Nachrichtenarchiv

2015

Zum Mord an Boris Nemzow

Erklärung der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

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Neuer Anklagepunkt gegen Oleg Sentsov

Sentsov und Koltschenko bestehen auf ukrainischer Staatsbürgerschaft

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MEMORIAL: Ildar Dadin, Vladimir Ionov und Mark Galperin werden aus politischen Gründen verfolgt

Am 16. Januar wurden gegen Vladimir Ionov und Mark Galperin und am 30. Januar gegen Ildar Dadin die ersten Strafverfahren wegen des neuen § 212.1 StGB RF (mehrfacher Verstoß gegen die Vorschriften zur Organisation oder Durchführung von Versammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen, Märschen oder Mahnwachen) eingeleitet. Jedem von ihnen werden vier Verstöße gegen die Vorschriften zur Organisation oder Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen innerhalb von 180 Tagen zur Last gelegt.


Gegen Ionov und Galperin (Galperin verbüßt bis zum 14.Februar noch eine Ordnungshaft von dreißig Tagen) wurde als Maßnahme eine Einschränkung der Freizügigkeit verhängt, die verbietet, dass sie Moskau verlassen; gegen Dadin wurde Hausarrest verfügt.


Wir gehen davon aus, dass die Verfolgung der Aktivisten rechtswidrig ist und aus politischen Motiven erfolgt - schon allein deswegen, weil sie sich auf § 212.1 StGB RF stützt.


Dieser Paragraph zielt ebenso wie § 20.2 Punkt 8 des Verwaltungsstrafrechts der RF (der den wiederholten Verstoß gegen die Vorschriften zur Organisation oder Durchführung von Versammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen, Märschen oder Mahnwachen unter Strafe stellt) darauf ab, die Machtstellung der herrschenden Strukturen zu festigen und zu erhalten. Dies geschieht durch eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit; öffentliche Aktivitäten von Personen, die die Versammlungsfreiheit wahrnehmen, um die Machtorgane zu kritisieren, werden mit Zwangsmitteln unterbunden.


Der rechtswidrige Charakter des § 212. 1 StGB RF ist dadurch bedingt, dass er:


- die wiederholte Bestrafung für ein und denselben Rechtsverstoß vorsieht;


- das Vorliegen eines Straftatbestandes davon abhängig macht, dass die Person ordnungsrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde und sie damit der Garantien beraubt, die in der Strafprozessordnung festgeschrieben sind;


- das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz verletzt, indem er eine wiederholte Ordnungswidrigkeit, die die Persönlichkeit des Delinquenten charakterisiert, zum einzigen qualifizierenden Merkmal für die Begehung einer Straftat macht;


- eine Verantwortung festschreibt, die offensichtlich nicht dem anzunehmenden Gefährlichkeitsgrad für die Gesellschaft entspricht;


- entgegen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Russischen Föderation und der Haltung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ohne hinreichenden Grund die Freiheit friedlicher Versammlungen einschränkt (siehe auch die Erklärung des Menschenrechtszentrums MEMORIAL mit dem Titel „Die neue Gesetzgebung vernichtet die Versammlungsfreiheit in Russland“).


Die Rechtswidrigkeit und den politischen Charakter der Strafverfolgung von Ionov, Galperin und Dadin bestätigen auch die tatsächlichen Umstände der Fälle: die zahlreichen Verletzungen und Fälschungen im Rahmen der Ordnungswidrigkeitsverfahren; die Willkür der ordnungsrechtlichen Verfolgung – festgenommen wurden Oppositionsaktivisten, nicht aber die Regierungsanhänger, die ihre Aktionen störten; die prozessualen Verstöße bei der Einleitung der Strafverfahren.


Aufgrund dieser Umstände betrachten wir die Verfolgung von Ionov, Galperin und Dadin als rechtswidrig und politisch motiviert und Ildar Dadin, der unter Hausarrest steht, als politischen Gefangenen.


Die Strafverfolgung von Ionov, Galperin und Dadin muss umgehend und bedingungslos eingestellt werden.


Die Anerkennung als rechtswidrig Verfolgter aus politischen Motiven oder als politischer Gefangener bedeutet weder das Einverständnis des Menschenrechtszentums MEMORIAL mit den Ansichten und Aussagen der anerkannten Personen noch eine Befürwortung ihrer Äußerungen und Handlungen.



Übersetzung: Martina Steis


5. Februar 2015


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Lech Walęsa schlägt MEMORIAL für den Friedensnobelpreis vor

Der ehemalige Präsident Polens und Friedensnobelpreisträger Lech Walęsa hat die Internationale Gesellschaft MEMORIAL für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Walęsa würdigte die Verdienste von MEMORIAL bei der Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit. Allerdings beschränke sich die Arbeit von MEMORIAL nicht allein auf die Geschichte. Mitglieder der Organisation seien auch in Konfliktzonen wie im Nordkaukasus aktiv und dokumentierten Informationen über Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch durch staatliche Behörden oder die Armee.

Darüber hinaus leiste die Gesellschaft MEMORIAL einen wichtigen Beitrag zur Entstehung einer Zivilgesellschaft. Es gehe hier um Dialog, nicht um oppositionelle Aktivitäten. Dennoch sei MEMORIAL ständig bedroht und werde allen möglichen Schikanen ausgesetzt, die von bürokratischen Prozeduren und Überprüfungen bis zur Diskriminierung als „ausländischer Agent“ reichten. Mit dieser Etikettierung soll die Organisation in der Öffentlichkeit als "Verräter" gebrandmarkt werden.

Lech Walęsa: „MEMORIAL führt die Arbeit eines ihrer Gründer fort - des Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow. Zweifellos ist die Organisation dieses Preises würdig. Die Auszeichnung von MEMORIAL könnte ein deutliches Zeichen dafür setzen, dass die Welt in Russland ein Land sehen möchte, das nicht für Konfrontation und und Unrecht steht, sondern für den Dialog.

4. Februar 2015

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Russische NGOs weiter unter Druck

Ende Januar hat eine erneute Welle von Überprüfungen russischer Nichtregierungsorganisationen eingesetzt. Alle betroffenen NGOs haben in der letzten Zeit schon mehrere ähnliche Überprüfungen hinter sich gebracht.

So soll die Moskauer Abteilung von Transparency International von Vertretern der Staatsanwaltschaft daraufhin geprüft werden, ob sie „Funktionen eines ausländischen Agenten ausübt“. Zu diesem Zweck sollte sie bis zum 2. Februar etliche Dokumente vorlegen, darunter die Satzung, Verträge mit Sponsoren, Zahlungsbelege, Berichte über durchgeführte Veranstaltungen und Veröffentlichungen in den Medien.

Darüber hinaus wurde verlangt, die Abrechnungen und Rechenschaftsberichte gegenüber Sponsoren in russischer Sprache vorzulegen. Da diese Abrechnungen gegenüber der Dachorganisation Transparency International erfolgen, sind sie in englischer Sprache verfasst und mussten jetzt eigens innerhalb von drei Tagen übersetzt werden. Die vorgeschriebenen Rechenschaftsberichte an das Justizministerium liegen natürlich auf Russisch vor und sind im Internet einzusehen.

Auch die Moskauer Helsinki-Gruppe wird überprüft. Die Helsinki-Gruppe bekommt keinerlei Gelder aus dem Ausland. Wegen kritischer Äußerungen gegenüber der russischen Politik wurde sie kürzlich von Georgij Fedorov, einem Mitglied der Gesellschaftskammer, attackiert. Fedorov äußerte Zweifel, dass die Organisation ordnungsgemäß besteuert werde und dass sie Zuschüsse, die sie u. a. vom Staat erhalten habe, bestimmungsgemäß verwendet habe.

Organisationen, die oppositionelle Ansichten unterstützen und eine „offen antirussische Position“ vertreten, kümmerten sich laut Fedorov nicht um Menschenrechte, sondern seien entgegen ihrer Bestimmung politisch tätig. Darüber hinaus sei Ljudmila Alexejeva amerikanische Staatsbürgerin: „Für mich ist damit alles äußerst klar.“ Ljudmila Alexejeva war 1977 aus der Sowjetunion in die USA ausgereist, um einer Verhaftung zu entgehen. Sie besitzt daher – neben der russischen – auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Ebenfalls betroffen ist die Flüchtlingshilfsorganisation „Bürgerunterstützung“ (Grazhdanskoe sodejstvie), die von Svetlana Gannuschkina geleitet wird. Hier soll überprüft werden, ob die Organisation gegen geltendes Recht verstößt. Zu dem Zweck wurde ihr am 31. Januar mitgeteilt,dass sie bis zum 2.Februar eine ähnlich umfangreiche Dokumentensammlung vorlegen wie die Helsinki-Gruppe. Dazu gehören auch „Berichte über Publikationen in den Medien, einschließlich Internet, sowie über andere Medienauftritte (in Rundfunk, Fernsehen) unter Vorlage der Dokumente, auf Grund deren die genannte Tätigkeit durchgeführt wurde (Verträge, Vereinbarungen, Einladungen).“ Außerdem wurden Dokumente verlangt, die „bestätigen, dass die Rechenschaftsberichte dem Justizministerium der Russischen Föderation rechtzeitig und vollständig vorgelegt wurden“.

Svetlana Gannuschkina ersuchte die Staatsanwaltschaft um eine schriftliche Erklärung, welche Information über eine evtl. Gesetzesverletzung Grund für die Überprüfung sei und welchen Bezug die verlangten Dokumente zu diesem Vorgang hätten. Die Organisation sei nicht in der Lage, der Staatsanwaltschaft mehrere Kilogramm von Dokumenten vorzulegen.

2. Februar 2015

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Gesetz gegen "unerwünschte" ausländische und internationale Organisationen geplant

Ende November wurde ein Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, wonach ausländische oder internationale Organisationen, die u. a. die Verteidigungsfähigkeit oder Sicherheit des Staats oder die Gesellschaftsordnung gefährden, für „unerwünscht“ erklärt und in ein entsprechendes Verzeichnis aufgenommen werden sollen.

Ihre Tätigkeit in Russland soll unterbunden werden; Mitgliedern solcher Organisationen kann die Einreise verweigert werden. Wer Geld oder andere Vermögenswerte von ihnen erhält, wird mit einer Verwaltungsstrafe belegt.

Der Entwurf wurde von den Abgeordneten Alexander Tarnavskij (Gerechtes Russland) und Anton Ischtschenko (LDPR) vorgelegt, er wurde inzwischen bearbeitet und am 14. Januar vom Verfassungsausschuss der Duma diskutiert. Am 20. Januar soll er in erster Lesung behandelt werden.

19. Januar 2015

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Forum "Staat und Zivilgesellschaft" diskutiert über NGOs und "politische Tätigkeit"

Am 14. und 15. Januar hat in der Moskauer Universität (MGU) das Forum „Staat und Zivilgesellschaft“ stattgefunden. Auf diesem Forum ist Präsident Putin auf die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen eingegangen, die im politischen Bereich tätig sind. Der Staat wolle diese NGOs durchaus unterstützen.

NGOs sollten sich vor allem nationalen Aufgaben widmen, der Verbesserung des politischen und rechtlichen Systems, eben dies sei Menschenrechtsarbeit. Sie sollten sich jedoch mit nicht parteipolitischen Fragen im engeren Sinne befassen, andernfalls ginge das eigentliche Wesen der NGOs verloren.

Putin wies jedoch darauf hin, dass all diese Begriffe noch einer genauen Definition bedürften. Was eine NGO sei und worin „politische Tätigkeit“ bestehe, sei genau zu definieren. Auch die Bestimmung einer „sozial orientierten“ NGO sei reichlich ungenau. Bevor man steuerliche Begünstigungen in Angriff nehme, müsste man hier Klarheit schaffen.

Zum Begriff der politischen Tätigkeit äußerten sich auch andere Teilnehmer des Forums. Justizminister Konovalov vertrat die Auffassung, dass der Begriff der „politischen Tätigkeit“ gesetzlich nicht erschöpfend geklärt werden könnte und dass sich dies im Laufe der gerichtlichen Praxis ergeben müsse.

Alexander Bretschalov, Sekretär der Gesellschaftskammer, meinte dagegen, dass dies im Gesetz anhand einer Auswahl von Kriterien definiert werden müsse. Politische Tätigkeit hänge mit Wahlen und deren Vorbereitung, Kundgebungen und Mahnwachen zusammen. Allerdings führten auch soziale NGOs Demonstrationen durch, hier müsse dann unterschieden werden, ob es sich dabei um politische Tätigkeit handle oder nur um einen Weg, um die Regierung auf soziale Probleme hinzuweisen.

Für Grigorij Melkonjanz, Kovorsitzender von Golos, besteht politische Tätigkeit ausschließlich im Kampf um die Macht. Der Einsatz für die Verbesserung staatlicher Institutionen, Wahlüberwachung, Verbesserung der Wahlgesetzgebung, falle nicht darunter. Putin habe den Impuls gegeben, diese Abgrenzung vorzunehmen.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation Ella Pamfilova folgte in ihrer Einschätzung Melkonjanz. Der Appell an die öffentliche Meinung sei das Ziel jeder NGO und habe nichts mit politischer Tätigkeit zu tun. Es müssten genaue Kriterien bestimmt werden, andernfalls bestehe die Gefahr, dass Organisationen, die Kritik an der Regierung üben und insbesondere die, die Korruption und Willkür bekämpfen, als missliebig eingestuft werden.

18. Januar 2015

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