Nachrichten mit dem Stichwort

Festgenommene der Proteste vom 26. März wenden sich an Europäischen Gerichtshof

Anwälte des Menschenrechtszentrums Memorial haben sich mit einer Klage von 12 Personen, die an den Protestveranstaltungen vom 26. März teilgenommen hatten, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt.

Sie klagen gegen Verletzung der Artikel 3 (Verbot der Folter), 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit), 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) und 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Alle Kläger, mit Ausnahme von Aleksandr Djatschenko, hatten an den von Aleksej Navalnyj organisierten Protesten am 26. März in Moskau teilgenommen und waren festgenommen worden.

Bei den Verhaftungen war es zu unterschiedlichen Rechtsverstößen gekommen. Die Antragsteller wurden am selben bzw. am darauffolgenden Tag wieder freigelassen. Die Fälle waren im Tverskoj Gericht in Moskau verhandelt worden. Das Gericht sprach alle Antragsteller schuldig. Gegen diese Entscheidung wurde beim Moskauer Stadtgericht Berufung eingelegt. Im Fall von neun Personen blieben die Urteile in Kraft.

Nach Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht das vom Russischen Gericht gegen die Antragsteller verhängte Urteil in keinem Verhältnis zu deren Taten.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

5. November 2017

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MEMORIAL International verliert Klage gegen REN TV

MEMORIAL International hat vor Gericht in erster Instanz eine Klage gegen REN TV verloren.

Die Klage richtete sich gegen die diffamierende Berichterstattung des Senders über den Festakt zum Abschluss des Schülerwettbewerbs im Frühjahr 2016. In der Sendung wurde behauptet, Memorial vermittle den Kindern die Ansicht, die Nationalsozialisten hätten in der UdSSR „europäische Werte“ etablieren wollen.

Memorial hatte sich zunächst an den Presserat gewandt, der der Organisation in vollem Umfang Recht gab. Die Berichterstattung sei kein Journalismus, sondern reine Propaganda, um Memorial zu diskreditieren.

Memorial wandte sich daraufhin mit einer Klage ans Gericht. Das zuständige Moskauer Bezirksgericht wies die Klage indes am 3. Oktober Begründung für dieses Urteil vor.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die oben zitierte Behauptung der Sendung über Memorial nichts enthalte, was Memorial belaste, da sie weder eine Gesetzesverletzung noch unredliches oder unmoralisches Verhalten unterstelle.

Marina Agalzowa, die Memorial bei Gericht vertrat, bemerkt hierzu: Das Gericht „sieht in den Aussagen, dass Hitler der UdSSR europäische Werte gebracht hat, nichts Belastendes. Es behauptet also, dass Memorial damit keine amoralische oder gesetzwidrige Handlung nachgesagt wird. Mit anderen Worten, es ist demnach in Ordnung und zulässig, zu sagen, Hitler habe der UdSSR Gutes und Positives gebracht.“ Unverständlich bleibe hierbei nur, wie sich diese Auffassung des Gerichts mit dem Verbot der Rehabilitierung des Nationalsozialismus (Art. 354.1 StGB der Russischen Föderation) in Einklang bringen lasse.

4. November 2017

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Denkmal für Opfer des Stalinismus in Moskau eingeweiht

Am 30. Oktober wurde in Moskau das Denkmal für die Opfer der sowjetischen politischen Verfolgungen

Das Denkmal stellt menschliche Figuren – die Opfer der Repressionen – dar, darauf steht das Wort „Gedenke“ in 22 Sprachen. Das Terrain um das Denkmal ist mit Steinen gepflastert, die aus ehemaligen Lagern und Gefängnissen des GULAG stammen.

Mit der Aufstellung des Denkmals wird eine der zentralen Forderungen erfüllt, mit denen MEMORIAL seinerzeit angetreten war.

Aufgrund der aktuellen Menschenrechtssituation in Russland war die Reaktion hierauf zwiespältig. Ein heftiger Protest kam von einer Reihe ehemaliger politischer Häftlinge, die angesichts der heutigen politischen Situation und der Tatsache, dass es auch heute politische Gefangene in Russland gibt, kategorisch jede Kooperation mit dem Staat im Zusammenhang mit Gedenkaktionen ablehnen: „Man kann sich nicht an Gedenkmaßnahmen der Machthaber beteiligen, die die Opfer des Sowjetregimes verbal beklagen, in der Tat jedoch die politischen Verfolgungen fortsetzen und die Freiheit im Land unterdrücken. Man darf nicht zulassen, dass die autoritäre Regierung einerseits Denkmäler für Opfer von Verfolgungen einweiht und andererseits Willkür und Gesetzlosigkeit schafft. Eine Zusammenarbeit mit der Regierung in dieser Frage ist zumindest

Das Denkmal sei „ein Zeichen der Anerkennung der Verbrechen, die in den 30er Jahren begangen wurden. Leider ist diese Tragödie noch immer nicht zu einem Ende gekommen.
Bekanntlich nahmen die Stalinschen Verfolgungen mit einer Hetzjagd gegen Oppositionelle in der Presse und auf Parteiversammlungen ihren Anfang, und sie endeten mit den Foltern in den Kellern der Lubjanka, mit Hinrichtungen durch Genickschuss und mit Massenerschießungen. Heute, achtzig Jahre später, möchten wir die Regierung darauf aufmerksam machen, dass die Atmosphäre in den letzten Jahren, seit 2012, zu Besorgnis Anlass gibt: Anstelle der alten Begriffe – ‚Volksfeind‘, ‚Spion‘ oder ‚Schädling‘ wurden neue Termini eingeführt, die sich von den vorigen allerdings kaum unterscheiden: ‚ausländischer Agent‘, eine ‚unerwünschte Organisation‘, ‚fünfte Kolonne‘.(...)

Die Aufstellung eines Denkmals für politisch Verfolgte des Stalin-Regims muss eine Garantie dafür werden, dass unsere Nachkommen nach achtzig Jahren nicht ein weiteres Denkmal einweihen müssen, für die Opfer der Verfolgungen der Zehner und Zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts.

Diese Erklärung wurde von über 2000 Personen Listen politischer Gefangener (mit Stand vom 29. Oktober), in denen insgesamt 117 Personen verzeichnet sind.

31. Oktober 2017

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Bundespräsident Steinmeier bei MEMORIAL International in Moskau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat MEMORIAL International am 25. Oktober anlässlich seiner Moskau-Reise besucht.
Nachdem er das Archiv und die Bibliothek besichtigt und mit den Mitarbeitern diskutiert hatte, hinterließ er folgenden Eintrag im Gästebuch:

„Dank und Anerkennung unseren russischen Freunden von Memorial, die eine ebenso schwierige wie wichtige Arbeit leisten. Die Vergangenheit zu kennen, sie nicht zur Waffe zu schmieden, sondern mit all’ ihren hellen und dunklen Seiten anzunehmen, ist Grundlage für eine friedliche Zukunft.
Herzliche Grüße und auf Wiedersehen,
Ihr
Frank-Walter Steinmeier
25. Okt. 2017“

29. Oktober 2017

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Artjom Tschijgoz und Ilmi Umerov in die Türkei ausgeschafft

Die beiden Krimtataren Artjom Tschijgoz und Ilmi Umerov wurden in die Türkei ausgeschafft. In den nächsten Tagen werden sie jedoch in Kiew erwartet.

Beide lebten auf der Krim und waren kürzlich aus politischen Gründen verurteilt worden - Artjom Tschijgoz zu acht Jahren Haft (ihm wurde die Anstiftung von Massenunruhen unterstellt) und Ilmi Umerov zu zwei Jahren (dieses Urteil war noch nicht rechtskräftig).

Die genauen Umstände ihrer Entlassung und ihres Transports in die Türkei sind bisher nicht bekannt, er lief offenbar unter strenger Geheimhaltung ab. Für eine Begnadigung gibt es keine offizielle Bestätigung. Refat Tschubarow, der Vorsitzende des Medzhlis, der in Russland inzwischen verbotenen Vertretung der Krimtataren, geht davon aus, dass Tschijgoz und Umerov die Rückkehr auf die Krim verwehrt werden soll.

26. Oktober 2017

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Appell von Ljudmila Ulizkaja zugunsten von Jurij Dmitriev

Neben vielen anderen Künstlern und Schriftstellern hat sich auch Ljudmila Ulizkaja im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jurij Dmitriev zu Wort gemeldet – sie richtet einen eindringlichen Appell an die Staatsanwaltschaft und das Gericht in Petrozavodsk.

Sehr geehrter Herr Staatsanwalt! Sehr geehrte Richterin!

Ich bin noch nie in eine Situation gekommen, dass ich mich meiner Auszeichnngen hätte rühmen wollen, aber in diesem Fall füge ich eine entsprechende Liste an – in der Hoffnung, Gehör zu finden.

Das Verfahren gegen Jurij Dmitriev bewegt die gesamte russische Gesellschaft, und nicht nur jene, die sein fast dreißigjährigen heroisches und segensreiches Wirken kennen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen von Berufs wegen klar sein muss, in welchem Maße sämtliche Anschuldigungen gegen ihn ohne Beweisgrundlage und erfunden sind.

Gerade deshalb entsteht bei allen vernünftigen Personen der Eindruck, dass Sie Gefangene einer schwierigen Situation sind, in der Sie genötigt sind, als botmäßige Angestellte zu agieren und nicht als unabhängige Bürger, die die Wahrheit über einen Menschen sagen können, der kein einziges der Verbrechen begangen hat, die man ihm vorwirft. Ich kann nur mutmaßen, wie weit ihre Abhängigkeit von Ihren Vorgesetzten geht und wie schwierig Ihre Lage ist, wenn man Sie auffordert, etwas zu tun, was negative Folgen für Ihre weitere Karriere haben kann.

Die letzten Jahre denke ich oft darüber nach, dass jeder Mensch seine persönliche Grenze für die Angst, für den Schmerz und für die Scham hat, und es ist sehr wichtig, dass sich der Mensch diese Grenzen bewusst macht.

Dennoch wende ich mich an Sie in der Hoffnung, dass Sie mir Gehör schenken: Von ihrer persönlichen Redlichkeit, dem Gefühl für Ihre eigene Würde hängt nicht nur das Schicksal Jurij Dmitrievs ab, eines der würdigsten und großartigsten Menschen unserer Zeit in unserem Land, sondern auch Ihre eigene Reputation. Ihre Entscheidung kann jener Indikator werden, den Sie nie wieder loswerden können. Ihre Kinder werden sich ihrer schämen und leiden, ebenso wie heute die Nachkommen der Täter leiden, die in den dreißiger Jahren Unschuldige erschossen haben.

Schenken Sie dem Gehör, was ich Ihnen jetzt sage. Wir leben nur ein einziges Leben. Ich weiß nicht, ob Sie in ansatzweise an ein Höheres Gericht, an ein Leben nach dem Tod, an die Idee einer höheren Gerechtigkeit, die sich jenseits unseres Erdenlebens vollzieht, glauben, und erst recht nicht davon, ob Sie ahnen, mit welcher Gewissenslast Sie all die Jahre leben werden, die Ihnen noch bevorstehen.

Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Sie mir Gehör schenken – nicht nur um Jurij Dmitrievs willen, sondern um unserer aller willen, denen das Schicksal Russlands am Herzen liegt.

26. Oktober 2017

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Zahlreiche Einzelmahnwachen gegen die Verfolgung der Krim-Tataren auf der Krim

Am 14. Oktober führten Dutzende Krim-Tataren in verschiedenen Bezirken der Krim Einzelmahnwachen durch als Reaktion auf Durchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit zwei neuen Strafverfahren auf der Halbinsel am 2. und 11. Oktober. Zu Kundgebungen kam es in Simferopol, Dschankoe, Sudak, Feodossija, Starij Krym, Kirovskoe, Aluschta, in den Bezirken Sovetskij und Belogorsk und auf der Strecke Simferopol-Bachtschissaraj.

Die Menschen hielten Plakate mit den Aufschriften: „Moslems auf der Krim – Unsere Nachbarn, keine Terroristen“, „Stoppt die Willkür der Sicherheitsorgane der Krim“, „Freiheit für politische Gefangene“, „Auf der Krim gab es, gibt es und wird es keine Terroristen geben“, „1944 – Verräter, 2017 – Terroristen“.

Mehr als 30 Personen wurden verhaftet und auf die örtlichen Polizeireviere gebracht. Einige Verhaftungen wurden auf aggressive Weise durchgeführt. Dokumentiert sind Fälle, in denen Personen in Zivil Demonstranten ohne Vorweisung von Dokumenten in Autos ohne [polizeiliche - Anm. d. Übs.] Erkennungszeichen wegbrachten. Auf einigen Polizeirevieren ließ man keine Anwälte zu den Verhafteten vor, holte Erklärungen ein, nahm Plakate weg, kopierte Kontaktlisten aus Handys, nahm Fingerabdrücke und versuchte Speichelproben zu bekommen.

So steckten Sicherheitsbeamte Memet Ljumanov, der in Simferopol auf der Straße der Helden Stalingrads eine Einzelmahnwache abhielt, grob in ein Auto. Auf dem Polizeirevier des Kievsker Bezirks hielten vier Polizeimitarbeiter den verhafteten Ruslan Gostev fest und versuchten eine Speichelprobe zu entnehmen. Aktivisten versuchten alle Festnahmen zu verfolgen und zeichneten Gespräche der Demonstranten mit der Polizei auf Video auf. Zur Polizeiwache in Dschankoe kamen etwa 50 Personen, um die Festgenommenen zu unterstützen.

Nach den Worten des Anwalts Rustem Kjamilev wurden bei den Verhafteten keine Protokolle wegen Gesetzesübertretungen erstellt: „Protokolle der Überstellungen gab es, Verhaftungsprotokolle nicht, weil kein Tatbestand nach § 20.2 OWIG RF [Ordnungsstrafrecht, Verstoß gegen das Versammlungsrecht; Anm. d. Übs.] vorlag. Folgen darf es keine geben. Ein Verfahren muss bei Gericht im Verlauf von 24 Stunden geprüft werden. Und weil morgen Sonntag ist und es keine Verhaftungsprotokolle gibt, kann man am Montag niemanden mehr zur Verantwortung ziehen.“

Am Abend des 14. Oktober wurden alle Festgenommenen auf der Krim freigelassen. Einige Teilnehmer der Kundgebungen schrieben Beschwerden über das ungesetzliche Vorgehen der Polizei bei den Verhaftungen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

25. Oktober 2017

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Zum Tod von Tamara Wladislawowna Petkewitsch

Am 18.10.2017 verstarb im Alter von 97 Jahren Tamara Wladislawowna Petkewitsch.

Tamara Petkewitsch war Schauspielerin und Theaterwissenschaftlerin und verfasste zwei Autobiografien.

Tamara Petkewitsch wurde am 29. März 1920 in Petrograd geboren. Als sie 17 war, wird 1937 ihr Vater verhaftet. In der Besucherschlange des Gefängnisses lernte Tamara Petkewitsch ihren zukünftigen Mann kennen, mit dem sie nach Zentralasien zog und dort als Krankenschwester arbeitete. Fünf Jahre nachdem ihr Vater erschossen worden war, wurde auch sie 1943 mit ihrem Mann verhaftet und zu 7 Jahren Lagerhaft verurteilt.

Im Lager begann sie mit Gefangenen in einem Theaterensemble zu schauspielern. Nach ihrer Freilassung war sie an kleineren Theatern in der Provinz tätig.

Erst nach ihrer Rehabilitierung 1957 konnte Tamara Petkewitsch 1959 ins damalige Leningrad zurückkehren, wo sie das Studium der Theaterwissenschaften aufnahm.

1993 kam ihre erste Autobiografie „Žizn – sapožok neparnyj“ (Deutsche Ausgabe: „Die Liebe gab mir Hoffnung“) über ihr Leben im GULag heraus und wenige Jahre später die Fortsetzung „Na fone zvёzd i stracha“, in der sie ihr Leben nach der Entlassung aus dem Lager beschreibt.

Trotz des unendlichen Leids, das ihr widerfahren war, spürte man bis zuletzt ihre Lebensfreude. Sie haderte nicht mit ihrem Schicksal und lebte nicht in der Vergangenheit. Ihre Wohnung war stets offen für Menschen jedes Alters. Sie begegnete allen auf Augenhöhe und war vor allem vom Engagement junger Menschen begeistert. Sie interessierte sich für ihre Besucher genauso sehr, wie sich ihre Besucher für sie interessierten.

Mit ihr geht ein Mensch, der das Positive in anderen sah, der das Leben liebte und der anderen nur das Beste wünschte.

Tamara Wladislawowna Petkewitsch verneigte sich auf der Bühne, nun verneigen wir uns ein letztes Mal vor ihr.

21. Oktober 2017

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Krim: Über die Gerichtsverhandlung und das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov

Am 27. September 2017 wurde im Bezirksgericht Simferopol, Krim, das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov, einem der Führer der Nationalen Bewegung der Krim-Tataren, verkündet. Das russische Gericht verurteilte ihn zu einem Freiheitsentzug von zwei Jahren. [Der Freiheitsentzug beinhaltet die Haftstrafe der Ansiedelung in einer Kolonie. Die Bedingungen dort sind etwas besser als in den Strafkolonien allgemeinen und strengen Regimes. Anm. d. Übs.]

Im Mai 2016 waren in Bachtschyssaraj unter den Krim-Tataren Massendurchsuchungen und Verhaftungen durchgeführt worden. Im Ergebnis wurden vier einheimische Bewohner verhaftet, die vom FSB beschuldigt werden, der in Russland verbotenen muslimischen Partei Hizb ut-Tahrir anzugehören. An diesem Tag wurde in seinem Haus in Bachtschyssaraj auch der stellvertretende Vorsitzende des Medschlis Ilmi Umerov verhaftet. [Medschlis ist ein Selbstvertretungsorgan der Krim-Tataren, das seit April 2016 in der Russischen Föderation als „extremistische Organisation“ eingestuft und verboten ist; Anm. d. Übs.]

Man brachte ihn zur Vernehmung nach Simferopol und beschuldigte ihn des Separatismus, genauer des öffentlichen Aufrufs zur Verletzung der territorialen Integrität Russlands [§ 280.1.(2) StGB RF].

„Im März 2016 trat Umerov, als er sich auf dem Territorium der Ukraine aufhielt, in einer direkten Übertragung des Ukrainischen Fernsehsenders ATR auf, wo er öffentlich dazu aufrief, die territoriale Einheit der Russischen Föderation zu verletzen. Danach wurde der Auftritt Umerovs ins Internet gestellt,“ kommentiert die damalige Staatsanwältin der Krim Natalja Poklonskaja das Verfahren gegen Umerov.

Umerov drohten bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Gegen Ende des Gerichtsverfahrens, das im Juni des darauffolgenden Jahres im Bezirksgericht Simferopol begann, forderte Staatsanwalt Denis Sementschuk dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug auf Bewährung und ein dreijähriges öffentliches Auftrittsverbot. Doch der Richter verhängte, wie ein Korrespondent von Radio Svoboda berichtet, anstelle der Bewährungsstrafe eine Haftstrafe von zwei Jahren „Ansiedelung in einer Kolonie“.

Gegen dieses Urteil hat die Verteidigung Umerovs Berufung eingelegt. Bis zur Prüfung befindet sich Umerov zuhause.

Zuvor hatte das Bezirksgericht Simferopol am 11. August eine psychiatrische Zwangsuntersuchung angeordnet und Umerov gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik bringen lassen, wo man ihn für fast einen Monat festhielt.

Das Menschenrechtszentrum Memorial (Moskau) bezeichnet das Verfahren gegen Ilmi Umerov als ungesetzlich und politisch motiviert.

Am 25. September wurde in Genf der Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) über die Lage auf der Krim vorgestellt.


Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

14. Oktober 2017

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Zahlreiche Festnahmen bei Demonstrationen in Russland

Bei den Demonstrationen am 7. Oktober, zu denen Alexej Navalnyj aufgerufen hatte, ist es in zahlreichen russischen Städten zu Festnahmen Festnahmen).

Die meisten Personen wurden noch im Laufe des Tages wieder freigelassen, etliche wurden jedoch mit einer Ordnungsstrafe belegt oder es wurde ein „Protokoll“ erstellt, was heißt, dass sie eine solche noch zu erwarten haben.

Die meisten Festnahmen erfolgten in Petersburg (68 Personen), von denen mindestens zwei die Nacht in Polizei-Gewahrsam verbringen mussten (Alexej Piwowarow und Wassilij Kunin). Unter den Festgenommenen war auch Ildar Dadin. Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei in Petersburg mit besonderer Brutalität vor.

8. Oktober 2017

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Zahlreiche Haussuchungen bei Mitarbeitern von "Otkrytaja Rossija" in Moskau

Am 5. Oktober wurden in Moskau bei mehreren Mitarbeitern von „Open Russia“ (Otkrytaja Rossija, Offenes Russland) Haussuchungen vorgenommen, die mehrere Stunden andauerten. Betroffen waren unter anderem Veronika Kazyllo, die Chefredakteurin der Website der Organisation, deren Geschäftsführer Timur Walejew, der bekannte Politologe Stanislav Belkowskij und etliche weitere Personen, außerdem wurde die Wohnung der Eltern von Alexander Solowjow (dem Vorsitzenden von „Otkrytaja Rossija") durchsucht.

Im Februar dieses Jahres war bereits eine Haussuchung bei Soja Swetowa durchgeführt worden, die ebenfalls bei Otkrytaja Rossija mitarbeitet und sich vor allem in der Gefangenenbetreuung engagiert hatte (bis vor kurzem hatte sie einer der Öffentlichen Beobachtungskommissionen angehört, die Haftanstalten inspizieren).

Laut Auskunft des Emittlungskomitees stehen die Haussuchungen im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jukos-Funktionäre und Aktionäre wegen angeblichen Diebstahls und Geldwäsche.

Die in Großbritannien ansässige Organisation „Otkrytaja Rossija“ (deren Gründung Michail Chodorkovskij initiiert hatte) war im April dieses Jahres für „unerwünscht“ erklärt worden, was sich aber nur die ausländische Zentrale und nicht auf ihren russischen Zweig bezieht. Russischen NGOs ist daher jegliche Kooperation mit ihr untersagt.

Das Ermittlungskomitee unterstellt den Mitarbeitern von Otkrytaja Rossija in Russland, dass sie weiterhin finanziell von „unerwünschten Organisationen“ aus dem Ausland unterstützt werden, darunter auch mit Geldern, die aus angeblich gestohlenem Vermögen erklärte, die Durchsuchungen seien mit übermäßiger Gewaltanwendung vorgenommen worden und sollten offensichtlich der Abschreckung dienen. Ihr demonstrativer Charakter (in Anwesenheit eines Fernsehteams) lasse keinen Zweifel daran, welche Politik die russischen Machthaber gegenüber Andersdenkenden betrieben – eine „Politik der Einschüchterung und politischen Repression“.

6. Oktober 2017

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„Aufhebung des Ereignisses“: Wie Personen in Gerichtstalaren die Realität des 12. Juni aufheben

Bei den Antikorruptionsprotesten am 12. Juni in Moskau wurden 866 Personen verhaftet. Unter ihnen auch Sarema Saudinova, Regisseurin am Teatr.doc [Theater in Moskau; Anm. d. Übs.], die im Leopardenkostüm zu den Protesten ging, jedoch, sofern man den Polizeiberichten glaubt, in „Hose und Jacke“ verhaftet wurde. Am 27. Juli verurteilte Alexander Merkulov, Richter am Bezirksgericht Tverskoj, Saudinova zu 15.000 Rubel (etwas über 200 Euro) Geldstrafe wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Widersprüche und Merkwürdigkeiten in dem Verfahren auf Grund der Faulheit der Polizisten bemerkte der Richter nicht.

Es folgt der (leicht gekürzte) Bericht von Sarema Saudinova.

Aufhebung des Ereignisses: Wie man mir die Realitätraubte

Wenn ich mich bis zum 12. Juni noch vorstellen konnte, wie es mir gefiel: Regisseurin, tschetschenische Fürstin und was nicht noch alles, so nach dem 12. Juni nur noch so: Guten Tag, ich bin der Leopard. Ich bin die, die auf dem Tverskoj Boulevard im Leopardenkostüm verhaftet wurde.

Ich arbeite im Teatr.doc, die Realität, das ist mein Beruf, aber manchmal fügt sie einem Schmerz zu. Wie am 12. Juni 2017. - So ungefähr begann mein Monolog im Gerichtssaal.

Da wir unverbesserliche Theaterliebhaber sind und nichts zu verlieren haben, sollte nicht nur ich im Leopardenkostüm im Gerichtssaal sein, sondern auch noch eine Schauspielerin, die auf professionelle Weise die russische Rechtsprechung beweint. Es sollte keine Aussagen geben, sondern Monologe. Und alles sollte dramaturgisches Material sein.

So versammelte sich im Gerichtssaal ein Team unserer jungen Leute: Ich in der Rolle einer „Dokumentarfilm-Leopardin“, eine Schauspielerin mit Tränen in den Augen, der politische Gefangene Alexej Polichovitsch sowie der Korrespondent und Zeuge Alexander Tschernych in einem Shirt mit der Aufschrift „Tschetschenien.“ Und der Anwalt Denis Schedov. Eigentlich wollten wir noch Eintrittskarten für die Verhandlung verkaufen, aber dann sahen wir ein, dass Partisanentheater unbedingt bei freiem Eintritt stattfinden muss und entschieden uns dagegen.

Der Regisseur-Beruf ist im heutigen Russland kompliziert, weil man uns alles weggenommen hat. […] Es gibt so einen Schauspiel- und Dramaturgie-Begriff: „Aufhebung des Ereignisses“. Da haben wir die Hölle, aber der Schauspieler spielt so, als ob es die Hölle nicht gibt. […] Das machen wir im Leben auch oft so: mit jemandem schlafen, sich am Morgen wundern, ärgern und denken: Ereignis aufheben. Manchmal ist das die Rettung. Nur dann nicht, wenn der Richter deine Realität aufhebt. Noch dazu ohne dein Einverständnis.

Im Protokoll steht, dass mich zwei OMON-Mitarbeiter, geboren 1993 und 1994, festgenommen haben. Festgenommen hat mich aber ein großer Schnurrbärtiger über vierzig. Und ein Augenzeuge bestätigt das. Aufhebung des Ereignisses.

Ich hatte ein Leopardenkostüm an, da gibt es ein Foto auf der Straße und im Gefangenentransporter, aber im Protokoll steht, dass man mich „in Hosen, Jacke und Stiefeln“ verhaftet hat. Aufhebung des Ereignisses.

[…]
Da steht, dass ich auf der Tverskaja Straße in einer Gruppe von 500 Personen verhaftet wurde, aber ich wurde auf dem Tverskoj Boulevard festgenommen und da waren gar nicht so viele Leute. Aufhebung des Ereignisses.

Im Protokoll ist eine Liste von Losungen aufgeführt, die Allen nach dem gleichen Muster zugeschrieben wurden. Mit dem Wörtlichen nehmen es die Polizisten offenbar nicht so genau. Aber wozu brauchen sie das Wörtliche, wenn sie sich ihre eigene Realität schaffen und auf die authentische pfeifen.

Anwalt Denis Schedov sagt, die Protokolle seien sehr schlecht. Aber selbst wenn sie gut sind, habe ich gesetzlich nichts falsch gemacht. Aufhebung des Ereignisses. 15.000 Rubel Strafe.

Am Abend fragt Alexander Tschernych: Wie konnte es passieren, dass irgend so ein Kerl im Kleid einfach die Realität aufgehoben hat? Ich sage: Das ist irgendwie passiert, Sascha. Und wir haben nicht verfolgt, warum das heute die Norm ist. Wenn man in den 2000er-Jahren, bei dem Versuch der Generation der Regisseure einen Namen zu geben, von den „Neuen Leisen“ sprach, dann kann man heute „Neue Niemande“ sagen - man hat uns abgeschafft. Ich bin kein Regisseur, ich bin ein Gesetzesbrecher.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

2. Oktober 2017

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Russisches Justizministerium verteidigt "Agentengesetz"

Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gericht für Menschenrechte

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MEMORIAL Krasnodar ins Register für angebliche „ausländische Agenten“ aufgenommen

Ein weiterer Memorial-Verband ist zum „ausländischen Agenten“ erklärt worden: Seit dem 21. August ist Memorial Krasnodar in dem berüchtigten Register verzeichnet.

Vorangegangen war eine außerplanmäßige Überprüfung des Verbands, aus der sich in den Augen des Justizministeriums die entsprechende Einstufung von Memorial Krasnodar ergab. Dieses Verfahren wurde schon bei mehreren anderen Memorial-Verbänden angewendet.

Inzwischen wurden neben der internationalen Dachorganisation aller Memorial-Verbände Memorial International noch das Wissenschaftliche Informationszentrum Memorial Petersburg (NITs), Memorial Rjasan, beide Memorial-Verbände in Jekaterinburg, Memorial Komi sowie das Menschenrechtszentrum Memorial als „Agenten“ registriert. Memorial Komi hat sich aus diesem Grund inzwischen aufgelöst.

Insgesamt sind derzeit 88 Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" registriert.

23. August 2017

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Berichte zum Fall Ali Feruz

Anfang August wurde in Moskau der usbekische Journalist Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) festgenommen, ihm droht die Ausweisung nach Usbekistan. Nachfolgend dokumentieren wir einige Berichte und Kommentare zu seiner Situation. Die Ausweisung wurde einstweilen ausgesetzt. Eine Petition (in russischer Sprache) mit einem Aufruf gegen seine Abschiebung finden Sie hier.

Denis Krivoshejev, stellvertretender Direktor für Europa und Zentralasien bei Amnesty International, erklärte aus Anlass der drohenden Abschiebung: „Ali Feruz lebt offen homosexuell, ist Menschenrechtsaktivist und Korrespondent der unabhängigen Zeitung Novaja Gazeta. Da ist eine beinahe tödliche Kombination für jemanden, der drauf und dran ist, nach Usbekistan ausgeliefert zu werden, wo ‚Sodomie‘ ein Verbrechen und Folter endemisch ist.“

Article 20, 3. August 2017

Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz berichtete der ONK (Gesellschaftliche Beobachtungskommission – deren Mitglieder überwachen in Russland die Einhaltung von Menschenrechten in Haftanstalten; Anm. d. Übs.) von Schlägen und Anwendung von Elektroschocks gegen seine Person durch die Wachmannschaft.

Mitglieder der öffentlichen Überwachungskommission ONK besuchten den Journalisten Ali Feruz (richtiger Name Khudoberdi Nurmatov) im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung von Migranten in Sacharovo. Feruz berichtete, dass er bei der Begleitung aus dem Gericht verprügelt wurde.

„Beim Transport aus dem Gericht zum SUVSIG (Einrichtung für die zeitliche Unterbringung ausländischer Personen, die ausgewiesen werden sollen; Anm. Übs.) wurde er mit Flüchen beleidigt, danach wurden zweimal Elektroschocks angewendet – an der Hand und am Oberschenkel“, berichtete Evgenija Jenikejev, Mitglied der ONK, die Ali am heutigen Tag sah. „Dann schlug man ihn mit dem Griff des Elektroschockers auf das linke Schulterblatt, dort bildete sich ein großes Hämatom. Bei der Aufnahme leugnete man die Existenz eines Hämatoms. Man verbot uns, den blauen Fleck zu fotografieren.“

Ein Beobachter fügte hinzu, nach allem zu urteilen, sei er von einem „Gerichtsvollzugsdienst“ begleitet worden. Er behielt im Gedächtnis, dass derjenige, der geschlagen hatte, von Kollegen mit Sanja angesprochen worden war.

Jenikejev berichtete ebenfalls, dass Ali unter Bauschmerzen leidet, weil er gestern den ganzen Tag auf der Polizei und bei Gericht festgehalten wurde, ohne die Möglichkeit etwas zu essen. Am Vorabend hatte das Moskauer Basmanny Gericht die Entscheidung über die Zwangsausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz aus Russland nach Usbekistan getroffen. Dieses Urteil fällte das Gericht, nachdem am 1. August ein Protokoll wegen Verstoß gegen die Regelung für die Einreise in die und den Aufenthalt in der Russischen Föderation für Ausländer (§ 18.8 III.1 OWIG RF) gegen Feruz aufgenommen worden war.

Vor Gericht hatte Feruz sich „nicht schuldig“ bekannt: „Nein, ich bin nicht-schuldig. Schon seit drei Jahren befinde ich mich im Aufnahmeverfahren. Im Moment versuche ich, vorübergehendes Asyl zu erhalten.“

Im Gerichtssaal wurde er verhaftet und nach Sacharovo in Abschiedehaft gebracht. Nach den Verhandlungen versuchte Feruz nach Angaben seines Verteidigers, sich das Leben zu nehmen. Noch vor der Verhaftung hatte Feruz Berufung gegen die Ablehnung des MWD (Innenministerium), ihm vorübergehendes Asyl zu gewähren, eingelegt. Bis zur Prüfung durch das Gericht kann sich Feruz auf dem Territorium des Landes aufhalten.

Quelle: Novaja Gazeta

OVD-Info, 5. August 2017

Nach Schlägen durch die Begleitposten begannen beim Journalisten Ali Feruz Herzschmerzen

Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) leidet unter starken Herzschmerzen und erhöhtem Blutdruck. Darüber berichtete der Chefredakteur der Novaja Gazeta Dimitry Muratov, der Feruz im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländische Staatsbürger (ZVSIG) besuchte. Nach seinem Worten befand sich auf dem Rücken des Journalisten ein Hämatom in der Größe von etwa 20 – 23 Zentimetern. Wie Muratov berichtete, konnte Feruz wegen schlechtem Befinden drei Tage nicht normal essen. „Bei der Leitung des Zentrums beantragte ich eine sehr schnelle Untersuchung und medizinische Hilfeleistung. Einen gesonderten Antrag dazu wird Alis Anwalt am Montag einreichen,“ schrieb Muratov.

Er berichtete, dass Feruz die Bedingungen im ZVSIG als gut und das Personal als wohlwollend und kompetent bezeichnet habe. Ali Feruz war am 1. August festgenommen worden. Auf der Polizeiwache war gegen ihn, Staatsbürger Usbekistans, ein Protokoll gemäß § 18.8 III.1 des Ordnungsstrafrechts (Verletzung der Aufenthaltsbestimmungen in der Russischen Föderation durch einen ausländischen Staatsbürger), erstellt worden, was eine verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht. Am selben Tag entschied das Gericht, Feruz auszuweisen, und er wurde ins ZVSIG gebracht.

Während der Überführung in das ZVSIG verprügelte die Begleitmannschaft den Journalisten. Polizisten wendeten zweimal ein Elektroschockgerät an und schlugen Feruz danach mit dem Griff des Geräts auf das linke Schulterblatt, wo ein großes Hämatom zurückblieb.

Am 4. August untersagte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Russischen Regierung den Journalisten nach Usbekistan auszuweisen, solange sein Fall noch nicht abschließend vom Europäischen Gerichtshof geprüft wurde.

OVD-Info - 8. August 2017

Das Berufungsgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung von Ali Feruz aus

Das Moskauer Stadtgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz nach Usbekistan auf der Grundlage einer Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus.

Der Europäische Gerichtshof untersagte Russland, Feruz auszuweisen. Bis zum Ende der Gerichtsverhandlung wird sich der Journalist im Übergangszentrum für ausländische Bürger (ZVSIG) aufhalten. Heute bei Gericht sagte Feruz‘ Mutter, dass sie Bürgerin der Russischen Föderation sei und alle ihre Kinder in Russland lebten.

Am Gebäude des Moskauer Stadtgerichts wurden Einzelkundgebungen zur Unterstützung von Feruz abgehalten.

Ali wurde am 1. August festgenommen und auf ein Polizeirevier gebracht, wo man ein Protokoll aufnahm wegen des Verstoßes eines ausländischen Bürgers gegen die Regelungen des Aufenthalts in der Russischen Föderation (§ 18.8 III.1 OWIG RF), der die verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht.

Zuletzt hatte man ihn im März verhaftet, da sollte er bereits ausgewiesen werden. Bei der Polizei sah Ali eine Person, die er als Mitarbeiter des Geheimdienstes Usbekistans erkannte.

Vor acht Jahren hatte der Journalist Usbekistan verlassen, weil der Geheimdienst des Landes ihm eine Zusammenarbeit angetragen hatte, die er jedoch nicht wollte. Bevor Feruz die Flucht gelang, hatte man ihn gefoltert.

Ali stellte einen Antrag auf zeitlich begrenztes Asyl in Russland, der abgelehnt wurde. Gegen das Urteil legte er Berufung ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Die Ablehnung ist somit noch nicht rechtskräftig. Aus diesem Grund befindet er sich zu Recht und völlig legitim auf russischem Territorium.

Nach der Entscheidung des Basmanny-Gerichts über die Ausweisung wurde Feruz in das Zzentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländischer Bürger (ZVSIG) gebracht. Bei der Überführung dorthin beleidigte ihn eine Begleitperson wegen seiner sexuellen Orientierung (Ali Feruz lebt offen schwul – OVD-Info), schlug ihn mit dem Elektroschockgerät und sagte: „Solche wie dich … sollte ich besser mit dem Elektroschocker einäschern.“ Nachdem er verprügelt worden war, setzten bei Ali Herzschmerzen ein.

Am 4. August verbot der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte per Gerichtsentscheid den russischen Behörden Ali nach Usbekistan auszuweisen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

22. August 2017

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Irina Scherbakowa erhält Goethe-Medaille

Am 28. August wird in Weimar die Goethe-Medaille verliehen. Neben zwei weiteren Preisträgerinnen – der Verlegerin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Urvashi Butalia aus Indien und der Schriftstellerin Emily Nasrallah aus dem Libanon - wird Irina Scherbakowa ausgezeichnet.

Irina Scherbakowa setze sich seit Jahrzehnten dafür ein, über die Repressionspolitik der ehemaligen Sowjetunion aufzuklären, heißt es in der Erklärung des Goethe-Instituts. Als gefragte Gesprächspartnerin zu den deutsch-russischen Beziehungen wirke sie maßgeblich mit an der Verständigung zwischen beiden Ländern.

Die diesjährige Preisverleihung steht unter dem Motto „Sprache ist der Schlüssel“.

19. August 2017

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Berufung von MEMORIAL International abgelehnt

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