Nachrichten mit dem Stichwort

Irina Flige, Direktorin des Petersburger NIZ, erklärte am 4. Dezember:

(07.12.2008)
"Die Durchsuchung wird in einer Angelegenheit durchgeführt, die uns vollkommen unbekannt ist. Mit Leuten von der Zeitung „Neues Petersburg“ sind wir auf keine Weise bekannt – nicht als Freunde und nicht als Feinde.
Die Durchsuchung wird noch fortgesetzt. Beschlagnahmt wurden die Finanzunterlagen der Stiftung „Rettung Petersburgs“. Beschlagnahmt wurde das ganze Archiv dieser Organisation, die sich in unseren Räumlichkeiten befindet. Faktisch arbeiten wir zusammen. Außerdem wurden die Computerfestplatten beschlagnahmt, auf denen sich ein einmaliges Archiv befindet. Wir sind ein wissenschaftliches Informationszentrum für die Erarbeitung und Erhaltung von historischen Dokumenten über die Geschichte des sowjetischen Terrors. Auf diesen Festplatten befinden sich einmalige Informationen, von denen es keine Kopie mehr gibt, weil die Sicherheitskopien ebenfalls beschlagnahmt wurden. Wir haben Sammlungen unterschiedlicher Dokumente, es gibt thematisch angelegte Akten über das Leben in Petersburg, speziell über extremistische Ausschreitungen. Das Material wird zum Zweck des Monitorings gesammelt.
Aus der Sektion zeitgenössischer Dokumente wurde ebenfalls Aktenmaterial beschlagnahmt: ein faschistisches Flugblatt und ein Exemplar einer extremistischen Zeitung.
Unsere Bibliothekarin gab aus dem Fenster des ersten Stockes heraus ein Interview. Es war ein Riesenskandal. Diese Leute schwangen ihre Schlagstöcke, doch sie schlugen die ältere Frau nicht.
Der Artikel im „Neuen Petersburg“ hat nichts mit uns zu tun. Ein Vorwand, um MEMORIAL zu durchsuchen, nichts anderes. Bis heute gab es seitens der Staatsanwaltschaft uns gegenüber keinerlei Vorwürfe. Ich habe keinerlei Vermutungen darüber, warum bei uns durchsucht werden sollte. Im Moment versuchen wir Einspruch dagegen, dass unsere Festplatten beschlagnahmt wurden. Unser Anwalt wird sich an die Staatsanwaltschaft wenden und um Aufklärung bitten.
Das erste, was die Leute taten, war, die Telefone und die Klingel abzuschneiden. Darum können wir nicht genau sagen, wann die Durchsuchung begann. Nicht vor 10.00 Uhr, weil zu dieser Zeit niemand im Büro war. Um 12.00 Uhr traf der nächste Mitarbeiter ein, der schon nicht mehr herein gelassen wurde."

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MEMORIAL Deutschland verurteilt Hausdurchsuchung bei NIZ-St. Petersburg

(05.12.2008)
Berlin, 04.12.2008 – MEMORIAL Deutschland e.V. verurteilt die Durchsuchung des Wissenschaftlichen Informationszentrums NIZ in St. Petersburg aufs Schärfste. Das Forschungszentrum, das Teil von Memorial ist, wurde heute Nachmittag von mehreren bewaffneten Personen durchsucht. Dabei wurden wichtige Dokumente und Computer beschlagnahmt. Als offizielle Begründung für den Einsatz der von der St. Petersburger Staatsanwaltschaft angeordneten Aktion wird ein angeblich „extremistischer“ Artikel genannt. Die Internationale Organisation Memorial fordert die umgehende Herausgabe aller beschlagnahmten Materialien.

„Die polizeiliche Durchsuchung unseres Forschungsinstituts in St. Petersburg entbehrt jeglicher Grundlage“, erklärt Marit Cremer vom Vorstand MEMORIAL Deutschland. „Die offizielle Begründung der Staatsanwaltschaft ist mehr als fragwürdig und stellt nur einen erneuten Beleg für die fehlende Rechtsstaatlichkeit in Russland dar. Leider ist das Russland Putins und Medwedews nicht an einer aufgeklärten und kritischen Geschichtsaufarbeitung interessiert.“


Am vierten Dezember wurde auf Anweisung der St. Petersburger Staatsanwaltschaft in den Räumen des NIZ der Organisation Memorial St. Petersburg eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Vermummte und mit Gummiknüppeln bewaffnete Personen besetzten das Gebäude und beschlagnahmten die Festplatten sämtlicher Computer, auf denen die Ergebnisse von zwanzig Jahren Forschungsarbeit gespeichert sind. Als Grund für die Durchsuchung wurde nach Aussagen der Staatsanwaltschaft ein „extremistischer“ Artikel genannt, der vor eineinhalb Jahren in der Zeitung „Neues Petersburg“ erschienen ist. Das NIZ beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des stalinistischen Terrors.

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NIZ-Leiterin Irina Flige zur Hausdurchsuchung im Informationszentrum von MEMORIAL St. Petersburg

Am 4. 12. 2008 wurde auf Anweisung der St. Petersburger Staatsanwaltschaft in den Räumen des Wissenschaftlichen Informationszentrums NIZ der Organisation Memorial eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Das NIZ ist ein Forschungszentrum, die sich mit der Geschichte des stalinistischen Terrors beschäftigt. Als Grund für die Durchsuchung wurde nach Aussagen der Staatsanwaltschaft ein „extremistischer“ Artikel genannt, der vor eineinhalb Jahren in der Zeitung „Neues Petersburg“ erschienen sei.
Mit Gummiknüppeln der Polizei bewaffnete, vermummte Personen besetzten das Gebäude des NIC und beschlagnahmten die Festplatten sämtlicher Computer, auf denen die Ergebnisse von zwanzig Jahren Forschungsarbeit gespeichert sind. Desweiteren beschlagnahmten sie die Materialien des Kunsthistorikers Aleksandr Margolis, der Mitarbeiter unserer Einrichtung ist und dessen Engagement für den Erhalt der architektonischen Besonderheit unserer Stadt bekannt ist.

Der Organisation Memorial und seinem Wissenschaftlichen Informationszentrum NIZ in
St. Petersburg ist weder die Veröffentlichung eines Zeitungsartikels, in deren Zusammenhang die Hausdurchsuchung angeblich steht noch die Zeitung „Neues Petersburg“ selbst bekannt. Allem Anschein nach ist diese Veröffentlichung nur ein Vorwand für die Hausdurchsuchung bei Memorial.

Die beschlagnahmten Festplatten enthalten Daten mit biographischen Zeugnissen Zehntausender Opfer der stalinistischen Repressionen, die Memorial im Laufe von zwanzig Jahren gesammelt hat. Ausserdem sind darauf einmalige Fotosammlungen und Kopien von Unterlagen zum sowjetischen Terror gespeichert sowie zahlreiche Friedhöfe und Erschießungsplätze, die sich auf dem Gebiet der Sowjetunion befanden, vermerkt. Daneben gibt es aufgezeichnete Tonbandinterviews von ehemaligen Gefangenen der stalinistischen Straflager (GULag).

Die Internationale Organisation Memorial fordert die umgehende Herausgabe der beschlagnahmten Materialien. Diese stehen in keinem Zusammenhang zu irgendwelchen „extremistischen“ Veröffentlichungen. Memorial weist die St. Petersburger Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Daten von hohem wissenschaftlichen Wert sind und sie die volle Verantwortung für den Erhalt dieser Dokumente trägt.

5.12.2008

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Zwischenbilanz zu MEMORIAL-Treffen mit Ramsan Kadyrow vom 22.02.08

In seiner am 18. April 2008 veröffentlichten Zwischenbilanzder Ergebnisse des Treffens vom 22. Februar 2008 stellt das Menschenrechtszentrum MEMORIAL u.a. fest (vgl. dazu auch www.memo.ru), dass

- die von Präsident Ramsan Kadyrow vorgeschlagene erneute Zusammenkunft, die innerhalb eines Monats nach dem Treffen vom 22.02.08 erfolgen sollte, bislang nicht stattgefunden hat;
- die dringende Umsiedlung zweier Familien bisher nur in einem Fall befriedigend gelöst werden konnte. Es handelt sich hier um die Einhaltung der Rechte der Binnenflüchtlinge und Heimkehrer aus sog. vorläufigen Unterbringungseinrichtungen (PWR). Einer der Familien konnte zum 26.02.08 eine Wohnung zugeteilt werde. Der Fall der zweiten Familie ist nach wie vor nicht gelöst;
- die am 22.02.08 beschlossenene Einsetzung der Mitarbeiterin des MEMORIAL-Menschenrechtszentrums Natalja Estemirowa als Vorsitzende des Rats der Stadt Grosny zur Unterstützung und Durchsetzung der Menschen – und Freiheitsrechte rückgängig gemacht wurde. Kritisiert werden ihre Äußerungen in einer Fernsehsendung vom 30.03.08, in der sie sich gegen die beabsichtigte Einführung der Kopftuchpflicht wandte. Präsident Kadyrow forderte das Menschenrechtszentrum auf, einen neuen Kandidaten zu benennen, der die Vorstellungen der tschetschenischen Regierung in Sachen Kopftuchpflicht teilt. Das Menschenrechtszentrum war und ist jederzeit bereit, in einen konstruktiven Dialog mit der tschetschenischen Führung einzutreten. Einen neuen Kandidaten an Stelle von Natalja Estemirowa wird das Zentrum nicht benennen, da die fraglichen Äußerungen voll und ganz der Position von MEMORIAL in dieser Frage entsprechen. Der Respekt der Tradition sei Sache jedes Einzelnen, diesbezüglicher Zwang stelle einen Eingriff in das Privatleben dar, er verletze und untergrabe den Sinn der Tradition.

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MEMORIAL International ruft zur Beendigung des Kriegs in Südossetien auf

In der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008 begann in Südossetien der Krieg. Georgien rief die Mobilmachung aus und von offizieller Seite wurde erklärt, dass „verfassungsmäßige Maßnahmen zur Herstellung von Ruhe und Ordnung“ durchgeführt werden und Gespräche jedweder Art erst nach baldmöglichem Abschluss dieser Maßnahmen aufgenommen würden.

Diese Reden sind uns in Russland nur allzu vertraut. Die verfassungsmäßige Ordnung stellte die Russische Föderation 1994 im ersten tschetschenischen Krieg wieder her. Die als „Blitzkrieg“ geplante Operation sollte sich als langwierig und blutig erweisen

Auch die Worte vom Krieg bis zum siegreichen Ende und der Ablehnung von Verhandlungen sind in Russland nicht vergessen. Die Regierungsverantwortlichen unseres Landes sagten dies 1999, zu Beginn des zweiten tschetschenischen Kriegs. Der fragwürdige militärische Sieg kostete unser Land den Verzicht auf die Demokratie.

In Georgien war es im Übrigen kaum anders: die Konflikte in Abchasien 1992 und Südossetien 1991 konsolidierten die Macht von Gamsachurdia und Schewardnadse. Georgien selbst könnte auch das erste Opfer des in der Nacht vom 7. auf den 8. August begonnenen Kriegs sein – als demokratischer Staat und verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft.

Georgien ist Mitglied der OSZE und als solches verpflichtet, Konflikte auf friedlichem Weg zu lösen. Die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes kann nicht dazu dienen, diese Verpflichtungen außer Kraft zu setzen. Die kriegerischen Handlungen in Südossetien müssen unverzüglich eingestellt werden. Verhandlungen werden langwierig und schwierig sein, doch nur auf diesem Weg lässt sich ein dauerhafter Frieden herstellen.

Die Geschichte der Kaukasuskonflikte der vergangenen Jahre ist eine lange Kette von Irrtümern und Greueltaten. Wir rufen dazu auf, diese Geschichte nicht zu vergessen.

10.8.2001

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Erklärung des Moskauer Menschenrechtszentrums zur Gewaltanwendung gegenüber Journalisten

Statement of Moscow bureau for human rights on violence towards the journalists
The society where full-fledged civil institutions are not yet created, where corruption and arbitrariness of officials and courts are still ruling especially needs the timely and objective information. Only the journalists` efficiency, courage, honest and unbiased attitude towards the events happening in the country can become a bridge connecting the society and the authority and be a catalyst of political, social and economic reforms.
It`snonrandomthatjournalismisoneofespeciallydangerousprofessions. This happens because these are the journalists who stand on the way of crimes and investigate keenly the dirty political intrigues, multi-million frauds and corruption scandals. Many people within the authority who use their public positions for gaining profit and don`t stand apart from the most disgusting methods for gaining their political objectives, try to make themselves safe from inconvenient journalists. Sometimestheyuseextrememeasuresuptothemurder.

During 2007 more than 60 journalists were killed in the world due to their professional activity. According to the statistics of the Committee for the journalists` protection, this year became the second by death rate among the press representatives during the whole period of such data collection. 85% of such murders are committed with impunity. Killers and their employers avoid responsibility. The lesson is obvious for the colleagues of the victim: not to touch upon sharp problems in their reports. Unfortunately this lesson is learnt by journalists in many countries. They use self-censorship, and the whole society suffers from this being deprived of the most important information and possibility to call the people of authority to account.
In Russia which is just on the distant approaches to real democracy this problem is especially sharp. During recent decades many journalists were killed and the most famous among them - Listyev, Kholodov, Shchekochikhin, Politkovskaya and others – are just a small share of journalists who perished executing their official functions. The recent murders of M. Yevloyev and T. Alishayev caused much stir. The rights defenders have lots of complaints concerning the progress of investigation of these resonant cases.

And the crime that just happened alarmed many people. On November 13 the editor of Moscow regional newspaper "Khimkinskaya pravda" Mikhail Beketov was found unconscious in the yard of his house. He was beaten almost to death. Problems of Moscow region were always the subjects of investigations of the journalist. He founded his own newspaper "Khimkinskaya Pravda" for publishing everything he considered to be important. According to the previous accounts of the beaten journalist, he got threats by telephone all the time due to his critical publications concerning Khimki administration; he addressed the local law-enforcement bodies with this but there was no response.
When law-enforcement bodies are indifferent towards such threats and towards investigations of the committed crimes, this is the bright sign of the society illness. And Russia (together with Philippines) remains one of the least efficacious countries as regards investigation of the journalists` murders – the courts pass damning verdicts approximately in one case among ten.

If the journalists are beaten and killed with impunity in the country, then the only link permitting people to know what happens around them is broken. And such a society is doomed to total confrontation of authority and people, to wild outburst of corruption and lack of democracy.

We would like to hope the most dangerous tendencies would be suppressed, the journalists would find themselves protected and everyone trying to be in the way of their investigations and all the more making an attempt on their lives would be toughly punished.
At present the trial over the killers of Anna Politkovskaya is held. It was announced not long ago that the trial will be open and the public will have a chance to get all the information on the murder being so indicative for our society. But according to recent information the trial was announced closed at the request of the jury.
Is this a continuation of the regrettable tendency or a real judicial necessity? The public being really anxious concerning the fate of the country insists on the response.
Moscow bureau for human rights greets the initiative of the Public chamber of Russia intending to open the center of the journalists` protection in 2009.

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Hausdurchsuchung im Informationszentrum NIZ von MEMORIAL St. Petersburg


Im Petersburger NIZ-Zentrum wurde am heutigen Donnerstag, dem 04.12.08 eine Hausdurchsuchung durchgeführt.
Ankommende Mitarbeiter wurden nicht an ihren Arbeitsplatz gelassen, sondern mit Schlagstöcken bedrängt.
Wer schon dort war, wurde nicht mehr herausgelassen und zudem daran gehindert, Telefonanrufe zu beantworten oder selbst anzurufen. Darum ist bisher unklar, wer durchsucht und warum.
Lageentwicklung:
Update 1, 13.51 Nach ersten, nicht gesicherten Informationen wird die Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft der Stadt durchgeführt.
Update 2, 14.02 Der Abschnittsbevollmächtigte der Miliz ist eingetroffen (Miliz wurde von draußen wartenden Mitarbeitern
gerufen). Er bestätigt, dass eine Durchsuchung durchgeführt wird. Als diese Information per Telephon übermittelt wurde, hat er umgehend seine Worte zurückgenommen und sagte, dass er weder bestätigt noch dementiert.
Update 3 14.13 Nach unbestätigten Informationen geht es um einen Artikel in der Zeitung "Neues Petersburg".
Update 3 14.20 Die Rede ist von einem Artikel von Konstantin Nikolaiewitsch Tschernjaew mit dem Titel "Hier, ein richtiger Kandidat"
der Ausgabe 27 vom 21.06.2007, d.h. Durchsuchung bei NIZ/Memorial wegen eines Artikels in der Zeitung "Neues Petersburg" vom vergangenen Jahr.
Update 4 14.20 Alle Festplatten werden konfisziert.
Update 5 14.33 Ein Rechtsanwalt ist angekommen, er wird nicht hineingelassen.
Update 6 15.25 Es gelang mit einem Fernsehteam vom TWC(?) hereinzukommen. Wurde mit Schlagstöcken hinaus gedrängt. Nach wie vor wird dem Rechtsanwalt der Zutritt verweigert.
Update 7 15.40 Es gelang den Durchsuchungsbefehl zu bekommen. Ein Mitarbeiter des NIZ las ihn über das Telephon vor.
Update 8 16.07 Zusammenfassung:Die Durchsuchung wird wegen der Strafsache Nr. 601466 durchgeführt - Strafsache über die Publikation eines Artikels von Tschernjaew K. unter der Überschrift "Hier, ein richtiger Kandidat" in der Zeitung "Neues Petersburg" (Nr. 27 vom 21.06.2007). In diesem Artikel gibt es Aussagen, "die eine Personengruppe an Hand von Nationalitätsmerkmalen, nationaler Herkunft, erniedrigen" und damit nationalen Hass wecken". Allerdings, während der Durchsuchung beim "Neuen Petersburg" konnte die Ermittlung die Schuld Herrn Andreew A.W. nicht bestätigen, das genau er den Artikel für den Druck unterzeichnet hatte. Nach aussagen einer unabhängigen Quelle kann diese Information im NIZ/ Memorial sein. Darum wird dort durchsucht.

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MEMORIAL Deutschland kritisiert Verleihung des Berliner Quadriga-Preises an Putin

Berlin, 11. Juli 2011
Mit Bestürzung stellen wir fest, dass Premierminister Vladimir Putin mit dem diesjährigen Quadriga-Preis ausgezeichnet werden soll.

Der seit 2003 durch den Verein Werkstatt Deutschland vergebene Quadriga-Preis, eine Nachbildung der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, wird am 3. Oktober jedes Jahres an eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens vergeben, die sich in besonderem Maße für das Gemeinwohl, den Aufbruch und die Erneuerung engagiert hat.

Premierminister Putin hat immer wieder und zuletzt durch öffentliche Äußerungen der Vorverurteilung im Chodorkovskij-Prozess unter Beweis gestellt, dass Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte mit der von ihm geschaffenen gelenkten Demokratie kaum vereinbar sind. Premierminister Putin dürfte sich nur schwer in die Reihe der bereits ausgezeichneten Vertreter des Gemeinwohls wie Bärbel Bohley, Vaclav Havel oder auch Jean-Claude Juncker und Michail Gorbatschov einfügen.

Wir können die Entscheidung des Kuratoriums über die diesjährige Vergabe des Preises nur bedauern.

Der Vorstand von MEMORIAL Deutschland

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Absurde Anklage in Belarus: Ein Einarmiger wegen Applaudierens auf der Straße verurteilt

In der belarussischen Stadt Grodno begann wieder einmal ein Prozess gegen Teilnehmer der so genannten stillen Proteste. Unter den Verurteilten war auch ein gewisser Konstantin, der zu einer Geldstrafe von einer Million fünfzigtausend belarussischen Rubel (ca. 200 Dollar) verurteilt wurde - wegen Applaudierens auf der Straße.

Ein Zeuge behauptete im Laufe des Verfahrens, dass der junge Mann zusammen mit anderen Demonstranten applaudierte. Unterdessen fehlt Konstantin, Berichten zufolge, ein Arm (der junge Mann trägt eine Prothese), wie Radio Svoboda Belarus betont.

Trotz der Empörung des Vaters von Konstantin über diese unsinnige Anklage, verhängte das Gericht die genannte Geldbuße.

In Belarus finden in den letzten Wochen immer wieder Proteste gegen die Regierung im Rahmen der Initiative "Revolution durch soziale Netzwerke" statt. Protest-Veranstaltungen gibt es sowohl in Minsk, als auch in anderen Städten. Ein besonderes Merkmal dieser Aktionen ist, dass die Teilnehmer weder Parolen ausrufen noch Transparente tragen. Sie ziehen schweigend durch die Straßen oder drücken ihren Protest (unter anderem gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung) durch Klatschen oder Pfeifen aus.

Teilnehmer dieser Aktionen werden immer wieder von Zivilpersonen in Gewahrsam genommen und anschließend zu einer Geldstrafe verurteilt oder kommen gar ins Gefängnis.
08.07.2011

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Magnizkijs Tod in U-Haft aufgeklärt

Der ehemalige Anwalt des Hermitage Capital Fonds war am 16.11.2009 nach Berichten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 27.12.2009 eines qualvollen Todes gestorben. Als unmittelbare Ursache seines Todes wurde nunmehr eindeutig die Unterlassung medizinischer Hilfe für den chronisch erkrankten Magnizkij festgestellt.
Magnizkij war während seiner Haft weder auf chronische Krankheiten untersucht noch mit notwendigen Medikamenten versorgt worden.
Der Sprecher des Untersuchungsausschusses, Vladimir Markin, bestätigte dies am 04.07.2011 gegenüber RiaNovosti. Die Schuldigen seien ermittelt und würden demnächst vor Gericht gestellt.
Magnizkij hatte kurz vor seinem Tod die Veruntreuung russischer Haushaltsmittel in Höhe von mehreren Milliarden Rubel durch Vertreter der Sicherheitsbehörden bekannt gemacht. Unmittelbar darauf wurde er wegen Steuerhinterziehung festgenommen.
Bereits Ende April waren Mitglieder des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten zu dem Schluss gekommen, dass das gesamte Strafverfahren gegen Sergej Magnizkij „von Angehörigen des Innenministeriums und des Nachrichtendienstes FSB“ fingiert worden sei.
Mara Poljakova, Mitglied des Menschenrechtsrates, erklärte darüber hinaus, dass an den Ermittlungen im Falle Magnizkij auch Personen beteiligt waren, die offensichtlich „belastet“ gewesen seien und wegen des bestehenden Interessenskonflikts an der Aufklärung nicht hätten beteiligt werden dürfen.
06.07.2011

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Erneuter Appell an Präsident Medvedev zugunsten des Chimki-Waldes

Die Mitglieder der russischen Bewegung „Für die Menschenrechte“ wandten sich am Montag, den 4. Juli 2011 in einem elektronischen Schreiben an Präsident Medvedev mit der Bitte um Intervention im Falle des Chimki-Waldes am Stadtrand von Moskau.

Die Menschenrechtler verweisen darauf, dass die Situation sich - trotz der neuerlichen Erklärung des Präsidenten über die Notwendigkeit, Willkür und Gesetzlosigkeit beim Bau der Autobahn zu bekämpfen - immer weiter zuspitzt.
In den vergangenen zwei Tagen ist die Lage in Chimki erneut eskaliert: Die Wachmänner des Sicherheitsunternehmen „Vitjas“ attackierten die Umweltschützer massiv – elf Menschen wurden verletzt. Dabei wurden die Aktivisten von den eingetroffenen Ordnungskräften auch noch festgenommen, ohne dass die Angriffe aufgeklärt wurden.

Die Autoren des Schreibens werfen „Vitjas“ and anderen Firmen vor, die Bauarbeiten im Chimki-Wald rechtswidrig weiterzuführen, um baldmöglichst Gewinne aus dem Bau der Maut-Autobahn einstreichen zu können.
05.07.2011

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40% der Russen für Direktwahl der Gouverneure

In einer Umfrage des Fonds „Gesellschaftliche Meinung“ (Фонд общественное мнение, ФОМ) sind 40% der Befragten für die Wiedereinführung der Direktwahl der Gouverneure.
Lediglich 21% befürworten das jetzige Wahlsystem. Noch vor sechs Jahren machten sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Reform des Wahlsystems jeweils 35% aus.
Die Befürworter einer Direktwahl berufen sich auf die demokratischen Rechte der Bevölkerung: 16% der Befragten meinen, dass die Wahl der Gouverneure eine Sache der betroffenen Bevölkerung sei und 7% verlangten, dass die Region von einem der „ihren“ geführt werden solle.
Von soziologischer Seite wird allerdings auf die wachsende politische Gleichgültigkeit der Russen hingewiesen: Mehr als ein Drittel der Befragten wusste keine Antwort auf die Frage, ob die Bevölkerung oder der Präsident den Gouverneur bestimmen solle. Die Zahl der Unentschlossenen habe sich seit der letzten Umfrage vor sechs Jahren auf 38% erhöht, 26% der Russen seien über die Arbeit ihres Gouverneurs überhaupt nicht unterrichtet.
Insgesamt herrsche nach wie vor eher Zufriedenheit mit der Tätigkeit der Gouverneure, diese sei jedoch rückläufig. Während in den Jahren 2004 und 2006 noch 40% bzw. 41% die Arbeit der Gouverneure positiv bewerteten, waren dies heute nur mehr 30%.
Die Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure wurde 2004 von Präsident Putin beschlossen, der diese Maßnahme mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründete.
03.07.2011

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Duma verschiebt Beratung

Thorbjörn Jagland, Generalsekretär des Europarats, begrüßte die Entscheidung. Der Gesetzentwurf würde sich auch auf den Schutz der Menschenrechte russischer Bürger auswirken und müsse entsprechend umfassend untersucht und bewertet werden. Der Europarat sei bereit, die Duma in dieser Frage zu unterstützen.
Auch russische Menschenrechtsorganisationen hatten in einem Aufruf vom 29. Juni 2011 an die Abgeordneten appelliert, dem Entwurf nicht zuzustimmen. Dieser sei nicht mit der russischen Verfassung vereinbar, die dem internationalen Recht Vorrang vor nationalem Recht einräumt.
01.07.2011

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Dringende Warnung des Europarats an Russland vor Missachtung des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs

Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, erklärte sich zutiefst besorgt: Der von Alexander Torschin eingebrachte Gesetzentwurf, der in dieser Woche in der Duma beraten werden soll, sieht vor, dass strittige Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs erst nach Zustimmung durch das russische Verfassungsgericht umgesetzt werden.
Auch russische Menschenrechtsorganisationen appellierten in einem Aufruf vom 29. Juni 2011 an die Abgeordneten, dem Entwurf nicht zuzustimmen. Dieser sei nicht mit der russischen Verfassung vereinbar, die dem internationalen Recht Vorrang vor nationalem Recht einräumt.
Sollte das Gesetz verabschiedet werden, so hätte dies ernste Folgen für Russland. Die Mitgliedschaft im Europarat setzt den Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention voraus, in der die Mitgliedstaaten sich zur Umsetzung der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs verpflichten. Widersetzt sich ein Land dieser Umsetzung, müsste das Ministerkomitee über entsprechende Sanktionen - Entzug des Stimmrechts, Ausschluss des Landes - entscheiden.
Mitglied des Europarats sind alle west –und osteuropäischen Staaten mit Ausnahme von Weißrussland.
30.06.2011

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Festnahmen auf Moskauer Solidaritätskundgebung für Chodorkovskij am 26. Juni 2011

Zehn Personen wurden nach Informationen von Echo Moskvy am Sonntag in Moskau auf der Veranstaltung anlässlich des Geburtstags von Michail Chodorkovskij festgenommen.

Die Kundgebung, zu der etwa 300 Personen gekommen waren, verlief zunächst ungestört. Die Polizei griff jedoch ein, als Aktivisten von einem Hausdach aus ein Plakat mit der Aufschrift „Herzlichen Glückwunsch, Michail Chodorkovskij! Wir wünschen Ihnen die Freiheit!“ entrollten, Flugblätter mit der abschließenden Erklärung Chodorkovskijs vor dem Moskauer Bezirksgericht verteilten und salutierten.

Auf der Petersburger Solidarkundgebung für Chodorkovskij, zu der auch Jurij Schmidt, einer der Anwälte Chodorkovskijs, sowie die Schriftstellerin Nina Katerli, der Menschenrechtler und ehemalige Duma-Abgeordnete Jurij Rybakov und Olga Kurnosova, die Vertreterin der oppositionellen Bewegung „Vereinigte Bürgerfront“ (OGF), gekommen waren, versammelten sich am Sonntagabend trotz schlechten Wetters etwa 200 Personen.
Olga Kurnosova bezeichnete den Moskauer Richterspruch als eine „Verurteilung der Zukunft“.
27.06.2011

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Solidaritätskundgebung für Chodorkovskij in Petersburg genehmigt

Die geplante Solidarkundgebung anlässlich des Geburtstags von Chodorkovskij am 26. Juni ist von den Petersburger Behörden genehmigt worden.

RiaNovosti teilt mit, dass die Kundgebung am 26. Juni um 19.00 am Theater Baltijskij Dom beginnt und beruft sich dabei auf eine der Organisatoren, die Leiterin der regionalen Gruppe der oppositionellen Bewegung Vereinigte Bürgerfront (OFG), Olga Kurnosova.

Nach Informationen der Agentur Rosbalt hatten die Petersburger Behörden sich zunächst gegen die Durchführung einer solchen Veranstaltung ausgesprochen.

Chodorkovskij und Lebedev waren Ende 2010 durch das Moskauer Bezirksgericht wegen Unterschlagung von 200 Mio t Erdöl und Geldwäsche verurteilt worden. Das Strafmaß von 14 Jahren Freiheitsentzug war am 24. Mai 2011 unter Berücksichtigung des ersten Urteils aus 2005 und der bereits geleisteten Haftstrafe um ein Jahr verkürzt worden. Chodorkovskij und Lebedev könnten im Jahr 2016 wieder in Freiheit sein.
24.06.2011

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Internet und Meinungsfreiheit in Russland

Wie aus dem heute präsentierten Bericht "Unfreies Internet" (2008-2011) der russischen Menschenrechtsbewegung "Agora" hervorgeht, sind die Freiheit des Internets und damit auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Russland nach wie vor gefährdet.

Die Menschenrechtler haben in dem Zeitraum vom Januar 2008 bis Mai 2011 über 100 Fälle von Einschränkung des Internetzugangs und Verfolgung von Internetnutzern festgestellt. Und die Tendenz ist stark ansteigend: Wenn im gesamten Jahr 2008 nur zwölf Vorfälle registriert wurden, waren es allein in den ersten fünf Monaten diesen Jahres bereits 23.

Neben dem Versuch, kritische Meinungen im Internet per Gesetz einzuschränken, wird den Nutzern von sozialen Netzwerken, twitter & co. mit Klagen wegen Verleumdung oder des Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht gedroht. Internetseiten werden einfach geschlossen oder sind Cyber-Attacken ausgesetzt.

Ein wirkliche Aufklärung seitens der Polizei erfolgt nicht.

Dabei bleibt es nicht bei immateriellen Schäden: Zu den im Bericht dokumentierten Vorfällen gehören auch zwei Morde an Betreibern einer oppositionellen Seite im Nordkaukasus sowie drei Überfälle auf Blogger und Journalisten.
22.06.2011

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Orlov-Freispruch: Grünes Licht für mehr Rechtsstaatlichkeit?

14. Juni 2011, Bezirksgericht Moskau. In einem winzigen Saal plötzlich dröhnender Applaus: Soeben hat die Richterin Karina Morosova den Menschenrechtler und Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums von MEMORIAL International, Oleg Orlov, im Fall „Kadyrov“ für unschuldig erklärt. Freispruch!

Der Angeklagte wurde seit dem 6. Juli 2010 der Verleumdung des tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrov beschuldigt. Grund dafür war die öffentliche Äußerung Orlovs, Kadyrov sei für den Tod der Menschenrechtlerin Natalja Estimirova am 15. Juli 2009 verantwortlich. „Ich weiß, ich bin mir sicher, wer an dem Mord von Natalja Estimirova schuldig ist. Wir alle kennen diesen Menschen. Sein Name ist Ramzan Kadyrov, der Präsident der Republik Tschetschenien. Kadyrov hat ihr bereits gedroht, sie beleidigt und zum persönlichen Feind erklärt“, erklärte Orlov damals, unmittelbar nach dem Tod Estimirovas.

Bereits die Einleitung des Strafverfahrens aufgrund dieser Äußerung sei, so Orlov in seinem Schlussplädoyer am 9. Juni 2011, ein offener Angriff auf die Meinungsfreiheit, die er in Russland damit gefährdet sah: „Indem ich hier für mein Recht kämpfe, fordere ich für alle russischen Bürger das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ein. Dieses Recht garantiert uns die Verfassung der Russischen Föderation!“

Der Ausspruch scheint gewirkt zu haben: Die Vorsitzende des Gerichts bestätigte mit ihrem Freispruch am Dienstag, dass Orlovs Äußerung keinen rechtswidrigen Charakter habe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er mit seiner Aussage keine direkte Absicht der Verunglimpfung hatte und lediglich die ihm bekannten Fakten darlegte. Somit gelte die umstrittene Aussage als Meinungsäußerung und sei vom entsprechenden Grundrecht geschützt.
Welche Folgen wird das Urteil für zukünftige Rechtsprechung in Russland haben? Ist das viel versprechende Ergebnis des Verdikts auf den persönlichen Einsatz der Richterin zurückzuführen oder zeichnet sich ein prinzipieller Wandel der russischen Rechtsprechung ab? Weg von der „Telefonjustiz“ ?
Erfreulich ist das Resultat in jedem Fall. Es gibt nach dem vernichtenden Urteil im zweiten Chodorkowskij-Prozess vor wenigen Wochen wieder Hoffnung auf mehr Rechtsstaatlichkeit in Russland.

Natalia Konyashina
19.06.2011

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Freispruch für Oleg Orlov

In einer ersten Meldung berichtet das Menschenrechtsportal

Weitere Meldungen zum Freispruch des Vorsitzenden des MEMORIAL-Menschenrechtszenentrums durch das Bezirksgericht Moskau am 14.06.2011 sollen auf http://hro.org (in russischer Sprache) erscheinen.
14.04.2011
Lesen Sie auch unseren Hintergrundartikel "Orlov-Freispruch: Grünes Licht für mehr Rechtsstaatlichkeit?

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