial Perm sowie in der Privatwohnung des Vorsitzenden Robert Latypov durchgeführt worden und die mit der Beschlagnahmung etlicher Materialien, Computer usw. einhergegangen war, wurden gestern die beschlagnahmten Gegenstände wieder zurückgegegeben, Latypov wurde dabei als Zeuge vernommen. Das sei allerdings kein Sieg, betonte Pavel Tschikov (Agora), der Memorial Perm als Anwalt vertritt: „Für heute gibt es keine Anklage, aber das Verfahren wurde nicht eingestellt, es kann sich unterschiedlich entwickeln.“

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Haussuchungen und Strafzahlungen - Repressionen gegen Memorial

Zurzeit werden Memorial International und einige Verbände dieser Organisation mit einer Serie von Strafzahlungen überschüttet, außerdem kommt es zu Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und Strafverfahren. Es folgt der von Michail Schubin (OVD-Info) hierzu zusammengestellte Überblick, der jedoch kurz nach der Publikation bereits aktualisiert werden musste.

Seit Ende Oktober haben russische Gerichte Memorial International gleich zu mehreren Strafzahlungen verurteilt. Beim Memorial-Verband in Perm wurden Büro und die Wohnung des Leiters durchsucht. Das Menschenrechtszentrum Memorial muss eine Strafe von 300.000 Rubeln (ca. 4.275 €) zahlen, der Vorsitzende Alexander Tscherkassov 100.000 Rubel (1.425 €). Inzwischen hat die Aufsichtsbehörde noch vier weitere Protokolle erstellt, so dass noch mehrere Urteile dieser Art zu erwarten sind.

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Folterungen, Absprachen und Betrug: Warum Unschuldige sich und ihre „Mittäter“ in ihren Aussagen belasten

OVD-Info berichtet über die Kooperation von Angeklagten mit den Ermittlungsbehörden - worin sie besteht und welche Folgen sie in politischen Strafverfahren hat

„Novoe velitschie“ (neue Größe), „Set“ (Netz), der Bolotnaja-Prozess, das Verfahren gegen Koltschenko und Sentsov – was haben die bekanntesten Strafprozesse im heutigen Russland gemeinsam? In all diesen Verfahren gab es Personen, die vor dem Prozess Absprachen mit den Ermittlern getroffen hatten. OVD-Info legt dar, was das bedeutet und was die Angeklagten dazu bewegt, zur Inhaftierung ihrer Kameraden beizutragen und warum die derzeitige Situation niemandem recht ist.

Den 9. Mai 2014 verbringt Gennadij Afanasjev auf der offiziellen Parade zum Tag des Sieges in Simferopol. Nach Hause kehrt er nur noch zu einer Haussuchung zurück: FSB-Mitarbeiter haben ihn festgenommen, auf den Rücksitz platziert und ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt. Man befragt ihn nach einer Person namens Tschirnij und spricht über irgendwelche Minen am Belbek-Flughafen.

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Zur Liquidierung der Bewegung „Für Menschenrechte“

Erklärung von Memorial International

Der Beschluss des Obersten Gerichts der Russischen Föderation, auf Antrag des Justizministeriums eine der ältesten und aktivsten Menschenrechtsorganisationen – die „Bewegung ‚für Menschenrechte\'" - zu schließen, wirft ein klares Licht auf Putins Regierung.

Die von Lev Ponomarev geleitete Bewegung hat seit 22 Jahren zahlreiche Gesetzesverstöße und Verbrechen publik gemacht, die von Beamten aus unterschiedlichen Behörden begangen wurden. Im Unterschied zu den Vergehen, die das Justizministerium der Bewegung für Menschenrechte zur Last legt, stellen diese Verbrechen eine reale öffentliche Gefahr und Bedrohung für das Staatswesen dar. Allerdings wurde keine der angeprangerten Behörden oder ihrer Abteilungen aufgelöst, die meisten der Beamten kamen mit dem Schrecken davon.

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Oberstes russisches Gericht verfügt Auflösung von "Za prava tscheloveka"

Das oberste Gericht der Russischen Föderation hat am 1. November dem Antrag des Justizministeriums stattgegeben und die Liquidierung der Menschenrechtsbewegung „Za prava tscheloveka“ einschließlich all ihrer strukturellen Untergliederungen beschlossen. Die Bewegung ist in ganz Russland vernetzt und verfügt über Verbände in etlichen Regionen.

Dieses Entscheidung kann innerhalb eines Monats beim Berufungskollegium des Gerichts angefochten werden. Die Organisation wird diese Möglichkeit nutzen und sich darüber hinaus ans Europäische Gericht für Menschenrechte wenden.

Lev Ponomarev betonte, er und seine Kollegen wollten ungeachtet des Urteils ihre Arbeit „sowohl in Moskau als auch in ganz Russlsand“ fortsetzen. Das Grundgerüst der Organisation sollte in jedem Fall bewahrt werden.

1. November 2019

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Strafzahlung wegen fehlenden Facebook-Vermerks

Memorial-Verbände erneut zu Strafzahlungen verurteilt

Wie nicht anders zu erwarten, wurde heute das Menschenrechtszentrum Memorial zu einer Geldstrafe in Höhe von 300.000 Rubeln verurteilt – ebenso wie, zum wiederholten Male, Memorial International. In all diesen Verfahren geht es um die auf Facebook und Youtube von Memorial Inguschetien fehlende Kennzeichnung der Organisation als "ausländischer Agent".

Tamilla Imanova und Tatjana Gluschkova, die Anwältinnen des Menschenrechtszentrums, hatten sich gegen die obligatorische Kennzeichnung als „ausländischer Agent“ ausgesprochen – diese sei erniedrigend. Das Menschenrechtszentrum erhalte finanzielle Unterstützung aus dem Ausland, verteidige in seiner Arbeit jedoch die Interessen von Staatsbürgern der Russischen Föderation und setze sich für deren Rechte in nationalen und internationalen Verfahren ein. Die Kennzeichnung als „ausländischer Agent“ werde in der Bevölkerung dagegen mit Spionage assoziiert.

Des ungeachtet sind die diversen offiziellen Internet-Auftritte von Memorial mit der umstrittenen Kennzeichnung versehen, ebenso wie die Seiten auf Facebook, Twitter, VKontakte und Instagram.

Der Redakteur der Facebook-Seite von Memorial Inguschetien habe nur Posts geteilt und sei nicht verpfliсhtet, auf jedem geteilten Post wiederholt auf den „Agentenstatus“ des Menschenrechtszentrums hinzuweisen. Der Vertreter der staatlichen Aufsichtsbehörde Roskomnadzor sieht darin jedoch einen schwerwiegenden Verstoß.

Inzwischen ist der Vermerk unter der Rubrik „Information“ angebracht worden. Gegen die Verurteilung, die dennoch erfolgte, wird das Menschenrechtszentrum Berufung einlegen.

Das Urteil gegen den Leiter des Menschenrechtszentrums Alexander Tscherkassov, der ebenfalls eine Strafzahlung zu erwarten hat, steht noch aus, die Verhandlung wurde auf den 6. November angesetzt.

1. November 2019

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Memorial Perm unter Druck

Erklärung von Memorial International

Seit diesem Sommer ist Memorial Perm zunehmenden Drangsalierungen ausgesetzt. Nicht genug damit, dass bei einer der traditionellen Exkursionen die Polizei auftauchte und die Teilnehmer zum Teil bis tief in die Nacht verhörte, danach wurden auch noch Strafverfahren eingeleitet, eines davon wegen angeblicher illegaler Rodungen. Strafbescheide sowohl gegen die Teilnehmer als auch gegen Memorial Perm und den Leiter der Organisation, Robert Latypov, ließen nicht auf sich warten.

Am 31. Oktober wurde im Büro von Memorial Perm und in der Wohnung von Robert Latypov eine Haussuchung durchgeführt.

Es folgt die Erklärung von Memorial International aus diesem Anlass.

 

Am 31. Oktober 2019, einen Tag nach dem Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen, nahm die Polizei Hausdurchsuchungen im Büro von Memorial Perm sowie in der Wohnung des Vorsitzenden vor. Soweit bekannt, geschah dies im Rahmen des Strafverfahrens wegen illegaler Rodungen. Angeblich seien Bäume gefällt worden, als Teilnehmer einer Expedition von Memorial Perm den Friedhof polnischer und litauischer Sondersiedler in der Nähe von Galjaschor pflegten.

Für Haussuchungen ist das ein seltsamer Grund – nach was soll denn gesucht werden? Nach gefällten Bäumen oder vielleicht Tatwerkzeugen?

Die Tatsache, dass hier Anklage erhoben wurde, ist allerdings ein Skandal. In der letzten Woche stellte das Permer Ministerium für Naturressourcen Memorial Perm eine Verwarnung und zwei Strafbescheide in Höhe von 250.000 Rubeln zu. Die Bezeichnung des entsprechenden Artikels im Ordnungsstrafrecht verleiht dem Vorgang noch eine besondere Note - es geht um die „eigenmächtige Besetzung von Waldgrundstücken“.

Die heutigen Beamten können sich nicht damit abfinden, dass die Gräber der Sondersiedler auf Grundstücken liegen, auf denen sie sich nicht aus freien Stücken aufhielten und wo sie weder leben noch sterben wollten. Die Täter, die dafür verantwortlich sind, dass diese Menschen weit entfernt von ihren Heimatorten starben, blieben ungestraft; verfolgt werden heute jene, die die Schuld des Staates gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen sühnen wollen. Kaum ein zivilisiertes Land würde in dieser Weise Personen drangsalieren, die die Gräber von Verstorbener pflegen, ob es nun Zivilisten sind oder Soldaten.

Wir fordern, das skandalöse Vorgehen der Permer Sicherheitsorgane sofort zu beenden und die Verantwortlichen für die Missachtung des Gesetzes und des Gedenkens an die Opfer zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn dies nicht geschieht, wäre es ehrlicher, die staatliche Konzeption zur Bewahrung des Gedenkens an die Opfer politischer Verfolgungen zu annullieren.

31. Oktober 2019

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Protestaktion von Angeklagten im Novoe-Velitschie-Prozess

Am 17. Oktober schnitten sich bei einem weiteren Verhandlungstag im Prozess „Novoe Velitschie“ die beiden Angeklagten Vjatscheslav Krjukov und Ruslan Kostylenkov demonstrativ die Venen auf.

Am 15. März 2018 waren in Moskau zehn Personen unter der Anklage, eine extremistische Vereinigung namens „Novoe Velitschie“ (Neue Größe) gegründet zu haben, verhaftet worden. Die Ermittler legen ihnen einen Staatsstreich zur Last. Die Anwälte der Angeklagten erklärten, „Novoe Velitschie“ sei von einem eingeschleusten Mitarbeiter der Sicherheitskräfte ins Leben gerufen worden. In dem Prozess gab es mittlerweile erste Urteile, ein Teil der Angeklagten steht unter Hausarrest. Vjatscheslav Krjukov und Ruslan Kostylenkov befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft. In einem Brief nun erklärt Vjatscheslav Krjukov die Motive der Aktion. Wir veröffentlichen den Brief gekürzt.

Am 17. Oktober habe ich mir im Verhandlungssaal eines Moskauer Bezirksgerichts vor aller Augen die Venen aufgeschnitten. Warum ich mich entschied, das zu tun? Weil ich nicht mehr anders kann. Ich bin so müde, es ist moralisch und physisch schwer, unschuldig im Gefängnis zu sitzen. Und wer auch immer was sagt – ich bereue nichts. Und ich bitte auch nicht darum, mich zu bedauern. Mehr als die Hälfte der im Verfahren „Novoe Velitschie“ Angeklagten sind in Freiheit, während diese mir und einigen anderen entzogen wird. Und das, obwohl man allen im Prozess „Novoe Velitschie“ Angeklagten dieselbe Anklage vorgelegt hat, allen ein und derselbe Paragraph zur Last gelegt wird. Als die Öffentlichkeit ernsthaft kämpfte und Bewegung in die Sache mit den verhafteten Mädchen (Anja Pavlikova und Mascha Dubovik) brachte, entließ man sie damals aus der Haft.

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Erklärung zur Unterstützung der Menschenrechtsorganisation „Za prava tscheloveka“ (Für Menschenrechte)

Am 21. Oktober fand im Hauptsitz der Nachrichtenagentur Interfax unter der Bezeichnung „Operation \'Liquidierung der Menschenrechte\'“ eine Pressekonferenz von Menschenrechtsaktivisten statt. Es ging um die Verfolgung von Aktivisten und Menschenrechtlern, darunter der Bewegung Lev Ponomarevs: „Za prava tscheloveka“. Teilnehmer der Konferenz waren Valerij Borschtschev, Co-Vorsitzender der Moskauer Helsinki-Gruppe, Svetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation „Grazhdanskoe Sodejstvie“ (Bürgerunterstützung), Aleksandr Tscherkassov, Vorstandsvorsitzender des Menschenrechtszentrums Memorial, Lev Ponomarev, Direktor der Bewegung „Za prava tscheloveka“.

Am 15. Oktober war bekannt geworden, dass das Justizministerium die Auflösung dieser Bewegung fordert. Auf der Pressekonferenz wurde eine Erklärung zur Unterstützung von „Za prava tscheloveka“ veröffentlicht, die zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 100 Menschenrechtsaktivisten unterschrieben hatten. Wir bringen die Erklärung in deutscher Übersetzung.

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Hohe Geldstrafe für Memorial International

Memorial International ist am 22. Oktober zu einer Geldstrafe von insgesamt 400.000 Rubeln (ca. 5.650 Euro) verurteilt worden (300.000 Rubel entfallen auf die Organisation, 100.000 auf den Vorsitzenden Jan Raczynski).

Das ist das erste von mehreren noch anstehenden Verfahren.

Im Sommer dieses Jahres erhielt Memorial International zehn „Protokolle“, d. h. Bescheide wegen eines Verstoßes gegen das Ordnungsstrafrecht, worauf ein entsprechendes Verfahren folgt. Die Organisation habe es unterlassen, in den sozialen Netzen (Facebook, Youtube) ihren Status als „ausländischer Agent“ zu vermerken. Analoge Protokolle (insgesamt zwei) gingen auch ans Menschenrechtszentrum Memorial und dessen Vorsitzenden Alexander Tscherkassov. Sie gehen auf eine Anzeige zurück, die FSB-Mitarbeiter in Inguschetien im August dieses Jahres erstattet hatten. Für jede einzelne Facebook- oder Youtube-Seite wurden zwei Protokolle erstellt (jeweils eine für die Organisation und für den Leiter).

Im heutigen Verfahren wies der Anwalt von Memorial darauf hin, dass der „Agenten-Status“ sowohl auf der Website als auch auf den Seiten bei Facebook und Youtube angegeben sei, es bestehe jedoch keine Notwendigkeit, den Vermerk zusätzlich noch auf jeder einzelnen Facebook-Publikation anzubringen. Eben darauf besteht jedoch die staatliche Aufsichtsbehörde.

Wenn in den noch bevorstehenden Verfahren ähnlich geurteilt wird, wird Memorial International Strafzahlungen in Höhe von annähernd 30.000 Euro zu leisten haben. Der nächste Gerichtstermin für Memorial International wie auch für das Menschenrechtszentrum ist für den 1. November anberaumt.

22. Oktober 2019

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Michail Fedotov scheidet aus dem Amt

Neubesetzungen im Menschenrechtsrat

Michail Fedotov ist von Präsident Putin von seinem Amt als Vorsitzender des Menschenrechtsrats beim Präsidenten entbunden worden, wie es heißt, aus Altersgründen. Er ist im September 70 Jahre alt geworden und hat damit die Altersgrenze für Staatsbedienstete erreicht. Putin hätte seine Amtszeit zwar vertraglich verlängern können, machte aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, obwohl die Mehrheit der Mitglieder des Menschenrechtsrats ihn in einem Schreiben ausdrücklich darum gebeten hatten. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem die ehemalige Verfassungsrichterin Tamara Morschtschakova, die Journalisten Nikolaj Svanidze und Leonid Nikitinskij, die Politologin Jekaterina Schulman, der Anwalt Genri Reznik, der Leiter von „Agora“ Pavel Tschikov sowie der Verfassungsrechter Ilja Schablinskij.

Zum Nachfolger Fedotovs wurde der Journalist und derzeitige Vorsitzende der Gesellschaftskammer Valerij Fadeev ernannt. Er ist Mitglied im obersten Rat der Partei „Einiges Russland“. Fadeev hatte seinerzeit das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Kundgebungen am 26. März und 12. Juni 2017 ausdrücklich gelobt.

Mit der Neubesetzung des Vorsitzes war es indes nicht getan, es folgten weitere personelle Änderungen im Menschenrechtsrat. Ihren Sitz im Rat verlor nicht nur Fedotov selbst, sondern auch Jekaterina Schulman (die weniger als ein Jahr Mitglied war), Pavel Tschikov, Ilja Schablinskij und Jevgenij Bobrov (Leiter der Menschenrechtsorganisation „Voschod“). Tamara Morschtschakova, die nach diesen Änderungen in ihrer Mitgliedschaft keinen Sinn mehr sieht, hat von sich aus erklärt, aus dem Rat auszuscheiden.

Neu aufgenommen wurden der kürzlich im Rahmen eines Gefangenenaustauschs aus ukrainischer Haft freigekommene Journalist Kirill Vyschinskij (Direktor der Nachrichtenagentur "Rossija segodnja"), Tatjana Merzljakova (Menschenrechtsbeauftragte für das Gebiet Sverdlovsk) und Alexander Totschenov (stellvertretender Sekretär der Gesellschaftskammer).

21. Oktober 2019

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Justizministerium will Schließung von Menschenrechtsorganisation erzwingen

Die Menschenrechtsorganisation „Za prava tscheloveka“ (Für Menschenrechte) ist von der Schließung bedroht. Das Justizministerium hat einen entsprechenden Antrag ans Oberste Gericht gestellt.

Die Bewegung „Za prava tscheloveka“ wurde 1997 gegründet und ist ein Bündnis von einigen Dutzend Menschenrechtsorganisationen aus den meisten russischen Regionen. 2014 wurde sie bereits zum „ausländischen Agenten“ erklärt, aber bald darauf wieder aus diesem Verzeichnis gelöscht. Am 12. Februar 2019 registrierte das Justizministerium die Organisation, die zwischenzeitlich aus Zuschüsse aus dem Präsidentenfonds erhalten hatte, jedoch erneut als „Agenten“.

Das Justizministerium begründet sein Vorgehen damit, dass Satzung der Organisation nicht den aktuell geltenden gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Dies hatte eine außerplanmäßige detaillierte Überprüfung der NGO Anfang des Jahres ergeben. Außerdem sei „Za prava tscheloveka“ mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden. Letzteres hing damit zusammen, dass die Organisation sich auf ihren Publikationen nicht ausdrücklich als „ausländischer Agent“ gekennzeichnet hatte (wie es das das berüchtigte „Agentengesetz“ vorschreibt).

Die Satzung war 2014 verabschiedet und von den Behörden genehmigt worden. Danach wurden jedoch einige gesetzliche Änderungen vorgenommen. Die Organisation hatte dem Justizministerium schriftlich vorgeschlagen, bei der nächsten Vollversammlung in diesem Herbst die erforderlichen Satzungsänderungen durchzuführen. Das Ministerium hat darauf nicht reagiert.

16. Oktober 2019

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Urteil gegen Konstantin Kotov bestätigt

Am 14. Oktober hat das Moskauer Stadtgericht das Urteil gegen Konstantin Kotov bestätigt und die Revision abgewiesen. Kotov war am 5. September nach Art. 212.1 zu vier Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er zuvor mehrere Ordnungsstrafen erhalten hatte.

Die Staatsanwaltschaft behauptete, in Kotovs Aktionen eine reale Gefahr zu sehen, weil sie einen Verstoß gegen Verkehrsregeln dargestellt und das Passieren von Straßen und Wegen zu Sehenswürdigkeiten der Stadt behindert hätten.

Das russische Verfassungsgericht hatte im Hinblick auf die Verfassungskonformität von Art. 212.1 ausdrücklich festgehalten, dass er nicht beim Vorliegen rein formaler Ordnungsstrafen anzuwenden sei, sondern nur, wenn die inkriminierten Handlungen zu einer realen öffentlichen Gefährdung geführt hätten.

Konstantin Kotov hatte in erster Linie regelmäßige Einzelmahnwachen zur Unterstützung politischer Gefangener, darunter insbesondere Oleg Sentsov und Alexander Koltschenko, durchgeführt.

15. Oktober 2019

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Die Moskauer Prozesse – Wer sind diese Menschen und warum stehen sie vor Gericht?

Am 27. Juli gingen in Moskau tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Nicht-Zulassung oppositioneller Kandidaten zu den Moskauer Stadtparlamentswahlen zu kandidieren. An diesem Tag nahmen die Sicherheitskräfte 1373 Personen fest. Bereits nach zwei Tagen leitete das Ermittlungskomitee ein Verfahren wegen angeblicher Massenunruhen ein. Wir stellen einige der Angeklagten, vor, basierend auf Berichten bei OVD-Info.

Samariddin Radshabov,21 Jahre, Vorarbeiter, inhaftiert, bekennt sich nicht schuldig

Radshabov renovierte vor seiner Verhaftung Wohnungen und nahm Rap-Musik auf. Ermittler nahmen Radshabov direkt in der Strafanstalt fest, wo er wegen der Teilnahme an den Aktionen vom 27. Juli eine Ordnungshaft verbüßte. Nach Angaben der Ermittler warf Radshabov eine Plastikflasche auf einen der Sicherheitskräfte. Nun beschuldigt man ihn, gegen einen Staatsvertreter Gewalt angewandt zu haben (ohne seine Gesundheit zu gefährden) sowie an Massenunruhen beteiligt gewesen zu sein. Der junge Mann befindet sich seit dem 2. August in Untersuchungshaft. Ihm droht eine Strafe von bis zu 12 Jahren.

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Vier Jahre Haft für Konstantin Kotov

Zweites Urteil nach Gesetz 212.1

Am 5. September ist zum zweiten Mal ein Urteil nach dem berüchtigten Gesetz 212.1 gefällt worden, diesmal gegen Konstantin Kotov. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.

Nach diesem Gesetz von 2014 können Personen, die innerhalb eines halben Jahres wegen angeblichen Verstößen gegen das Versammlungsrecht dreimal rechtskräftig zu einer Ordnungsstrafe verurteilt wurden, darüber hinaus eine Gefängnisstrafe erhalten. Die erste Verurteilung nach diesem Gesetz war am 7. Dezember 2015 gegen Ildar Dadin erfolgt, der später – nach längerer Haft und Folterungen, über die weltweit berichtet wurde – nicht nur vorzeitig entlassen, sondern auch rehabilitiert wurde. Das russische Verfassungsgericht hatte eine Revision des Gesetzes gefordert – bislang jedoch ohne Erfolg.

Konstantin Kotov gehörte zu den Initiatoren und regelmäßigen Teilnehmern der Einzel-Mahnwachen für ukrainische politische Gefangene in Russland (einschließlich der in der Meerenge von Kertsch gekidnappten Matrosen). Darüber hinaus nahm er an Solidaritäts-Kundgebungen für weitere politische Gefangene teil, nicht zuletzt auch für den Journalisten Ivan Golunov (das fabrizierte Strafverfahren gegen Golunov, dem man Drogen untergeschoben hatte, wurde inzwischen eingestellt), sowie an den Protesten gegen den Ausschluss oppositioneller Kandidaten von den russischen Kommunalwahlen.

Am 13. August wurde Kotov festgenommen. Unmittelbar darauf erfolgte bei ihm ohne jeglichen Gerichtsbeschluss eine Haussuchung. Bis zum 12. Oktober sollte er zunächst in Untersuchungshaft verbleiben.

Das Verfahren wurde allerdings in ungewöhnlicher Hast durchgeführt, das Urteil wurde bereits am 5. September verkündet.

Das Menschenrechtszentrum Memorial hat Konstantin Kotov als politischen Gefangenen anerkannt.

15. September 2019

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Deutschland hilft Ramzan Kadyrov bei der Unterdrückung seiner Gegner

Erklärung des Menschenrechtszentrums Memorial

Die deutschen Behörden verweigern Mochmad Abdurachmanov, Bruder von Tumso Abdurachmanov, dem bekannten Blogger und beständigem Kritiker des Regimes des tschetschenischen Führers Ramzan Kadyrov, Asyl. Nach Meinung der deutschen Migrationsbehörde könnte Mochmad und seine Familie im unermesslich großen Russland Schutz suchen. Wir wissen nicht, was sich hinter dieser Verweigerung verbirgt – die zynische Ignoranz grundlegender Prinzipien von Menschenrechten oder eine völlige Inkompetenz von Gerichten und Beamten.

Das Menschenrechtszentrum Memorial (PZ) ist der Ansicht, dass Tumsos Verwandten eine reale Gefahr droht und ihre Rückkehr in die Heimat inakzeptabel ist. Es ist offensichtlich, dass eine Ausweisung dem Regime Kadyrovs die Möglichkeit gewährt, Familienangehörige von Tumso als Geiseln zu nehmen, um den Blogger zum Schweigen zu zwingen. Die Frist, innerhalb derer Mochmad Abdurachmanov und seine Familie sich in Deutschland in relativer Sicherheit aufhalten können, läuft bald ab. Am 26. August 2019 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Antrag von Mochmad auf politisches Asyl in Deutschland abgelehnt und verlangt, dass er das Land innerhalb eines Monats verlässt.

Zuvor, am 5. November 2018 hatte der Verwaltungsgerichtshof in Bayreuth bereits einen Asylantrag abgelehnt und erklärt, dem Antragsteller drohe in der Tschetschenischen Republik keine Gefahr. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte einer ähnlichen Behauptung eines Gerichts niederer Instanz nicht zugestimmt, war aber der Ansicht, dass Mochmad Abdurachmanov in anderen Regionen Russlands sicher leben kann. Abgelehnt wurde ebenfalls der Asylantrag der Gattin Mochmads, Marjam Gazieva, sowie der seiner Mutter Raisa Chasarova. Marjam und Mochmad haben ein kleines Kind, dass in Deutschland zur Welt gekommen ist. Von ihnen forderte man ebenfalls innerhalb eines Monats das Land zu verlassen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichthofes kann nicht angefochten werden.

12. September 2019

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Der Austausch von 35 gegen 35 ist nur der erste Schritt zur Freilassung der ukrainischen politischen Gefangenen in Russland

Wir begrüßen die Freilassung von 35 ukrainischen Gefangenen im Rahmen des am 7. September vorgenommenen Austauschs.

Die meisten der freigelassenen Ukrainer waren waren beim Menschenrechtszentrum Memorial als politische Gefangene verzeichnet. Gemeinsam mit vielen internationalen Organisationen und Menschenrechtsaktivisten der Ukraine und Russlands haben wir seit langem immer wieder die Einstellung ihrer illegalen Strafverfolgung sowie ihre bedingungslose Freilassung gefordert. Diese Forderungen wurden nicht in vollem Umfang erfüllt, aber bedeutend wichtiger ist, dass die unschuldigen Opfer politischer Verfolgung endlich in Freiheit und in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Allerdings sind noch viele Bürger der Ukraine sowie Krimtataren in Russland hinter Gittern verblieben, die Opfer politischer Verfolgung sind. Unsere offensichtlich bei weitem nicht vollständige Liste politischer Gefangener enthält die Namen von 48 Personen. Ohne Zweifel ist die Zahl der ukrainischen politischen Gefangenen in Russland wesentlich größer, da die Unterlagen zu vielen Prozessen nicht zugänglich sind und wir daher nicht prüfen können, ob die Betroffenen tatsächlich als politische Häftlinge anzusehen sind Die Freilassung von 35 Staatsbürgern der Ukraine kann zweifellos nur der erste Schritt zu einer schnellen und vollständigen Freilassung nicht nur der ukrainischen politischen Gefangenen in Russland, sondern aller ukrainischen Geiseln des Kreml sein.

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Prozesse wegen angeblicher Massenunruhen in Moskau

Memorial erklärt neun Angeklagte zu politischen Gefangenen.

In diesem Sommer kam es in Moskau zu einer Reihe von Demonstrationen, hervorgerufen durch die Nichtzulassung von oppositionellen Kandidaten zur Wahl des Moskauer Stadtparlaments. Im Rahmen dieser Aktionen wurde eine große Zahl von Demonstranten festgenommen, gegen einige wurden Strafverfahren eröffnet. Mittlerweile sind mehrere Angeklagte zu Lagerstrafen verurteilt worden, unter Ihnen auch Personen, die Memorial zu politischen Gefangenen erklärt hat: Ivan Podkopajev, 3 Jahre Lagerhaft im allgemeinen Vollzug, Danil Beglez, 2 Jahre Lagerhaft im allgemeinen Vollzug, Kirill Shukov, 3 Jahre Lagerhaft im allgemeinen Vollzug, Evgenij Kovalenko, 3 ½ Jahre Lagerhaft im allgemeinen Vollzug. Wir bringen die Erklärung des Menschenrechtszentrums Memorial in Übersetzung.

Am 27. Juli 2019 kam es nicht zu Massenunruhen, sondern zu zahlreichen ungesetzlichen Verhaftungen von Demonstranten durch die Sicherheitskräfte.

Das Menschenrechtszentrum Memorial erklärt gemäß den internationalen Richtlinien für die Definition „Politischer Gefangener“ Danil Beglez, Aidar Gubaidulin, Egor Shukov, Kirill Shukov, Evgenij Kovalenko, Aleksej Minjailo, Ivan Podkopajev, Samariddin Radshabov und Sergej Fomin zu politischen Gefangenen. Gegen sie wird im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Massenunruhen verhandelt, zu denen es angeblich am 27. Juli in Moskau gekommen sein soll. An diesem Tag fanden dort Demonstrationen von mehreren tausend Menschen wegen der Nichtzulassung von oppositionellen Kandidaten zu den Moskauer Stadtparlamentswahlen statt. Nach drei Tagen, am 30. Juli, wurde ein Verfahren eingeleitet. Wir fordern, die genannten Personen sofort freizulassen und die Verantwortlichen für die ungesetzlichen Verfolgungen ebenso zur Rechenschaft zu ziehen wie diejenigen, die für die gewaltsame Auflösung der friedlichen Versammlungen in Moskau und anderen Städten Russlands verantwortlich sind.

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Interviews mit Ojub Titiev

Im Juni 2019 wurde Ojub Titiev auf Bewährung aus der Haft entlassen. Memorial hat die Vertretung in Grozny inzwischen geschlossen, da die Sicherheit der Mitarbeiter dort nicht gewährleistet werden kann, Ojub Titiev ist nach Moskau umgezogen. In zwei Interviews äußert sich Titiev ausführlich zu verschiedenen Themen wie die Zeit in Haft, Natalja Estemirova, Tschetschenien, Putin und Kadyrov. Wir bringen das Wichtigste aus beiden Interviews in Übersetzung.

Umzug nach Moskau

Wann sind Sie nach Moskau gezogen und wann wurden Sie aus der Lagerhaft entlassen?

Aus dem Lager wurde ich am 21. Juni entlassen. Hierher [nach Moskau] bin ich dann am 10. Juli gekommen. Ich hatte Probleme mit den Zähnen. Ich bekam Implantate und danach bin ich nach Moskau umgezogen. [Als Ojub im Januar 2018 verhaftet wurde, fuhr er gerade zum Zahnarzt, wo er eine Prothese bekommen sollte. In der Untersuchungshaft erlaubte man ihm fast einen Monat nicht, einen Zahnarzt aufzusuchen, obwohl Titiev unter Schmerzen litt und keine feste Nahrung zu sich nehmen konnte.] Hier habe ich mich zur Registrierung sofort an die entsprechenden Behörden gewandt. Und höchstwahrscheinlich muss ich mich in regelmäßigen Abständen bei der Bezirkspolizei melden.

Sie wurden auf Bewährung entlassen. Schränkt dieser Status in irgendeiner Form Ihre Arbeit als Menschenrechtsaktivist ein?

Er schränkt die Mobilität ein, ich kann nicht fahren, wohin ich will. Ich arbeite im Büro, in dem Sinne ist es eine Einschränkung. Wenn ich irgendwo hinfahren möchte, muss ich das kundtun und eine entsprechende Erlaubnis der Rechtsorgane einholen.

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