Jurij Dmitriev wurde heute vom Obersten Gericht Kareliens zu 13 Jahren Haft in strengem Vollzug verurteilt.
Damit folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Dmitrij Ptschelinzev – Aus dem Tagebuch eines politischen Gefangenen
Fast drei Jahre nun sitzt Dmitrij Ptschelinzev schon in Haft. Im Rahmen des Verfahrens „Set“ [Netz] war er im Oktober 2017 in der Stadt Penza verhaftet und wegen Organisation einer terroristischen Vereinigung zu 18 Jahren Strafkolonie unter verschärften Haftbedingungen verurteilt worden. Ein ursprüngliches Geständnis hatte Ptschelinzev später widerrufen und erklärt, dieses sei unter Folter erpresst worden. Zeugenaussagen, Gutachten der Mitglieder der Öffentlichen Beobachtungskommission St. Petersburg sowie veröffentlichte Fotografien bestätigten die Foltervorwürfe.
Am 29. September wird in Petrozavodsk das Berufungsverfahren im Prozess gegen Jurij Dmitriev fortgesetzt. An diesem Tag sollen offenbar bereits die Ergebnisse des vor einer knappen Woche in Auftrag gegebenen erneuten Gutachtens über die Dmitriev zur Last gelegten Fotos vorgelegt werden. Welche Institution mit dieser Aufgabe betraut wurde, ist nicht bekannt. Es standen dafür nicht mehr als vier Arbeitstage zur Verfügung, beim letzten Gutachten, das Dmitriev entlastete, hatten die Experten dagegen mehrere Wochen Zeit.
Die Berufungsverhandlung gegen Jurij Dmitriev vor dem Obersten Karelischen Gericht hat am heutigen 22. September, wie geplant, stattgefunden. Dem Antrag des Anwalts, Viktor Anufriev, den Termin zu verlegen, weil er sich in Quarantäne befindet, wurde erneut nicht stattgegeben.
Am 22. September um 10 Uhr soll die Berufungsverhandlung im Verfahren gegen Jurij Dmitriev vor dem Obersten Gericht Kareliens stattfinden. Die jüngste Entwicklung lässt nichts Gutes erwarten.
Weiterlesen … Berufungsverfahren gegen Dmitriev - Verhalten des Gerichts lässt nichts Gutes ahnen
Der am 30. Juli in Belarus verhaftete Vitalij Shkliarov befindet sich nach Aussagen seines Anwalts nach einem Besuch bei ihm in einem gesundheitlich kritischen Zustand. Shkliarov hatte in der Vergangenheit in Russland Kandidaten der Opposition bei Wahlkämpfen beraten und engagiert sich auch in Belarus schon lange für freie und demokratische Wahlen.
Weiterlesen … Vitali Shkliarov in schlechtem gesundheitlichem Zustand
Wie nicht anders zu erwarten, ist die Überprüfung des Ausstellungsstands von Memorial International auf der Buchmesse in Moskau nicht ohne Folgen geblieben.
Am 10. September wurden wiederum zwei Verfahren eingeleitet, eines gegen Memorial und ein weiteres gegen Jan Raczynski als Vorsitzenden, weil Memorial mehrere Publikationen ohne die erforderliche Markierung der Organisation als „ausländischer Agent“ verbreitet habe.
Erklärung der Internationalen Gesellschaft Memorial
Am 7. September wurde Maria Kalesnikawa, die Führerin der belarussischen Protestbewegung, Mitglied des Koordinationsrats der Opposition, unsere Kollegin, Partnerin, Freundin – von „Unbekannten“ entführt. Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass es sich dabei um Mitarbeiter der Machtstrukturen der Republik Belarus handelte.
Memorial International hat auch in diesem Jahr wieder einen Stand auf der Internationalen Buchmesse in Moskau, die vom 2. bis 6. September stattfindet.
Am 4. September hat die Staatsanwaltschaft den Stand auf Einhaltung der Bestimmungen des „Agentengesetzes“ überprüft.
Weiterlesen … Staatsanwaltschaft überprüft Stand von Memorial auf Moskauer Messe
Am 16. September wird das Oberste Gericht Kareliens das Revisionsverfahren im Prozess gegen Jurij Dmitriev verhandeln.
Jurij Dmitriev war am 22. Juli zu dreieinhalb Jahren Haft strengen Regimes verurteiltworden. Wäre dieses Urteil rechtskräftig geworden, wäre er im November dieses Jahres frei gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Haft gefordert, die Verteidigung dagegen für einen Freispruch plädiert.
Gegen das Urteil war von allen ParteienBerufung eingelegt worden – sowohl von Seiten der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin als auch von Dimitriev selbst, der auf einem vorbehaltlosen Freispruch vor allem auch in dem (einzigen) Anklagepunkt besteht, nach dem er schuldig gesprochen wurde.
Links zu weiteren Informationen zum Fall Dmitriev finden Sie hier.
1. September 2020
Am 15 August wurde Artyom Vazhenkov, Koordinator von „Otkrytaja Rossija“ (Offenes Russland), aus der Haft in Minsk entlassen, wo er mit seinen Kollegen die dortigen Wahlen hatte beobachten wollen. In einem bei Radio Svoboda veröffentlichten Interview berichtet er über die Zustände in der Haftanstalt, von Folter und Erniedrigungen. Wir bringen das Interview leicht gekürzt in Übersetzung.
War es nicht gefährlich den Polizisten zu sagen, dass ihr nach Belarus gekommen seid, um den Ablauf der Wahlen zu beobachten?
Während eines Besuchs in seiner Heimatstadt Homel in Belarus wurde Vitali Shkliarov im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 30. Juli 2020 festgenommen und sitzt seither ohne Angabe von Gründen in Haft. Shkliarov hatte in der Vergangenheit in Russland bereits Kandidaten der Opposition bei Wahlkämpfen beraten und engagiert sich ebenfalls in Belarus schon jahrelang für freie und demokratische Wahlen. Seine Beschwerde über eine unrechtmäßige Verhaftung wurde abgelehnt. Über seinen Anwalt übermittelte er nun eine Erklärung, Kontakte zur Außenwelt werden Shkliarov verwehrt. Wir bringen diese Erklärung leicht gekürzt in Übersetzung.
Artyom Vazhenkov ist heute aus der Haft in Belarus entlassen worden. Eine Anklage gegen ihn wurde bisher nicht erhoben. Nach der Erledigung einiger Formalitäten in der russischen Botschaft (er hat keinen Ausweis bei sich) wird er nach Auskunft von „Otkrytaja Rossija“ nach Russland ausreisen.
Die Ermittlungen gegen ihn (wegen angeblicher Beteiligung an Massenunruhen) werden allerdings fortgesetzt. Untersuchungshaft wurde jedoch nicht angeordnet und seine Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt, wie sein Anwalt betonte. Allerdings ist er verpflichtet, im Falle einer Vorladung vor den Ermittlungsorganen zu erscheinen.
Der Kontakt zu Vazhenkov war am 10. August abends abgebrochen. Kurz danach stellte die staatliche Nachrichtenagentur BelTA ein Video ins Netz, auf dem Misshandlungen mehrerer Festgenommener, auch Vazhenkovs, zu sehen sind.
15. August 2020
Gestern konnte Vazhenkovs Anwalt Anton Gaschinskij seinen Mandanten besuchen und seiner Vernehmung beiwohnen. Am 9. August brach bereits der Kontakt zu Vazhenkov ab, und am 11. August wurde das Video ins Netz gestellt, auf dem er nach seinen Misshandlungen zu sehen ist.
Nachfolgend ein Interview mit Gaschinski, das Dmitrij Kotschetov für "Umnyj gorod" geführt hat.
Nach jüngsten Informationen wurden Kostjantin Reutskyj und Jevhen Vasyljev inzwischen freigelassen und befinden sich auf dem Heimweg.
Artem Vazhenkov befindet sich nach wie vor in Haft. Angehörige bekommen keinen Kontakt zu ihm. Sein Anwalt hat ihn gestern besucht und berichtet von schweren Misshandlungen.
14. August 2020
Weiterlesen … Belarus: Ukrainische Festgenommene freigelassen. Vazhenkov weiterhin in Haft
Nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus wurden im Zusammenhang mit Protesten gegen Wahlfälschung mehrere tausend Personen festgenommen. Darunter befinden sich auch Aktivisten aus dem Ausland, darunter der Ukraine und Russland. Einige der Festgenommenen wurden inzwischen wieder freigelassen oder zu Haftstrafen von bis zu 15 Tagen verurteilt.
Erklärung von Memorial International
Die groben Fälschungen der Präsidentschaftswahlen durch die Behörden in Belarus haben Massendemonstrationen von empörten Bürgern in der gesamten Republik ausgelöst.
Ein Moskauer Bezirksgericht hat am 6. August 2020 alle sieben noch verbliebenen Angeklagten im Verfahren Novoe Velitschie (Neue Größe) der Gründung einer extremistischen Organisation (Art. 282.1 StGB RF) für schuldig befunden. Am 15. März 2018 waren in Moskau zehn Personen verhaftet worden, denen man die Gründung einer extremistischen Vereinigung namens „Novoe Velitschie“ (Neue Größe) und die Planung eines Staatsstreichs zur Last legte.
Inzwischen haben alle beteiligten Parteien gegen das am 22. Juli gegen Jurij Dmitriev ergangene Urteil Berufung eingelegt, sowohl die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger als auch Dmitriev selbst. Dmitriev geht es darum, einen vollständigen Freispruch zu erreichen.
Die Berufungsklagen werden vom Stadtgericht geprüft und dann ans Oberste Gericht Kareliens übergeben.
Dmitriev befindet sich nach wie vor im Untersuchungsgefängnis in Petrosavodsk.
7. August 2020
Die Staatsanwaltschaft hat für die Angeklagten im Verfahren „Novoe Velitschie“ (Neue Größe) Mitte Juli zum Teil hohe Haftstrafen gefordert: Demgemäß sollen Ruslan Kostylenkov 7 Jahre und 6 Monate, Vjatscheslav Krjukov 6 Jahre und Petr Karamzin 6 Jahre und 6 Monate in Haft. Für die übrigen Angeklagten wurden Bewährungsstrafen beantragt: 4 Jahre für Anna Pavlikova, 6 Jahre für Maria Dubovik, 6 Jahre und 6 Monate für Dmitrij Poletaev und Maksim Roschtschin.
Das Menschenrechtszentrum Memorial hat sie alle als politische Gefangene anerkannt.