In ihrem Scheiben vom 03.01.2011 weisen die Unterzeichner darauf hin, dass namhafte Vertreter der Opposition wie Boris Nemzov, Ilja Jaschin, Eduard Limonov und andere offensichtlich auf Weisung von oben für Vergehen während der Kundgebungen am 31.12. zur Verantwortung gezogen würden, die sie nicht begangen hätten.
Weiterlesen … Mitglieder des St. Petersburger Menschenrechtsrats appellieren an Präsident Medvedev
Das Moskauer Gericht hat sein Urteil über Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev gefällt. Hart, ungerecht, unrechtmäßig. Alles in dieser Sache ist bereits gesagt. Eines nur bleibt hinzuzufügen: Dies ist nicht die letzte Instanz.
Dabei geht es nicht um das Moskauer Gericht, nicht um den Obersten Gerichtshof Russlands und nicht um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Wir meinen den Richterspruch der Geschichte. Die Autoren des Urteils über Chodorkovskij und Lebedev - die wahren Autoren dieses Urteils - glauben ebenso wenig wie ihre sowjetischen Vorgänger an den Richterspruch der Geschichte.
Ein Irrtum, wie sie höchst wahrscheinlich noch zu Lebzeiten erfahren werden.
Weiterlesen … MEMORIAL International zum Chodorkovskij-Urteil
Erklärung vom 21. Dezember 2010
„Der Grund für die Vorfälle vom 19. und 20. Dezember in Minsk liegt auf der Hand: Die Wahlen in Belarus haben ihren Inhalt und Sinn verloren.
Der Sinn der Wahlen liegt nicht allein in der praktischen Durchführung des Urnengangs und Auszählens der abgegebenen Stimmen, obgleich auch diese Vorgänge von den Machthabern in Belarus genutzt wurden, um das Ergebnis zu verfälschen.
Sinn der Wahlen ist vielmehr die Förderung eines ehrlichen Wettbewerbs zwischen den politischen und wirtschaftlichen Programmen der unterschiedlichen politischen Kräfte. Dazu bedarf es zumindest der Versammlungsfreiheit und freier Medien sowie des gleichberechtigten Zugangs aller Gruppen und Kandidaten zu diesen Medien. Das alles ist in Belarus nicht der Fall.
Die derzeitigen Machthaber in Belarus sind vielmehr an der langfristigen Konsolidierung ihrer Macht interessiert und lassen daher dem politischen Wettbewerb seit Jahren keinen Raum mehr. Die Menschen werden der Möglichkeit ihrer Meinungsäußerung beraubt und sind gezwungen, auf die Straße zu gehen. Die Verantwortung für die Ereignisse vom 19. und 20. Dezember liegt bei den belarussischen Machthabern, die die Wahlen zur Farce degradierten.
Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller Oppositionspolitiker, einschließlich all derer, die auf den Kundgebungen und Demonstrationen der letzten Tage festgenommen wurden.“
Am frühen Morgen des 7. Dezember führten russische Sicherheitskräfte in Moskau eine Spezialaktion gegen den „islamistischen Extremismus“ durch. Betroffen war auch die Familie des in Zentralasien geborenen Aziz, der inzwischen die russische Staatsangehörigkeit erworben hat. Als etwa 20 Sicherheitsbeamte in die Wohnung der Familie eindrangen, verständigte Aziz den MEMORIAL-Mitarbeiter Bachram Chamrojew und bat ihn um Hilfe. Chamrojew, der im Menschenrechtszentrum von MEMORIAL beschäftigt ist, informierte seinerseits die Presse und fuhr zum Wohnsitz von Aziz, wurde dort jedoch bereits am Betreten des Gebäudes durch Uniformierte gehindert, obgleich er sich als MEMORIAL- Mitarbeiter ausweisen konnte. Er wurde anschließend durch einen Unbekannten in Zivil (möglicherweise ein Angehöriger der Miliz) brutal bewusstlos geschlagen und musste notärztlich versorgt werden.
MEMORIAL hat in den vergangenen Monaten immer wieder die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte bei ihrem Vorsehen gegen den sog. islamistischen Extremismus kritisiert. Die Organisation geht davon aus, dass die Attacke auf einen ihrer Mitarbeiter im Zusammenhang mit dieser Kritik steht und fordert die unverzügliche Aufklärung aller Umstände nicht nur dieses Einsatzes, sondern des gesamten Vorgehens der Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer Spezialoperationen in der russischen Hauptstadt.
Weiterlesen … MEMORIAL verurteilt erneut exzessiven Gewalteinsatz durch Sicherheitskräfte
Israilov Case to be Monitored by A Coalition of Human Rights NGOs
16 November 2010 - The International Federation for Human Rights (FIDH), together withHuman Rights Center “Memorial” (Russia),People in Need (Czech Republic), Norwegian Helsinki Committee for Human Rights, Austrian Helsinki Association for Human Rights and Novaya Gazeta (Russia) welcome the opening of the trial in Vienna, Austria, of the alleged perpetrators of the murder of Umar Israilov, a Chechen refugee in Austria. This coalition has decided to send an observation mission to Vienna from 16 to 26 November 2010, for the purpose of observing the court hearings.
Our organisations consider this trial particularly significant because there exist necessary conditions for an independent court investigation that would make it possible to name all the guilty in this murder. The indictment presented by the Prosecutor’s office of Austria states that the aim of the immediate executors of the crime was the “forced abduction of Umar Israilov with the aim of taking him out of the country and his subsequent transfer to the authorities in the Chechen Republic or in case this plan fails; the murder of Umar Israilov”, and it also points to the obvious involvement of the Chechen authorities in this crime. It is important that during the trial all persons who were involved in planning; organising and executing this crime are identified and named regardless of their position or status. This will contribute to combat of impunity for crimes committed in Chechnya and outside Chechnya. Unfortunately in Russia itself an independent trial into such a case cannot take place.
Mehr in russischer Sprache unter www.memo.ru
Zum vierten Mal hat MEMORIAL in diesem Jahr am 29. Oktober, einen Tag vor dem Gedenktag an die Opfer politischer Verfolgungen, die Aktion „Rückgabe der Namen“ durchgeführt, die dem Andenken der Moskauer gewidmet ist, die in den Jahren des Stalinismus erschossen wurden.
2010 ist ein Jubiläum. Genau vor 20 Jahren, am 30. Oktober 1990, wurde auf dem Lubjanka-Platz, gegenüber dem Gebäude der WTscheka-OGPU-NKWD-KGB-FSB, der Solowezki-Stein aufgestellt, der von den Solowezki-Inseln herbeigeschafft worden war. Anfang der 1920er Jahre befand sich dort das „Lager besonderer Bestimmung“, das die Grundlage für das System der Stalinschen Konzentrationslager bildete. Bis zum heutigen Tag ist dieser Stein das einzige offizielle Denkmal an die Opfer der politischen Verfolgungen in der russischen Hauptstadt.
Trotz leichten Schneefalls zog von 10 Uhr vormittags bis 22 Uhr abends eine lange Menschenschlange zur Tribüne am Solowezki-Stein. Wie üblich, machte Wladimir Lukin, der Menschenrechtsbeauftragte in der Russischen Föderation, bei der Lesung der Namen den Anfang. Ihm folgten Personen aller Alters- und Berufsgruppen sowie verschiedener Nationalitäten. (…) Insgesamt nahmen 500 Personen teil. Es wurden 3 267 Namen aus einem von MEMORIAL-Mitarbeitern zusammengestellten Gedenkband vorgetragen. Viele Teilnehmer fügten Namen von Verwandten und ihnen nahestehender Personen hinzu, die erschossen worden oder im Lager umgekommen waren.
Quelle: http://www.memo.ru/2010/10/30/vozvrashchenie_imen_2010.htm
Siehe auch den Bericht in russischer Sprache http://hro.org/node/9401
In einem offenen Brief an Präsident Medwedew berichtet MEMORIAL von zahlreichen Funden menschlicher Überreste, die bei Ausgrabungen an den Mauern der St. Petersburger Peter-Paul-Festung entdeckt wurden, und plädiert für eine Fortsetzung der archäologischen Untersuchungen.
Weiterlesen … Funde menschlicher Überreste an der St. Petersburger Peter-Paul-Festung
Russische Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Vereinigungen ehemaliger KZ-Häftlinge, Ghetto-Insassen, ehemaliger Zwangsarbeiter und minderjähriger Häftlinge des Faschismus haben einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben auf auf die bevorstehende Schließung der „Stiftung für Verständigung und Versöhnung“, der russischen Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verständigung und Zukunft (EVZ) hingewiesen.
Anfang Oktober hatte der Aufsichtsrat der Stiftung mitgeteilt, dass auf einer Sitzung beim Vizepremier der russischen Regierung Zhukov am 29. September entschieden worden sei, die Stiftung umgehend zu liquidieren und alle von ihr durchgeführten Programme einer nicht genannten NGO zu übertragen.
Diese Pläne haben bei den Opfern des Nationalsozialismus „tiefe Besorgnis“ ausgelöst. Angesehene Vertreter internationaler, russischer und regionaler Häftlingsverbände beklagen, dass die Regierung keine Lösung gefunden habe, um eine organisatorische Struktur zu erhalten, die eine in ihrer Art einzigartige Kooperation der Völker Russlands und Deutschlands ermöglicht habe. Dies könne nicht wiedergutzumachende Folgen haben. Durch den Verlust des Dokumenten-Archivs überlebender Opfer gehen unschätzbare Erinnerungen verloren; zudem werden damit die Programme der EVZ beendet, die der jungen Generation in Russland Verantwortungsgefühl gegenüber den Opfern des Zweiten Weltkriegs vermitteln und der Bewahrung des historischen Gedächtnisses, der Entwicklung antifaschistischer pazifistischer Überzeugungen dienen sollten.
Die Vertreter der einschlägigen gesellschaftlichen Gruppen haben sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt mit der Bitte, die russische Regierung auf die kritische Situation aufmerksam zu machen. Sie erinnern daran, dass eine Schließung der Stiftung es auch unmöglich machen wird, die am schwersten betroffenen Opfer des Zweiten Weltkrieges weiterhin zu unterstützen, nämlich die ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen, die von der Stiftung EVZ offiziell keine Entschädigungszahlungen erhalten haben. „Diese Personen – die Soldaten des Zweiten Weltkriegs – haben Schwerstes durchgemacht – die faschistischen Konzentrationslager für Kriegsgefangene, die sie nach der Rückkehr in die Heimat gegen die Stalinschen Lager eintauschten. Heute sind diese Personen 90 Jahre und darüber, sie leben in den abgelegensten und ärmsten Regionen Russlands, ohne qualifizierte medizinische und soziale Versorgung“, heißt es in der Erklärung.
Moskau, 28.10.2010
Quellen: http://hro.org/node/9351
Weiterlesen … Ehemalige KZ-Häftlinge und Ghetto-Insassen wenden sich an Bundeskanzlerin
Weiterlesen … Europäische Menschenrechtskonvention auch in der Russischen Föderation durchsetzen
Den Opfern des Konflikts und ihren Familien eine Stimme geben, dies wollte Anna Politkowskaja mit ihrer Arbeit in Tschetschenien erreichen. In seiner Erklärung vom 07.10.2010 hat das Komitee daran erinnert und diesen Einsatz ausdrücklich gewürdigt. Der Mord an Politkowskaja habe dem russischen Volk eine „schwärende Wunde“ zugefügt. Denn nach wie vor seien weder die Mörder noch deren Auftraggeber vor Gericht gestellt und verurteilt worden erklärte das Komitee, das die Lage in Tschetschenien und insbesonders die Anti-Terror-Aktionen im Nördlichen Kaukasus beobachtet und darauf hinweist, dass die Praxis des gewaltsamen Verschwindens von Menschen, Folter und Mord nun auch auf das benachbarte Dagestan und Inguschetien ausgeweitet worden sei.
18 Journalisten seien seit 2000 in Russland im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit ermordet worden. Russland bzw. der nördliche Kaukasus zählten zu den gefährlichsten Arbeitsstätten der Journalisten. Deren Informationsarbeit werde inzwischen vor allem von Menschenrechtlern übernommen. Dazu gehörte die am 15. Juli 2009 ermordete Natalja Estemirowa, eine Freundin von Anna Politkowskaja. Auch dieser Mord blieb bisher unaufgeklärt.
Das Komitee appelliert deshalb an die russische Regierung, die Lage im Nördlichen Kaukasus mit Vorrang zu behandeln und der dort herrschenden Straflosigkeit und Missachtung der Menschenrechte endlich ein Ende zu setzen.
Weiterlesen … Norwegisches Helsinki-Komitee zu Politkowskaja und Estemirowa
Vom 13. bis 16. September führten Vertreter der Staatsanwaltschaft umfangreiche Überprüfungen von Nichtregierungsorganisationen in Moskau und weiteren russischen Städten durch. Betroffen waren in erster Linie Menschenrechtsorganisationen, darunter MEMORIAL Moskau, die Moskauer Helsinki-Gruppe, „Golos“ („Stimme“, eine Organisation für die Rechte der Wähler), das Zentrum für die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten, die Moskauer Abteilung von „Transparency International“, das Komitee gegen Folter in Nizhnij Novgorod u. a. m. Die Überprüfungen fanden im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft, der Moskauer Staatsanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft des Zentralen Moskauer Verwaltungsbezirks statt; es wurden in kürzester Frist etliche Dokumente (beglaubigte Kopien) verlangt, nicht nur Unterlagen zu Satzung oder Registrierung, sondern auch Sitzungsprotokolle, Steuerunterlagen, Abrechnungen und vieles mehr. Angeblich galten die Kontrollen der Einhaltung der NGO-Gesetze durch die jeweiligen Organisationen; die Art der Überprüfung entsprach jedoch ganz dem bei Verdacht auf Straftat üblichen Vorgehen. Einige der Kontrolleure räumten ein, selbst nicht zu verstehen, um was es eigentlich ging, andere gaben zu, dass sie „irgendeine Gesetzesverletzung finden“ sollten.
Der NGO-Gesetzgebung zufolge ist das Justizministerium das zuständige Kontrollorgan. Dieses muss eine anstehende Überprüfung einige Tage vorher ankündigen und ein Verzeichnis der zu prüfenden Dokumente vorlegen. Die Staatsanwaltschaft darf nur eingeschaltet werden, wenn bereits ein konkreter Verdacht vorliegt.
„Wir sind empört über die präzedenzlose Kampagne gegen Nichtregierungsorganisationen und fordern die Generalstaatsanwaltschaft und die Moskauer Staatsanwaltschaft auf, Anlass und Gründe für diese Überprüfungen zu nennen. Wir bestehen auf der Einhaltung der Gesetzgebung über NGOs sowie der internationalen Rechtsnormen über Vereinigungsfreiheit.“
Mehr unter http://www.hro.org/node/9052 und (in englischer Sprache) unter http://sites.google.com/a/rightsinrussia.info/www/home/hro-org-in-english-1/ngos/inspections
Weiterlesen … Protest russischer NGOs gegen staatsanwaltschaftliche Kontrollen
Die von der Opposition am 31. des jeweiligen Monats veranstalteten Demonstrationen für die Einhaltung des Art. 31 der russischen Verfassung, der die Versammlungsfreiheit garantiert, sind nach wie vor offiziell nicht zugelassen und werden unter erheblicher Gewaltanwendung massiv gestört.
Nach Angaben der Veranstalter kamen am vergangenen 31. Juli in Moskau etwa 500 Personen zusammen, 75 Personen, darunter auch Boris Nemtsov, wurden festgenommen und gegen 22.00 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt.
Auch in anderen Städten Russlands fanden Protestaktionen statt – in St. Petersburg, wo 60 Personen festgenommen wurden, sowie u.a. in Vladivostock, Jekaterinburg und Stavropol.
Das brutale Vorgehen der Polizei soll Gegenstand einer internen Untersuchung sein mit dem Ziel, die Anwendung von Gewalt künftig auf ein Minimum zu reduzieren.
Mit ihren Aktionen wollen die Veranstalter sowohl die staatlichen Behörden als auch die öffentliche Meinung für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sensibilisieren.
Solidarische Kundgebungen zur Unterstützung der Aktionen in Russland fanden auch in Berlin und München, u.a. mit Beteiligung von a.i. und MEMORIAL statt. Näheres finden Sie unter "Veranstaltungen".
Weiterlesen … Protestaktionen in Russland zum 31. Juli erneut massiv gestört
MEMORIAL International verurteilt die Kampagne gegen Vladimir Lukin, den Ombudsmann für Menschenrechte der Russischen Föderation. Den Wortlaut der Erklärung finden Sie unter http://www.memo.ru/2010/07/13/lukin.htm
Am 16. Juli hat die russische Staatsduma in dritter und letzter Lesung den Gesetzentwurf angenommen, der die Vollmachten des Föderalen Sicherheitsdiensts FSB erweitert.
Der FSB erhält damit das Recht zu Vorbeugungsmaßnahmen gegen Verbrechen, deren Ermittlung in seine Zuständigkeit fallen. FSB-Mitarbeiter können den Bürgern offizielle Verwarnungen zukommen lassen im Hinblick auf die Unzulässigkeit ihrer Handlungen.
Viele Vertreter der russischen Zivilgesellschaft und der Opposition hatten gegen den Gesetzentwurf Stellung bezogen. Am 16. Juli wurden in Moskau drei Mitglieder von „Jabloko“ festgenommen, die eine ungenehmigte Kundgebung gegen die Erweiterung der Vollmachten des FSB durchführten.
Weitere Informationen in deutscher bzw.englischer Sprache finden Sie hier:
http://www.rightsinrussia.info/home/hro-org-in-english-1/fsb/memorial-statement
(06.03.2002)
Das Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation und MEMORIAL Moskau veröffentlichen CD-ROM zu Stalins "Erschießungslisten"
Mit der Veröffentlichung dieser CD-ROM werden Stalins sogenannte "Erschießungslisten" erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die 60 Jahre lang strengster Geheimhaltung unterlagen. Vor allem in den Jahren 1936 bis 1938 fällten Stalin und eine Gruppe ihm nahestehender Mitglieder des Politbüros systematisch Urteile über Erschießungen und Lagerhaft, die auf nichts weiter beruhten als auf vom Geheimdienst NKWD zusammengestellten Listen. Diese Listen erhielten keinerlei Informationen über die Verhafteten und die ihnen vorgeworfenen Vergehen, sondern lediglich deren Vor- und Nachnamen, Vatersnamen und Vorschläge des NKWD für das Strafmaß. Nach der Prüfung durch das Politbüro wurden die Listen an das Kriegskollegium des Obersten Gerichtshof der UdSSR übergeben und dort - nur noch eine Formalität - juristisch ausgefertigt. Auf diese Weise sind mehr als 40 000 Menschen erschossen oder in Lager geschickt worden.
Die Praxis der "Erschießungslisten" geht auf eine Verordnung zurück, die das Zentrale Exekutivkomitee und der Rat der Volkskommissare 1934 als Reaktion auf die Ermordung Kirovs erlassen hatten. In dieser Verordnung wurden bei Verdacht auf terroristische Tätigkeit Untersuchungsverfahren auf eine Dauer von höchstens 10 Tagen beschränkt. Gerichtsverhandlungen sollten ohne Anwesenheit der Angeklagten und ohne die Befragung von Zeugen vonstatten gehen, das Einlegen von Berufung und Begnadigungsgesuche waren nicht zugelassen. Todesurteile in solchen Fällen sollten so schnell als möglich vollstreckt werden.
Die ersten Versuche, dieses "vereinfachte" Verfahren in breitem Maßstab anzuwenden, gab es im Herbst 1936. Auf die Bitte des Volkskommissars für innere Angelegenheiten, Jeszov, beschloss das Politbüro die "Verurteilung" von 585 auf einer Liste aufgeführten Personen, denen die Mitgliedschaft in einer "trotzkistischen konterrevolutionären terroristischen Organisation" vorgeworfen wurde. 1937 begann dann die regelmäßige Bestätigung solcher Listen durch das Politbüro. Nach September 1938 wurde die Aburteilung von Personen anhand von Listen seltener. Noch fünf solcher Listen - die letzte aus dem April 1950 - mit insgesamt 1125 Namen fanden sich im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation.
Die Arbeit des Obersten Gerichtshof war nach der Prüfung der Listen durch das Politbüro nur mehr bloße Formalität. Zwar sind die Protokolle der Sitzungen des Gerichts der Forschung leider immer noch nicht zugänglich, doch geht aus den erhältlichen Auszügen hervor, dass die Anhörung jedes Angeklagten nicht länger als fünf bis zehn Minuten gedauert hat.
Nicht alle Mitglieder des Politbüros, nur die engen Vertraute Stalins waren in die Prüfung dieser Listen einbezogen. Am häufigsten findet man unter den Listen die Unterschriften von Molotow und von Stalin selbst, die jeweils an der Überprüfung von über 350 solcher Listen beteiligt waren. Erhalten geblieben sind auch Randbemerkungen, die Stalin, Molotow oder andere auf die Listen gekritzelt haben.
Die Listen auf der CD-ROM sind mit einer Stichwortsuchfunktion versehen und - soweit es möglich war - durch biographische Daten über die Repressionsopfer ergänzt. Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge dieser Veröffentlichung noch weitere ähnliche Dokumente in den Archiven ans Tageslicht kommen.
Mehr hierzu auf russisch: www.memo.ru/daytoday/sp.htm
(07.03.2002)
(ein Bericht aus der Zone des bewaffneten Konfliktes von Alexander Tscherkasow, einem Mitarbeiter des Zentrums für Menschenrechte "Memorial", vom 5.03.2002)Weiterlesen … Wohin "verschwinden" Menschen in Tschetschenien?
(18.03.2002)
aus dem Russischen übersetzt von Marlen Wahren
Die Arbeit der medizinischen Einrichtungen
Die Reparatur- und Wiederaufbauarbeiten der medizinischen Einrichtungen in der tschetschenischen Republik gehen sehr langsam voran. Die Lage in den zur Zeit funktionierenden 53 Krankenhäusern der Republik ist katastrophal. Über das Gesundheitsministerium gelangen kaum noch Medikamente oder medizinische Ausstattung in die Krankenhäuser. Schmerzlich zu spüren ist der Mangel an Fachkräften. In der ganzen Republik gibt es 2,5 mal weniger Ärzte und 1,7 mal weniger Krankenschwestern als notwendig wären.
In den meisten medizinischen Einrichtungen fehlt eine ausreichende Energieversorgung, was die Durchführung von schwierigen chirurgischen Operationen unmöglich macht. Deshalb bemühen sich die Angehörigen, Schwerkranke mit einer Überweisung des Gesundheitsministeriums auswärtig zu behandeln zu lassen (allein im letzten Monat (Februar 2002) wurden vom Gesundheitsministerium der Tschetschenischen Republik 817 Überweisungen ausgeschrieben). Diese Probleme resultieren aus der sehr schwachen Finanzierung des Gesundheitswesens der Tschetschenischen Republik.
Bis auf den heutigen Tag werden folgende Gebäude medizinischer Einrichtungen von militärischen Einheiten der Föderalen Streitkräfte genutzt: das Tuberkulosekrankenhaus der Stadt Grosnij, das Eisenbahnkrankenhaus des Bezirks Oktjabrskij der Stadt Grosnij, das Schatojsker Kreiskrankenhaus und das Krankenhaus der Siedlung Kargalinskaja im Bezirk Schaelkovskij. Der Schwerpunkt der Belastung in der Republik liegt heute auf dem 9. Krankenhaus der Stadt Grosnij, das seit dem 15. Oktober 2001 die Funktion der Nothilfestation erfüllt. Die Rekonstruktion des Gebäudes, in dem die Ärzte im Augenblick arbeiten müssen, geht praktisch nicht voran. Die Reparaturarbeiten an dem fünfstöckigen Komplex wurden begonnen, hier sollen zwei chirurgische, eine traumatologische, eine gynäkologische, eine neurochirurgische, eine otolaringologische Abteilung entstehen, sowie eine Sofortkardiologie, eine therapeutische und Rehabilitationsabteilung. Die Beendigung der Arbeiten war für Ende Mai 2002 geplant, dem Tempo der Arbeiten nach zu urteilen wird der Plan jedoch nicht eingehalten.
Die Energieversorgung des Krankenhauses erfolgt nicht kontinuierlich. So gab es im Januar drei aufeinander folgende Tage lang kein Licht, heute wird regelmäßig für einen Tag in der Woche der Strom abgestellt. Währenddessen nutzen die Ärzte einen autonomen Generator, der dem Krankenhaus vom Internationalen Roten Kreuz zu Verfügung gestellt wurde, dessen Leistung jedoch nur die Energieversorgung für Operation und Reanimation sicherstellen kann.
Für die Wasserversorgung des Krankenhauses sorgt eine polnische humanitäre Organisation. Mithilfe dieser Organisation wurden auf dem Gelände des Krankenhauses die sanitären Einrichtungen gebaut und werden die Krankenpflegerinnen bezahlt.
Nach den Angaben des stellvertretenden Chefarztes Naschchojev Rosambek Movsajevitsch funktionieren im Krankenhaus:
- zwei chirurgische Abteilungen, die laut Stellenplan auf 90 Betten ausgelegt sind
- eine traumatologische Abteilung mit 60 Betten
- eine gynäkologische Abteilung mit 60 Betten
- eine neurochirurgische Abteilung mit 30 Betten
- die Kiefer- und Gesichtschirurgie mit 15 Betten
- die Therapie mit 30 Betten
- die Reanimation mit 9 Betten.
Außerdem arbeitet die Notfallaufnahme, wo täglich bis zu 15 Menschen behandelt werden.
Neben dem 9. Krankenhaus funktioniert die Polyklinik, die allein in der vergangenen Woche (vom 18. bis 23. Februar) 623 Menschen aufnahm.
Die Arbeit des Zentrums für Blutspende ist noch nicht eingerichtet. Blut für die Kranken wird vor allem von ihren Verwandten gespendet. In extremen Situationen ist es oft notwendig sich mit dieser Bitte an die Mitarbeiter des ROVD (die örtliche Polizei) zu wenden, deren Stützpunkt sich neben dem Krankenhaus befindet.
Die hauptsächlichen Probleme des Krankenhauses sind nach den Angaben des Arztes Naschchojev:
- das Fehlen von diagnostischer Ausrüstung, insbesondere von neurochirurgischer und Endoskopieapparaten. Die Nutzung von kürzlich eingetroffener Ausstattung ist wegen ihrer Unvollständigkeit nicht möglich.
- das Fehlen von Fachspezialisten: in der gesamten Republik gibt es nur einen Spezialisten für Neurochirurgie; es gibt keinen einzigen Fluorographen.
- die Unsicherheit sowohl der Ärzte wie der Patienten.
Nach Beobachtungen der Ärzte häufen sich in der Republik Fälle von Tuberkulose-Erkrankungen (für Untersuchungen solcher Patienten gibt es im Krankenhaus nicht einmal die entsprechende Ausstattung), von Krebs- und Schilddrüsenerkrankungen, es gibt viele Fälle von gynäkologischen Krankheiten, ebenso wie von Herzgefäßpathologie, Lebererkrankungen (eine Folge der schlechten Ernährung), kardiologischen und neurologischen Erkrankungen und Diabetes. Viele Erkrankungen sind durch die schweren Verhältnisse in der Republik bedingt.
Sehr viele Menschen werden mit von Minen verursachten Verletzungen in die Krankenhäuser eingeliefert. Im 9. städtischen Krankenhaus werden im Durchschnitt 60 Menschen mit solchen Verletzungen im Monat aufgenommen. Allein an einem Tag, am 24. Februar, wurden 4 Patienten, die durch Minen verletzt wurden, im Krankenhaus eingeliefert.
Das Gehalt der Ärzte und des medizinischen Personals ist gering, es wird aber regelmäßig und pünktlich ausgezahlt.
Die Bildungseinrichtungen der Stadt Grosnij
Nach den Angaben des stellvertretenden Leiters des Departements für Bildung der Stadt Grosnij, Omarov Sultan Achmadovitsch, funktionieren derzeit 45 Schulen in der Stadt, von denen die Mehrzahl nicht wiederaufgebaut ist. Die Klassenräume, in denen die Kinder lernen, wurden mit vereinten Kräften von Lehrern, Eltern und den Schülern selbst in Ordnung gebracht, damit dort der Unterricht stattfinden kann. Nach dem föderalen Zielprogramm sollten im Jahr 2001 15 Schulen wiederhergestellt werden. Allerdings wurden in 12 von diesen Schulen, in denen mit Wiederaufbauarbeiten begonnen wurde, bis heute die Arbeiten nicht fertiggestellt. In den schon arbeitenden Schulen Nr. 34 und Nr. 50 und dem Internat Nr. 1 wurde der versprochene Wiederaufbau noch nicht einmal in Angriff genommen. In dem selben Programm ist für das Jahr 2002 die Wiederherstellung von 22 weiteren Schulen geplant. Vor dem Hintergrund all dieser Probleme freut es besonders, dass die Reparatur- und Wiederaufbauarbeiten in den Schulen vorangehen, die von internationalen Organisationen wiederhergestellt werden. So wird die Schule Nr. 16 von der Organisation "Dänischer Rat" und die Schule Nr. 7 von der tschechischen Organisation "Mensch in Not" wiederaufgebaut. Am ersten Januar dieses Schuljahres lernten in den arbeitenden Schulen der Stadt Grosnij 19718 Schüler und Schülerinnen.
Bis zum ersten Krieg im Jahr 1994 wurden in den Schulen der Stadt Grosnij 39797 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Im ersten Semester des Schuljahres 2001/2002 wurden 1709 Schüler und Schülerinnen in die Schulen der Stadt aufgenommen, während im selben Zeitraum 1909 Schülerinnen und Schüler abgingen, d.h. ihre Zahl verringerte sich um 200. Die Hauptprobleme in den Schulen sind das Fehlen von Unterrichtsmaterialien und der Mangel an Fachkräften.
Im Durchschnitt sind die ersten bis elften Klassen der Stadt Grosnij zu 31,5% bei einem Bedarf von 185150 Stück mit Lehrbüchern versorgt. Von den 82633 Lehrbüchern, die in den Jahren 2000/2001 zur Verfügung gestellt wurden, sind 19379 für die Arbeit nicht zu verwenden, aus dem einfachen Grunde, dass sie nicht dem Programm entsprechen. Es gibt praktisch keine Lehrbücher für den Muttersprach- und Literaturunterricht, was die Arbeit der Lehrer in den Klassen und die Erledigung der Hausaufgaben für die Kinder erschwert.
Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer betrug zu Beginn des Schuljahres 1217, am Ende des ersten Halbjahres war sie auf 1394 Personen gestiegen. Den Anstieg der Zahl der qualifizierten Lehrer und Lehrerinnen, die eine Stelle annehmen, bringt der stellvertretende Leiter des Departements für Bildung, Omarov Sultan, mit der Erhöhung des Gehalts in Verbindung. Das Gehalt für Lehrerinnen und Lehrer wird seit Januar ausgezahlt, ebenso wie die gesamte Schuldenlast aus den Jahren 2000 bis 2002 getilgt wurde.
Die soziale Situation im Gebiet Urus-Martanovskij
Das Gebiet Urus-Martanovskij mit dem Kreiszentrum Urus-Martan liegt im Gebirgsvorland der tschetschenischen Republik. Seine Bevölkerung zählt um die 103000 Menschen. Das sind ungefähr 10% der Bevölkerung der Republik. In diesem Gebiet liegen die Siedlungen Alchan-jurt, Alchazurovo, Gechi, Gechi-tschu, Goj-tschu (das ehemalige Komsomolskoje), Gojskoje, Gojty, Martan-Tschu, Roschin-Tschu, Schalaschi, Tangi-Tschu, sowie die Niederlassungen namens Mitschirina und Krasnopartisanskij. Im Verlauf der Kriegshandlungen wurden fast alle Ortschaften zerstört. Am schwersten wurde die Siedlung Goj-tschu (das ehemalige Komsomolskoje) in Mitleidenschaft gezogen. Sie wurde vollständig zerstört. Schwere Zerstörungen gab es in der Kreisstadt Urus-Martan und in den Siedlungen Alchan-Jurt und Gechi-tschu. 1996 wurde auch die Ortschaft Gojskoje durch Kriegshandlungen vollständig zerstört. In den Jahren 1996 bis 1999 wurde sie teilweise wiederaufgebaut. Im gesamten Gebiet wurden nach den Angaben der Gebietsadministration 8253 Häuser zerstört. Von seiten der Obrigkeit wurden im Verlauf der Jahre 2000/2001 fast keine Arbeiten zum Wiederaufbau der zerstörten Unterkünfte durchgeführt. Hilfe wurde den Betroffenen allein vom Dänischen Flüchtlingsrat geleistet. Diese humanitäre Organisation verteilte in der Ortschaft Goj-tschu an ungefähr 300 Familien Baumaterial. Seit dem Herbst 2001 begann die Finanzierung des Wiederaufbaus von Wohnungen auch von seiten der staatlichen Organe - für die Direktion der Bau- und Wiederaufbauarbeiten wurden Mängellisten und Listen von Wohneigentum, das zur Wiedererrichtung bestimmt ist, zusammengestellt. Allerdings ist dieses Verzeichnis nicht sehr umfangreich. So werden in der Siedlung Gojskoje voraussichtlich 16 Häuser wiederaufgebaut. Seit Beginn des Jahres 2002 sind die Bauarbeiten unterbrochen, es ist geplant, die Arbeiten Anfang März vorzusetzen.
Das Gebiet Urus-Martanov ist ein landwirtschaftliches Gebiet. Hier gibt es keine großen industriellen Unternehmen. Die arbeitsfähige Bevölkerung ist mehrheitlich arbeitslos. Zum Ende des Jahres 2001 begann die Registrierung der Arbeitslosen, am 1. Februar 2002 waren bereits 4056 Menschen als arbeitslos registriert und noch ist die Registrierung nicht abgeschlossen. Wer sich als arbeitslos hat registrieren lassen, bekommt eine Unterstützung in der Höhe von 100 Rubel im Monat.
Im Gebiet Urus-Martanov gibt es 29 funktionierende Schulen, in denen 19224 Schüler und Schülerinnen unterrichtet werden. Während der Kriegshandlungen wurden Schulen in den Ortschaften Alchan-jurt, Goj-tschu und Gojskoje zerstört. Drei Schulen in diesen Siedlungen wurden nicht wiederaufgebaut und in dem Gebäude der Internatsschule befindet sich die Abteilung des Inneren des Gebietes Urus-Martanov.
Die Verwaltung des Rentenfonds des Gebietes Urus-Martanov hat die geschuldeten Renten für die gesamte vorangegangene Periode ausgezahlt. Die laufenden Auszahlungen erfolgen regelmäßig. Im Gebiet leben 17437 Pensionäre.
In den Siedlungen des Gebietes arbeiten fünf Krankenhäuser. In der Kreisstadt Urus-Martan befindet sich das zentrale Gebietskrankenhaus. Im Laufe der Kriegshandlungen wurde es nicht zerstört. Allerdings ist auch hier der Mangel an medizinischer Ausrüstung, Materialien und Medikamenten schmerzlich zu spüren. So steht wegen des Fehlens von Filmen das Röntgenkabinett oft still, obwohl nach den Angaben der Ärzte ungefähr 1 % der Bevölkerung an Tuberkulose erkrankt ist. Ebenso fehlt es an qualifizierten Ärzten.
In den Siedlungen des Gebietes Urus-Martanov gibt es viele Binnenmigranten, nach offiziellen Angaben sind 28870 Menschen als solche registriert. Es sind Einwohner der Ortschaft Goj-tschu, der Stadt Grosnij und anderer Siedlungen. Augenblicklich erhalten diese Menschen Hilfe vom Dänischen Flüchtlingsrat und vom Internationalen Roten Kreuz, aber diese Hilfe ist nicht ausreichend.