8 Kritikpunkte an der Anlage des Sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow

(1) Acht Stalinzitate (jeweils auf deutsch und russisch) sind in der Gedenkstätte Treptow unkommentiert und kontextfrei in goldenen Lettern auf den Stirnseiten der „Sarkophage“ eingemeißelt (Stalin gilt heute unumstritten als epochaler Verbrecher; eines der Zitate verweist sogar auf den Hitler-Stalin-Pakt und damit auf Kollaboration mit und Unterstützung von NS-Deutschland).

(2) Die Anlage steht symbolhaft für die Helden-Erzählungen innerhalb des sowjetischen Siegerkultes (keine spätere Zuschreibung, sondern nachweislich bereits in der Architektur-Ausschreibung darauf angelegt).

(3) Verweise auf weitere beteiligte Sowjetnationen fehlen.

(4) Verweise auf die Leistung der Alliierten fehlen komplett: Die Anlage stützt damit massiv die von Stalin bereits 1945 postulierte Lüge und bis heute vom Putinsystem zelebrierten Kult um den alleinigen Sieg über den Nationalsozialismus.

(5) Als Kriegszeitraum wird 1941-1945 benannt; die UdSSR jedoch war durchaus ebenso Aggressor, indem sie 1939 erst in Polen (über 50% des polnischen Territoriums besetzend) und anschließend in Finnland einfiel, den mit Finnland bestehenden Nichtagriffsvertrag ignorierend (Hitler-Stalin-Pakt).

(6) Obwohl ein Großteil der Namen der in der Gedenkstätte begrabenen Militärangehörigen (darunter über 200 Frauen) durchaus bekannt sind bzw. auch schon 1949 waren, werden diese nirgendwo erwähnt = gewünschte sozialistisch-stalinistische Entindividualisierung. Die Anlage ehrt somit nicht die Einzelleistung und das persönliche Opfer der für die Befreiung Berlins gefallenen Menschen, sondert benutzt sie für eine abstrakte Sowjet-Helden-Propaganda (auf die Putin heute wieder Bezug nimmt); die Anlage zeigt damit den höchsten Grad an Anonymisierung aller europäischen Soldatenfriedhöfe.

(7) Am Zugang zur Anlage befinden sich beidseitig identische Informationsschaukästen: Putin als aktuell gesuchter Kriegsverbrecher ist dort (immer noch) fotografisch abgebildet und findet ehrenvoll als Präsident Russlands Erwähnung.

(8) Die 16 „Sarkophage“ (eigentlich Ketophage, da ohne Inhalt) auf der Anlage sollen symbolisch für 16 Sowjetrepubliken stehen. Landläufig sind jedoch nur 15 Sowjetrepubliken bzw. Nachfolgestaaten der UdSSR bekannt. Was hat es also mit der Zahl 16 auf sich? Von 1940-1956 existierte eine zeitgenössisch kaum bekannte Sowjetrepublik - die karelo-finnische SSR; gegründet als Ergebnis des „Winterkrieges“ 1939, den die Sowjetunion gemäß Hitler-Stalin-Pakt gegen Finnland führte. Später wurde diese Republik in die RSFSR integriert und ist als solche bis heute Teil des Staatsgebietes der Russländischen Förderation.

Unser Podcast zum Hitler-Stalin-Pakt

Putins Lügen - Lange Schatten des Hitler-Stalin-Paktes

Zwei Diktatoren teilen heimlich Europa unter sich auf. Ein diplomatischer Handschlag, der den Weg in den Zweiten Weltkrieg mit ebnete. Millionen Menschen in Polen, dem Baltikum und in der Ukraine zahlten den Preis für diesen Pakt mit Besatzung, Gewalt und Tod.

Doch die Schatten der Vergangenheit reichen bis heute: 86 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt – inkl. des geheimen Zusatzprotokolls - ist Osteuropa erneut Schauplatz eines brutalen Angriffskrieges. Russland beruft sich auf historische Narrative, relativiert Grenzen und spielt mit der Geschichte. Was war der Hitler-Stalin-Pakt wirklich? Und welche historischen Parallelen können wir ziehen, gerade vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine.

Darüber sprechen wir in dieser Ausgabe von MEMORIAL-Im Gespräch mit dem Historiker Christoph Meißner vom Museum Berlin-Karlshorst.

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