Es folgt der (leicht gekürzte) Bericht von Sarema Saudinova.
Aufhebung des Ereignisses: Wie man mir die Realitätraubte
Wenn ich mich bis zum 12. Juni noch vorstellen konnte, wie es mir gefiel: Regisseurin, tschetschenische Fürstin und was nicht noch alles, so nach dem 12. Juni nur noch so: Guten Tag, ich bin der Leopard. Ich bin die, die auf dem Tverskoj Boulevard im Leopardenkostüm verhaftet wurde.
Ich arbeite im Teatr.doc, die Realität, das ist mein Beruf, aber manchmal fügt sie einem Schmerz zu. Wie am 12. Juni 2017. - So ungefähr begann mein Monolog im Gerichtssaal.
Da wir unverbesserliche Theaterliebhaber sind und nichts zu verlieren haben, sollte nicht nur ich im Leopardenkostüm im Gerichtssaal sein, sondern auch noch eine Schauspielerin, die auf professionelle Weise die russische Rechtsprechung beweint. Es sollte keine Aussagen geben, sondern Monologe. Und alles sollte dramaturgisches Material sein.
So versammelte sich im Gerichtssaal ein Team unserer jungen Leute: Ich in der Rolle einer „Dokumentarfilm-Leopardin“, eine Schauspielerin mit Tränen in den Augen, der politische Gefangene Alexej Polichovitsch sowie der Korrespondent und Zeuge Alexander Tschernych in einem Shirt mit der Aufschrift „Tschetschenien.“ Und der Anwalt Denis Schedov. Eigentlich wollten wir noch Eintrittskarten für die Verhandlung verkaufen, aber dann sahen wir ein, dass Partisanentheater unbedingt bei freiem Eintritt stattfinden muss und entschieden uns dagegen.
Der Regisseur-Beruf ist im heutigen Russland kompliziert, weil man uns alles weggenommen hat. […] Es gibt so einen Schauspiel- und Dramaturgie-Begriff: „Aufhebung des Ereignisses“. Da haben wir die Hölle, aber der Schauspieler spielt so, als ob es die Hölle nicht gibt. […] Das machen wir im Leben auch oft so: mit jemandem schlafen, sich am Morgen wundern, ärgern und denken: Ereignis aufheben. Manchmal ist das die Rettung. Nur dann nicht, wenn der Richter deine Realität aufhebt. Noch dazu ohne dein Einverständnis.
Im Protokoll steht, dass mich zwei OMON-Mitarbeiter, geboren 1993 und 1994, festgenommen haben. Festgenommen hat mich aber ein großer Schnurrbärtiger über vierzig. Und ein Augenzeuge bestätigt das. Aufhebung des Ereignisses.
Ich hatte ein Leopardenkostüm an, da gibt es ein Foto auf der Straße und im Gefangenentransporter, aber im Protokoll steht, dass man mich „in Hosen, Jacke und Stiefeln“ verhaftet hat. Aufhebung des Ereignisses.
[…]
Da steht, dass ich auf der Tverskaja Straße in einer Gruppe von 500 Personen verhaftet wurde, aber ich wurde auf dem Tverskoj Boulevard festgenommen und da waren gar nicht so viele Leute. Aufhebung des Ereignisses.
Im Protokoll ist eine Liste von Losungen aufgeführt, die Allen nach dem gleichen Muster zugeschrieben wurden. Mit dem Wörtlichen nehmen es die Polizisten offenbar nicht so genau. Aber wozu brauchen sie das Wörtliche, wenn sie sich ihre eigene Realität schaffen und auf die authentische pfeifen.
Anwalt Denis Schedov sagt, die Protokolle seien sehr schlecht. Aber selbst wenn sie gut sind, habe ich gesetzlich nichts falsch gemacht. Aufhebung des Ereignisses. 15.000 Rubel Strafe.
Am Abend fragt Alexander Tschernych: Wie konnte es passieren, dass irgend so ein Kerl im Kleid einfach die Realität aufgehoben hat? Ich sage: Das ist irgendwie passiert, Sascha. Und wir haben nicht verfolgt, warum das heute die Norm ist. Wenn man in den 2000er-Jahren, bei dem Versuch der Generation der Regisseure einen Namen zu geben, von den „Neuen Leisen“ sprach, dann kann man heute „Neue Niemande“ sagen - man hat uns abgeschafft. Ich bin kein Regisseur, ich bin ein Gesetzesbrecher.
Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker
2. Oktober 2017
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Ein weiterer Memorial-Verband ist zum „ausländischen Agenten“ erklärt worden: Seit dem 21. August ist Memorial Krasnodar in dem berüchtigten Register verzeichnet.
Vorangegangen war eine außerplanmäßige Überprüfung des Verbands, aus der sich in den Augen des Justizministeriums die entsprechende Einstufung von Memorial Krasnodar ergab. Dieses Verfahren wurde schon bei mehreren anderen Memorial-Verbänden angewendet.
Inzwischen wurden neben der internationalen Dachorganisation aller Memorial-Verbände Memorial International noch das Wissenschaftliche Informationszentrum Memorial Petersburg (NITs), Memorial Rjasan, beide Memorial-Verbände in Jekaterinburg, Memorial Komi sowie das Menschenrechtszentrum Memorial als „Agenten“ registriert. Memorial Komi hat sich aus diesem Grund inzwischen aufgelöst.
Insgesamt sind derzeit 88 Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" registriert.
23. August 2017
Weiterlesen … MEMORIAL Krasnodar ins Register für angebliche „ausländische Agenten“ aufgenommen
Anfang August wurde in Moskau der usbekische Journalist Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) festgenommen, ihm droht die Ausweisung nach Usbekistan. Nachfolgend dokumentieren wir einige Berichte und Kommentare zu seiner Situation. Die Ausweisung wurde einstweilen ausgesetzt. Eine Petition (in russischer Sprache) mit einem Aufruf gegen seine Abschiebung finden Sie hier.
Denis Krivoshejev, stellvertretender Direktor für Europa und Zentralasien bei Amnesty International, erklärte aus Anlass der drohenden Abschiebung: „Ali Feruz lebt offen homosexuell, ist Menschenrechtsaktivist und Korrespondent der unabhängigen Zeitung Novaja Gazeta. Da ist eine beinahe tödliche Kombination für jemanden, der drauf und dran ist, nach Usbekistan ausgeliefert zu werden, wo ‚Sodomie‘ ein Verbrechen und Folter endemisch ist.“
Article 20, 3. August 2017
Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz berichtete der ONK (Gesellschaftliche Beobachtungskommission – deren Mitglieder überwachen in Russland die Einhaltung von Menschenrechten in Haftanstalten; Anm. d. Übs.) von Schlägen und Anwendung von Elektroschocks gegen seine Person durch die Wachmannschaft.
Mitglieder der öffentlichen Überwachungskommission ONK besuchten den Journalisten Ali Feruz (richtiger Name Khudoberdi Nurmatov) im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung von Migranten in Sacharovo. Feruz berichtete, dass er bei der Begleitung aus dem Gericht verprügelt wurde.
„Beim Transport aus dem Gericht zum SUVSIG (Einrichtung für die zeitliche Unterbringung ausländischer Personen, die ausgewiesen werden sollen; Anm. Übs.) wurde er mit Flüchen beleidigt, danach wurden zweimal Elektroschocks angewendet – an der Hand und am Oberschenkel“, berichtete Evgenija Jenikejev, Mitglied der ONK, die Ali am heutigen Tag sah. „Dann schlug man ihn mit dem Griff des Elektroschockers auf das linke Schulterblatt, dort bildete sich ein großes Hämatom. Bei der Aufnahme leugnete man die Existenz eines Hämatoms. Man verbot uns, den blauen Fleck zu fotografieren.“
Ein Beobachter fügte hinzu, nach allem zu urteilen, sei er von einem „Gerichtsvollzugsdienst“ begleitet worden. Er behielt im Gedächtnis, dass derjenige, der geschlagen hatte, von Kollegen mit Sanja angesprochen worden war.
Jenikejev berichtete ebenfalls, dass Ali unter Bauschmerzen leidet, weil er gestern den ganzen Tag auf der Polizei und bei Gericht festgehalten wurde, ohne die Möglichkeit etwas zu essen. Am Vorabend hatte das Moskauer Basmanny Gericht die Entscheidung über die Zwangsausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz aus Russland nach Usbekistan getroffen. Dieses Urteil fällte das Gericht, nachdem am 1. August ein Protokoll wegen Verstoß gegen die Regelung für die Einreise in die und den Aufenthalt in der Russischen Föderation für Ausländer (§ 18.8 III.1 OWIG RF) gegen Feruz aufgenommen worden war.
Vor Gericht hatte Feruz sich „nicht schuldig“ bekannt: „Nein, ich bin nicht-schuldig. Schon seit drei Jahren befinde ich mich im Aufnahmeverfahren. Im Moment versuche ich, vorübergehendes Asyl zu erhalten.“
Im Gerichtssaal wurde er verhaftet und nach Sacharovo in Abschiedehaft gebracht. Nach den Verhandlungen versuchte Feruz nach Angaben seines Verteidigers, sich das Leben zu nehmen. Noch vor der Verhaftung hatte Feruz Berufung gegen die Ablehnung des MWD (Innenministerium), ihm vorübergehendes Asyl zu gewähren, eingelegt. Bis zur Prüfung durch das Gericht kann sich Feruz auf dem Territorium des Landes aufhalten.
Quelle: Novaja Gazeta
OVD-Info, 5. August 2017
Nach Schlägen durch die Begleitposten begannen beim Journalisten Ali Feruz Herzschmerzen
Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) leidet unter starken Herzschmerzen und erhöhtem Blutdruck. Darüber berichtete der Chefredakteur der Novaja Gazeta Dimitry Muratov, der Feruz im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländische Staatsbürger (ZVSIG) besuchte. Nach seinem Worten befand sich auf dem Rücken des Journalisten ein Hämatom in der Größe von etwa 20 – 23 Zentimetern. Wie Muratov berichtete, konnte Feruz wegen schlechtem Befinden drei Tage nicht normal essen. „Bei der Leitung des Zentrums beantragte ich eine sehr schnelle Untersuchung und medizinische Hilfeleistung. Einen gesonderten Antrag dazu wird Alis Anwalt am Montag einreichen,“ schrieb Muratov.
Er berichtete, dass Feruz die Bedingungen im ZVSIG als gut und das Personal als wohlwollend und kompetent bezeichnet habe. Ali Feruz war am 1. August festgenommen worden. Auf der Polizeiwache war gegen ihn, Staatsbürger Usbekistans, ein Protokoll gemäß § 18.8 III.1 des Ordnungsstrafrechts (Verletzung der Aufenthaltsbestimmungen in der Russischen Föderation durch einen ausländischen Staatsbürger), erstellt worden, was eine verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht. Am selben Tag entschied das Gericht, Feruz auszuweisen, und er wurde ins ZVSIG gebracht.
Während der Überführung in das ZVSIG verprügelte die Begleitmannschaft den Journalisten. Polizisten wendeten zweimal ein Elektroschockgerät an und schlugen Feruz danach mit dem Griff des Geräts auf das linke Schulterblatt, wo ein großes Hämatom zurückblieb.
Am 4. August untersagte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Russischen Regierung den Journalisten nach Usbekistan auszuweisen, solange sein Fall noch nicht abschließend vom Europäischen Gerichtshof geprüft wurde.
OVD-Info - 8. August 2017
Das Berufungsgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung von Ali Feruz aus
Das Moskauer Stadtgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz nach Usbekistan auf der Grundlage einer Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus.
Der Europäische Gerichtshof untersagte Russland, Feruz auszuweisen. Bis zum Ende der Gerichtsverhandlung wird sich der Journalist im Übergangszentrum für ausländische Bürger (ZVSIG) aufhalten. Heute bei Gericht sagte Feruz‘ Mutter, dass sie Bürgerin der Russischen Föderation sei und alle ihre Kinder in Russland lebten.
Am Gebäude des Moskauer Stadtgerichts wurden Einzelkundgebungen zur Unterstützung von Feruz abgehalten.
Ali wurde am 1. August festgenommen und auf ein Polizeirevier gebracht, wo man ein Protokoll aufnahm wegen des Verstoßes eines ausländischen Bürgers gegen die Regelungen des Aufenthalts in der Russischen Föderation (§ 18.8 III.1 OWIG RF), der die verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht.
Zuletzt hatte man ihn im März verhaftet, da sollte er bereits ausgewiesen werden. Bei der Polizei sah Ali eine Person, die er als Mitarbeiter des Geheimdienstes Usbekistans erkannte.
Vor acht Jahren hatte der Journalist Usbekistan verlassen, weil der Geheimdienst des Landes ihm eine Zusammenarbeit angetragen hatte, die er jedoch nicht wollte. Bevor Feruz die Flucht gelang, hatte man ihn gefoltert.
Ali stellte einen Antrag auf zeitlich begrenztes Asyl in Russland, der abgelehnt wurde. Gegen das Urteil legte er Berufung ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Die Ablehnung ist somit noch nicht rechtskräftig. Aus diesem Grund befindet er sich zu Recht und völlig legitim auf russischem Territorium.
Nach der Entscheidung des Basmanny-Gerichts über die Ausweisung wurde Feruz in das Zzentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländischer Bürger (ZVSIG) gebracht. Bei der Überführung dorthin beleidigte ihn eine Begleitperson wegen seiner sexuellen Orientierung (Ali Feruz lebt offen schwul – OVD-Info), schlug ihn mit dem Elektroschockgerät und sagte: „Solche wie dich … sollte ich besser mit dem Elektroschocker einäschern.“ Nachdem er verprügelt worden war, setzten bei Ali Herzschmerzen ein.
Am 4. August verbot der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte per Gerichtsentscheid den russischen Behörden Ali nach Usbekistan auszuweisen.
Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker
22. August 2017
Irina Scherbakowa setze sich seit Jahrzehnten dafür ein, über die Repressionspolitik der ehemaligen Sowjetunion aufzuklären, heißt es in der Erklärung des Goethe-Instituts. Als gefragte Gesprächspartnerin zu den deutsch-russischen Beziehungen wirke sie maßgeblich mit an der Verständigung zwischen beiden Ländern.
Die diesjährige Preisverleihung steht unter dem Motto „Sprache ist der Schlüssel“.
19. August 2017
MEMORIAL International verliert Klage gegen Etikettierung als „ausländischer Agent“ auch in zweiter Instanz
Wie heute bekannt wurde, hat das Ermittlungskomitee das Verfahren gegen Valentina Tscherewatenko eingestellt.
Gegen die Leiterin der "Don-Frauen" war 2016 ein Verfahren eingeleitet worden, weil sie sich "böswillig" der Registrierung ihres Verbands als "ausländischer Agent" entzogen (d. h. diese nicht selbst beantragt) habe. Dafür drohten ihr bis zu zwei Jahren Haft.
Es war der erste Fall, in dem gegen die Vertreterin einer NGO auf Grund des "Agentengesetzes" (das Nichtregierungsorganisationen, die ausländische Fördergelder erhalten und angeblich "politisch tätig" sind, zur Registrierung als "ausländische Agenten" verpflichtet) strafrechtlich ermittelt wurde.
Wie die zuständige Staatsanwaltschaft mitteilte, wurde das Verfahren bereits am 19. Juni wegen des Fehlens eines Straftatbestands eingestellt.
24. Juli 2017
Weiterlesen … Verfahren gegen Valentina Tscherewatenko eingestellt
16. Juli 2017
Weiterlesen … MEMORIAL Deutschland zur Situation in der Gedenkstätte Perm-36
In Moskau ist OVD-Info von 866 Festgenommenen bekannt, die in 42 Polizeiwachen gebracht wurden. Nicht weniger als 32 Personen verbrachten die Nacht in elf Polizeirevieren. In St. Petersburg wurden, nach vorläufigen Angaben von OVD-Info, mindestens 658 Personen festgenommen und auf 34 Polizeireviere gebracht, 247 ließ man über Nacht auf der Polizeiwache.
Insgesamt wurden in Russland nach Angaben von OVD-Info mindestens 1721 Personen festgenommen. Von ihnen in den Regionen (ausgenommen Moskau und St. Petersburg): 197 Personen.
Wir veröffentlichen die OVD-Info vorliegenden Daten zu Festnahmen und Einzelheiten der Vorfälle. Die Informationen sind unvollständig und werden ergänzt.
Moskau 866 Personen
- Etwa 32 Personen verbrachten die Nacht auf der Polizeiwache.
- Zu Verhaftungen kam es ebenfalls auf dem Sacharov-Prospekt, am Ort der abgesagten Protestversammlung.
- Die bekannten oppositionellen Aktivisten Mark Galperin und Ilja Raschin erhielten 15 Tage Arrest. Ebenfalls unter den Festgenommenen befindet sich der Direktor der Stiftung zum Kampf gegen Korruption Roman Rubanov.
- Alexej Navalnyj wurde am Eingang seines Hauses festgenommen und im Büro der Stiftung zum Kampf gegen Korruption der Strom abgeschaltet. Am Abend des 12. Juni wurde Navalnyj für den wiederholten Verstoß gegen das Versammlungsrecht zu 30 Tagen Arrest verurteilt. (§ 20.2. Ordnungsstrafrecht der RF, Verstoß gegen die festgelegte Ordnung für die Organisation oder Durchführung einer Versammlung, Kundgebung, Demonstration, eines Marsches oder einer Einzelkundgebung)
- Gegen den Aktivisten Michail Aralov wurde wegen wiederholter Verletzung gegen die festgelegte Ordnung zur Durchführung öffentlicher Veranstaltungen ein Protokoll aufgenommen, obwohl eine vorangegangene Verurteilung noch keine Gesetzeskraft besitzt.
Ein Verfahren wurde eingeleitet wegen Sprühen von Gas in das Gesicht eines Polizisten. Ein Verdächtiger wurde, nach Angaben des Untersuchungskomitees, festgenommen. Mindestens drei Festgenommene wurden in dieser Sache verhört.
Viele der in Moskau Festgenommenen wurden verprügelt. Unter den Verprügelten befindet sich auch die Moskauer Kommunalabgeordnete Julija Galjamina. Unter den Festgenommenen sind Minderjährige und einige Ausländer.
St. Petersburg: 658 Personen
Zu den Organisatoren der Protestaktionen, dem Vorsitzenden von „Offenes Russland“ in St. Petersburg, Andrej Pivovarov, dem Koordinatoren von „Frühling“, Nikolaj Artemenko, und einer der Leiterinnen des Wahlkampfstabes Alexej Navalnyjs in St. Petersburg, Polina Kostyleva, kamen zu Beginn der Aktion Mitarbeiter der Polizei und des Zentrums für den Kampf gegen Extremismus. Sie versuchten, mit den Genannten „prophylaktische Gespräche“ zu führen.
In der Leningrader Region wurde der Vertreter der „Neuen Opposition“ Rastorguev festgenommen und als Zeuge in einer Strafsache zu einem Autobrand vom 27. März 2017 verhört.
Ebenso wurde in St. Petersburg ein Verfahren auf der Grundlage des Paragraphen 318 STGB RF (Gewaltanwendung gegen einen Vertreter der Staatsmacht) eingeleitet. Das Untersuchungskomitee sucht nach einer Person, die einem Polizisten mit der Faust in das Gesicht geschlagen hat.
Urteile gegen die auf dem Marsfeld Festgenommenen begann man bereits am späten Abend des 12. Juni zu fällen. So wurde beispielsweise Angelina Vysozkaja zu fünf Tagen Haft und 10 000 Rubeln Strafe verurteilt. Am Morgen des 13. Juni wurde im Regionalgericht der Bürgerrechtler Dinar Idrisov verhaftet.
Auf einigen Polizeirevieren hielt man Festgenommene fest, ohne ein Protokoll aufzunehmen und zwang sie ihre Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Auf 64 Polizeiwachen waren sogar bis zum Morgen des 13. Juni noch keine Protokolle für die Festgenommenen aufgenommen worden.
Auf den Petersburger Polizeiwachen wurden nicht nur Telefone beschlagnahmt, sondern die Verhafteten bis auf die Unterhosen ausgezogen und verprügelt. Ebenfalls unter den Festgenommenen viele Minderjährige und auch Ausländer.
Sotschi: 48 Personen
Unter den Festgenommenen befindet sich ein Korrespondent von Radio Svoboda. Die Festgenommenen wurden psychischem Druck ausgesetzt.
Kaliningrad:34 Personen
Die Protestversammlungen waren mit den örtlichen Behörden nicht abgestimmt.
Tula: 24 Personen
Unter den Festgenommenen befinden sich Minderjährige. Eine Person wurde wegen eines gewissen Zeichen festgenommen.
Wladiwostok: 15 Personen
Dem Administrator der Wladiwostoker Gruppe Vkontakte „Wie fordern Antwort“ nahmen Kosaken eine Flagge ab und schlugen ihn. Ein weiterer Aktivist wurde mit einem zusammengerollten Plakat festgenommen. Einen Kameramann, der eine Übertragung ins „Periskop“ streamte, übergoss man mit grüner Flüssigkeit.
Unter den Verhafteten war auch der Abgeordnete der Städtischen Duma Jurij Kutschin. Er wurde an diesem Tag zweimal festgenommen.
Einem der Festgenommenen drohte man mit einem Strafverfahren wegen Angriff auf einem Polizisten.
Am Abend wurden 12 Personen von der Polizei auf freien Fuß gesetzt.
Norilsk: 10 Personen
Die Versammlung wurde von der Polizei vereitelt, ungeachtet des Vorhandenseins einer Erlaubnis zur Durchführung. Kosaken halfen der Polizei bei der Auflösung der Versammlung.
Blagoweschtschensk: 9 Personen
Die Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.
Tambow: 7 Personen
- Eine Protestaktion war in Tambov nicht vereinbart. Vor Beginn der Aktion wurden vor ihrem Haus der Koordinator von „Offenes Russland“, Vladimir Shilkin, und seine Frau Natalija verhaftet.
Kasan: 6 Personen
- Unter den Festgenommenen in Kasan sind der Organisator der Versammlung, einer der Auftretenden und drei Frauen wegen eines Plakates mit der Aufschrift „Kein Genozid an der Urbevölkerung Russlands“.
Samara: 5 Personen
- Als Grund für die Verhaftung diente das Zeigen der tschuwaschischen Flagge.
Almetjewsk: 5 Personen
Eine Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.
Wladimir: 3 Personen
Eine Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.
Jeisk: 8 Personen
- Die Teilnehmer der Versammlung wurden festgenommen, obwohl die Aktion in Form einer Serie von Einzelkundgebungen durchgeführt wurde. Fünf Minderjährige wurden auf freien Fuß gesetzt, eine Aktivistin wurde mit einer Strafe von 10 000 Rubeln belegt.
Lipezk; 3 Personen
- Unter den Festgenommenen befindet sich ein Teilnehmer einer Einzelkundgebung.
Nischni Tagil: 1 Person
- Polizisten hielten die Tatsache, dass sich ein Festgenommener auf der Polizeiwache befand, geheim.
Abakan: 1 Person
Der Teilnehmer einer Versammlung wurde wegen Tragen einer Maske festgenommen. Nach Protokollaufnahme wurde er entlassen.
In Machatschkala verlangten Polizisten vom Organisatoren eine Bescheinigung darüber, dass keine gesetzeswidrigen Handlungen verübt werden und setzten ihn innerhalb einer halben Stunde auf freien Fuß.
In Weliki Novgorod wurden 13 Personen festgenommen. Bekannt sind ebenfalls Verhaftungen von jeweils mindestens einer Person in Gattschina, Volgograd, Tjumen und Ischewsk.
§ 20.2. Ordnungsstrafrecht der RF
Quelle: OVD-Info
Wie es war: Erzählungen Verhafteter am Tag Russlands
15.06.2017 Moskau
Die Protestaktionen gegen Korruption umfassten eine präzedenzlose nie dagewesene Anzahl an Städten. Eine vergleichbare landesweite Verteilung der Proteste gab es bei Versammlungen gegen die KPDSU am Ende der 80er Jahre und bei dem „Schienenkrieg“ des Jahres 1998 [ „Schienenkrieg“: Historischer Terminus, beschreibt Anschläge und Sabotageaktionen gegen Eisenbahnlinien, u.a. während des Großen Vaterländischen Krieges durchgeführt von sowjetischen Partisanen. Hier sind Proteste und Aktionen streikender Kumpel gemeint, die 1998 wegen nicht ausgezahlter Löhne Eisenbahnstrecken der Transsibirischen Eisenbahn besetzten. Diesem „Schienenkrieg“ schlossen sich damals Krankenschwestern, Lehrer, Ärzte, Studenten und Professoren an. Anmerk. Übers.]. Am 12 Juni gingen Menschen aus etwa 200 Städten Russlands auf die Straße, Polizisten verhafteten mindestens 1720 Personen. Gemeinsam mit Meduza fahren wir fort, ein Fazit der Ereignisse aus dem Tag Russlands zu ziehen und tragen Erzählungen Verhafteter zusammen. Heute veröffentlichen wir fünf Zeugenberichte aus Moskau und jeweils einen aus St. Petersburg und Blagoweschtschensk.
Daria Koscheleva, Blagoweschtschensk, minderjährig:
Auf mich stürzte sich ein Ninja mit Schulterklappen
Ich laufe auf der Straße 50-Jahre-Oktober, mit der einen Hand streame ich in „Periskop“, in der anderen Hand habe ich die Verfassung Russlands. Es beginnt ein Dröhnen, ich versuche mich durchzuschlagen, um nachzusehen und plötzlich stürzt sich ein Ninja mit Schulterklappen auf mich. Natürlich hat er sich nicht vorgestellt und auch nicht gesagt, was überhaupt vor sich geht.
Nach einem kurzen Kampf trennte er mich von den Leuten, die in meiner Nähe liefen. Ich versuchte mich loszureißen, er stößt mich auf die Straße, auf der eine große Zahl Autos und Busse fuhren. Man führte mich zu einem Bus zusammen mit noch einem Jungen (Nikita Burmanin), dort waren ungefähr zehn Polizisten, die uns als einträchtige Gesellschaft unter Schimpfworten mit irgendeinem Kerl mit Schulterklappen an der Spitze in einen Shiguli ohne jegliche Kennzeichnungen setzten.
Man brachte uns auf ein Polizeirevier, führte uns in den dritten Stock zum Eingang einer Aula, wo schon ein paar Leute waren, fragte nach den Pässen zum Kopieren, wir gaben sie ab und besonnen uns erst danach, dass wir das nicht hätten tun sollen. Aber alles war gut und wir bekamen sie nach etwa 15 – 20 Minuten zurück. Sie nahmen eine Erklärung auf. Wir warteten lange auf meine Mutter. Während wir warteten, dass ein Büroraum frei wird, drängte sich frech so eine Tante auf, wie so ein Gopnik [ein abfälliger Begriff, im russischen Jargon eine Bezeichnung für Vertreter der Jugend mit kriminellem Verhalten, die oft keine Ausbildung haben und zu den schwachen sozialen Schichten der Gesellschaft gehören. Anmerk. Übers.], stellte sonderbare Fragen über Piercing, versuchte mich verlegen zu machen und zu erniedrigen.
Dann führte man uns weg in so ein „Folterzimmer“, das scharf nach Urin stank, mit einem schmutzigen Tisch, an dem Spuren von genommenen Fingerabdrücken waren. Dort setzte man ein Protokoll auf, gleichzeitig wurde ein Gespräch geführt und völliger Unsinn gequatscht. Sie sagten, dass die Korruption uns nichts angehe, dass das Problem nicht aktuell sei, dass wir uns besser mit wirklich wertvollen und interessanten Dingen beschäftigen sollten und so weiter. Das Protokoll übrigens diktierte genau der, der mich auf der Straße gepackt hatte, und ein anderer schrieb. Sie drohten mit einer Strafe von 10 000 Rubeln aufwärts, dem Beschluss zur Registrierung bei der Kommission für Minderjährige und der möglichen Anwendung einer Bestrafung der Eltern – dafür, dass sie ihren elterlichen Verpflichtungen schlecht nachkommen.
§ 20.2 Ordnungsstrafrecht der RF (Verstoß gegen die festgelegte Ordnung zur Durchführung öffentlicher Veranstaltungen)
Jegor Novusov, St. Petersburg, minderjährig
Als wir zum Marsfeld kamen, wunderten wir uns über die riesige, im Vergleich zum 26. März, Menge an Mitarbeitern der Rechtspflegeorgane. Wir waren zu viert, alle noch minderjährig. Die erste halbe Stunde beobachteten wir die für Veranstaltungen an diesem Ort klassische Situation: Die Polizei verjagte die Leute von den Denkmälern, nur dass sie das in einer viel aggressiveren Weise taten als beim letzten Mal.
Und dann, eine Stunde nach Beginn, fingen sie an, die Menschenmenge in einen Ring zu treiben. Es gab ein Gedränge, irgendjemand verwundete versehentlich einen Opa im Gesicht, in der Menge fand sich einer, der Pflaster bei sich hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Ring schon gebildet, aber wir hatten nicht das Glück von dort wegzulaufen. Die ersten fünf Minuten hätte man noch weglaufen können, indem man mit der gebotenen Sachkenntnis über das Denkmal gesprungen wäre, aber danach waren zwei Polizisten darauf. Man ließ die Presse aus dem Ring. Nach einer halben Stunde bildete sich ein Korridor, durch den die Polizisten wahllos und ohne viel Federlesens jeweils eine Person zu den Bussen führte. Und obwohl wir keinerlei Widerstand leisteten und freiwillig in den Bus gingen, beschuldigte man uns später gegen § 19.3 Ordnungsstrafrecht [Nichtbefolgen einer rechtmäßigen Anweisung eines Mitarbeiters der Polizei, Anmerk. Übers.] verstoßen zu haben.
Angekommen im Bus verstanden wir, dass die Lage hier nicht die allertraurigste sein würde, die Leute waren fröhlich gestimmt. Die Mitarbeiter der Polizei hatten sich bei der Festnahme weder vorgestellt noch mir meine Rechte und meinem Status erklärt. Später wurde das dann im Protokoll angegeben. Nach einer Stunde Fahrt kamen wir dann wohl bei dem Revier 64 an. Offenbar reichte der Platz dort nicht aus, weil wir sofort nach dem Parken aufs Neue weiterfuhren. Nach einer weiteren Stunde waren wir auf dem Polizeirevier Nr. 8.
Und dann gingen der Mist und die Heiterkeit los: Mit Hilfe des Türöffnungsmechanismus bei Unfällen entkamen plötzlich zwei Leute, die ganze Polizei rennt auf die Straße, kann die Flüchtigen aber nicht mehr einholen. Der Bus fuhr weiter, denn auch auf dem 8. Revier gab es keinen Platz. Nur dass jetzt an jeder Tür jeweils zwei Polizisten standen. Insgesamt fuhr man uns ungefähr vier Stunden durch die Stadt. Man muss berücksichtigen, dass man uns während dieser Zeit kein einziges Mal auf die Toilette ließ. Im Grunde war das ein Bestandteil von Folter. Die Mitarbeiter antworteten auf die Empörung giftig: Wartet. Die Vollendung unserer unglaublichen Reise, der Exkursion durch den Süden St. Petersburgs, war dann das Polizeirevier 55. Und hier begann man dann gemächlich, die völlig erschöpften Leute auf die Toilette zu lassen. Das lief nicht ohne Fluchtversuche ab: Ein Fliehender wurde gefasst und an Füßen und Händen zurück in den Bus geschleppt.
Kaum dass man uns aufgerufen hatte, wollte man uns zwingen eine Erklärung zu schreiben, aber nachdem sie erfuhren, dass wir noch Minderjährige waren, fotografierte man nur unsere Pässe und uns (ich persönlich verdeckte mein Gesicht).
Wie sich später herausstellte, waren die Männer ohne Uniform, die in der Aula saßen, Mitarbeiter des Zentrums für den Kampf gegen Extremismus. Sie benahmen sich besonders unverschämt und flegelhaft. Dann jagte man uns alle in die zweite Etage. Sie erstellten einen Bericht in meiner Sache und in der noch einer Person nach demselben Muster und schickten uns zum Warten auf den Inspektor für Angelegenheiten Minderjähriger auf den Flur auf ein Sofa. Wir warteten noch eineinhalb Stunden. Dass ich unbedingt ein Antibiotikum einnehmen musste, war allen völlig egal. Bei Ankunft der Inspektorin bat man mich ins Büro. Es begann mit der formellen Befragung: Wohnort, Geburtsdatum u.s.w. Nach zehn Minuten kam meine Mutter, die man zuerst nicht in die Polizeiwache einlassen wollte. Alle Mitarbeiter hatten keine Hemmungen die Teilnehmer der Versammlungen zu fragen, „wieviel man ihnen bezahlt habe.“
Die Inspektorin verkündete, dass jedem Studenten und Schüler etwa 1000 Rubel für die Teilnahme gezahlt worden seien, damit wollte man, gemäß den Worten der Inspektorin, die Teilnehmerzahl der Veranstaltung erhöhen. Angeblich habe man dafür Beweise und bald gäbe es eine Untersuchung.
Als man mir den Bericht zu lesen gab, stellte ich verwundert fest, dass ich beschuldigt wurde gegen § 19.3 verstoßen zu haben: Nichtbefolgen einer rechtmäßigen Anweisung eines Mitarbeiters der Polizei. Auf meine völlig natürliche Empörung sagte man mir, dass das Nichtbefolgen in meinem Fall darin bestehe, dass ich das Marsfeld nicht verlassen habe, als die Polizeimitarbeiter dies durch das Megaphon gesagt hätten. Der Inspektorin war völlig gleich, dass ich mich auf der anderen Seite des Marsfeldes hätte befinden und nicht hören können, was gesagt wurde.
Ich unterschrieb im Protokoll „Nicht einverstanden mit der Anschuldigung“. Nach ein paar Formalitäten ließ man uns frei und versprach, nach Erinnerung durch den Anwalt, im Verlauf von fünf Minuten Kopien der Protokolle anzufertigen. Im Ergebnis warteten wir eine halbe Stunde.
Man weigerte sich, die Kopien der Berichte auszuteilen. Sie sagten, es bedürfe dazu „einer schriftlichen Anfrage und danach werden wir prüfen.“
Insgesamt betrug unser „Freiheitsentzug“ vom Augenblick der Festnahme bis zur Freilassung acht Stunden 20 Minuten. Die Eltern wurden in die Schule zu einem Gespräch mit dem Direktor einbestellt.
Quelle: OVD-Info.
Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker
Juli 2017
Mit diesem Preis soll der . „Einsatz für ein freies demokratisches Russland“ gewürdigt werden. Der Entscheidung der Jury ist eine Abstimmung auf der Website der Novaja Gazeta vorausgegangen. Leser konnten unter zahlreichen Kandidaten fünf Favoriten auswählen. Die endgültige Entscheidung obliegt der Jury. Ildar Dadin hatte in der Internet-Abstimmung die meisten Stimmen bekommen.
An der Preisverleihung, die bei der Deutschen Welle in Bonn stattfand, konnte Ildar Dadin indes nicht teilnehmen, da er keinen Auslandspass besitzt und Russland nicht verlassen kann. An seiner Stelle nahm Sergej Davidis vom Menschenrechtszentrum Memorial den Preis entgegen.
13. Juni 2017
Valentina Tscherewatenko, der Vorsitzenden der NGO „Donfrauen“, droht strafrechtliche Verfolgung. Am 2. Juni wurde ihr die Anklageschrift übermittelt.
Das Verfahren war bereits 2016 eingeleitet worden.Die NGO „Donfrauen“ gehört zu den Organisationen, die in Russland als „ausländische Agenten“ verzeichnet sind bzw. waren. Tscherewatenko wird vorgeworfen, die Registrierung ihrer Organisation als „Agent“ nicht selbst beantragt zu haben. Sie habe sich "böswillig" der Geltung des "Agentengesetzes" entzogen. Dies kann mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Valentina Tscherewatenko ist die erste Leiterin einer NGO, die im Zusammenhang mit dem „Agentengesetz“ strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt ist, die mit einer Haftstrafe enden könnte. Im Dezember 2016 ist sie mit 15 anderen Personen mit dem (erstmals verliehenen) Deutsch-Französischen Menschenrechtspreis ausgezeichnet verliehen.
4. Juni 2017
Weiterlesen … Russischer Menschenrechtlerin droht Haftstrafe
Vorsitzender von Memorial Karelien unter verleumderischer Anklage
Weiterlesen … Memorial veröffentlicht aktualisierte Liste von politischen Gefangenen
On the 10th May, the world-famous director Alexander Sokurov visited the «Perm 36» Museum. After an excursion, he spoke to journalists about his impressions and about why he thinks it important to preserve this museum space for present and future generations.
I’ve been to different museums in many different countries of the world. I’m probably even more of an advocate of museums than cinema because I believe that they are an absolutely fundamental phenomenon for national culture and a phenomenon which goes beyond politics. This is that very sphere of activity to which Russia is most predisposed to.
I’ve had occasion to work in various museums and archives from Japan to Latin America. Museums and archives in the Soviet Union and Russia work on an extremely high level. We have an excellent foundation of professional experience. In this respect we don’t to envy the West in this respect. Recently I worked at the Louvre and must say that I was very disillusioned.
That which we see today is so unique and so unparalleled, that it’s hard to comment. On the one hand, it’s very challenging on an ethical level to walk through this territory and through this museum, you’re constantly feeling guilty for this sense of being a voyeur, for this is a place where people were tormented. On the other hand, they are terribly important illuminating lessons for people and society which tends to forget and to exaggerate its own accomplishments and victories.
Whatever my own appraisal, undoubtedly a subjective one, it appears that the decision to preserve the museum was the only correct one. Soviet practices have not disappeared, it is still as if we live in the same country. Occasionally I visit courts and prisons as part of my public duties, and in the Soviet times I would also have occasion to visit prison colonies. To be honest, I don’t see any difference between that which is shown here at Perm 36 and that which happens today in prison.
The place is simply too raw to be called a museum. One needs to find a new definition. I’ve been to Auschwitz, and it, like Perm 36, can’t be called a museum. It is something else, something which our culture can’t find a definition for yet.
With all the possible different interpretations and all different points of view, the main thing is this location…above all, it needs to be preserved. It needs to survive and then with the combined efforts of those who are able to conceptualize the museum practices and bring them to fruition on a serious level, and think to conceive how this can be done so the place serves as a lesson for the whole nation.
This location is a very Russian one. All this lager history is Russian history. Generally speaking, it speaks of our shame and our immense guilt before 20th Century civilization for that which happened and which persists. This is what we have not lived through, not mourned, not reflected about and has not been absolved.
One would like this location to be fuller of the world of objects. Each thing preserves in itself a kind of aura. The sense doesn’t leave the object. This world of objects is lacking as I see it. After all, for us, what is most important is that the habit of reciprocal torment, a horrible disease of our Russian traditions, this abuse of people and heartlessness, isn’t transmitted to the young generation which is entering into a period of terrifying political struggle.
An immense amount of people once again are ready to become jailers, ready once again to repeat the division of our country into two. There is an uncontrolled anger coming from the people and now there is little in common between them. Many young people are entering the social and political space. They won’t start to enter into details when they’re being suppressed by the full force of erroneous laws. This turmoil will reach you here too; not only St Petersburg and Moscow will be in its grip. But I’m afraid that it will arrive in a more ruthless form and all this will cease being a museum and will be used for its intended purpose.
The creation of the «Gulag Archipelago» and the composition of literary works can not stifle this hydra alone. It can be eliminated only by pursuing it step by step in a detailed and even obsessive way. This system needs to be described and mention should be made of all those who were involved from both sides of the barricades.
The situation of Perm and Perm Region reflects the general mood of the country, and so the need for this museum is evident. If you don’t need it here, then we, as the Russian Federation, our national consciousness does need this place.
We need it as a sign of memory of those who suffered torments here, who suffered here, who ended their days here and experienced cruelty and abuse. This has stopped becoming just your thorn in the flesh, your problem. It has become Russia’s problem, at least that part of the country which is not indifferent regarding the life of Russian people. Some of us care about these things. You here in Perm let your colleagues, your readers know that we are not all indifferent. You are part of the Russian world and Russian history with new young governor and not a distant province.
Similar places have long ago set up house in your lands, on the shores of your wonderful rivers and lakes. For a long time now those lagers have been drinking blood. Don’t let people forget this. Gather together, keep your strength, defend it, don’t let people overwhelm you in the daily routine: don’t let them trash this issue with words, demagoguery, foolishness and speculation.
Translated by Giuliano Vivaldi
Weiterlesen … Bericht von Alexander Sokurov über seinen Besuch in der Gedenkstätte Perm 36