Nachrichten mit dem Stichwort

NGO-Gesetz: Nesawissimaja Gaseta informiert über Änderungen aufgrund massiven Protests der Betroffenen

1. Die russischen Vertretungen ausländischer Stiftungen müssen die Behörden über ihr Bestehen und die Absicht, in Russland tätig zu werden, unterrichten.
URSPRÜNGLICH sollten die russischen Vertretungen ausländischer Stiftungen verpflichtet werden, sich als gesellschaftliche Vereinigungen anzumelden.
2. Die erneute Anmeldung nichtkommerzieller Organisationen, u.a. gesellschaftlicher Vereinigungen, im Zusammenhang mit dem In-Kraft-Treten des vorliegenden Föderationsgesetzes entfällt.
URSPRÜNGLICH mussten alle nichtkommerziellen Organisationen erneut angemeldet werden.
3. Der vorgeschriebene Nachweis über die Verwendung ausländischer Gelder gilt nur für die russischen Empfänger dieser Gelder.
URSPRÜNGLICH war dies für alle Empfänger ausländischer Gelder vorgesehen.
4. Das In-Kraft-Treten des Gesetzes wird verschoben und erfolgt nunmehr drei Monate nach seiner Unterzeichnung durch den Präsidenten. Die ausländischen NGOs, einschließlich der nichtkommerziellen Organisationen verfügen sodann über weitere 6 Monate, um die Benachrichtigung der staatlichen Stellen vorzunehmen.
URSPRÜNGLICH sollte das Gesetz am 1. Januar 2006 in Kraft treten. Die erneute Anmeldung der betroffenen Organisationen sollte im Laufe des Jahres erfolgen.

Nesawissimaja Gaseta wies am 22.12.05 allerdings auch darauf hin, dass die Auflösung ausländischer NGOs, die die vorgeschriebene Anmeldung als russische juristische Person durchgeführt hatten, in der ursprünglichen Variante nur auf dem Rechtsweg erfolgen konnte. Den neuen Erleichterungen steht allerdings entgegen, dass der Staat jetzt über breite Möglichkeiten, unliebsame Einrichtungen schließen zu lassen, verfügt.
So kann die für die Anmeldung zuständige Behörde (FRS) ausländische Einrichtungen einfach von der Liste streichen, wenn notwendige Angaben immer wieder fehlen bzw. die tatsächliche Tätigkeit der Unterrichtung über Ziele und Aufgaben nicht entspricht, wobei das Gesetz selbst keine Kriterien festlegt, anhand derer die Tätigkeit und deren Übereinstimmung mit der konkreten Arbeit der Stiftung zu bewerten wäre. Darüber hinaus ist die Behörde berechtigt, das Programm einer Stiftung insgesamt oder teilweise zu streichen und vorzuschreiben, welche russische Einrichtung überhaupt unterstützt werden darf. Bei Zuwiderhandlung wird man von der Liste gestrichen. Ob eine ausländische Einrichtung sich nach den Ereignissen des vergangenen Jahres noch an ein russischen Gericht wenden wird, bleibt zu bezweifeln.

Quelle: Nesawissimaja Gaseta vom 22.12.05 (gekürzte Zusammenfassung, Übersetzung aus dem Russischen)

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Erklärung russischer Nichtregierungsorganisationen: Nein zur Verschärfung der Kontrolle über die Zivilgesellschaft

Wir, Vertreter russischer Nichtregierungsorganisationen, drücken unsere äußerste Besorgnis im Zusammenhang mit der Behandlung des Gesetzentwurfs "Über einige Änderungen an Gesetzesakten der Russischen Föderation" in der Staatsduma aus, dessen Ziel die Verschärfung der Kontrolle über die Institute der Zivilgesellschaft ist. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen widersprechen völlig den Erklärungen der russischen Staatsführung, in denen sie die Entwicklung der Zivilgesellschaft unterstützt. Anstelle der von den Autoren des Gesetzesentwurfs deklarierten "Stabilisierung" und "Gleichberechtigung" wird die Annahme solcher Änderungen zur Lähmung des gesellschaftlichen Lebens, zur Destabilisierung und zur Rechtswillkür führen.

Die Annahme des von einer Abgeordnetengruppe der Fraktionen Einiges Russland, Rodina, KPRF und LDPR vorgeschlagenen Gesetzes führt zur Einstellung der Tätigkeit einer großen Zahl von Organisationen und fügt den Interessen unseres Landes erheblichen Schaden zu. Wir sind davon überzeugt, dass Gesellschaft und Staat bisher noch nicht vollständig bewusst ist, in welchem Maße die russischen Nichtregierungsorganisationen einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft und zur sozialen Entwicklung des Landes leisten und dabei Funktionen übernehmen, die weder der Staat noch die Marktinstitute ausfüllen.

Nach übereinstimmender Einschätzung von Experten diskriminiert das Gesetz Nichtregierungsorganisationen und schränkt das Verfassungsrecht der Bürger auf Vereinigung erheblich und unbegründet ein. Es verschlechtert die Rechtsstellung von gesellschaftlichen Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen und begrenzt die Freiheit ihrer Tätigkeit. Damit werden sie kommerziellen, staatlichen und kommunalen Organisationen gegenüber benachteiligt.

Ebenso wird das Verfassungsrecht der Bürger auf nichtformale, nichtregistrierte Vereinigung, also ohne den Status einer juristischen Person anzustreben, eingeschränkt. Künftig sollen solche Vereinigungen sie die staatlichen Registrierungsbehörden über ihre Existenz informieren müssen. Dabei soll die Form dieser Benachrichtigung nicht durch das Gesetz, sondern durch die Regierung der Russischen Föderation bestimmt werden. Außerdem beinhaltet der Gesetzentwurf eine sehr schwammige Aufzählung zusätzlicher Gründe, aus denen Organisationen die Registrierung verweigert werden kann.

Der Gesetzentwurf beinhaltet die ungerechtfertigte Verschärfung der Kontrolle über die Tätigkeit aller russischen Nichtregierungsorganisationen, unabhängig davon, womit sie sich beschäftigen. Es ist geplant, dass die staatlichen Registrierungsorgane mit zusätzlichen Kontrollvollmachten versehen werden. Künftig sollen sie die Tätigkeit nichtkommerzieller Organisationen inhaltlich und finanziell kontrollieren, zu jeder Zeit und ohne irgendeine Begründung Finanz- und andere Dokumente anfordern können. Damit verlieren gesellschaftliche Vereinigungen nicht nur endgültig den Status der Selbstverwaltung, sondern damit wird auch der Boden für Beamtenwillkür und selektive Rechtsanwendung bereitet.

Besonders streng wird die Tätigkeit ausländischer nichtkommerzieller Organisationen in Russland eingeschränkt. Vorgesehen ist es, die Tätigkeit von Vertretungen und Filialen ausländischer und internationaler nichtkommerzieller Organisationen zu verbieten. Sie sollen sch künftig nur noch in der Form einer gesellschaftlichen Vereinigung, also als russische juristische Personen vertreten lassen können. Das ist aus rechtlichen Gründen für den größten Teil ausländischer Organisationen nicht möglich. Dadurch wird die Tätigkeit vieler ausländischer NGO, die in ganz unterschiedlichen Sphären, darunter im Bereich von Kultur, sozialer Unterstützung der Bevölkerung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Umweltschutz, arbeiten faktisch ungesetzlich. Außerdem verlieren ausländische Bürger, die kein ständiges Aufenthaltsrecht in Russland haben, das Recht, russische NGO zu gründen oder in ihnen aktiv zu sein. Das verletzt direkt die Verfassung der Russischen Föderation, die jedem (und nicht nur russischen Bürgern) das Recht auf Vereinigung garantiert.

Eine Reihe der vorgeschlagenen Änderungen widersprechen direkt den Normen des Völkerrechts und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Russland ratifiziert hat. Dadurch wird das Ansehen Russlands als Garant des Völkerrechts untergraben. Als Ergebnis einer Annahme des Gesetzentwurfs wird Russland großer Schaden zugefügt, was sich besonders deutlich am Vorabend der Übernahme des Vorsitzes der in der G8 zusammengeschlossenen Industrieländer durch Russland zeigt.

Juristische Expertisen des Gesetzesentwurfs zeigen, dass eine Annahme in den kommenden Monaten schwerwiegende Folgen für das Funktionieren der Zivilgesellschaft haben wird. Die Satzungen aller nichtkommerziellen Organisationen in Russland müssen unter der Drohung ihrer Schließung binnen einen Jahres mit den neuen Forderungen in Übereinstimmung gebracht und von den Justizorganen genehmigt werden. Diese Prozedur steht mehreren Hunderttausend Organisationen bevor. Wenn man die im Gesetzentwurf enthaltenen verschwommenen, rechtlich kaum fassbaren und sehr breit angelegten Gründe für eine Ablehnung der Registrierung in Betracht zieht, dann wird diese Umregistrierung ohne Frage die Arbeit der meisten NGO lähmen. Das betrifft wohltätige Organisationen ebenso wie kulturelle, Behindertenverbände wie Jugendorganisationen, Menschenrechtler und Umweltschützer. Der Prozess der gleichzeitigen Registrierung hunderttausender russischer NGO und ebenso die bürokratische Kontrolle ihrer Arbeit wird zu erheblichen Mehrausgaben aus dem Staatsbudget führen, was die Autoren des Gesetzentwurfs bewusst verschweigen.

Mit den nichtkommerziellen Organisationen wurde über den Gesetzentwurf - im Widerspruch zu den wiederholten Erklärungen der russischen Staatsführung, dass der Dialog des Staates mit der Zivilgesellschaft notwendig sei - überhaupt nicht gesprochen. Die nichtöffentliche Vorbereitung des Gesetzentwurfs zeugt davon, dass sich seine Initiatoren im Klaren darüber sind, dass er gegen die Interessen der Zivilgesellschaft gerichtet ist und bei einer wirklichen und offenen Debatte nicht durchsetzbar wäre.

Wir sind davon überzeugt, dass die Zivilgesellschaft in Russland nicht "stabilisiert" werden muss, si muss sich entwickeln können. Totale Kontrolle hilft ihrer Entwicklung dagegen nicht. Weil der vorgeschlagene Gesetzentwurf diskriminierenden Charakter hat, weil er nicht verfassungskonform ist, weil die Gefahr bürokratischer Willkür bei seiner Anwendung besteht, weil die zu erwartende Kürzung der Programme der nichtkommerziellen Organisationen negative soziale und wirtschaftliche Folgen haben wird, weil er den Staat viel Geld kosten wird und weil es keine vernünftigen Argumente für seine Annahme gibt, appellieren wir an die Regierung und an das Parlament mit der Forderung, diesen Gesetzentwurf nicht zu unterstützen.
Wir erklären unser Nein zur Verschärfung der Kontrolle über die Zivilgesellschaft und unser Ja für ihre freie Entwicklung zum Wohl unseres Landes.
Unterschriften:

Initiatoren der Erklärung:
Ljudmila Alxejewa, Moskauer Helsinki Gruppe
Manana Aslamsjan, Agentur "Internews"
Alexander Ausan, Institut Nationales Projekt "Gesellschaftsvertrag"
Ljudmila Wachnina, Menschenrechtszentrum Memorial
Walntin Gefter, Institut für Menschenrechte
Lidija Grafowa, Forum der Umsiedlerorganisationen
Leonid Grigorijew, Assoziation unabhängiger Wirtschaftsanalysezentren
Galina Grischina, "Ost-West: Fraueninnovationsprojekte"
Alexander Daniel, Internationales Memorial
Jurij Dschibladse, Zentrum zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten
Swjatoslaw Sabelin, Internationale Sozial-Ökologische Union
Olg Komarowskij, Institut Nationales Projekt "Gesellschaftsvertrag"
Ida Kuklina, Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands
Tatjana Lokschina, Zentrum "Demos"
Arsenij Roginskij, Internationales Memorial
Jelena Rusakowa, Jugendzentrum für Menschenrechte und Rechtskultur
Natalja Samower, Historikerin
Natalja Taubina, Fonds "Gesellschaftliches Verdikt"
Michail Timentschik, Fond "Stützpunkte"
Jelena Topolewa, Agentur für Soziale Information
Grigorij Schwedow, Internationales Memorial

Bis 15.11.05 haben auf der Website "Menschenrechte in Russland" (
Übersetzung: Jens Siegert

Quelle:
http://www.memo.ru/daytoday/5nko1114.htm

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MEMORIAL mit Max von der Stoel-Preis 2005 ausgezeichnet

Am 12. Oktober wurde der Max van der Stoel-Preis 2005 im Rahmen einer Feierstunde im Spanischen Hof in Den Haag der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL verliehen. Die Preisübergabe an die Geschäftsführerin der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL, Frau Elena Schemkowa, und den Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums MEMORIAL, Oleg Orlow, erfolgte durch den niederländischen Außenminister Dr. Bernhard Bot.

Der 2001 vom niederländischen Außenministerium zu Ehren des ehemaligen Hochkommissars der OSZE für nationale Minderheiten, Max van der Stoel, gestiftete Preis wird alle zwei Jahre an Einzelpersonen, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Forschungsinstitute oder Regierungsbehörden vergeben, die wesentlich zur Verbesserung der Lage der nationalen Minderheiten im OSZE-Raum beigetragen haben.

Die Jury setzt sich aus namhaften Persönlichkeiten zusammen, deren Arbeit mit nationalen Minderheiten internationale Anerkennung gefunden hat. Ihr gehören Rolf Ekeus, Hochkommissar der OSZE für nationale Minderheiten, der polnische Außenminister, Professor Adam Rotfeld, die ehemalige Vorsitzende der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Frau Helle Degn, der Direktor des Instituts für Ethnologie und Anthropologie der russischen Akadmie der Wissenschaften, Dr. Walerij Tischkow sowie Professor Ed van Tijn aus den Niederlanden an.

Der Preis wurde erstmals im Jahr 2003 der Direktorin des lettischen Zentrums für Menschenrechte und ethnische Forschung, Frau Ilse Brands Kehris, verliehen. Die Missionen und Institute der OSZE, die Botschaften der Niederlande im OSZE-Raum und der Hochkommissar für Menschenrechte konnten Vorschläge für die Preisverleihung 2005 unterbreiten. Die Gesellschaft MEMORIAL ist der zweite Träger des Max van der Stoel-Preises.

Die Jury begründete ihre Entscheidung mit der "unermüdlichen und mutigen Arbeit, mit der die Gesellschaft MEMORIAL sich dafür einsetzt, dass Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen wahrgenommen werden und Vertrauen zwischen den ethnischen Gruppen geschaffen wird; dem Kampf gegen ethnische Diskriminierung und Unterdrückung und der Prävention interethnischer Spannungen und Konflikte durch Monitoring, Untersuchungen und Information und dem Schutz der Menschenrechte Einzelner - Männer, Frauen und Kinder - , die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft verfolgt werden".

Der Preis wurde in Gegenwart von Max van der Stoel und den Jury-Mitgliedern Rolf Ekeus, OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten, sowie Frau Helle Degn, Dr. Walerij Tischkow und der Preisträgerin des Jahres 2003, Frau Ilse Brands Kehris, verliehen.

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Erklärung russischer Nichtregierungsorganistaionen an die Regierungen der Russischen Föderation und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Föderale Versammlung der Russischen Föderation, das Europäische Parlament, die Europäische Kommissio

Sehr verehrte Damen und Herren,

Wir, die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen aus der Russischen Föderation, erachten es als notwendig, Ihnen unsere Vorschläge in Bezug auf das Format und die Tagesordnung der Menschenrechtskonsultationen zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union darzulegen.

Wir begrüßen die Einrichtung dieser konsultativen Treffen und sind überzeugt, dass sie zu einem überaus wichtigen Instrument zum Schutz und zur Wahrung der Menschenrechte, zur Festigung der Stabilität und zur Beförderung demokratischer Werte im europäischen Raum werden können. Sowohl Russland als auch die Europäische Union müssen daher an einem offenen, produktiven Dialog zu den aktuellen Menschenrechtsfragen sowie an einer neuen Zusammenarbeit zur schrittweisen Lösung anstehender Probleme interessiert sein. Dieser neue Konsultationsprozess erscheint uns angesichts der in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Schwächung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen als dem traditionellen Instrument zur gegenseitigen Überwachung bei der Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards von besonderer Bedeutung.

Gleichzeitig erfüllt uns mit Besorgnis, dass die erste Runde der Konsultationen, die am 1. März 2005 in Luxemburg stattfand, unzureichend vorbereitet war und keinerlei Fortschritte erbrachte. Offizielle Vertreter mehrer europäischer Staaten wiesen in Gesprächen mit russischen Bürgerrechtlern darauf hin, dass das Luxemburger Treffen praktisch "inhaltsleer" gewesen sei und zu keinerlei nennenswerten Ergebnissen geführt habe. Während Teilnehmer von Seiten der Europäischen Union erklärten, dass für die EU allein das Zustandekommen des Luxemburger Treffens wichtig war und die Tatsache, dass es den Beginn regelmäßiger Konsultationen bedeutete, veröffentlichte die Russische Regierung zu den Konsultationsergebnissen einseitig eine mit der EU nicht abgestimmte Presseerklärung, aus der hervorging, dass die EU mit der Lage der Menschrechte in Russland vollauf zufrieden sei. Soweit uns bekannt ist, entspricht diese Behauptung nicht der Wirklichkeit. Angesichts des bilateralen Charakters der Konsultationen hoffen wir, dass künftig Dokumente zu den Ergebnissen der Treffen durch beide Seiten abgestimmt und gemeinsam veröffentlicht werden, um ein reales und möglichst vollständiges Bild der Treffen wiederzugeben. Falls die folgenden Treffen im "Luxemburger Format", ohne eine hinreichend substantielle inhaltliche Vorbereitung erfolgen sollten, würde die Menschrechtsdiskussion zwischen Russland und der EU praktisch aus dem öffentlichen Raum heraus verlagert und könnte sich zu einer "Konsultation um der Konsultation Willen" wandeln, also lediglich zu einem Imitat eines inhaltlichen Dialoges. Dies wäre kontraproduktiv, und es erscheint uns daher wichtig, dass zu den Ergebnissen der Treffen ausführliche Communiques verfasst werden, die die jeweils behandelten Fragen, die Positionen der beiden Seiten zu diesen Fragen, eine kurze Darstellung des Verhandlungsverlaufs und die Ergebnisse der Beratungen enthalten könnten, all das, was bei der Diskussion erreicht oder eben nicht erreicht wurde.

Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass russische und internationale Nichtregierungsorganisationen (NRO), die zu Menschenrechtsfragen arbeiten, bei dem Dialog zwischen Russland und der EU zu Fragen der Wahrung der Grund- und Menschenrechte eine bestimmte, der internationalen Praxis entsprechende Rolle spielen sollten. Diese Praxis wird bei Fragen des Schutzes und der Wahrung der Menschenrechte zunehmend durch die Zusammenarbeit zwischen den Staaten und den Institutionen der Zivilgesellschaft geprägt. Vor allem würden die Konsultationen durch die Beteiligung von NRO an Gewicht und Offenheit gewinnen und ergebnisorientierter werden. Zu diesem Zweck schlagen wir folgendes Format einer Einbeziehung von NRO in den Konsultationsprozess vor:

- Russische und internationale NRO sollten über effektive Kanäle verfügen, um den Regierungen der Russischen Föderation und der Europäischen Union vorab ihre Vorstellungen über die Tagesordnung anstehender Konsultationen vorlegen zu können, und zwar rechtzeitig, vor Verabschiedung der Tagesordnung.
- Nach Verabschiedung der Tagesordnung einer Konsultationsrunde sollten russische und internationale NRO die Möglichkeit haben, den beteiligten Seiten zu konkreten Fragen der Tagesordnung ihre eigenen Materialien vorzulegen.
- Es sollte bei den Konsultationen ein Verfahren zur Akkreditierung von Vertretern russischer und internationaler NRO geben. Die Akkreditierung könnte bei den einzelnen Treffen jeweils denjenigen NRO erteilt werden, die zu einer der Fragen auf der Tagesordnung Materialien vorgelegt haben und von mindestens einer der Dialogseiten zur Teilnahme empfohlen wurden. Auf Vorschlag einer der Dialogseiten kann Experten der NRO die Möglichkeit zur Teilnahme an den Diskussionen gegeben werden.
- Unmittelbar vor der jeweiligen Konsultationsrunde sollte von den Organisatoren ein eigenes Arbeitstreffen mit den Vertretern der akkreditierten russischen und internationalen NRO abgehalten werden, bei dem Form und Ablauf der Diskussionsbeiträge abschließend besprochen werden.
- Es sollte zu den Ergebnissen jeder Konsultationsrunde ein Briefing für die russischen und internationalen NRO durchgeführt werden, bei dem die Vertreter der NRO die Gelegenheit erhalten, Fragen an die Vertreter der Delegationen zu richten.

Gegenwärtig wird die zweite Konsultationsrunde vorbereitet, die für den Herbst 2005 vorgesehen ist. Es ist nur natürlich, dass wir, die Vertreter von Menschenrechtsrechtsorganisatoren aus der Russischen Föderation, durch die in den letzten Jahren erfolgte Verschlechterung der Menschenrechtssituation in der Russischen Föderation in besonderem Maße beunruhigt sind. Deshalb halten wir es für vordringlich, dass folgende drei Fragen, die in unserem Land in besonderem Maße nach einer Lösung verlangen, in die Tagesordnung des kommenden Treffens aufgenommen werden:

1. Einhaltung der Menschrechte durch die Mitarbeiter der Sicherheitsorgane sowie die Reform des Polizei- und Justizsystems
Dieses Problem ist sowohl für Russland als auch für die EU aktuell. Es wäre für die russischen Behörden von besonderem Nutzen, sich mit den Erfahrungen, die bei den Reformen in Frankreich und Großbritannien gemacht wurden, vertraut zu machen, um eine Minimierung der Willkür und eine wirksame Modernisierung des Polizei- und Justizapparates zu erreichen. Für Russland erhält dieses Thema durch eine Reihe von Umständen eine besondere Aktualität. In den letzten Jahren haben russische Medien und Menschenrechtsorganisation eine Vielzahl von Bürgerrechtsverletzungen zur Sprache gebracht, die von Angehörigen der Miliz und anderer Sicherheitsorgane begangen wurden. Hierzu gehörten u.a. willkürliche Festnahmen, Folter, grausame und erniedrigende Behandlung, Missachtung des Rechts auf Leben. Auch die Führung Russlands hat ihre Sorge angesichts der von Seiten der Miliz ausgehenden Willkür zum Ausdruck gebracht. In den Jahren 2004 und 2005 ist es dennoch in mehreren Regionen der Russischen Föderation zu Masseneinsätzen von Ordnungskräften gekommen, die an die zu trauriger Berühmtheit gelangten "Säuberungen" in Tschetschenien erinnern. Diese Einsätze wurden von ungesetzlichen Festnahmen, körperlichen Misshandlungen und erniedrigender Behandlung der Bevölkerung begleitet. Seit dem Frühling dieses Jahres liegen den Menschrechtlern in der Russischen Föderation mehrere rechtswidrig geheim gehaltene Anweisungen aus den Innenbehörden vor. Nach Einschätzung führender Juristen und Menschenrechtsexperten sind diese Dokumente verfassungswidrig und widersprechen auf drastische Weise den internationalen Verpflichtungen der Russischen Föderation, da sie die Einrichtung von sog. "Filtrationspunkten" (gesetzlich nicht vorgesehenen Inhaftierungsorten) vorsehen und praktisch einen Einsatz von Gewalt und Waffen durch die Miliz sanktionieren, der das vom Gesetzgeber vorgesehene Maß deutlich übersteigt. Einige Bestimmungen dieser Dokumente lassen sich sogar derart interpretieren, dass sie die Angehörigen der Miliz zu außergerichtlichen Hinrichtungen und zum Einsatz von Kollektivstrafen animieren.

2. Der Kampf gegen den Terrorismus und die Menschenrechte. Die Wahrung der Menschenrechte als zentrales Element zur Gewährleistung von Sicherheit
Diese Frage ist für alle Länder von Bedeutung die antiterroristische Operationen durchführen und am globalen Kampf gegen den Terror beteiligt sind. Für unser Land ist diese Frage vor dem Hintergrund des fortwährenden Blutvergießens in Tschetschenien sowie der Terroranschläge in Russland besonders aktuell. Wir sind überzeugt, dass Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschrechte für Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ein Unterpfand und keine Beeinträchtigung darstellen. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Kampf gegen den Terrorismus als Rechtfertigung für massenhafte Menschenrechtsverletzungen dient. Eben dies geschieht aber Russland. Bei der antiterroristischen Operation im Nordkaukasus kommt es ständig zu Entführungen und Morden, es bestehen dort illegale Gefängnisse, die Festgenommenen und Haftgefangenen sind dort Folter ausgesetzt und bei den "Säuberungen" von Ortschaften kommt es permanent zu Morden und Plünderungen. Die Behörden schaffen im Gebiet der antiterroristischen Operation zielstrebig einen rechtsfreien Raum. Diese Art des Vorgehens der Sicherheitskräfte breitet sich vom Nordkaukasus über ganz Russland aus. Das Problem wird durch bereits vorgenommene oder vorgesehene Änderungen in der Gesetzgebung verschärft, die den internationalen Standards und der Verfassung der Russischen Föderation zuwiderlaufen. Wir sind der Ansicht, dass die europäischen Staaten - unser Land eingeschlossen - an einem offenen und aufrichtigen Dialog zu diesem ernsten Thema interessiert sein müssen. Bei einem solchen Dialog wäre es von Nutzen die Situation im Nordkaukasus, vor allem in der Tschetschenischen Republik (Russische Föderation), sowie die positiven und negativen Erfahrungen in Nordirland (Vereinigtes Königreich), im Baskenland (Spanien) und auf dem Balkan eingehend zu erörtern. In diesem Kontext wäre ein Austausch der Überlegungen zu einer veränderten Gesetzgebung, die die Befugnisse der Polizei- und Justizbehörden erweitert und fundamentale Rechte und Freiheiten einschränkt, überaus hilfreich. Hierzu zählt auch ein Austausch von - positiven wie negativen - Erfahrungen in Bezug auf unlängst eingeführte neue Gesetzesbestimmungen zum Kampf gegen den Terrorismus und zur Erhöhung der Sicherheit.

3. Wahrung der Wählerrechte
Angesichts der Tatsache, dass die Institution fairer und freier Wahlen ein Fundament für einen demokratischen Staat darstellen, ist dieses Thema von höchster Wichtigkeit. In Russland ist ein Abbau wichtiger Institutionen der Volksherrschaft zu beobachten. Das im Jahre 2004 verabschiedete Gesetz "Über die Volksabstimmung in der Russischen Föderation" schließt praktisch die Möglichkeit aus, dass eine Volksabstimmung auf Initiative von Bürgern oder oppositioneller Parteinen durchgeführt wird. Es verwandelt die Volksabstimmung in ein Instrument allein des herrschenden Regimes. Die Direktwahl der Gouverneure wurde abgeschafft. Der Präsident verfügt nun über das Recht, die Volksvertretungen in den Subjekten der Föderation aufzulösen und die seinerzeit von der Bevölkerung gewählten Oberhäupter der Föderationssubjekte ihres Amtes zu entheben. Die neuen Bestimmungen für die Wahlen zur Staatsduma legen fest, dass die Abgeordneten zukünftig ausschließlich über Parteilisten gewählt werden, wobei Wahlblöcke verboten sind und eine 7-Prozent-Hürde besteht. Zudem wurden für die bereits im Parlament vertretenen Parteien und für Parteien, die einen Einzug ins Parlament anstreben, ungleiche Wahlkampfbedingungen per Gesetz festgeschrieben. Das Oberhaus hingegen wird nicht von der Bevölkerung gewählt und besteht zur Hälfte aus Beamten, die von den Leitern der Exekutiven in den Subjekten der Russischen Föderation bestimmt werden. Das überaus wichtige Prinzip der Gewaltenteilung und der checks and balances wird auf diese Weise unterminiert. Unserer Ansicht nach sollte die Situation, die sich in unserem Land entwickelt hat, zum Gegenstand höchster Aufmerksamkeit in Rahmen des Dialoges zwischen Russland und der EU werden.

Nicht weniger wichtig und aktuell sind folgende Themen, die wir zur Aufnahme in die Tagesordnung zukünftiger Menschenrechtskonsultation vorschlagen.

1. Freiheit der Medien
Diese Freiheit ist eine grundlegende Voraussetzung für den Übergang zu einem demokratischen Aufbau von Staat und Gesellschaft. In der Russischen Föderation sind jedoch in den staatlichen oder vom Staat kontrollierten Fernsehkanälen alle Arten von Liveübertragung (mit Ausnahme von Sportsendungen), abgeschafft worden. Es fehlen dort freie, vollwertige politische Diskussionen, und es besteht ein zwar ungeschriebenes, jedoch unbeirrt befolgtes Verbot von Auftritten von oppositionellen Politikern und Bürgern mit abweichenden Überzeugungen sowie der Behandlung einer Reihe aktueller politischer Themen. Es werden informelle Treffen von Vertretern der Präsidentenadministration mit den Leitern der Fernsehkanäle abgehalten, auf denen die letzteren Anweisungen erhalten, wie und worüber berichtet oder nicht berichtet werden darf. In unserem Land fehlt die Institution des öffentlichen Fernsehens. Die Presse hat keinen gleichberechtigten Zugang zu den verschiedenen Formen staatlicher Subventionen. Die Zahl privater Zeitungen sinkt zu Gunsten staatlicher Zeitungen, die aus kommunalen, Gebiets- und städtischen Haushalten versorgt werden. Viele Zeitungen sehen sich unberechtigten und in der drohenden Strafsumme riesigen Klagen ausgesetzt, die zum Schutz von Ehre und Würde von Beamten angestrengt werden. Bei einer hörigen Gerichtsbarkeit werden solche Klagen zu einem Strick am Hals der Presse. Bis heute fehlt sowohl ein Gesetz über die Offenlegung von Informationen durch die Behörden als auch ein Gesetz über ein Zugangsrecht der Bürger zu Informationen.

2. Die Praxis politisch motivierter Verfolgung und das Problem der Unabhängigkeit des Gerichtssystems
Wir sind der Ansicht, dass außerrechtliche Bewertungen und Überlegungen im Bereich der Rechtsprechung prinzipiell nicht zugelassen werden können und dass in einem Gerichtsverfahren eine politische Motivation unausweichlich zu einer Verletzung der Rechte des Beschuldigten führt. Sowohl die Länder der Europäischen Union als auch die Russische Föderation müssen ein Interesse an der restlosen Beendigung einer solchen Praxis haben. In unserem Land sind dabei seit 2000 immer häufiger Gerichtsverfahren zu beobachten, die sich gegen Kritiker von Beamten oder staatlicher Behörden richten, bzw. gegen jene, die sich den Unwillen der Zentralregierung oder regionaler Regierungen zugezogen haben. Die Zahl der gesetzeswidrig Inhaftierten und zu unrecht Verurteilten, in deren Verfahren es eine politische Komponente gibt, wächst nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen beständig.
Ebenso bringen wir unsere große Besorgnis über die zunehmende Abhängigkeit der Rechtsprechung von der Exekutive zum Ausdruck, die sowohl durch die jüngsten Änderungen der Gesetzgebung als auch durch direkten Druck der Exekutive auf Berufs- und Schöffenrichter sowie in letzter Zeit auch auf Anwälte hervorgerufen wird.

3. Die Rechte von Armeeangehörigen und Zivildienstleistenden
Die Gewährleistung angemessener Bedingungen bei der Ableistung des Militärdienstes, die Schaffung einer wirksamen gesellschaftlichen Kontrolle, die Einbeziehung des internationalen humanitären Rechtes in die Vorschriften, die die Armeeangehörigen zu befolgen haben und ein zuverlässiger Schutz der Rechte von Armeeangehörigen müssen unabdingbare Komponenten im Modernisierungsprozess der Streitkräfte in der Russischen Föderation sein. Die Entfaltung einer derartigen Modernisierung in Russland würde den Sicherheitsinteressen sowohl unseres Landes als auch der Länder der Europäischen Union entsprechen.
In den vergangenen Jahren haben wir jedoch keinerlei nennenswerten Fortschritt in dieser Richtung beobachten können. Ganz im Gegenteil. Die Verbrechen, die in den Einheiten von Kommandeuren begangen werden, grausame Behandlung der Militärdienstpflichtigen, die Verletzungen der Menschenwürde, die Erpressung von Geld bei Soldaten und deren Familien, der Sklavenarbeit von Soldaten bei militärdienstfernen Tätigkeiten, die erzwungene Abkommandierung von Militärdienstleistenden in die Gebiete der militärischen Auseinandersetzung in Tschetschenien und vieles andere wird von den Behörden verheimlicht und bleibt in den meisten Fällen ungestraft.
Fälle von illegalem Handel mit Waffen und Munition sind kein Geheimnis. Eine objektive Untersuchung der Taten und eine gerechte Aufarbeitung vor Gericht wird durch den Korpsgeist der Offiziere, Militärstaatsanwälte und Militärrichter behindert.
Eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle im Militärbereich wird durch das Fehlen der hierfür notwendigen Gesetzgebung erschwert. Die Zerrüttung der Streitkräfte stellt eine reale Bedrohung für die Sicherheit Russlands als auch der Länder der Europäischen Union dar.
Die Umsetzung des Rechts auf einen alternativen Zivildienst aus religiösen oder anderen Gründen in Russland ist ein weiteres wichtiges Problem. Nach Ansicht der NRO in der Russischen Föderation stellt das Anfang 2004 in Kraft getretene Gesetz über den alternativen Zivildienst durch die dort vorgeschriebene Dauer und die Bedingungen des Zivildienstes praktisch eine Bestrafung der Betroffenen für ihre Überzeugung dar. Die Institution des alternativen Zivildienstes in der Russischen Föderation basiert nach Einschätzung der VN und des Europarates nicht auf den international anerkannten Menschrechtsprinzipien und entspricht nicht den europäischen Standards. Zur Angleichung an diese Standards ist eine Revision des Gesetzes nötig.

4. Migration und Menschenrechte
Die Änderung des Status der ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR auf dem Gebiet der Russischen Föderation, die durch die Mitte 2002 in Kraft getretenen Gesetze "Über die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation", "Über den rechtlichen Status ausländischer Staatsangehöriger" erfolgte, hat Hunderttausende Bewohner der Russischen Föderation zu illegalen Migranten gemacht, die dadurch wesentliche soziale Rechte, das Recht auf Freizügigkeit und stellenweise - hieraus resultierend - das Recht auf Leben verloren haben.
Das System der Asylgewährung auf dem Gebiet der Russischen Föderation wurde praktisch aufgelöst. Das mit dieser Frage betraute Personal der Ministerien und Behörden blieb zahlenmäßig unverändert. Doch die Zahl der anerkannten Flüchtlinge hat sich von 290.000 im Jahre 1996 auf 500 im Jahre 2004 verringert. Die Russische Föderation weigert sich, die Last der Verantwortung für dieses Problem mit den Ländern der EU zu teilen und erfüllt also nicht ihre Verpflichtungen, die in der Flüchtlingskonvention der VN von 1951 festgelegt sind.

Gleichzeitig steht Russland bereits das zweite Jahr unter den Herkunftsländern von Asylsuchenden an erster Stelle. Ein großer Teil unserer Bürger, die im Ausland um Asyl nachsuchen, besteht aus Tschetschenen, die auf dem Gebiet der Russischen Föderation keine alternative Möglichkeit der Niederlassung erhalten. In Bezug auf diese Menschen erfüllt die Russische Föderation bereits mehrere Jahre nicht die von den VN verabschiedeten "Guiding Principles on Internal Displacement". Durch diese Nichteinhaltung wird den Ländern der Europäischen Union eine erhöhte Belastung aufgenötigt.

Ein gemeinsames Problem für Russland und die EU ist die Alterung der Bevölkerung und die demographische Krise. Es sind dies Probleme, die ohne eine ernsthafte Revision der Migrationspolitik nicht gelöst werden können.

5. Diskriminierung
Über die letzten Jahre sind in der Russischen Föderation Diskriminierung aus ethnischen Gründen und rassistisch motivierte Gewalt zu besonders akuten Problemen geworden. Das russische Rechtssystem verfügt über kein wirksames Instrumentarium zur Bekämpfung von Diskriminierung und Anstachelung zum Rassenhass. Wir müssen zu unserem Bedauern bei der Bekämpfung von Diskriminierung und rassistisch motivierter Gewalt ein praktisch gleichgültiges Verhalten der staatlichen Stellen aller Ebenen konstatieren. Besondere Besorgnis erregt dabei der Umstand, dass staatliche Stellen oft genug selbst Bürger mit bestimmten ethnischen Merkmalen diskriminieren, etwa Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens, Turko-Meschetinzen im Gebiet Krasnodar sowie Roma und Sinti, oder aber der Diskriminierung Vorschub leisten. Ein ernstes Problem stellt auch die diskriminierende Behandlung von ethnischen Minderheiten und Ausländern durch die Polizei- und Justizbehörden sowie die weit verbreitete Erstellung ethnisch definierter Fahndungsprofile durch die Miliz dar. Unserer Ansicht nach könnte ein Dialog der Europäischen Union mit der Regierung der Russischen Föderation weitere gewichtige Impulse für eine Korrektur der Politik in diesem Bereich mit sich bringen.

Gleichzeitig teilen wir die Besorgnis der Regierung der Russischen Föderation angesichts der Lage der ethnischen und sprachlichen Minderheiten in einigen Nachfolgestaaten der UdSSR. Insbesondere sind wir über die Situation der russischsprachigen Bevölkerung in Lettland und Estland beunruhigt. Ein Dialog zwischen der EU und der Russischen Föderation zu diesen Problemen in den Mitgliedsstaaten der EU könnte die Suche nach konstruktiven Lösungen erleichtern und die Erörterung dieser Frage von der politischen Ebene auf die Ebene pragmatischer Zusammenarbeit verlagern. Wir bringen unsere Überzeugung zum Ausdruck, dass ein Fortschritt in diesem Bereich auch auf die Menschenrechtssituation in der Russischen Föderation eine positive Wirkung haben kann.
Wir möchten nochmals betonen, dass ein Dialog zwischen Russland und der Europäischen Union zu den Menschenrechten nur dann eine positive Wirkung in unserem Land haben kann, wenn im Zentrum des Dialoges die offene Erörterung der jeweils drängendsten und schwierigsten Probleme steht, und wenn die Diskussion nicht aus dem öffentlichen Raum herausverlagert wird.
Im Laufe unserer Gespräche mit Vertretern der europäischen Regierungen haben wir mehrfach die Versicherung vernommen, dass unsere Besorgnis hinsichtlich der Menschenrechtsprobleme in Russland auch in den Hauptstädten der EU geteilt wird. Unserer Meinung nach stellen jedoch die übermäßigen Befürchtungen europäischer Politiker, dass ein offenes Gespräch mit den russischen Partnern über Menschenrechtsprobleme eine empfindliche Reaktion der russischen Führung hervorrufen und zu deren Rückzug aus dem Dialog führen könnte, ein ernstes Hindernis für die Lösung der Probleme dar.
Diese Haltung scheint uns ein Irrweg zu sein. Wir rufen keinesfalls zu einem neuen containment unseres Landes im Geiste des Kalten Krieges auf. Eine Isolierung Russlands bedeutete tatsächlich eine große Gefahr und könnte zu einem Anwachsen von Nationalismus, Militarismus, imperialen Ambitionen und dem endgültigen Abbau von Demokratie und Menschenrechten führen. Ein klarer Verstand kann nicht zu einer Isolierung Russlands aufrufen. Ein dualistischer, schwarz-weiß strukturierter Ansatz von "entweder Dialog oder Isolation" scheint uns der falsche zu sein. Der Dialog kann und darf sich nicht in den bereits zum Ritual gewordenen Beschwörungen einer strategischen Partnerschaft und der Bedeutung des Zusammenstehens gegenüber gemeinsamen Bedrohungen erschöpfen, sondern muss auch in einem offenen sachlichen Gespräch über ernste Probleme des Innenlebens der Partner und in einer gemeinsamen Suche von Lösungen bestehen. Partner haben das Privileg, offen miteinander reden und eine ausführliche und ehrliche Antwort erwarten zu können, ebenso wie eine Erörterung der Wege zur gemeinsamen Überwachung der getroffenen Entscheidungen.

Wir sind überzeugt, dass ein solches offenes Gespräch über Menschenrechtsfragen und gerade die Suche nach gemeinsamen Lösungen im Interesse Russlands und der EU liegen. Die Europäische Union und die Russische Föderation sind Nachbarn mit gemeinsamen Grenzen und jedes Problem im Bereich der Menschenrechte in Russland hat auch seine Auswirkung auf das Leben innerhalb der EU. Daher sind wir der Ansicht, dass ein Fortschritt bei den Menschenrechtskonsultationen zwischen Russland und der EU auch ein Fortschreiten des allgemeinen Verhandlungsprozesses zu den vier "gemeinsamen Räumen" - in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit, Visaregelungen, Kultur und Wissenschaft - mit sich bringen wird, und damit eine Fortführung und Weiterentwicklung der bereits 1975 in der Schlussakte von Helsinki begründeten Prinzipien des untrennbaren Zusammenhangs von Sicherheit und Menschenrechten wie auch des Grundsatzes, dass Menschenrechtsfragen nicht allein "innere Angelegenheit" des jeweiligen Staates sind.

Wir hoffen, dass sich unsere Vorschläge für Sie als konstruktiv erweisen und bei der Vorbereitung der im Herbst 2005 anstehenden Konsultationsrunde berücksichtigt werden. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung und Führung dieses Dialoges wird diesem zu mehr Offenheit und Ergebnissen verhelfen sowie zur Stärkung und Entwicklung der Werte von Demokratie und Menschenrechten auf dem gesamten europäischen Kontinent beitragen.

Unterzeichnende:

Russische Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge MEMORIAL,
S. A. Kowaljow, Vorsitzender

Menschenrechtszentrum MEMORIAL,
O. P. Orlow, Ratsvorsitzender

Verband der Komitees der Soldatenmütter,
V. D. Melnikowa, Verantwortliche Sekretärin

Moskauer Helsinki-Gruppe,
L. M. Alexejewa, Vorsitzende

Allrussische Bewegung "Für die Menschenrechte",
L. A. Ponomarjow, Geschäftsführer

Zentrum DEMOS,
T. I. Lokschina, Vorstandsvorsitzende

Zentrum zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten,
Ju. D. Dshibladse, Präsident

Komitee BÜRGERBETEILIGUNG,
S. A. Gannuschkina, Vorsitzende

Stiftung zur Verteidigung von Glasnost,
A. K. Simonow, Präsident


und 77 weitere Unterschriften von VertreterInnen russischer Menschenrechtsorganisationen.





Übersetzung: Hartmut Schröder

Quelle: russisches Nachrichtenportal von MEMORIAL: http://www.memo.ru/hr/news/5russiaeuhr.htm

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Presseerklärung Amnesty International: Fall Chodorkowski - Russland von Rechtsstaatlichkeit weit entfernt

Anlässlich des Urteils gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden des russischen Öl-Konzerns Yukos, Michail Chodorkowski, hat amnesty international (ai) erhebliche rechtsstaatliche Defizite in Russland bemängelt. "Russland ist von einem Rechtsstaat weit entfernt", sagte Peter Franck, Russland-Experte der deutschen ai-Sektion. "Immer wieder entsteht der Eindruck einer Justiz, die sich mehr den Interessen der politischen Macht als den Prinzipien des Rechts verpflichtet fühlt."

Im Fall Chodorkowski lasse vieles auf eine politische Motivation der strafrechtlichen Verfolgung schließen, kritisierte ai-Experte Franck. Dieser Eindruck habe sich im Laufe des Prozesses durch eine Vielzahl im einzelnen dargelegter Verfahrensverstöße verstärkt. "ai kann die Stichhaltigkeit der gegen Chodorkowski erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht abschließend beurteilen, doch wir haben uns wegen Verletzungen der Grundsätze über ein faires Verfahren an die russischen Behörden gewandt." Chodorkowski war offen gegen die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin aufgetreten und hatte oppositionelle Parteien sowie Organisationen der Bürger- und Menschenrechtsbewegung finanziell unterstützt.

ai wies darauf hin, dass das Urteil gegen Chodorkowski in einer Linie mit weiteren Verfahren, wie die gegen den russischen Atomphysiker Igor Sutjagin oder die Tschetschenin Sara Murtasalijewa, zu sehen sei. Murtasalijewa wurde im Januar 2005 auf der Grundlage sehr fragwürdiger Beweismittel wegen "terroristischer Aktivitäten" zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. "Die Urteile erscheinen wie politische Botschaften: Einflussreiche Unternehmer sollen sich nicht politisch betätigen, Wissenschaftler dürfen selbst öffentlich zugängliche Informationen nur unter staatlicher Kontrolle austauschen und die staatlichen Organe präsentieren Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus," sagte Franck.

Die in Tschetschenien stationierten russischen Truppen hingegen genießen weitgehend Schutz vor Strafverfolgung. "Diejenigen, die sich schwerer Verbrechen schuldig machen, müssen die russische Justiz kaum fürchten", sagte Franck. "Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in sechs Fällen zu Tschetschenien festgestellt, dass von einer wirksamen Strafverfolgung nicht die Rede sein kann."


Für Nachfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die ai-Pressestelle, Dawid Bartelt, Tel. 030 - 420248-306

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Versuche einer politischen Rehabilitierung Stalins - Aufruf der Gesellschaft MEMORIAL

In letzter Zeit sind in Russland erneut Aufrufe zu vernehmen, "die Verdienste Stalins anzuerkennen" und seinen "Namen in ewigem Angedenken zu ehren". Büsten des Generalissimus stehen bereits in Ischim (Gebiet Tjumen), in Tscheljabinsk und im Tscheljabinsker Gebiet. In Machatschkala wurde eine neue Gedenktafel aufgestellt, wo Stalin als "großer Führer der Völker" bezeichnet wird. Auch die Behörden von Volgograd, Mirnyj (Jakutien), Narym (Gebiet Tomsk), Vologda, des Gebiets Belgorod, Krasnojarsk und Kaliningrad erklärten die Absicht, zu Ehren Stalins Denkmäler, Büsten und Gedenktafeln zu errichten. (In Kaliningrad wurde schon 1999 eine Büste des "Führers der Völker" aufgestellt, dann jedoch wieder entfernt.)

Bisher wurde versucht, die Bedeutung dieser Aufrufe zu verschleiern, indem man sich auf unterschiedliche Umstände berief. Das ging von lächerlichen Beschwörungen des ästhetischen Werts von Surab Zeretelis Skulpturen bis zu der Behauptung, es sei notwendig, unsere Vergangenheit "ohne Vorurteile" zu betrachten und allen Personen der vaterländischen Geschichte eine ausgewogene und angemessene Bewertung zuteil werden zu lassen.

Der Stadtrat von Orel schließlich richtete einen Appell an den russischen Präsidenten, die Bundesversammlung der Russischen Föderation sowie verschiedene repräsentative Machtorgane ihrer Subjekte und an russische Stadtverwaltungen. Ohne Umschweife forderte er offen Stalins politische Rehabilitierung. Wer sich dem widersetzt, wird von vornherein zum Vaterlandsverräter erklärt.

In den nächsten Tagen dürfte es noch in anderen russischen Regionen zu einer Kampagne für die "Wiederherstellung des guten Namens" des verblichenen Diktators kommen. Die Stalinisten berufen sich meist auf die Tätigkeit Stalins als Oberster Befehlshaber im Großen Vaterländischen Krieg.

Stalin als Haupturheber des Sieges und als Banner des sowjetischen Volkes in den Kriegsjahren hinzustellen hieße, die Heldentat des gesamten Volkes und deren sittliche Bedeutung bewusst zu entwerten. Nicht Stalin hat den Krieg gewonnen, sondern das Volk, das gegen den Nationalsozialismus nicht "für Stalin" gekämpft hat, sondern für die Rettung des Vaterlandes und der ganzen Welt.

Selbst wenn Stalin wirklich der "genialste Feldherr aller Zeiten und Völker" gewesen wäre, wenn unter seiner Führung die UdSSR einen schnellen und leichten Sieg über Deutschland errungen hätte, "mit wenig Blut, durch einen mächtigen Schlag" - auch dann bliebe er einer der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts, der Initiator und Leiter eines im Ausmaß präzedenzlosen staatlichen Terrors.

Indes geht es gar nicht darum, ob Stalin ein guter oder schlechter Befehlshaber war, nicht darum, welchen Beitrag er zum Sieg 1945 geleistet hat, ja nicht einmal darum, dass gerade er die militärischen Aktionen während der katastrophalen Niederlagen der Roten Armee im Sommer und Herbst 1941 geleitet hat. Ausschlaggebend für seine Rolle im Großen Vaterländischen Krieg sind andere Umstände.

Stalin ist es, der die Verantwortung für die falsche Beurteilung des Zeitpunkts eines möglichen Angriffs der Wehrmacht auf die UdSSR trägt. Aufgrund dieser Fehleinschätzung konnte Hitler unser Land völlig unvorbereitet überfallen. Dieser Fehler hängt untrennbar mit Stalins zynischer und kurzsichtiger Politik gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland von 1939 bis 1941 zusammen. Die riesigen menschlichen und territorialen Verluste der UdSSR zu Kriegsbeginn waren der Preis dafür.

Gerade Stalin hat Millionen sowjetischer Soldaten verraten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Der Oberste Befehlshaber sagte sich öffentlich von ihnen los, erklärte sie zu Feiglingen und Verrätern und tat nichts, um das Los der sowjetischen Gefangenen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu erleichtern. In der Folge starben über drei Millionen unserer Landsleute in der Gefangenschaft an Hunger, Krankheiten und übermäßig schwerer Arbeit.

Der Sieg des sowjetischen Volkes im antifaschistischen Befreiungskampf wurde von Stalin zynisch dazu genutzt, um seine persönliche Macht in der UdSSR zu stärken und sie auf viele osteuropäische Länder auszudehnen. Dort setzte er Marionettenregime ein, die ihm und seinen Nachfolgern im Kreml gefügig waren und die die Völker dieser Länder bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abschüttelten.

Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die Vorkriegspolitik Stalins - die Entkulakisierung, die in der Vernichtung und Versklavung der Bauernschaft endete, die durch Verschulden der Stalinschen Regierung ausgelöste Hungersnot, die sechs bis zehn Millionen Menschenleben kostete, die politischen Repressionen, von denen Millionen unserer Mitbürger betroffen waren, die Aufteilung Polens im Abkommen mit Hitler, die Annexion des Baltikums - dass diese Vorkriegspolitik nicht nur an sich verbrecherisch war, sondern auch empfindlich die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes schwächte. Man bedenke nur, dass sich unter den über 700.000 Personen, die in den Jahren 1937-38 erschossen wurden, viele Tausende Kommandierender der Roten Armee befanden, darunter etwa 80 % des höchsten Kommandobestandes der Roten Arbeiter-und-Bauern-Armee.

Diejenigen, die dazu aufrufen, "die Gerechtigkeit in der Bewertung der historischen Rolle Stalins wiederherzustellen", wissen bestens über seine wahre Rolle in unserer tragischen Geschichte Bescheid und versuchen schon längst nicht mehr, die Fakten zu bestreiten. Sie sind ganz einfach der Auffassung, Dutzende Millionen von Menschenleben und die Zerstörung der Freiheit der Völker seien für die "Größe des Imperiums", die unter Stalin erreicht wurde, kein zu hoher Preis. Heute sprechen bekannte Politiker solche Auffassungen offen aus, sie finden sich sogar in einigen Hochschullehrbüchern für Geschichte.

Gerade deshalb ist die "Wiederherstellung des guten Namens Stalins" heute eine tödliche Gefahr für die Zukunft unseres Landes: Sie würde die moralische Messlatte in der Politik erheblich senken, da sie beliebige Verbrechen sanktioniert, solange sie nur politischen Erfolg garantieren.

Der Vorstand der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Quelle: russischer NAchrichtenserver von MEMORIAL: http://www.memo.ru/daytoday/5stalin4.htm

Überstetzung aus dem Russischen: Vera Ammer (MEMORIAL Deutschland)

26.4.2005

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Russische NGOs unter Steuerdruck? (11.04.2005)

Die russische Führung scheint nach den Medien nun auch den NGO-Sektor und dessen Finanzierung unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Nach einer seit bereits zwei Jahren bestehenden Praxis müssen die Stiftungen sich bei einer Regierungskommission registrieren lassen, damit ihre Zuwendungen an russische NGOs als solche deklariert werden können. Das derzeit der Duma vorliegende Gesetz sieht zudem vor, dass alle Zuwendungen von Stiftungen, die nicht von der Kommission registriert wurden, mit einer Gewinnsteuer von 24,5% belastet werden sollen. Vorbereitet und flankiert wurde dieser Vorstoß durch wiederholte staatliche Kritik der NGOs, die angeblich nicht die Interessen der russischen Gesellschaft, sondern die ihrer ausländischen Geldgeber verfolgen. Andererseits sind diese Pioniere einer russischen Zivilgesellschaft immer noch ganz wesentlich auf die auch finanzielle Unterstützung von außen angewiesen. Die deutliche Einflussnahme des Kreml auf politisch unliebsame Organisationen lässt befürchten, dass auch unsere MEMORIAL-Partner in Russland ihre für die Entwicklung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit unverzichtbare und anerkannte Arbeit in der bisherigen Form nicht fortführen können.

Folgendes Rechtsgutachten wurde in dieser Sache erstellt:

Gutachten zu Artikel 1 Absatz 6 des Entwurfs eines föderalen Gesetzes zur Neufassung der Kapitel 23 und 25 Teil 2 des russischen Steuergesetzbuchs sowie weiterer gesetzlicher Bestimmungen in Bezug auf Steuern und Abgaben
Stand: 23.09.04
Die von der Regierung der Russischen Föderation (RF) vorgelegte Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 5 des russischen Steuergesetzbuchs zeigt auf, welche Ziele mit dem vorgeschlagenen Text verfolgt werden:
1. die Abschaffung der Möglichkeit, gewinnsteuerfreie Spendengelder von natürlichen Personen zu erhalten, deren steuerrechtlicher Wohnsitz nicht in der Russischen Föderation liegt (dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die diesbezüglich vorgeschlagene Formulierung " von russischen natürlichen Personen" in den Gesetzestexten zu Steuern und Abgaben nicht enthalten sind und darüber hinaus in keinem der föderalen Gesetze zur Regelung sonstiger gesellschaftlicher Beziehungen Anwendung findet);
2. die Einführung bürokratischer Einschränkungen für russische nichtkommerzielle Organisationen, die als Sponsoren gelten können (neu eingeführt: die notwendige Aufnahme der nichtkommerziellen Spenderorganisationen in eine von der russischen Regierung zu bestätigende Liste);
3. die Verschärfung bürokratischer Einschränkungen für ausländische und internationale Spenderorganisationen (Behandlung steuerfreier Spendengelder als steuerfreie technische und humanitäre Hilfe).
Die im gleichen Artikel Absatz 1 Unterabsatz 14 vorgelegte Fassung von Ziffer 6 des russischen Steuergesetzbuchs zeigt, dass der Staat die Notwendigkeit staatlicher Förderung durch Gewährung steuerlicher Vergünstigungen anerkennt, und zwar nicht nur in den Bereichen Bildung, Kunst, Kultur und Umweltschutz sowie zur Durchführung konkreter Forschungsarbeiten, sondern auch auf den Gebieten öffentliche Gesundheit (gedacht ist an Aids, Drogenkonsum, Krebs bei Kindern, einschließlich Leukämie, Endokrinologie des Kindes, Hepatitis und Tuberkulose), Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten, soziale Betreuung von einkommensschwachen und sozialschwachen Bürgern.
Das Verfassungsgericht der RF hat im Zusammenhang mit der Untersuchung steuerlicher Fragen wiederholt den Rechtsstandpunkt formuliert, dass Steuervorteile und die Begründung ihrer Nutzung durch den Steuerzahler im Rahmen der Steuer- und Abgabengesetze nur in als notwendig erkannten Fällen vorgesehen werden können, da Begünstigungen bei der Festlegung der grundlegenden Elemente einer Steuer nicht zwangsläufig zu gewähren sind. Dabei darf der Gesetzgeber die Grundsätze der Besteuerung nicht verletzen.
Aus dem Regierungsentwurf geht hervor, dass die Gewährung von Steuervorteilen die Arbeit der nichtkommerziellen Organisationen unterstützen soll, die auf die Wahrnehmung sozialstaatlicher Aufgaben der RF ausgerichtet ist. Dies entspricht den als Hauptaufgaben der Haushaltspolitik bezeichneten Vorgaben, die die am 30.05.03 an die Föderalversammlung der RF gerichtete Botschaft des Präsidenten zur Haushaltspolitik 2004 enthält: Verringerung der Armut und Garantie sozialer Stabilität.
Die vorgeschlagenen Mechanismen für die praktisch genehmigungspflichtige Steuerbefreiung von Spendengeldern verletzen jedoch einen der Grundsätze der Besteuerung (Ablehnung von Steuervorteilen aufgrund der Eigentumsform, der Staatsbürgerschaft natürlicher Personen oder der Herkunft des Kapitals), d.h. das Verfassungsprinzip der Rechtsgleichheit.
Sie stehen auch im Widerspruch zu der in der Botschaft des Präsidenten an die Föderalversammlung der RF vom 26.05.04 genannten Aufgabe, eine Vereinfachung der Besteuerung durch die Steuerreform zu bewirken, und zwar nicht nur hinsichtlich der Höhe der Steuersätze, sondern auch der Berechnung und der Entrichtung von Steuern, der Verfahren der Steuerprüfung und Rechnungslegung; darüber hinaus enthalten sie Unsicherheitsfaktoren, da keinerlei Kriterien aufgeführt werden, nach denen juristische Personen in entsprechende Listen aufzunehmen oder als Sponsoren zu registrieren sind.
Nach dem Rechtsstandpunkt des Verfassungsgerichts schafft dies die Möglichkeit, das Recht nach freiem Ermessen anzuwenden und führt unvermeidlich zu Willkür, d.h. die Grundsätze der Gleichheit und der Vorherrschaft des Rechts werden verletzt. Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass die neuen Vollmachten, die das Gesetz dem Staatsapparat einräumt, im Widerspruch zu der beabsichtigten Entbürokratisierung der Wirtschaft stehen.
Nach Sponsorenpraxis wird der überwiegende Teil der Gelder nur für den Zeitraum einiger Monate zur Verfügung gestellt. Unter diesen Umständen nimmt das Prüfungsverfahren für Spendengelder im Rahmen der steuerlich freigestellten technischen und humanitären Hilfe (nach rechtlicher Praxis zwei Monate unter der Voraussetzung, dass alle Unterlagen beim ersten Versuch vollständig und korrekt vorgelegt werden) genauso viel Zeit in Anspruch wie der zeitliche Rahmen, der für die Verwendung dieser Gelder vorgesehen ist.
Die Vorschläge zur Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 6 des russischen Steuergesetzbuchs werden also der heutigen Aufgabe einer Reform des Steuergesetzbuchs gerecht. Die Vorschläge zur Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 5 sind aus dem Gesetzesentwurf zu streichen.

Übersetzt aus dem Russischen: MEMORIAL Deutschland e.V.

11.4.2005

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Erklärung von MEMORIAL zur Untersuchung des `Verbrechens von Katyn` in Russland

Vor 65 Jahren, im April und Mai 1940, wurden fast 22.000 polnische Staatsbürger von Mitarbeitern des NKWD der UdSSR erschossen: gefangene polnische Offiziere und andere Gefangene der Kriegsgefangenenlager von Koselsk, Ostaschkowsk und Starobelsk, sowie polnische Gefangene aus den Gefängnissen der westlichen Bezirke der Weißrussischen SSR und der Ukrainischen SSR. Diese "Operation" des NKWD ist unter der Bezeichnung "Verbrechen von Katyn" bekannt geworden (vom Namen des Örtchens Katyn in der Nähe von Smolensk, an dem zuerst die Begräbnisstätten einer Gruppe von Erschossenen gefunden worden waren).

50 Jahre lang hat die Führung der UdSSR die Wahrheit über das Verbrechen von Katyn sorgfältig verborgen, es abgelehnt, auch offensichtliche Beweise anzuerkennen und versucht, die Schuld auf Nazideutschland abzuwälzen. Erst im April 1990 hat die Sowjetunion offiziell anerkannt, dass polnische Staatsbürger vom NKWD erschossen wurden, und der Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow hat dem polnischen Präsidenten Wojciech Jaruselski Archivdokumente übergeben, die eine namentliche Liste mit 14589 hingerichteten Gefangenen enthielten. Kurz darauf hat die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft auf Anordnung des Präsidenten der UdSSR eine Untersuchung des Falls "Über das Schicksal polnischer Offiziere, die in den Lagern Koselsk, Ostaschkowsk und Starobelsk gefangen gehalten wurden" eingeleitet.

Im Oktober 1992 wurden dem polnischen Präsidenten Lech Walesa im Auftrag des Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin neue Dokumente übergeben, darunter der Beschluss des Politbüros des ZK der Kommunistischen Allunionspartei (Bolschewisten) mit den pesönlichen Unterschriften von Stalin, Woroschilow, Molotow und Mikojan und dem Zusatz "haben mit ja gestimmt" zu Kalinin und Kaganowitsch. Diese Dokumente bestätigten, dass der Beschluss zu diesen außergerichtlichen Hinrichtungen polnischer Kriegsgefangener von den höchsten Führern der UdSSR gefasst wurde. Außerdem zeigten diese Dokumente erstmals, dass gleichzeitig mit den gefangenen Offizieren weitere 7.305 Gefangene aus Gefängnissen im Westen Weißrusslands und der Ukraine außergerichtlich vernichtet wurden. Eine Namensliste von 3.435 Gefangenen, die in der Ukraine erschossen worden waren, wurde der polnischen Seite vom ukrainischen Staat im Mai 1994 übergeben. Der weißrussische Teil der Liste wurde bis heute nicht gefunden (die Staatsführung der Republik Weisßrussland behauptet, die Suche in den Archive habe ergebnislos geendet).

In den 62 Jahren, die seit der Entdeckung der Gräber bei Katyn vergangen sind, wurde über das "Verbrechen von Katyn" nicht wenig gesagt und geschrieben, allerdings sind viele wichtige Fragen bis heute unbeantwortet geblieben. Dessen ungeachtet erklärte der Hauptmilitärstaatsanwalt Russlands Alexander Sawenkow auf einer extra anberaumten Pressekonferenz am 11. März 2005, die Untersuchung des "Falls Katyn" sei eingestellt worden, weil der "Tatbestand des Genozids im Verbrechen" nicht festgestellt werden könne und weil die Amtspersonen, die Schuld an dem Verbrechen tragen, inzwischen gestorben seien.

Wir halten die Einstellung der Untersuchungen für nicht hinnehmbar.

Zum ersten: Selbst wenn es keinen Genozid gegeben hat, bleibt es trotzdem notwendig zu sagen, wie die ungerichtlichen Erschießungen zu qualifizieren sind - als Kriegsverbrechen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als geplanter Mord unter erschwerenden Umständen? Den Fall ohne rechtliche Bewertung abzuschließen sieht wie der Versuch aus, jede Verantwortung für das Verbrechen von sich zu weisen.

Zum zweiten: Bis heute ist die Identität eines bedeutenden Teils der Opfer (fast 4.000 Menschen) noch nicht geklärt, eben der Gefangenen, die in Weißrussland erschossen wurden. Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft beruft sich hier darauf, dass die Verbrechen außerhalb Russlands verübt wurden und deshalb von den Justizbehörden des entsprechenden Landes untersucht werden müssten. Dieser Einwand wirkt allerdings in diesem Fall nicht besonders überzeugend, weil der Beschluss die polnischen Staatsbürger zu erschießen in Moskau getroffen wurde, von hier aus die gesamte Operation gelenkt wurde und hier alle Berichte über ihre Ausführung zusammen kamen (zum Beispiel wird die Liste von Offizieren aus dem Lager Starobelsk, die im ukrainischen Charkow erschossen wurden, im Moskauer Archiv aufbewahrt). Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft hat die Pflicht zu beweisen, dass sie in russischen Archiven nach der "weißrussischen" Liste gesucht hat. Sie muss nachweisen, dass sie sich an die Justizbehörden der Republik Weißrussland gewandt hat und die Antworten dieser Behörden vorweisen.

Zum Dritten: Die Behauptung des Hauptmilitärstaatsanwalts Russlands, dass mit "absoluter Genauigkeit" nur der Tod von 1.803 Menschen bestätigt werden könne, muss aufgeklärt werden, wenn gleichzeitig allgemein bekannt ist, dass die Zahl der umgekommenen Gefangene höher als 14.500 ist.

Und zum Schluss: Der "Fall Katyn" kann nicht als abgeschlossen gelten, ohne das die Namen aller Personen, die an der Ausführung dieses Verbrechens beteiligt waren, festgestellt und öffentlich zugänglich sind. Das betrift sowohl die Initiatoren, deren Namen bereits bekannt sind, als auch die ausführenden Personen auf allen Ebenen. Wir verstehen, dass es nicht möglich ist, die Verbrecher dem Gericht zu übergeben, wenn sie schon gestorben sind. Ihre Namen müssen aber genannt werden. Das wurde und wird in allen zivilisierten Ländern so gemacht, in der Regel ohne die Einrichtung spezieller Tribunale. Das fordert auch die russische Gesetzgebung, unter anderem das Gesetz der Russischen Föderation "Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung", Teil 2, Absatz 18.

Es ist unmöglich, der Entscheidung der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Rusischen Föderation zuzustimmen, den größten Teil der Untersuchungsmaterialien für geheim zu erklären (unter Einschluss des Beschlusses über die Einstellung der Strafsache selbst). Diese Entscheidung ist völlig rechtswidrig, weil in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Russischen Föderation "Über Staatsgeheimnisse" "Informationen über Fakten der Verletzung von Rechten und Freiheiten des Menschen und der Staatsbürger (...) nicht als Staatsgeheimnis geführt oder als geheim eingestuft werden dürfen" (Absatz 7). Die Einstufung von Fällen durch die Staatsanwaltschaft als geheim, die Anzeichen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit enthalten, wird von der öffentlichen Meinung in Russland und im Ausland unausweichlich als Rückkehr zur alten sowjetischen Politik verstanden werden, die darauf zielte, die verbrecherischen Machenschaften des Stalinregimes zu verbergen und ihre Organisatoren und Initiatoren zu decken. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Reputation des Landes und seine Beziehungen mit anderen Staaten einer korporativen "Ethik" und Amtsnormen zum Opfer gebracht werden.

Ob das die Militärjuristen nun wollten oder nicht, aber die Erklärung zur Einstellung der Untersuchung des "Falls Katyn", noch dazu am Vorabend des 60. Jahrestages des Sieges, erinnert die ganze Welt daran, dass die Sowjetunion nicht nur Mitglied der Antihitlerkoalition war und auf ihren Schultern die Hauptlast des Kampfs gegen den Faschismus getragen hat, sondern auch jene unzweifelhafte Tatsache, dass die UdSSR, nachdem sie im August 1939 mit Hilterdeutschland einen Pakt geschlossen hatte, eine Reihe von Annexionen vornahm und sich die östlichen Gebiete des damaligen polnischen Staates, Litauen, Lettland, Estland, die Nordbukowina und Bessarabien einverleibte. Und dass in diesen Gebieten unverzüglich der Massenterror einsetzte, dessen Bestandteil, in einer Reihe mit Verhaftungen und Deportationen, die "Sonderorperation" zur Vernichtung der polnischen Kriegsgefangenen und Häftlinge war.

Das Gedächtnis an den Sieg 1945 ist untrennbarer Bestandteil des Gedächtnisses an alle Menschen, die durch die totalitären Regime des XX. Jahrhunderts vernichtet wurden - von den an den Fronten Gefallenen bis zu den in den Folterkammern Umgekommenen des Zweiten Weltkriegs. Versuche, dieses Gedächtnis zu beschweigen oder zu schwächen sind Angriffe auf Sinn und Ziele des großen antifaschistischen Krieges.

Wir rufen die oberste Führung des Landes auf, die Politk der Präsidenten der UdSSR Michail Gorbatschow und des Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin fortzusetzen, die Wahrheit über die Ereignisse des Jahres 1940 aufzudecken und alles Notwendige zur Wiederaufnahme der Untersuchungen der "Verbrechen von Katyn" zu unternehmen. Das Verbrechen muss juristisch bewertet werden. Die Namen aller Opfer müssen herausgefunden werden. Die Namen aller Schuldigen und Ausführenden müssen veröffentlicht werden. Alle Untersuchungsmaterialien müssen nach ihrem Abschluss der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht werden, vor allem aber der polnischen und der russischen Öffentlichkeit. Wir sind davon überzeugt, dass nur diese Handlungen einem großen Land würdig sind, einem Land, das den Faschismus besiegt hat, dass sich vom Kommunismus losgesagt hat und das einen demokratischen Entwicklungsweg gewählt hat.

Wir sind ebenso von der Notwendigkeit überzeugt, alle Opfer des "Verbrechens von Katyn" zu rehabilitieren und wir wenden uns, in Übereinstimmung mit Absatz 6 des Gesetzes der Russischen Föderation "Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung" vom 18. Oktober 1991, mit der Forderung an die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, sie zu rehabilitieren.


Vorstand der Internationalen Gesellschaft Memorial


Quelle: russischer Nachrichtenserver von MEMORIAL (http://www.memo.ru/daytoday/5katyn.htm)


Übersetzung: Jens Siegert, Moskau

4.4.2005

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Neonazistische Szene in Petersburg - gewaltsame Übergriffe auf Nichtregierungsorganisation MEMORIAL

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde von Memorial!


In Petersburg häufen sich gewaltsame Übergriffe auf Mitarbeiter und
Einrichtungen der Nichtregierungsorganisation MEMORIAL. Von
Untersuchungsbehörden wird zumeist "Rowdytum" als Tatmotiv angegeben, die
Täter selbst nur selten gefunden bzw. rechtskräftig verurteilt. Dass die
eigentlichen Hintergründe dieser Gewaltakte jedoch politischer Natur sind
und die Täter der neonazistischen Szene entstammen, wird jedoch allzu häufig
verschwiegen.

Der jüngste Überfall fand auf das Wissenschaftliche Informationszentrum
MEMORIAL in St. Petersburg (uliza Rubinstejna, 23) in der Nacht auf den
19.02.2005 statt: 3 Unbekannte geben sich als Kollegen von MEMORIAL Moskau
aus und schlagen nach Öffnen der Tür den Mitarbeiter Emmanuil Lazarewitsch
Poljakow brutal zusammen. Der 59-jährige Übersetzer erleidet eine
Gehirnerschütterung und liegt seitdem mit Kiefer- und Knochenbrüchen im
Krankenhaus. Ob er aufgrund starker Augenverletzungen seine volle
Sehfähigkeit wieder zurück erhält, wird von einer dringend notwendigen
Operation abhängen.

Über die Herkunft der Täter kann noch keine genaue Aussage getroffen werden.
Das Büro wurde nicht ziellos verwüstet, vielmehr gezielt durchsucht und
ausgeraubt: aus einer großen Anzahl von Ordnern wurden zwei mit der
Aufschrift "Neonazismus" und "Chodorkowskij" durchwühlt. Entwendet wurden
keine Computer, kein Geld, sondern transportable Geräte wie ein
Multimedia-Projektor, Kopierer, Kommunikationstechnik etc. Die Polizei geht
- wie bereits bei früheren Überfällen - von "Rowdytum" als Tatmotiv aus.
Gerade aber die Wiederholung derartiger Überfälle lassen politische Gründe
für diese Gewalttaten immer realistischer erscheinen, zumal MEMORIAL St.
Petersburg seit Jahren Projekte zu Antirassismus und Neonazismus durchführt
sowie mit öffentlichen Aktionen und Publikationen für eine politische Lösung
des Tschetschenienkonfliktes eintritt:

14.08.2003:
2 Männer überfallen das Büro von MEMORIAL St. Petersburg (uliza Rasjeshaja,
9) und fesseln die anwesenden Mitarbeiter - darunter den Geschäftsführer
Wladimir Schnitke. Entwendet werden weder Geld noch Wertgegenstände, sondern
ausschließlich Computer mit entsprechenden Daten. Die polizeilichen
Untersuchungen verlaufen erfolglos, als Tatmotiv wird "Rowdytum" angegeben.
Nur durch Hilfe einer privat engagierten Detektei wird einer der Täter
ausfindig gemacht: Vladimir Goljakov, der sich als Führer einer
heidnisch-nazistischen Sekte ausgibt. Goljakov wird am 18.06.2004 zu 5
Jahren Haft verurteilt. Einen Tag später ereignet sich die Ermordung des
Wissenschaftlers und MEMORIAL-Mitglieds Nikolaj Girenko.

19.06.2004:
Nikolaj Girenko - Wissenschaftler des St. Petersburger Museums für
Ethnografie und Anthropologie und langjähriges Mitglied von MEMORIAL - wird
durch seine Wohnungstür hindurch erschossen. Girenko hatte vor Jahren
bereits eine Methode entwickelt, mit der ethnisch motivierte Gewalttaten von
"gewöhnlichen" Delikten unterschieden werden können. Rassistische
Gewalttaten wurden bis dahin aufgrund fehlender wissenschaftlicher Kriterien
zumeist nur als "Rowdytum" eingestuft. Girenko hat ferner zahlreiche
Gutachten über neonazistische Gruppierungen erstellt, die bei der
Verurteilung von Tätern aus der rechten Szene von Bedeutung waren. Die
Staatsanwaltschaft wollte auch in diesem Mordfall "Rowdytum" als Tatmotiv
nicht ausschließen, bis kurz nach dem Mord eine Gruppe namens "Russische
Republik" ein so genanntes Todesurteil gegen Girenko veröffentlichte, der
als "Feind des russischen Volkes" verurteilt worden sei. Girenko, so der
Vorwurf, habe dabei geholfen, "russische Patrioten" zu inhaftieren.

11.12.2004:
Vor seiner Wohnungstür wird Wladimir Schnitke, Geschäftsführer von MEMORIAL
St. Petersburg, von hinten auf den Kopf geschlagen und bricht bewusstlos
zusammen (bereits vor 1 1/2 Jahren wurde er im MEMORIAL-Büro überfallen). Aus
seiner Tasche werden Computer und Notizbuch entwendet, Geld und Mobiltelefon
hingegen werden nicht geraubt. Schnitke wird mit schwerer
Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert.


MEMORIAL Deutschland bewertet mit großer Besorgnis die zunehmenden Angriffe
auf seine Partnerorganisationen in Russland, die sich für die Wahrung von
Menschenrechten in aktuellen Krisenzonen, den Schutz von Minderheiten
innerhalb der russischen Gesellschaft und die Aufarbeitung totalitärer
Vergangenheit einsetzen.

Kurz nach dem jüngsten Überfall auf das Wissenschaftliche
Informationszentrum MEMORIAL besuchten wir unsere Petersburger Kollegen. Sie
bewerten die Überfälle als massive Bedrohung und Versuch der
Einschüchterung. Ihre Arbeit an den unterschiedlichen Projekten von MEMORIAL
werden sie trotzdem fortsetzen. Mit großer Besorgnis sprechen sie von Ihrem
Kollegen Emmanuil Poljakow, dem 59-jährigen Übersetzer, der nun mit schweren
Verletzungen im Krankenhaus liegt. Eine Augenoperation ist dringend
notwendig, um eine Erblindung zu verhindern. Für eine solche Operation
einschließlich einer möglicherweise langen Nachversorgung werden
entsprechende finanzielle Mittel benötigt, die momentan weder das Opfer
selbst noch das Wissenschaftliche Informationszentrum von MEMORIAL besitzen.
Wir bitten Sie dringend darum, mit einer Spende dazu beizutragen, diese
notwendige medizinische Behandlung zu ermöglichen:

MEMORIAL Deutschland e.V.
Bank für Sozialwirtschaft Berlin
BLZ: 100 205 00
Konto-Nr.: 33200 00
Stichwort: Emmanuil Poljakow

Bitte berichten Sie auch in Ihrem Umkreis von diesen Vorfällen. Wir danken
Ihnen für Ihre Unterstützung!


Sebastian Prieß, für den Vorstand Memorial Deutschland e.V. (Berlin)

Anna Schor-Tchoudnovskaia, Memorial Deutschland e.V. (Frankfurt a.M.)

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Erklärung von MEMORIAL zur geplanten `Gesellschaftskammer der Russischen Föderation`

Die Gesellschaft Memorial ist eine grundsätzliche und konsequente Anhängerin der Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft einerseits und dem Staat sowohl im Ganzen als auch seiner unterschiedlichen Strukturen und Behörden im Einzelnen. Die Gesellschaft Memorial ist unverändert zur Fortsetzung des Dialogs des zivilgesellschaftlichen Sektors mit dem Staat bereit, solange es sich um einen gleichberechtigten und ehrlichen Dialog von zwei voneinander unabhängigen Partnern handelt.

Die "Gesellschaftskammer der Russischen Föderation", die gegenwärtig geschaffen wird, ist unserer Meinung nach weder von den für sie formulierten Zielen und Aufgaben her noch davon, wie ihre Mitglieder ausgewählt werden oder wie stark sie in staatliche Strukturen integriert ist, eine geeignete Plattform für solch einen Dialog. Mehr noch sind wir der Meinung, dass die "Gesellschaftskammer" in der Form, in der sie in dem gegenwärtig in der Staatsduma behandleten Gesetzentwurf beschrieben wird, in der Lage ist, Positives zu bewirken, sondern eher dem notwendigen nationalen Dialog Schaden zufügen wird.

Wir bestreiten nicht das Recht der Staatsmacht, beliebige Beratungs- und Expertenstrukturen aufzubauen, die natürlich auch aus Vertretern der Zivilgesellschaft bestehen können. Wir halten solche Strukturen sogar für nützlich. Vertreter von Memorial arbeiten in vielen solcher Strukturen auf regionaler oder Bundesebene mit und arbeiten dort, so hoffen wir, zum gemeinsamen Wohl.

Die im Gesetzentwurf genannten Ziele der "Gesellschaftskammer" gehen aber weit über die Grenzen von beratenden und Expertenaufgaben hinaus. Allumfassend und unkonkret wie sie sind, stimmen diese Ziele kaum oder gar nicht mit den politischen Realitäten der vergangenen Jahre überein. Das bringt uns zu der Überzeugung, dass die Kammer die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Lenkung des Landes nur imitieren soll und wohl das nächste Instrument zur Manipulation des öffentlichen Bewusstseins werden wird.

Unsere Zweifel werden noch größer, wenn wir uns anschauen, wie die Kammer gebildet werden soll.


Zwei Drittel dieses, wie wir es uns vorstellen, gesellschaftlichen Gebildes werden direkt oder indirekt durch den Präsidenten ausgewählt. Dieses Auswahlprinzip gilt natürlicherweise für beratende Organe beim Präsidenten, aber nicht für ein Organ, dass, wie im Gesetzesentwurf beschrieben, dabei helfen soll, eine gesellschaftliche Kontrolle der Tätigkeit staatlicher Strukturen, darunter auch Bundesbehörden, auszuüben.

Noch größeren Widerspruch ruft der Mechanismus zur Berufung des letzten Drittels der Mitglieder der Kammer hervor. Auf den ersten Blick wirkt er demokratischer, denn die Kandidaten müssen sich Konferenzen stellen, die in den sieben föderalen Bezirken einberufen werden. Unser Widerspruch entzündet sich aber nicht einmal daran, dass sich im Gesetzentwurf keine Regelungen finden, nach denen diese Konferenzen einberufen werden und sich so den regionalen Staatsstrukturen viele Möglichkeiten zur Manipulation der Nichtregierungsorganisationen bieten. Etwas anderes ist viel wichtiger: Für die Zivilgesellschaft ist die Idee selbst unannehmbar, solche Konferenzen durchzuführen, auf denen Künstlervereinigungen und Menschenrechtsorganisationen, Verbraucherschutzverbände und Industrievereinigungen, Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften, Kosaken und Angler gemeinsam und dauerhaft ihre Vertreter in irgendein höheres Gremium entsenden, dass ihre Interessen dem Staat gegenüber vertreten soll. In der Praxis wird dieser Prozess mit großer Wahrscheinlichkeit zur Selektion der gesellschaftlichen Organisationen in "saubere" und "unsaubere", in zum Dialog zugelassene und zu ihm nicht zugelassene führen. Und dabei ist es nicht einmal wichtig, ob diese Selektion durch den Staat oder durch die Nichtregierungsorganisationen selbst durchgeführt wird. Beides ist für die Zivilgesellschaft gleich zerstörerisch.

Die Kammer selbst, so sie auf diese Weise gebildet wird, wird vom Staat und einem Teil der Gesellschaft zweifellos als "gesetzmäßige Vertretung" der gesamten Zivilgesellschaft wahrgenommen werden. Die Zivilgesellschaft ist aber, im Gegensatz zum Staat, von Natur aus nicht hierarchisch und jeder Versuch sie zu hierarchisieren ist kontraproduktiv. Die Zivilgesellschaft ist ein prinzipiell horizontales und offenes System. Sie hat keine "Vertretung" und kann keine haben. Sobald in ihr eine "Vertikale" erscheint, hört sie auf sie selbst zu sein und verwandelt sich in eine bürokratisierte Korporation, die leicht durch die Exekutive gelenkt werden kann.

Die Zivilgesellschaft und der Staat müssen unabhängige Partner im nationalen Dialog sein. Alle Versuche, diesen Dialog in einem Organ zu konzentrieren werden lediglich zur Imitation dieses Dialogs führen. In einer Kammer, die in das System der staatlichen Macht eingebaut ist, wird der Staat nur mit sich selbst reden.

Ein anderer Weg wäre produktiver: Der Weg, Bedingungen zu schaffen, unter denen vielfältige und unabhängige Zellen der Zivilgesellschaft zum Wohl der Bürger Russlands und des Landes insgesamt nützliche Arbeit tun können.

Nichts hindert Staat und Gesellschaft daran, die bereits existierenden Kanäle des Zusammenwirkens zu nutzen und die gemeinsame Arbeit anhand vielzähliger Vorschläge gesellschaftlicher Organisationen zur Lösung konkreter und ernsthafter Probleme weiter zu entwickeln. Dabei geht es um das Recht der Bürger, sich an die Staatsorgane zu wenden, um die öffentliche Kontrolle von Gefängnissen, Straflagern und geschlossenen Anstalten, um eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle der Einhaltung der Rechte von Soldaten, um eine unabhängige ökologische Expertise, um die Stimulierung von gemeinnützigem Handeln und vielem anderen mehr.

Dazu muss kein neuer bürokratischer Überbau über den Nichtregierungsorganisationen geschaffen werden.

Im Zusammenhang mit dem oben Dargelegten ist für Memorial eine Beteiligung an der "Gesellschaftskammer der RF" nicht möglich.

Wir wenden uns auch an die Kollegen aus anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Hoffnung, dass sie unsere Argumente bei ihrer Entscheidung über eine Beteiligung an der Gesellschaftskammer zu Kenntnis nehmen.


Vorstand der Russischen Gesellschaft Memorial


Quelle: Russischer Nachrichtenserver von Memorial: http://www.memo.ru/daytoday/5palata1.htm

Übersetzung aus dem Russischen: Jens Siegert

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Michail Fedotov zur Zivilgesellschaft in Russland

Michail Fedotov, der Vorsitzende des russischen Menschenrechtsrats, zu Zivilgesellschaft und Menschenrechten in Russland

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MEMORIAL begrüßt Resolution des EU-Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit in Russland

Die Gesellschaft „MEMORIAL“ hat die Annahme der Resolution zur Rechtsstaatlichkeit in Russland vom 17. Februar 2011 durch das Europäische Parlament begrüßt.
Die Resolution greife wesentliche kritische Aspekte der Menschenrechtslage in Russland auf, um diese einer genauen und objektiven Beurteilung zu unterziehen. Das Europäische Parlament habe hier zu Themen und Sachverhalten Stellung genommen, die die russische Zivilgesellschaft in den vergangenen Jahren immer wieder zur Sprache gebracht hat.
MEMORIAL appelliert an die Regierungsstellen der Russischen Föderation, den Empfehlungen dieser Resolution Beachtung zu schenken. Diese umzusetzen, könne für Russland nur von Vorteil sein.
Quelle: http://www.memo.ru/2011/02/17/resolution2.htm
Die Resolution finden Sie hier:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20110217+ITEMS+DOC+XML+V0//DE&language=DE#sdocta6

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Chodorkovskij-Urteil/Expertengutachten zu Jukos

Michail Fedotov, Vorsitzender des russischen Menschenrechtsrats, kündigte nach Presseberichten vom 23.03.2011 den baldigen Beginn der Arbeiten zu einem Expertengutachten in der Sache Jukos an. Zu diesen Arbeiten sollen auch Fachleute für russisches Recht aus dem Ausland - Deutschland, Niederlande, USA und Kanada - herangezogen werden. Chodorkovskij und Lebedev wurden Ende Dezember vom Moskauer Bezirksgericht zu 14 Jahren Freiheitsentzug u.a. wegen Diebstahl von Erdöl verurteilt. Dabei soll erheblicher Druck auf das Gericht ausgeübt worden sein.

Die Pressesprecherin des Moskauer Bezirksgerichts, die in einem Interview mit Gazeta.ru zum Zustandekommen des Urteils Stellung nahm (mehr dazu finden Sie in russischer Sprache unter

Platon Lebedev hat in dem Urteil des Moskauer Bezirksgerichts nach Darstellung des russischen Menschenrechtsportals www.hro.org/node/10453 den Hinweis gefunden, dass der Erdöldiebstahl nicht nachzuweisen sei. Dies würde für die Unschuld der Angeklagen sprechen. Auszüge aus dem Urteil veröffentlicht das Chordorkovskij Pressezentrum in englischer Sprache.

Dem Einspruch der Anwälte Chodorkovskijs gegen die Haftbedingungen hat der russische Oberste Gerichtshof inzwischen stattgegeben.
Mehr in englischer Sprache unter (www.khodorkovskycenter.com)

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Russischer Menschenrechtsrat zur Frage des Gedenkens und in Sachen Chodorkovskij

Zum diesjährigen Treffen des russischen Menschenrechtsrats unter Vorsitz von Präsident Medvedev am 01.02.2011 in Jekaterinburg, das der Thematik des Gedenkens an die Opfer des Totalitarismus und der Frage der nationalen Versöhnung gewidmet war, verweisen wir auf die links http://hro.org/node/10209 und http://hro.org/node/10218 in russischer Sprache. Sie finden hier auch den entsprechenden Beitrag von MEMORIAL International.
Die Reaktion von Präsident Medvedev in der Sache Chodorkovskij behandelt der deutsche Beitrag unter www.n-tv.de/politik/Chodorkowski-darf-hoffen-article2506476.html.

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Chodorkovskij-Film in Berlin gestohlen

Nach Mitteilung der Berliner Zeitung vom 5./6.02.2011 wurde der Chodorkovskij-Film des Regisseurs Cyril Tuschi aus dessen Arbeitsräumen in Berlin-Mitte gestohlen. Die Premiere auf der Berlinale am 14. Februar sei jedoch nicht gefährdet, da eine Kopie ohne Untertitel bereits an die Berlinale gegeben worden war.

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Vorübergehende Schließung der Potsdamer Gedenkstätte Leistikowstraße

löste scharfen Protest seitens des Gedenkstättenvereins und der Zeitzeugen-Initiative aus, die am 05.02.2011 zu einer Mahnwache vor der Gedenkstätte aufriefen, um die von September bis Februar 2012 geplante Schließung der Gedenkstätte zu verhindern. Für Februar 2012 ist die Eröffnung der neuen Dauerausstellung vorgesehen. Etwa 25 Personen waren dem Aufruf gefolgt, darunter auch die damalige brandenburgische Ministerin, Prof. Wanka, die sich seinerzeit engagiert für die Gedenkstätte eingesetzt hat. Kulturstaatssekretär Gorholt wandte sich vermittelnd an die Anwesenden und schlug ein Treffen Mitte Februar vor, an dem auch die Diktaturbeauftragte Brandenburgs, Ulrike Poppe, und ein Vertreter von MEMORIAL Deutschland teilnehmen sollen, um eine Interimslösung für die Zeit vom September 2011 bis Februar 2012 zu finden. Einzelheiten zum KGB-Gefängnis Potsdam Leistikowstraße finden Sie auf unserer Projektseite.

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Orlov-Prozess

Das Moskauer Bezirksgericht hatte in seiner Sitzung Anfang März wie vorgesehen die Aussage und Begründung des wegen Verleumdung verklagten Leiters des MEMORIAL-Menschenrechtszentrums, Oleg Orlov, angehört, der sich als nicht schuldig erklärte.
Der als geschädigte Partei geladene tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrov war nicht erschienen und wurde zur darauffolgenden Sitzung am 28. März 2011 erneut geladen. Der Kläger ist jedoch weder zu diesem Termin noch zu der auf den 18. April 2011 anberaumten Verhandlung erschienen. Die einfache Verlesung seiner Zeugenaussage ist nach Strafprozessordnung nicht zulässig. Die Vertretung der geschädigten Partei hat deshalb die Einrichtung einer Videoschaltung beantragt, das Gericht hat dem zum Sitzungstermin am 28. April 2011 zugestimmt.
Über den Ausgang des Verfahrens werden wir zu gegebener Zeit berichten.

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Mitglieder des St. Petersburger Menschenrechtsrats appellieren an Präsident Medvedev

In ihrem Scheiben vom 03.01.2011 weisen die Unterzeichner darauf hin, dass namhafte Vertreter der Opposition wie Boris Nemzov, Ilja Jaschin, Eduard Limonov und andere offensichtlich auf Weisung von oben für Vergehen während der Kundgebungen am 31.12. zur Verantwortung gezogen würden, die sie nicht begangen hätten.

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MEMORIAL International zum Chodorkovskij-Urteil

Das Moskauer Gericht hat sein Urteil über Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev gefällt. Hart, ungerecht, unrechtmäßig. Alles in dieser Sache ist bereits gesagt. Eines nur bleibt hinzuzufügen: Dies ist nicht die letzte Instanz.
Dabei geht es nicht um das Moskauer Gericht, nicht um den Obersten Gerichtshof Russlands und nicht um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Wir meinen den Richterspruch der Geschichte. Die Autoren des Urteils über Chodorkovskij und Lebedev - die wahren Autoren dieses Urteils - glauben ebenso wenig wie ihre sowjetischen Vorgänger an den Richterspruch der Geschichte.
Ein Irrtum, wie sie höchst wahrscheinlich noch zu Lebzeiten erfahren werden.

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MEMORIAL International zur Lage in Belarus

Erklärung vom 21. Dezember 2010
„Der Grund für die Vorfälle vom 19. und 20. Dezember in Minsk liegt auf der Hand: Die Wahlen in Belarus haben ihren Inhalt und Sinn verloren.
Der Sinn der Wahlen liegt nicht allein in der praktischen Durchführung des Urnengangs und Auszählens der abgegebenen Stimmen, obgleich auch diese Vorgänge von den Machthabern in Belarus genutzt wurden, um das Ergebnis zu verfälschen.
Sinn der Wahlen ist vielmehr die Förderung eines ehrlichen Wettbewerbs zwischen den politischen und wirtschaftlichen Programmen der unterschiedlichen politischen Kräfte. Dazu bedarf es zumindest der Versammlungsfreiheit und freier Medien sowie des gleichberechtigten Zugangs aller Gruppen und Kandidaten zu diesen Medien. Das alles ist in Belarus nicht der Fall.
Die derzeitigen Machthaber in Belarus sind vielmehr an der langfristigen Konsolidierung ihrer Macht interessiert und lassen daher dem politischen Wettbewerb seit Jahren keinen Raum mehr. Die Menschen werden der Möglichkeit ihrer Meinungsäußerung beraubt und sind gezwungen, auf die Straße zu gehen. Die Verantwortung für die Ereignisse vom 19. und 20. Dezember liegt bei den belarussischen Machthabern, die die Wahlen zur Farce degradierten.
Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller Oppositionspolitiker, einschließlich all derer, die auf den Kundgebungen und Demonstrationen der letzten Tage festgenommen wurden.“

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