Nachrichten mit dem Stichwort

Nansen-Flüchtlingspreis 2004 des UNHCR geht an Moskauer Menschenrechtszentrum Memorial

Den diesjährigen Nansen-Flüchtlingspreis erhält das Moskauer Menschenrechtszentrum Memorial für seine Arbeit zugunsten von Tausenden von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in der russischen Föderation.

"Letztes Jahr hat das Zentrum mehr als 21.300 Menschen rechtlich beraten - unter ihnen Zwangsmigranten, Binnenvertriebene und Asylsuchende", sagte UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers zur Begründung für die Preisvergabe. Viele dieser Menschen stammten aus Ländern außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Memorial habe seine Arbeit unter oft sehr schwierigen Bedingungen geleistet, zum Beispiel im Nordkaukasus, betonte Lubbers. "Ihnen gebührt der Respekt der internationalen humanitären Gemeinschaft".

Das Menschenrechtszentrum Memorial hat eine beeindruckende Geschichte. Formal wurde es im Jahre 1987 als eine Abteilung der Memorial-Gesellschaft gegründet, einer der ersten Nichtregierungsorganisationen des Landes. Das Zentrum wurde im Jahre 1993 unabhängig. Es übernahm die Aufgabe, die Menschenrechtssituation in Russland und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu überprüfen und über diese zu berichten. Seine Aktivitäten richteten sich rasch auf Millionen von Zwangsmigranten aus den GUS-Staaten und dem Baltikum sowie Vertriebenen des Tschetschenien-Konfliktes. Zudem sammelte Memorial Erfahrung bei der Unterstützung Tausender von Flüchtlingen aus anderen Teilen der Welt.

Heute arbeiten für das Memorial-Zentrum rund 150 Mitarbeiter in über 45 Regionen der Russischen Föderation. Es hat über die Jahre eine zentrale Rolle bei wichtigen Entscheidungen russischer Gerichte gespielt, angefangen von Fragen der Staatsbürgerschaft und der Residenzgenehmigungen bis hin zu Entschädigungen für Binnenvertriebene. Im Jahr 2002 forderte Memorial eine Ergänzung des neuen russischen Staatsbürgerschaftgesetzes und setzte sich damit durch.

Der jährlich vergebene Nansen-Preis ist nach Fridtjof Nansen benannt, dem international bekannten Polarforscher, der 1921 vom Völkerbund zum Flüchtlingskommissar ernannt wurde. Der 1954 ins Leben gerufene Preis ist mit 100.000 US-Dollar dotiert, die der Preisträger für ein Flüchtlingsprojekt seiner Wahl verwenden kann.

Der Nansen-Preis an Memorial wird am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, in Barcelona verliehen.
30.04.2004
Quelle: UNHCR

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Bombardierung des Gehöfts Rigachoj - friedliche Einwohner getötet

Gestern, am 13. April 2004, verbreitete das Menschenrechtszentrum "Memorial" die vorläufige Mitteilung: "Am 9. April gegen 14 Uhr Moskauer Zeit sind in dem Bergdorf Rigachoj im Vedensker Bezirk von Tschetschenien nach einem Luftangriff eine Frau, Marit Zinzajewa, und fünf Kinder ums Leben gekommen. Das älteste war sieben Jahre alt. Als das Bombardement einsetzte, versammelte die Frau ihre Kinder um sich, aber die Bombe traf ihr Haus." Diese Mitteilung wurde von einigen Nachrichtenagenturen aufgegriffen, darunter "Interfaks", NEWSru.com, Polit.ru und andere.
Am selben Tag stritt der Pressesprecher der Luftstreitkräfte, Oberst Alexander Drobyschewskij, jegliche Beteiligung an der Tragödie in Rigachoj ab: "Am Freitag sind in dieser Region Russlands keine Bomber aufgestiegen." "Die diesbezüglichen Mitteilungen einiger russischer und ausländischer Massenmedien sind völlig falsch." (ITAR-TASS, 13.4.2004).
Heute, am 14. April, waren Mitarbeiter von "Memorial" am Ort des Geschehens. Nach präzisierten Informationen fand am 8. April tagsüber, zwischen 14 und 14.30 ein Bombenangriff auf den abgelegenen Berghof Rigachoj im Vedensker Bezirk statt (eine der Bomben trug die Nummer 350 F 5-90). Infolge des unmittelbaren Einschlags in das Haus Imar-Ali Damajews kam fast seine ganze Familie ums Leben: seine Frau - Maidat Kudusovna Zinzajewa, geb. 1975, die Kinder - Dshanasi, geb. 1999, Sharadat, geb. 2000, Umar-Chashi, geb. 2002, Sara, geb. 2003, Sura, geb. 2003. Wie gewaltig die Explosion war, geht daraus hervor, dass auch die Schafe und das Pferd der Familie getötet wurden, die sich außerhalb des Hauses befanden. Dank eines glücklichen Zufalls blieben der Vater der Familie, Imar-Ali, und der siebenjährige Sohn Umar am Leben: Ersterer war gerade auf dem Friedhof, wurde aber Zeuge der Bombardierung, und letzterer war im Nachbardorf in der Schule.
Nach Aussagen der Dorfbewohner trafen am 13. April gegen 10 Uhr Mitarbeiter der Militärstaatsanwaltschaft und der Vedensker Staatsanwaltschaft in Hubschraubern ein. Nach oberflächlicher Untersuchung des Orts des Geschehens erklärten sie, es habe sich um die Explosion einer Landmine gehandelt. Ein Grund zur Einleitung eines Strafverfahrens bestehe nicht.

In den letzten zehn Jahren haben die Vertreter der russischen Machtstrukturen immer wieder versucht, ihre Beteiligung an Bombardierungen und Artilleriebeschuss tschetschenischer Siedlungen abzustreiten und behauptet, "dass sie sich selbst in die Luft jagen". Im vorliegenden Fall sprechen die Umstände klar gegen solche "Versionen". Wir hoffen, dass die Tragödie in Rigachoj sorgfältig untersucht und die Schuldigen bestraft werden.

Quelle: russischer Nachrichtenserver von MEMORIAL

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CD-ROM zur sowjetischen Repressionsgeschichte neu aufgelegt

Die Internationale Gesellschaft "Memorial"

Die Kommission für die Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen beim Präsidenten der Russischen Föderation

Das Sacharow-Museum und -Zentrum

Die regionale gesellschaftliche Organisation "Offenes Russland"



Am 24. März um 14 Uhr hat im "Haus des Journalisten", Nikinstij bulvar 8 (Metrostation: Arbatskaja) die Präsentation der neuen elektronischen Ausgabe "Opfer des politischen Terrors in der UdSSR" stattgefunden.

In der Datenbank finden sich Informationen über Repressionsopfer aus Russland (62 Regionen), Kasachstan, Usbeskistan sowie der Ukraine. Unter den über 1,3 Millionen Namen sind 120 Nationalitäten vertreten, aus allen Gebieten der ehemaligen UdSSR und vielen anderen Ländern. Ein großer Teil der Informationen war bisher noch nicht veröffentlicht.
In die Edition wurde ein kommentiertes Verzeichnis der Gedenkbände aufgenommen, die im Gebiet der ehemaligen UdSSR publiziert wurden, mit über 600 Positionen.
Darüber hinaus gibt es einen umfangreichen dokumentarischen Apparat mit Suchfunktionen. Die hier veröffentlichen Stalinschen Erschießungslisten beweisen unwiderleglich, dass die höchste Parteiführung an der Organisation des Terrors direkt und unmittelbar beteiligt war, sie demonstrieren den Mechanismus außergerichtlicher Entscheidungen. Nachschlagewerke zur Struktur des GULag und über die Leiter des NKWD, Dokumentensammlungen zur Geschichte der WTschK-OGPU-NKWD-KGB und des GULag, eine detaillierte Karte des GULag, die Geschichte der Rehabilitierungen, die Beschreibung der Gedenkstätten auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR lassen das Ausmaß der Verbrechen des totalitären Regimes begreifen.
Die wesentlichen Ziele der Edition sind, den Verwandten der Opfer dabei behilflich zu sein, etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren, eine breite Öffentlichkeit über den Terror zu informieren und vor der Gefahr einer Staatsmacht zu warnen, die keiner Kontrolle unterworfen ist.

Die Doppel-CD-ROM kann über das Büro von MEMORIAL Deutschland für 19 Euro erworben werden.


Weitere Informationen zur CD-ROM

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Mahnwachen für Versammlungsfreiheit zum 31. des jeweiligen Monats

„Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln....“
(Art. 20 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

„Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln...“
(Art. 11 Europäische Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten)

Die Bürger der Russischen Föderation haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Versammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen und Umzüge durchzuführen sowie Streikposten aufzustellen“
(Art. 31 der Verfassung der Russischen Föderation)

Bei Demonstrationen und Mahnwachen von Menschenrechtsorganisationen oder oppositionellen Gruppen in der Russischen Föderation kommt es immer wieder zu Übergriffen. Demonstrationen werden mit Tricks der Behörden verhindert, Demonstranten verprügelt und festgenommen. Das ist ein klarer Verstoß gegen nationale und internationale Verpflichtungen, denen sich der russische Staat freiwillig unterworfen hat.

Die Verfassung der Russischen Föderation garantiert die Versammlungsfreiheit in Art.31. Menschenrechtsorganisationen in Russland demonstrieren deshalb seit einiger Zeit an jedem 31. eines Monats, um diesem Recht zum Durchbruch zu verhelfen und die papierne Garantie der Verfassung zur erlebbaren Realität zu machen. Sie wissen: Es gibt keine Demokratie ohne Versammlungsfreiheit! Und fordern: Schluss mit den Behinderungen und Übergriffen!

Um unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Freundinnen und Freunde dabei tatkräftig zu unterstützen, rufen wir zur Teilnahme an der Mahnwache für die Versammlungsfreiheit in Russland auf,

am 31. des jeweiligen Monats 2011 vor der Botschaft der Russischen Föderation,
Unter den Linden 63-65 (S-Bahnhof Brandenburger Tor).

A.I. MEMORIAL Deutschland e.V. Deutsch-Russischer Austausch e.V.

Der Münchner MEMORIAL-Verband organisierte auch
am 31. März 2011 von 17.30 bis 18.30 Uhr eine Mahnwache vor dem Russischen Konsulat/Europaplatz.

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Chodorkovskij beendet Hungerstreik

MEMORIAL Deutschland begrüßt die Erklärung von Michail Chodorkovskij über die Beendigung seines Hungerstreiks.
Mit seiner Aktion protestierte Chodorkovskij dagegen, dass russische Gerichte fortwährend das im April von Präsident Dmitrij Medvedev unterzeichnete Gesetz zur Liberalisierung des Justizwesens missachten. Am 14. Mai hatte das Moskauer Bezirksgericht die Untersuchungshaft von Chodorkovskij um drei Monate bis zum 17. August verlängert. Damit verstieß das Gericht gegen das erwähnte Gesetz, nach dem Beschuldigte in Wirtschaftsverfahren nur noch in bestimmten außerordentlichen Situationen in Untersuchungshaft genommen werden dürfen (kein fester Wohnsitz, ungeklärte Identität, Verstoß gegen frühere Meldeauflagen, Fluchtgefahr). Diese Ausnahmen sind im Fall Chodorkovskij nicht gegeben.

Chodorkovskij wollte vor allem darauf aufmerksam machen, dass die fortwährenden Gesetzesverstöße der russischen Justiz die Autorität und die Reformbemühungen von Präsident Medvedev unterminieren, und darüber hinaus verhindern, dass die Missachtung der Gesetze in seinem prominenten Fall zu einem Präzedenzfall wird, der korrupte Beamten ermutigt, auch in weniger bekannten Fällen das Recht zu beugen.

Wie dringend und berechtigt dieses Anliegen ist, zeigt die Entscheidung des Moskauer Stadtgerichts, das die Berufung Chodorkovskijs gegen die Verlängerung der U-Haft ablehnte. Das Chodorkovskij&Lebedev-Kommunikationszentrum teilte am 21. Mai mit, dass gegen das Urteil vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Berufung eingelegt werden wird.

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Erklärung des Menschenrechtszentrums MEMORIAL zum Terrorakt in der Moskauer Metro

07.02.2004

In Moskau ist ein schreckliches Verbrechen verübt worden. Einmal mehr haben sich die Organisatoren eines furchtbaren Terroraktes ihre Opfer bewusst und vorsätzlich unter der Zivilbevölkerung gesucht.

Wir trauern um die Toten und empfinden tiefes Mitleid mit den Verletzten.

Es gibt und kann keine Rechtfertigung geben für jene, die dieses Verbrechen geplant und ausgeführt haben. Die Täter müssen gefunden und hart bestraft werden.

Der Präsident und die Strafverfolgungsbehörden halten überzeugt an der Version einer "tschetschenischen Spur" fest. Beweise dafür wurden bisher nicht vorgelegt. Aber wenn diese Version zutrifft, dann war diese Tragödie leider ganz offenkundig vorhersehbar.

Die Weigerung der Führung unseres Landes, auch nur kleinste Schritte in Richtung auf eine wirkliche und nicht nur kosmetische politische Regelung des Konflikts zu unternehmen, hat den Extremisten Vorschub geleistet, die keine vertretbaren politischen Ziele haben, auf deren Basis ein Kompromiss möglich wäre.

In den letzten Jahren haben Vertreter der Menschenrechtsorganisationen sowie zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens immer wieder davor gewarnt, dass das unmenschliche Vorgehen der föderalen Kräfte in Tschetschenien eine Gefahr für jeden Bewohner Russlands darstelle.

Hunderttausende von Menschen sind seit vielen Jahren täglich mit dem Tod konfrontiert, werden daran gehindert, ein zivilisierten Leben zu führen. Tausende erniedrigter Menschen, deren Angehörige und Freunde ermordet, entführt, physisch und moralisch zerstört wurden, sind das Milieu, aus dem die zynischen und gewissenlosen Führer von Terrorgruppen ihre Gefolgschaft rekrutieren, die Selbstmordattentäter, die die Terrorakte ausführen.

Nur eine entschiedene Änderung der Politik der russischen Führung kann den Bürgern Russlands Frieden und Ruhe bringen.

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Erklärung der Moskauer Helsinki-Gruppe anlässlich der Explosion in der Moskauer Metro

06.02.2004

Die heutige Explosion in der Moskauer Metro ist eine weitere furchtbare Tragödie, die die Einwohner der russischen Hauptstadt betroffen hat. Wir drücken den Angehörigen der Toten und Verletzten unser tiefes Mitgefühl aus.

Die Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass es sich um einen Terrorakt handelt. Wenn das zutrifft, wurden wir erneut Zeugen eines schrecklichen Verbrechens, der offenen Missachtung des Lebens von Zivilisten, einer brutalen Verletzung des Rechts auf Leben.

Menschen, die solche abscheulichen Gewaltakte organisieren und durchführen, sind Verbrecher, die gefunden und dem Gericht überantwortet werden müssen. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ist durch keinerlei politische, ideologische oder sonstige Ziele zu rechtfertigen.

Gewalt wird indes zu einer Alltagserscheinung, und sie wird immer häufiger ungezielt ausgeübt. In den letzten Jahren hat die Zahl der Terrorakte zugenommen. Das ist eine unmittelbare Folge des fortdauernden inneren bewaffneten Konflikts in Tschetschenien.

Die Weigerung der russischen Führung, eine echte politische Regelung, d. h. Verhandlungen unter Beteiligung aller interessierten politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Angriff zu nehmen, sowie massenhafte brutale Verletzungen der Rechte der Zivilbevölkerung (einschließlich wahlloser und ungesetzlicher Gewaltanwendung) durch Vertreter der föderalen Machtstrukturen schaffen immer wieder die Basis für die Bildung und die Aktivitäten von Terrorgruppen.

Nach wie vor wird öffentlich nicht explizit eingestanden, dass in unserem Land bereits im fünften Jahr ein Krieg stattfindet und nicht etwa eine Anti-Terror-Operation. Damit wird das politische Problem auf ein kriminelles reduziert. Die Politiker schieben so die Verantwortung ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden zu. Der tschetschenische Konflikt als politisches Problem ist im Rahmen der Terrorismusbekämpfung allerdings nicht zu lösen.

Nichtsdestoweniger appellieren wir an die russischen Behörden, eine sorgfältige Untersuchung durchzuführen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Diese Untersuchung darf nicht so ablaufen wie bei den Sprengstoffanschlägen auf die Wohnhäuser im Jahre 1999 und der Geiselnahme an der Dubrowka im Theater "Nord-Ost" 2002. Hier hat das Fehlen vollständiger Informationen über Verlauf und Ergebnisse der Untersuchung zu einem erheblichen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Behörden geführt und den Verdacht eines schwerwiegenden Versagens der Sicherheitskräfte hervorgerufen.

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MEMORIAL zum 15. Jahrestag der Rehabilitierung der Repressionsopfer

16.01.2004

Vor fünfzehn Jahren, am 16. Januar 1989, wurde der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets "Über die zusätzlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit für die Opfer der Repression in den 30er/40er Jahren und den frühen 50er Jahren" verkündet.


Zu diesem Zeitpunkt war der Zuspruch für die Rehabilitierung der Opfer des politischen Terrors durch die Bevölkerung außerordentlich groß. Die Forderungen nach Rehabilitierung wurden nicht nur in den Zeitungen oder auf Demonstrationen formuliert, sie bestimmten das Handeln politisch aktiver Gruppen und führten zur Herausbildung erster unabhängiger Organisationen. Diese Reaktion war angesichts des ungeheuren Ausmasses der Repression in der UdSSR, von denen fast jede Familie betroffen war, nur natürlich.

Dieser Erlass war von sehr großer Bedeutung für die spätere Demokratisierung der Gesellschaft. Erstmals wurde ein rechtsstaatlicher Ansatz formuliert, der heute normal zu sein scheint, damals aber einen revolutionären Durchbruch darstellte. Die aus NKWD, OGPU (Vereinigte Staatliche Politische Verwaltung) und den "Sonderberatungen" bestehende Troika wurde für verfassungswidrig erklärt. Daraus ergab sich, dass alle von der Troika (außergerichtlich) verhängten Urteile nichtig und die betroffenen Bürger automatisch rehabilitiert waren.

Die Mehrheit der außergerichtlich Verurteilten wurde nach diesem Erlass rehabilitiert. Mit diesem Erlass begann die zweite Massenrehabilitierungswelle (Die erste Welle begann unter Chruschtschow und wurde abgeschlossen, als Breschnjew an die Macht kam.). Für einige Sowjetrepubliken blieb dieser Erlass die wichtigste Grundlage für die Rehabilitierung.

Sicherlich könnte man heute zahlreiche Unzulänglichkeiten (viele davon wurden im Gesetz der Russischen Föderation zur Rehabilitierung der Opfer politischer Repression von 1991 korrigiert) des Erlasses kritisieren. Diese sind aber nicht der Grund dafür, dass der Prozess der Rehabilitierung in Russland nach fünfzehn Jahren noch längst nicht abgeschlossen ist.

Nicht rehabilitiert bleiben nicht nur Zehntausende erschossene und in Lagern internierte Menschen, sondern auch Millionen Enteigneter und Deportierter, denen das Wahlrecht aberkannt wurde.

Man kann nicht behaupten, dass diesem Problem heute überhaupt keine Beachtung mehr geschenkt wird. So hat die Generalstaatsanwaltschaft im Jahre 2002 den schnellstmöglichen Abschluss der Überprüfungen angeordnet. Es wurden jedoch ungenügend Mittel bereit gestellt, so dass es nur langsam vorangeht. Schlechte Kenntnis der Sachlage, das Fehlen von wichtigen Dokumenten sowie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern verzögern den Prozess der Rehabilitierung.

Weitaus gefährlicher ist aber etwas anderes. Vieles deutet nämlich darauf hin, dass die russischen (und nicht nur die russischen) Verantwortlichen dieses Kapitel am liebsten abschließen würden. Natürlich wird niemand behaupten, dass es keine Repressionen gegeben hat. Die gab es, wir haben sie verurteilt, und nun können wir diese dunklen Seiten der Geschichte vergessen und uns unserer - insgesamt doch durchaus glorreichen - Vergangenheit rühmen.

Der Sinn einer Rehabilitierung besteht nicht nur darin, dass man den guten Ruf der Opfer (und nach Möglichkeit ihre Rechte) wiederherstellt. Dies ist natürlich unerlässlich, aber bei weitem nicht ausreichend. Wichtig ist, dass die Erinnerung daran erhalten bleibt, und zwar nicht nur in den Familien der Opfer, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Dies kann nur erreicht werden, wenn das Wissen um die tragischen Kapitel der Geschichte nicht aus den Geschichtsbüchern und dem Bewusstsein der jungen Generation verschwindet, wenn es nicht hinter den verschlossenen Türen der historischen Archive verstaubt.

Die allerwichtigste Aufgabe besteht aber darin, diejenigen Besonderheiten unserer Gesellschaft zu verstehen und zu bekämpfen, die diese Tragödie erst möglich gemacht haben. Die alten russischen Laster, nämlich die unkontrollierte Macht der Machtinhaber und die Missachtung der Rechte und Freiheiten des Einzelnen, sind nicht nur nicht überwunden, sondern treten offenbar verstärkt wieder auf.

Wir möchten daran erinnern, dass die Unkenntnis der eigenen Geschichte nicht vor Verantwortung schützt und dass die Verdrängung der Vergangenheit verheerende Folgen für die Gesellschaft haben kann.

Moskau, den 16. Januar 2004
Der Vorstand der internationalen Gesellschaft MEMORIAL

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Lida Yusupova - Koordinatorin von Memorial in Grozny - mit internationaler Auszeichnung geehrt

05.12.2003

The Martin Ennals Foundation announced today that Lida Yusupova has been selected as the winner of the 2004 Martin Ennals Award for Human Rights Defenders (MEA).

Lida Yusupova is since 3 years the coordinator of the Grozny office of the Moscow-based human rights organisation Memorial. It is a small office with only 6 staff members and one of the few human rights organisations still operating in Chechnya, providing the world with crucial information on violations of human rights in this Russian republic.

Lida collects testimonies from those victims who dare to come to the Grozny office but also goes herself out to the places where killings and disappearances have occurred. She accompanies the victims in their claims to the Russian Army and Security Services and provides legal assistance to the extent that the judicial system still functions in that part of Russia.

The Chairman of the Jury of the MEA, Hans Thoolen, called Lida one of the most courageous women in Europe today. He states that "there is complete consensus among all human rights organisations that Lida deserves the award for her tireless efforts in a situation of war and extreme danger, with increased risk for women". Moreover, the Grozny office has to function in almost complete isolation, the access to Chechnya for international NGOs, intergovernmental organisations and independent media being very restricted. Last year Lida`s office was the target of a direct attack by the army but the staff has continued its indispensable monitoring work.

The ceremony will take place in Geneva on 7 April 2004. It will be transmitted live by Swiss Television and re-transmitted by TV5 to millions of households.

The Martin Ennals Award for Human Rights Defenders (MEA) is a unique collaboration among ten of the world`s leading non-governmental human rights organisations. The Jury is composed of the following: Amnesty International, Defence for Children, German Diakonie, Human Rights Watch, Huridocs, International Alert, International Commission of Jurists, International Federation for Human Rights, International Service for Human Rights and the World Organisation Against Torture. The previous 10 recipients of the MEA are: Alirio Uribe Muńoz, Colombia (2003); Jacqueline Moudeina, Chad; Peace Brigades International, Immaculée Birhaheka, DRCongo; Natasa Kandic, Yugoslavia; Eyad El Sarraj, Palestine; Samuel Ruiz García; Mexico; Clement Nwankwo, Nigeria; Asma Jahangir, Pakistan; Harry Wu, China (1994).

Martin Ennals (1927-1991) was instrumental to the modern human rights movement. He was the first Secretary-General of Amnesty International and the driving force behind many other organisations. His deep desire was to see more cooperation and solidarity among NGOs: the MEA is evidence that this is possible.

Stockholm, 5/12/03

Copyright 1994-2003 Martin Ennals Foundation

Quelle: Martin Ennals Award for Human Rights Defenders

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MEMORIAL auf der Frankfurter Buchmesse 2003

23.09.2003
Die Internationale Gesellschaft MEMORIAL wird auf der Frankfurter Buchmesse 2003 mit einem eigenen Stand vertreten sein sowie in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung die Ausstellung "Langes Echo: Russland im 20. Jahrhundert: Konstanten und Variablen" präsentieren. Nachfolgend der Veranstaltungsplan von MEMORIAL: Donnerstag, 9 Oktober 17:00-18:30 Uhr Buchpräsentation "Russlands Gedächtnis. Jugendliche entdecken vergessene Lebensgeschichten" (Memorial-Körber-Stiftung) und Diskussion: "Braucht Russland ein anderes historisches Gedächtnis?" Fritz Pleitgen im Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL und Russlandexperten über die "Gegenwart der Vergangenheit" in Russland. TeilnehmerInnen: Gernot Erler (MdB, SPD), Arsenij Roginskij (Memorial) Gabriele Bucher-Dinc (Körber-Stiftung), Katja Gloger (Stern), Sonja Margolina (Journalistin). Irina Scherbakowa (Memorial) Empfang im Forum. Veranstalter: Körber-Stiftung( Hambug) und MEMORIAL (Moskau) Ort: Mittel- und Osteuropaforum der Frankfurter Buchmesse, Halle 5.0 Freitag, 10. Oktober 17.30-18.15 Uhr Pressekonferenz/Eröffnung der Ausstellung "Langes Echo": Alexander Jakowlew (Vorsitzender der Rehabilitierungskommission beim Präsidenten der Russischen Föderation) eröffnet die Ausstellung "Langes Echo - Variablen und Kontinuitäten im Russland des XX. Jahrhunderts". TeilnehmerInnen: Arsenij Roginskij (Memorial), Jens Siegert (Heinrich-Böll-Stiftung), Irina Scherbakowa (Memorial), Pawel Poljan (Institut für Geographie der Akademie der Wissenschaften der RF), Marckus Meckel (MdB, SPD. Veranstalter:Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und MEMORIAL (Moskau) Ort: Stand Memorial, bei Ausstellung "Langes Echo", Halle 5.0, C942-44 18.30-20.00 Uhr Podiumsdiskussion "Russlands Vergangenheit heute - Langes Echo" Deutsche Politiker und Historiker im Gespräch mit russischen Historikern und Menschenrechtlern über die Mythen und Stereotypen der heutigen und der vergangenen Epoche in Russland. TeilnehmerInnen: Elisabeth Weber (Moderation), Arsenij Roginskij (Memorial), Alexander Jakowlew (Stiftung der Demokratie), Wolfgang Eichwede (Osteuropa-Institut, Universität Bremen) Marcus Meckel(MdB, SPD) Veranstalter:Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und MEMORIAL (Moskau) Ort: Forum Halle 5.0 20.00 Emfang am Stand von Memorial (Halle 5.0, C942) Samstag, 11. Oktober 11.30-13.30 Uhr Buchvorstellung "Die Häftlinge von Algier" Diskussion "Das Frauengesicht des GULAG" TeilnehmerInnen: Ljudmila Ulitzkaja(Moskau) Irina Scherbakowa (Memorial), Marina Beyer (OWEN), Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin) und MEMORIAL, Moskau Ort: Stand Memorial, Halle 5.0, C942 19.30-22.00 Uhr Roundtable zum Thema "Welche Vergangenheit braucht Russland?" TeilnehmerInnen: Gerd Koenen (Moderation), Elena Zhemkova, Swetlana Gannuschkina, Irina Scherbakowa und Arseni Roginski Alexander Tscherkassow (Memorial Moskau), Jörg Baberowski, (Humboldt-Universität Berlin, Frank Westerman ( Amsterdam) Mitveranstalter: Palais Jalta e.V. (Frankfurt) und Heinrich Böll Stiftung (Berlin) Im Anschluss (ab 22.00 Uhr) ein West-östlicher Diwan mit Büffet, Musik und Gesprächen zum Ausklang der Messe und zum Abschied vom Palais Jalta, dem 1989 gegründeten Ost/Westeuropäischen Kulturzentrum in Frankfurt am Main Diese Veranstaltung findet in den Räumen der ehemaligen Theologischen Zentralbibiliothek, Römerberg 9, 60311 Frankfurt, statt. Sonntag 12.Oktober 15.30-17.00 Uhr Diskussion : "Menschenrechte in Russland heute. Flüchtlinge. Ethnische Diskriminierung" Russische und deutsche Politiker, Journalisten, Historiker im Gespräch über die Menschenrechtssituation im heutigen Russland TeilnehmerInnen: Jens Siegert (Moderation), Swetlana Gannuschkina (Memorial), Alexander Tscherkassow (Memorial), Gerd Poppe ( Heinrich Boell- Stiftung ), Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin) und MEMORIAL, Moskau Ort: Forum Halle 5.0.

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Überfall auf Büro von MEMORIAL St. Petersburg

20.08.2003

Am 14.08.03 wurde das Büro von MEMORIAL St. Petersburg überfallen. Ziel der Aktion war das gesammelte Datenmaterial der Organisation. Die maskierten und mit Hämmern bewaffneten Männer gaben sich als Sympathisanten des kürzlich verurteilten Oberst Budanow aus. Laptop, Organiser und private Datenträger der Mitarbeiter wurden gestohlen. Die Mitarbeiter selbst waren in einen Nebenraum gefesselt und später durch Passanten befreit worden.

MEMORIAL St. Petersburg leistet vor allem praktische Hilfe zur Verbesserung der sozialen und rechtlichen Situation ehemals Verfolgter. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die aktuelle Menschenrechtsarbeit und die Aufarbeitung der Geschichte.

Auch das Moskauer Büro der Organisation wurde vor kurzem Opfer gezielter Störaktionen. Die von MEMORIAL Moskau betriebene Site www.kavkaz.memorial.de, auf der Nachrichten über die aktuelle Lage in Tschetschenien abgerufen werden können, wurde von Hackern gezielt angegriffen und konnte kurzzeitig nicht mehr aufgerufen werden.

Das MEMORIAL-Büro in Grosny ist im Juli vergangenen Jahres im Zuge einer "Säuberungsaktion" überfallen worden.

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Kowaljow (Duma/Memorial) und Orlow (Memorial) unterzeichnen Erklärung des russischen nationalen Komitees "Für die Beendigung des Krieges und Herstellung von Frieden in der Republik Tschetschenien"

(05.06.2003)
Kowaljow (Dumaabgeordneter/Vorstand Memorial) und Orlow (Vorstand Memorial) sind Mitunterzeichner einer Erklärung vom 05.06.03, deren Autoren tiefe Besorgnis über die jüngste Eskalation des Krieges in Tschetschenien zum Ausdruck bringen.

Seit Durchführung des Verfassungsreferendums im März habe sich die dortige Lage nur noch verschärft. Die Hoffnung auf mehr Sicherheit, die die Menschen zur Teilnahme am Referendum bewog, sei nicht erfüllt worden. Im Gegenteil, neue Terroranschläge durch unabhängig operierende Selbstmordattentäter ließen befürchten, dass es zu einer "Palästinisierung" des Konflikts komme.

Direkte Gespräche zwischen der Föderation und dem politischen Flügel der Rebellen seien dringend erforderlich, solange dieser als Gesprächspartner überhaupt noch zur Verfügung stehe. Putin und Maschadow werden aufgefordert, gemeinsam der katastrophalen Radikalisierung des Krieges entgegenzutreten. Die politische Initiative müsse vom Kreml ausgehen. Umfragen zufolge würden mehr als 60% der russischen Bevölkerung eine friedliche Lösung des Konflikts befürworten.

Den Wortlaut der Erklärung in russischer Sprache finden Sie auf www.memo.ru

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Erklärung der internationalen Menschenrechtsgesellschaft MEMORIAL zum Terroranschlag in Snamenskoje/Tschetschenien

Der furchtbare Terroranschlag, der am gestrigen 12. Mai 2003 im tschetschenischen Snamenskoje verübt wurde, forderte mehr als 50 Menschleben.

Die Mehrzahl der Toten und Verwundeten sind Zivilisten, obgleich der Anschlag offensichtlich gegen die Bezirksämter des Innenministeriums und des Föderalen Sicherheitsdienstes FSB gerichtet war. Die Terroristen haben die Opfer unter den Bewohnern der benachbarten Häuser wissentlich in Kauf genommen. Der Tod von Zivilisten macht allen -vor allem den Bewohnern Tschetscheniens - klar, dass den Auftraggebern, Planern und Vollstreckern von Terrorakten das Leben gänzlich unschuldiger Menschen gleichgültig ist. Die Antwort der Streitkräfte der Föderation lässt sich aufgrund des bisherigen Verlaufs des "Zweiten Tschetschenienkriegs" voraussagen: "Sonderoperationen", bei denen die Festgenommenen ermordet werden oder verschwinden, Folter und Gewaltanwendung gegenüber Zivilisten.

Der Kampf gegen den Terrorismus muss geführt werden, und der russische Staat hat die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Bürger vor diesem Übel zu unternehmen. Ebenso offensichtlich ist jedoch, dass der Terrorismus mit Mitteln des Terrorismus nicht besiegt werden kann. Nur eine politische Lösung kann dem Terrorismus im Nordkaukasus ernsthaft gefährlich werden und ihm den Boden unter den Füßen entziehen.

Der Staat hat jedoch anders entschieden. Das sogenannte "Referendum" in Tschetschenien ist nur dem Schein nach eine Willensäußerung des Volkes, der Beginn eines politischen Prozesses wird vorgetäuscht und steht in keinerlei realem Bezug zur Lösung des Konflikts. Hinter der Fassade geht der Kreislauf der Gewalt weiter: Terror gegenüber der Bevölkerung Tschetscheniens durch die Streitkräfte der Föderation einerseits und Sabotage und Anschläge der Rebellen andererseits.

Es ist dringend erforderlich, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und tatsächlich eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts in der Republik Tschetschenien einzuleiten.

Der Vorstand der internationalen Menschenrechtsgesellschaft MEMORIAL
13.5.2003

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Memorial und die Moskauer Helsinki-Gruppe richten offenen Brief an die Botschafter Iraks, Großbritanniens und der USA

In ihrem offenen Brief vom 2. April 2003 bringen die beiden Menschenrechtsgesellschaften die große Sorge um Leben und Sicherheit der Zivilbevölkerung in Irak zum Ausdruck. Mit der grundsätzlichen Ablehung des Krieges wird gleichzeitig auf die Verletzung der Grundlagen unserer Weltordung verwiesen, die - wie unvollkommen und unsicher auch immer - die Hoffung auf eine neue, auf den Normen des Rechts begründete Ordnung begründet.

Die gegen den Irak Krieg führenden Parteien werden aufgerufen

- die Angriffe auf "Städte, die von der Zivilbevölkerung noch nicht verlassen wurden, einzustellen",
- der Bevölkerung die Zeit und Möglichkeit einzuräumen, die Gebiete der Kampfhandlungen über einen "sicheren humanitären Korridor" zu verlassen,
- den "Rückzug der Bevölkerung in Gebiete, die von der gegnerischen Partei kontrolliert werden, nicht zu behindern",
- der Bevölkerung, die sich in Gebiete zurückgezogen hat, die von den gegen den Irak Krieg führenden Parteien kontrolliert werden, "unverzüglich die notwendige Hilfe, einschließlich Wasser, Nahrung, Medikamente und Zeltunterkünfte" zukommen zu lassen.

Die politische und militärische Führung von Irak wird aufgerufen

- den Rückzug der Zivilbevölkerung aus den Gebieten des Kriegsgeschehens nicht zu behindern, auch wenn diese sich auf Territorium der gegen Irak Krieg führenden Parteien zurückzieht,
- humanitäre Hilfe, "von welcher Seite auch immer", nicht zu behindern
- keine militärischen Objekte in Wohngebiete oder unmittelbare Nähe von Krankenhäusern, Versorgungseinrichtungen, Kulturgütern usw. zu verlagern.

2.4.2003

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Associated Press: Menschenrechtslage in Tschetschenien spitzt sich offenbar zu

Frankfurt/Main (AP)
In Tschetschenien verschwinden nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" immer häufiger Menschen. Nach dem Geiseldrama im Moskauer Musical-Theater "Nordost" im Oktober vergangenen Jahres sei die Zahl der Vermissten deutlich gestiegen, berichtet die Zeitung am Dienstag unter Bezug auf gemeinsame Recherchen mit der "Süddeutsche Zeitung". Allein im tschetschenischen Bezirk Schali seien seit Dezember 2002 mindestens 48 Menschen entführt worden, berichtetet das Blatt unter Berufung auf einen hohen Polizeioffizier. Acht davon seien ermordet aufgefunden worden, hieß es. Von den übrigen fehle jede Spur. Keiner der 48 sei ein Rebell gewesen. Außerdem ermordeten Spezialeinheiten der russischen Polizei und Greiftrupps des Moskauer Innenministeriums "straflos Zivilisten", zitierte das Blatt den Offizier weiter. Eine solche Gesetzlosigkeit habe es in Tschetschenien selbst in den schlimmsten Jahren unter der Rebellenregierung nicht gegeben. Die Angaben des Mannes deckten sich mit Erkenntnissen des Europarats und der Menschenrechtsorganisation Memorial, hieß es. Dem Blatt zufolge berichtete der Leiter der Vermisstenabteilung der tschetschenischen Verwaltung, Scheich Achmed Abdurachmanow, von mehr als 40 Massengräbern. Memorial zufolge benutzen die russischen Todesschwadronen Sprengstoff oder trennen Köpfe ab, um die Identifizierung der Opfer zu erschweren oder unmöglich zu machen, hieß es. Unterdessen haben 60 prominente russische Kulturschaffende öffentlich die Aufnahme von Verhandlungen zur Beendigung des Tschetschenien-Konflikts gefordert. In dem unter anderen von Schachgroßmeister Garry Kasparow, Filmregisseur Piotr Todorowsky und dem Schriftsteller Wladimir Woinowich unterzeichneten Appell heißt es, der Tod tausender russischer Soldaten und zehntausender Zivilisten könne weder mit übergeordneten Staatsinteressen noch mit der Bedrohung durch den weltweiten Terrorismus gerechtfertigt werden.

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Keine Plakataktion am Tag des Sieges

MEMORIAL Deutschland begrüßt die Tatsache, dass die 65-Jahr-Feier des Tags des Sieges in Moskau ohne die ursprünglich geplante Stalin-Plakataktion stattfinden konnte. Die umstrittene Aktion hatte zahlreiche Proteste im In- und Ausland ausgelöst. Auch MEMORIAL Deutschland hatte sich mit einem Schreiben in dieser Sache an den russischen Botschafter gewandt.
Bereits am 2. März 2010 hatte MEMORIAL International in aller Schärfe gegen die Aktion protestiert, die die Ehre der in diesem Krieg Gefallenen verletze. Dieser weitere Schritt auf dem Weg einer Rehabilitierung des Stalinismus stehe in eklatantem Widerspruch zu dem, was diese für das Vaterland getan hätten, das gerade die kommunistischen Machthaber an den Rand der Katastrophe brachten.
Wie in zahlreichen anderen Städten hatte auch in Syktyvkar/Komi der dortige MEMORIAL-Verband im Vorfeld der Feierlichkeiten erreicht, dass keine Stalin-Plakate angebracht wurden.
Vladivostok war zuletzt die einzige Stadt, in der noch Stalin-Plakate aufgehängt waren. MEMORIAL International richtete am 1. Mai an den Gouverneur Sergej Darkin ein Protestschreiben mit dem Appell, die Plakate zu entfernen. Dies wurde auf der Internet-Seite der Stadt offiziell zugesagt. So konnte dieser große Tag schließlich von allen gemeinsam in Würde gefeiert werden.

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MEMORIAL kondoliert polnischem Botschafter in Russland

und bringt seine tiefe Bestürzung über die „entsetzliche Katastrophe bei Smolensk“ zum Ausdruck, die der Tragödie von Katyn vor 70 Jahren eine weitere in geradezu schicksalshafter Weise hinzufüge. „Unter den Toten befinden sich auch Kollegen, die mit uns an der Aufklärung über Katyn und der Bewältigung dieser Vergangenheit gearbeitet haben.
Wir bitten Sie, Herr Botschafter, dem polnischen Volk unser tiefempfundenes, aufrichtiges Beileid zu übermitteln.
Wir bitten Sie auch, unser Beileid den Familien und Angehörigen all derer zu übermitteln, die bei dieser Flugzeugkatastrophe ums Leben gekommen sind.“

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Proteste gegen Stalin-Plakataktion offenbar erfolgreich

Laut GZT.ru vom 26.03.2010 werden keine Stalin-Plakate anlässlich der 65-Jahr-Feier des Tags des Sieges in Moskau aufgehängt werden. GTZ.ru beruft sich dabei auf die Erklärung eines Vertreters des Organisationsausschusses gegenüber der Agentur Ria-Novosti. Arsenij Roginski begrüßte diese Entscheidung im Namen von MEMORIAL ausdrücklich, wies jedoch darauf hin, dass dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf „Druck von oben“ erfolgt sei.
Wie aus Kreisen des Moskauer Bürgermeisters bekannt geworden war, sollten in ganz Moskau anlässlich des 65. Jahrestags des Großen Sieges Stalin-Plakate aufgehängt werden.
Dieser weitere Schritt auf dem Weg einer Rehabilitierung des Stalinismus hätte in eklatantem Widerspruch zu dem gestanden, was die in diesem Krieg Gefallenen für eben das Vaterland getan haben, das die kommunistischen Machthaber an den Rand der Katastrophe brachten.

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Aufruf russischer Künstler und Wissenschaftler: LASST UNS DEN TSCHETSCHENIENKRIEG GEMEINSAM BEENDEN

Der zweite Tschetschenienkrieg dauert bereits mehr als drei Jahre, ein Krieg, in dem es - wie in anderen auch - keinen Sieger geben wird. Den Tod Tausender russischer Soldaten und Offiziere sowie zehntausende Opfer unter der Zivilbevölkerung, die Zerstörung ganz Tschetscheniens sind weder mit einer "staatlichen Notwendigkeit" noch mit Überlegungen über die Bedrohung durch den "weltweiten Terrorismus" zu rechtfertigen. Weder die Verluste an Menschen und Material noch die moralischen Verluste sind in ihrer Höhe hinnehmbar. In den letzten Jahren wurde uneingeschränkte Anwendung von Gewalt zur Norm der Staatspolitik, die Kalaschnikow zum Verständigungsmittel zwischen den Völkerschaften.

Das Drama im Theater an der Dubrowka war eine Antwort auf die Gewalt und ein Beweis für die Niederlage der imperialen Politik Russlands im Kaukasus. Die Führung des Landes trifft, wie es uns scheint, eine falsche Wahl, wenn sie sich jeglicher Friedensinitiative verweigert und auf einem Krieg "bis zum siegreichen Abschluss" besteht. Aber das Andenken an die Opfer im "Nord-Ost" fordert keine Rache, sondern eine andere Lösung des Problems: nur ein beiderseitiger Verzicht auf militärische Aktionen kann neue sinnlose Opfer vermeiden helfen. Die Führung Russlands muss diesen politischen Schritt vollziehen und den Verhandlungsprozess in Gang setzen. Geschieht dies nicht, erwarten uns alle ein Mehr an Angst und gegenseitigem Hass, ein endloser Partisanenkrieg, neue "Säuberungen" und neue Terrorakte.

Russland und Tschetschenien sind des Krieges müde, sie brauchen Frieden. Grausamkeit findet keine Rechtfertigung, unabhängig, ob sie von Tschetschenen oder Russen ausgeht. Die Banditen auf beiden Seiten dürfen nicht ohne Strafe davon kommen. Wenn die russische Seite zu Recht die Grausamkeit der (tschetschenischen) Kämpfer verurteilt, muss sie gleichzeitig von den barbarischen "Säuberungen", den Folterungen, den Hinrichtungen ohne Prozess, allen sinnlosen Strafaktionen und dem ständigen Anwerben neuer Anhänger in den Reihen der Separatisten Abstand nehmen.

Nach Angaben von Soziologen tritt die Mehrheit der Russen für eine Beendigung des Krieges und für Verhandlungen ein. Die russische Führung braucht den Willen zum Frieden und darf sich nicht nach dem Trägheitsgesetz vom Krieg treiben lassen. Die Regierung muss die ersten Schritte hin zu einer Aussöhnung machen. Das verlangen sowohl das rationale Denken, als auch das Recht und schließlich die schlichte Humanität, ohne die eine jegliche staatliche Politik ihre Rechtfertigung und ihren Sinn verliert. Nicht die Resolutionen des Europarats, sondern die eigenen humanistischen Traditionen der russischen Kultur müssen zum Maßstab der staatlichen Politik werden. Dann müssten wir nicht wieder unsere Wege in der Geschichte mit Eisen und Blut zeichnen. Wir rufen unsere Landsleute dazu auf, Passivität und Gleichgültigkeit abzulegen. Der Staat - das sind wir! Unser Land ist so, wie wir es gestalten! Jeder Einwohner Russlands kann auf den Gang der Ereignisse Einfluss nehmen, wenn er offen seinen Friedenswillen zum Ausdruck bringt, wenn er sich an gewaltlosen Antikriegsaktionen, am Sammeln von Mitteln für die humanitäre Flüchtlingshilfe beteiligt, wenn er für die Politiker der "Partei des Friedens" stimmt und den Führern der "Kriegspartei" seine Unterstützung versagt.
Wir wenden uns insbesondere an unsere Kollegen aus den Bereichen Kunst und Wissenschaft. Wir schlagen ihnen vor, sich diesem zur Unterzeichnung offen liegenden Appell anzuschließen, sich an neuen humanitären, zum Frieden führenden Initiativen zu beteiligen und ihren ganzen Einfluss darauf zu verwenden, Fremdenfeindlichkeit, aggressivem Nationalismus und Chauvinismus zu widerstehen - im täglichen Leben und in der großen Politik.

Juri Arabow, Juri Afanassjew, Lija Achedshakowa, Bella Achmadulina, Anatoli Achutin, Leonid Bashanow, Leonid Batkin, Michail Berg, Andrej Bitow, Alla Bossart, Jewgeni Bunimowitsch, Pjotr Wail, Arkadi Waksberg, Boris Wassiljew, Wladimir Wischnewski, Georgi Wladimow, Wladimir Woinowitsch, Sergej Gandlewski, Alexandr Gelman, Illarion Golizyn, Alexandr Gorodnizki, Lidija Grafowa, Lew Gudkow, Wladimir Daschkewitsch, Weronika Dolina, Denis Dragunski, Ion Druze, Wadim Shuk, Wiktor Jerofejew, Michail Slatkowski, Leonid Sorin, Igor Irtenjew, Fasil Iskander, Garri Kasparow, Juli Kim, Galina Kornilowa, Alexej Kortnew, Juli Krelin, Grigori Krushkow, Alexandr Mirsajan, Daniel Mitljanski, Juri Norschtejn, Gleb Panfilow, Jewgeni Rejn, Mark Rosowski, Lew Rubinschtejn, Olga Sedakowa, Wiktor Slawkin, Alexandr Tkatschenko, Pjotr Todorowski, Natalija Trauberg, Ljudmila Ulizkaja, Alexandr Fillipenko, Vater Georgi Tschistjakow, Inna Tschurikowa, Dmitri Schachowski, Wiktor Schenderowitsch, Sergej Jurski, Alexej Jablokow, Igor G. Jakowenko.

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Offener Brief von MEMORIAL Deutschland e.V. an den Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Situation in Tschetschenien

An den
Bundeskanzler

Herrn Gerhard Schröder

Berlin

12.3.2003

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

Erlauben Sie uns, trotz - und gerade auch - wegen der alles überschattenden Kriegsgefahr im Mittleren Osten, Ihre Aufmerksamkeit auf die weiterhin dramatische Situation in Tschetschenien zu lenken.

Wir, MEMORIAL Deutschland e.V., sind die deutsche Sektion der internationalen Menschenrechtsorganisation MEMORIAL, die seit ihrer Gründung 1988 durch Bürgerrechtler um Andrej Sacharow für die Aufarbeitung der Geschichte des Kommunismus und die Durchsetzung der Menschenrechte in den Staaten der früheren Sowjetunion eintritt.

MEMORIAL hat sich stets nachdrücklich für eine politische Lösung des Tschetschenien-Konflikts eingesetzt. Dieser Konflikt hat, wie Sie wissen, in den vergangenen Jahren an Intensität nicht abgenommen, sondern provoziert täglich neues Unrecht und ein für europäische Maßstäbe kaum vorstellbares Leid: durch sein Abgleiten in terroristische Gewalttaten ebenso wie durch die gleichzeitigen massiven Übergriffe auf die Zivilbevölkerung.

Nach Jahren des blutigen Konflikts gilt auch für Tschetschenien, dass Krieg keine Lösung sein kann.

Um jedoch einer politischen Lösung überhaupt wieder näherzukommen, halten wir es für wichtig, zu rechtsstaatlichen Grundsätzen gerade in der Gewaltanwendung durch die russischen Regierungstruppen zurückzukehren. Stellt sich - wie in dieser Art von Konflikten beinahe zwangsläufig - generell die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel, so gilt dies im Falle des Tschetschenien-Konflikts in besonderer Weise. Der weitgehend rechtsfreie Raum, in dem diese Auseinandersetzung stattfindet, eröffnet keine Perspektive für einen irgendwie gearteten Verhandlungsprozess. Den Anfang könnten jedoch die vorhandenen Normen der russischen Militär- und Kriegsgesetzgebung machen, die nachweislich nicht zum Tragen kommen (siehe Anlage).

Wir appellieren daher an Sie, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation, die sich auch in Ihrem guten persönlichen Verhältnis zu Präsident Putin widerspiegeln, zu nutzen, um in diesem Sinne auf eine politische Lösung des Konflikts hinzuwirken.

Dabei gilt es insbesondere, der Rechtlosigkeit Einhalt zu gebieten und der vorliegenden russischen Gesetzgebung ihre buchstäblich notwendige Geltung zu verschaffen.


Mit freundlichen Grüßen

MEMORIAL Deutschland e.V.

Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
e-mail: info@memorial.de
web: www.memorial.de





Anlage

Rechtsgrundlagen für den Einsatz in Tschetschenien



1. Artikel 88 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im Falle einer realen Gefahr für die Sicherheit der Bürger oder die verfassungsmäßige Ordnung, die außerordentliche Maßnahmen erforderlich macht, durch Erlass im gesamten Hoheitsgebiet oder in einzelnen Regionen den Ausnahmezustand erklärt und den Föderationsrat sowie die Staatsduma unverzüglich davon in Kenntnis setzt. Der entsprechende Erlass muss durch den Föderationsrat bestätigt werden.

Das Gesetz über den Ausnahmezustand wurde bereits 1991 angenommen (Nr. 1252-1 vom 17.05.91). Es wurde jedoch weder während des ersten bewaffneten Einsatzes in Tschetschenien noch in der jetzigen Situation angewendet, obwohl die Machtorgane bei der Begründung des militärischen Einsatzes auf eben diese Situation Bezug genommen haben, die nach Artikel 4 Buchstabe a des Gesetzes Grundlage für die Erklärung des Ausnahmezustands sind: Versuch einer gewaltsamen Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung, Massenunruhen mit Gewaltanwendung, internationale Konflikte, Blockade einzelner Gebiete, Gefahr für Leben und Sicherheit der Bürger oder die ordentliche Tätigkeit staatlicher Einrichtungen.

Die Tatsache, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand nicht angewendet werden soll, erklärt sich zunächst damit, dass dieses die Teilnahme der Streitkräfte an Maßnahmen zur Normalisierung der Lage nicht vorsiehtund diese Aufgabe den Truppen des Innenministeriums (MWD) überträgt (der Einsatz der Streitkräfte ist ausschließlich im Rahmen der Katastrophenhilfe zulässig). Ein weiterer Grund, der nicht offen ausgesprochen wird, sind die präzisen Vorschriften des Gesetzes über den Ausnahmezustand, das eine rechtliche Regelung für den Ausnahmezustand vorgibt und die genaue Angabe der staatlichen Stellen fordert, die für die entsprechenden Maßnahmen zuständig sind, sowie die Angabe von Ausmaß und Umfang der außerordentlichen Maßnahmen in dem entsprechenden Erlass und die erschöpfende Aufzählung der zeitweiligen Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Bürger und darüber hinaus Garantien enthält für die Rechte des Bürgers und den Schutz dieser Rechte (Artikel 8, 17, 18 ff) schafft.Artikel 27 bestimmt deutlich, dass die Einführung des Ausnahmezustands nicht als Grund für die Anwendung von "Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" dienen darf; die Artikel 28 und 33 bestimmen, dass die gesetzlich geregelte Anwendung von Gewalt und der Einsatz von Feuerwaffen während des Ausnahmezustand nicht geändert werden dürfen und Angehörige des Innenministeriums und Wehrpflichtige für die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt und die Überschreitung ihrer dienstlichen Befugnisse, einschließlich der Verletzung der garantierten Bürgerrechte, zur Verantwortung gezogen werden. In der Tat werden mit dieser Regelung "die Hände gebunden" und der Ermessensspielraum (oder einfacher gesagt, die Willkür) bei der Durchführung bewaffneter Operationen erheblich eingeschränkt.


2. Zur Rolle der Streitkräfte:

Nach dem föderalen Gesetz über die VerteidigungNr. 61-FS vom 24.04.96 sind die Streitkräfte (...) dazu bestimmt, "einen Angriff gegen die Russische Föderation abzuwehren, die Integrität und Unverletzlichkeit des Hoheitsgebiets der Russischen Föderation mit Waffengewalt zu schützenund darüber hinaus Aufgaben zu erfüllen, die sich aus völkerrechtlichen Verträgen der Russischen Föderation ergeben. Das ihrer Zweckbestimmung nicht entsprechende Heranziehen der Streitkräfte der Russischen Föderation zur Erfüllung von Aufgaben mit Waffengewalt erfolgt durch den Präsidenten der Russischen Föderation nach Maßgabe der föderalen Gesetze" (Artikel 10 Absatz 2 und 3). Im Zusammenhang mit dem genannten Artikel ist ohne Frage die Rede von bewaffnetem Schutz vor einem Angriff von außen, denn rechtlich gesehen kann bei einem Subjekt der Föderation (d.h. einer territorialen Einheit innerhalb des Landes) - und als solches gilt Tschetschenien offiziell - nicht von einem Angriff gegen die Russische Föderation gesprochen werden. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Angriff handelt, muss Artikel 19 des Gesetzes über die Verteidigung zur Anwendung gelangen, der die Einführung des Kriegszustands vorsieht. Der Artikel definiert den Kriegszustand als besondere rechtliche Regelung, die das Handeln der staatlichen und Selbstverwaltungsorgane bestimmt und mit der eine Einschränkung der Rechte und Freiheiten verbunden ist. "Im Kriegszustand können die Streitkräfte, andere Truppen, bewaffnete Kräfte und Einrichtungen militärisch zur Abwendung eines Angriffs unabhängig von der Ausrufung des Krieges eingreifen." Der Kriegszustand wird nach Artikel 87 der Verfassung jedoch durch den Präsidenten verhängt, der den Föderationsrat und die Staatsduma unverzüglich davon in Kenntnis setzt, der entsprechende Erlass muss durch den Föderationsrat bestätigt werden. Hier sollte nicht vergessen werden, dass der Kriegszustand in Übereinstimmung mit der Verfassung durch ein föderales Verfassungsgesetz geregelt werden muss (ein solches Gesetz wurde bislang nicht verabschiedet).

In diesem Fall wurde der Kriegszustand nicht ausgerufen. Wenn man also die Militäroperation in Tschetschenien aus Sicht des geltenden russischen Rechts betrachtet, kann man nur feststellen, dass es sich hier um einen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte handelt, der nicht ihrer Zweckbestimmung entspricht.Gesetze, die die Modalitäten des Einsatzes von Waffen und militärischer Kontingente außerhalb ihrer Zweckbestimmung regeln, gibt es gegenwärtig nicht. Es folgt jedoch aus Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 3 des Gesetzes über die Verteidigung, dass ein Heranziehen der Streitkräfte und anderer bewaffneter Kräfte außerhalb ihrer Zweckbestimmung durch Erlass des Präsidenten erfolgen muss, der der durch den Föderationsrat bestätigt wird. In diesem Fall wurde kein derartiger Erlass veröffentlich und zur Bestätigung vorgelegt, der Einsatz der Streitkräfte zur Durchführung von Aufgaben, die nicht mit ihrer Zweckbestimmung verbunden sind, wird damit unmöglich.

3. Die breitangelegten militärischen Aktionen in Tschetschenien werden zumeist als Anti-Terror-Aktion begründet, wobei auf das Gesetz über den Kampf gegen den Terrorismus verwiesen wird (Nr. 130-FS vom 03.07.98). Tatsächlich heißt es in Artikel 7 dieses Gesetzes, das die Zuständigkeit der Stellen zur Bekämpfung des Terrorismus festlegt, dass das Verteidigungsministerium den Schutz von militärischen Objekten und Waffen, die Sicherheit der Seeschifffahrt und des Luftraums gewährleistet und auch an der Durchführung von "Anti-Terror-Operationen teilnimmt". Diese allgemeine Formulierung im Gesetzestext wird nicht näher erläutert und die Frage nach dem Wie, der Art und des Umfangs der Beteiligung bleibt offen.

Artikel 3 des Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus definiert eine Anti-Terroroperationals "besondere Maßnahmen, die Terroranschläge verhindern, die Sicherheit von Menschen gewährleisten, Terroristen unschädlich machen und die Folgen eines Terroranschlags gering halten sollen". Kapitel III des Gesetzes regelt die Durchführung von Anti-Terror-Operationen.Das Gesetz sieht die Einrichtung eines Operationsstabs vor, der aufgrund eines Regierungsbeschlusses gebildet wird und die unmittelbare Leitung einer solchen Operation unter Führung eines Vertreters des FSB oder des Innenministeriums (je nachdem, in wessen Kompetenzbereich die Durchführung einer bestimmten Anti-Terror-Operation fällt) wahrnimmt und auf der Grundlage eines besonderen Richtlinienpapiers tätig wird, das den Rahmenbestimmungen des föderalen Anti-Terror-Ausschusses entspricht. Der Operationsstab für die Anti-Terror-Operation hat allerdings das Recht, die notwendigen Kräfte und Mittel der föderalen Organe anzufordern, die unmittelbar mit dem Kampf gegen den Terrorismus befasst sind, u.a. auch des Verteidigungsministeriums (Artikel 11). Eine Analyse der oben genannten Definition einer Anti-Terror-Operation sowie verschiedener weiterer Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere des Artikels 2 über die Grundsätze des Kampfs gegen den Terrorismus ("Priorität der Maßnahmen zur Vorbeugung des Terrorismus", "Zusammenwirken offener und verdeckter Methoden des Kampfes", "Priorität des Schutzes der Rechte derjenigen, die aufgrund eines Terrorakts gefährdet sind"), führt zu dem Schluss, dass das Gesetz bei Durchführung einer Anti-Terror-Operation den Spezialdiensten vorrangige Bedeutung einräumt und der Einsatz der Streitkräfte und deren Waffen nur als ergänzende Unterstützung erfolgen kann,in jedem Fall jedoch nicht zu schwerwiegenderen Folgen im Verhältnis zum eigentlichen Terrorakt führen darf, der verhindert werden sollte (Tod von Zivilisten, Zerstörung von Gebäuden, Infrastruktur usw.).

Der breitangelegte Einsatz der schwer bewaffneten Streitkräfte in Tschetschenien erfolgt also ohne überzeugende Rechtsgrundlage durch Verfassung und föderale Gesetze, d.h. in einem rechtlichen Vakuum, das breiten Raum für Willkür und Nichteinhaltung der grundlegenden Verfassungsrechte der Zivilbevölkerung lässt.

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