Nachrichtenarchiv

2017

Wende im Prozess gegen Jurij Dmitriev?

Neues Gutachten findet keinen Hinweis auf Pornographie

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Zum Tode von Arsenij Roginskij (1946-2017)

geb. am 30. März 1946 in Welsk, Gebiet Archangelsk, UdSSR, gest. am 18. Dezember 2017 in Herzliya bei Tel Aviv, Israel

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Arsenij Roginskij verstorben

Arsenij Roginskij ist heute in Israel verstorben.

Ein Nachruf folgt später.

18. Dezember 2017

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Kongress zum Schutz der Menschenrechte in Moskau

Vom 26. bis 27. November fand in Moskau der „Zweite Allrussische Kongress zum Schutz der Menschenrechte“ statt. Teilnehmer waren Vertreter einer Reihe von Non-Profit-Organisationen, einschließlich regionaler Gruppen, die die Situation im Land, die wesentlichen Bedrohungen sowie negative Tendenzen im Bereich der Menschenrechte diskutierten.

Der Kongress war thematisch sehr breit gefächert. Natalia Taubina, Direktorin von „Public Verdict“ berichtete über Folterungen von Häftlingen durch Organe des Innenministeriums (MWD), Svetlana Gannuschkina, Leiterin der Flüchtlingsorganisation „Bürgerunterstützung“ über die Rechtlosigkeit von Flüchtlingen und Migranten, Sergej Krivenko, Leiter der Menschenrechtsorganisation „Bürger und Armee“ über schwerwiegende Probleme von Wehrpflichtigen und Soldaten.

Der Menschenrechtler Valerij Borschtschev analysierte die Lage der ONK, der gesellschaftlichen Beobachtungskommissionen, die die Einhaltung der Menschenrechte in Hafteinrichtungen kontrollieren sollen:
„Als wir das Gesetz (zu den ONK) vorbereiteten, dachten wir an eine Reihe von Zivilschutzgesetzen. Das sollte auch eine Überwachung von psychiatrischen Einrichtungen, von Behindertenheimen und der Armee umfassen. Aber leider gelang es nicht, diese Gesetze durchzusetzen. In dem von uns vorgeschlagenen Gesetzesprojekt sollten die Mitglieder der ONK vom Menschenrechtsbeauftragten der RF bestätigt werden. Aber dann entstand die Gesellschaftskammer, und diese Aufgabe wurde ihr zugewiesen, was ein großer Fehler war. [...] Die Zusammensetzung der vierten ONK im letzten Jahr bedeutete de facto die Einstellung der gesellschaftlichen Kontrolle. [...] Keiner der führenden Menschenrechtler war vertreten. Wir müssen feststellen, dass die Gesellschaftskammer beim Aufbau der ONK gescheitert ist.“

Der Vortrag von Oleg Orlov, Vorstandsmitglied im Menschenrechtszentrum Memorial, hatte Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zum Thema. Als Beispiel führte er die prophylaktische Registrierung religiöser Extremisten und potentieller Terroristen im Kaukasus an: „Das ist das beste Geschenk, das man Terroristen machen kann, wenn Tausende von Menschen auf solchen Listen landen. Diese Menschen beginnen dann, sich zum Staat anders zu verhalten, und werden immer empfänglicher für Propagandisten und Terroristen, die ihnen sagen: ‚Im Rahmen dieses Staates kannst du deine Rechte nicht schützen.‘ Wir verstehen, dass der Kampf gegen den Terrorismus energische Maßnahmen erfordert. Der Staat hat die Pflicht, Gewalt anzuwenden, aber dies darf nur im Rahmen des Gesetzes geschehen“, betonte Orlov.

Im Ergebnis wurde zu den diskutierten Fragen eine Resolution mit konkreten Vorschlägen verabschiedet. Die Menschenrechtler fordern die Abschaffung der diskriminierenden Gesetze zur Registrierung von NGOs und Massenmedien als „Ausländische Agenten“ und des Gesetzes über „Unerwünschte Organisationen“. Außerdem fordern sie die sorgfältige Untersuchung von Attentaten auf Journalisten. Nicht nur die Ausführenden, sondern auch ihre Hintermänner und Anstifter seien zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem müssten die Unabhängigkeit der Gerichte und Transparenz bei der Rechtsprechung garantiert sein.

Des weiteren riefen die Teilnehmer dazu auf, das Zentrum "E" [Zentrum für den Kampf gegen Extremismus; Anm. d. Übs.] in seiner jetzigen Form aufzulösen, da es dazu dient, ideologische Gegner der Staatsmacht zu verfolgen, anstatt einen wirklichen Kampf gegen Terrorismus und Extremismus zu führen.

Zusammenstellung und Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

6. Dezember 2017

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Justizministerium verhängt Strafe gegen „Komitee zur Verhinderung von Folter“

Das Menschenrechtsorganisation „Komitee zur Verhinderung von Folter“ wurde auf Forderung des Russischen Justizministeriumswegen der Weigerung sich als „Ausländischen Agenten“ zu bezeichnen, mit einer Strafzahlung von 400 000 Rubel (ca. 5.800 Euro) belegt. Das berichtet der Leiter der Organisation Igor Kaljapin.

Das Komitee zur Verhinderung von Folter hatte früher unter der Bezeichnung „Komitee gegen Folter“existiert. Vor zwei Jahren schon hatten sich die Menschenrechtler unter der geänderten Bezeichnung neu registriert, um sich nicht als „ausländischer Agent“ kennzeichnen zu müssen. Gegenwärtig wird das rückgängig gemacht, und die Nischni Nowgoroder Organisation firmiert wieder unter ihrem ursprünglichen Namen. Somit wurde die Strafe gegen eine Organisation verhängt, die sich - nach den Worten Kaljapins – schon seit zwei Monaten im Stadium der Liquidation befindet.

„Ich kann diese nekrophilen Neigungen des Justizministeriums nicht nachvollziehen“, teilte Igor Kaljapin einem Korrespondent von Radio Svoboda mit. „Sobald wir das Prozedere der Liquidation einer weiteren juristischen Person starten, erinnern sie sich plötzlich und beginnen beharrlich daran zu arbeiten, eine tote Organisation zu bestrafen. Offenbar erfüllt man so das Plansoll an Repressionen.“

Der Menschenrechtler bemüht sich, jene zu beruhigen, die sich um das Schicksal einer der heute bekanntesten Menschenrechtsorganisationen Russland Gedanken machen: „Keine Sorge, alles ist in Ordnung. Wir verschwinden nirgendwo hin. Seit dem 19. Juli 2017 arbeiten wir wieder als Komitee gegen Folter. Wir sind zu unserer ursprünglichen Bezeichnung zurückgekehrt. Wir sind keine ‚ausländischen Agenten‘, macht euch keine Sorgen“, resümiert Igor Kaljapin.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

22. November 2017

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Publikation von Memorial International über Zwangsarbeiter erhält Auszeichnung

Die 2016 erschienene Publikation „Знак не сотрется“ („Das Zeichen lässt sich nicht auswischen“) von MEMORIAL ist am 16. November mit dem Preis „Prosvetitel“ („Aufklärer“) ausgezeichnet ins Leben gerufen und wird nach der Auflösung von „Dinastija“ (nach der Registrierung als „ausländischer Agent) von der

Der fast 400 Seiten starke Band von MEMORIAL (herausgegeben von Aljona Kozlova, Irina Ostrovskaja, Irina Scherbakova und Nikolaj Michajlov) dokumentiert das Schicksal von Zwangsarbeitern, die im Krieg aus der Sowjetunion nach Deutschland verschleppt und dort zur Arbeit eingesetzt wurden. Er enthält u. a. Auszüge aus Interviews mit Betroffenen, Erinnerungen, faksimilierte Dokumente und präsentiert so ein „Mosaik der Erinnerung der ehemaligen ‚Ostarbeiter‘ aus den verschiedensten Quellen“, wie es im Vorwort heißt. Der Zeitraum bleibt nicht auf den erzwungenen Aufenthalt in Deutschland beschränkt, sondern bezieht die Vorgeschichte sowie das Schicksal der Zwangsarbeiter nach ihrer Befreiung und Rückkehr in die Sowjetunion mit ein.


Viele der Interviews,die dem Band zugrundeliegen und im Laufe etlicher Jahre aufgezeichnet wurden, wurden inzwischen digitalisiert und sind online
zugänglich (ein Projekt, das die Stiftung EVZ – Erinnerung, Verantwortung, Zukunft – maßgeblich gefördert hat).

Die Auszeichnung kommt nicht zuletzt auch der Verbreitung der Publikation zugute, denn sie wird nun an alle wissenschaftlichen Bibliotheken in Russland versandt.

19. November 2017

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Memorial erkennt Denis Bacholdin als politischen Gefangenen an

Der Moskauer Aktivist Denis Bacholdin, der im Herbst 2014 in die Ukraine emigrierte, befindet sich seit März 2017 in Brjansk in Untersuchungshaft. Er wird der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigt (Art. 282, Abschn. 2 des StGB der RF). Ihm drohen bis zu 6 Jahren Freiheitsentzug. Es wird behauptet, Bacholdin sei während seines gesamten Aufenthalts in der Ukraine Mitglied des in Russland verbotenen „Rechten Sektors“ gewesen.

Bacholdin wurde auf dem Weg zu seiner Mutter nach Russland im Grenzgebiet festgenommen. Nach eigenen Aussagen wurde er mit Handschellen an einen Heizkörper gebunden und auf Beine und Kopf geschlagen, man forderte von ihm ein Geständnis. Bacholdin verweigerte dies jedoch und lehnte eine Mitarbeit bei den Ermittlungen ab. Einziger momentaner Anklagepunkt ist die Mitgliedschaft im „Rechten Sektor“.

Die Untersuchungen wurden nachlässig geführt: Als Beginn des „Verbrechens“ setzte man den 24. Oktober fest (das ist der Tag, an dem Bacholdin die weißrussisch-ukrainische Grenze passierte), obwohl der „Rechte Sektor“ erst am 17. November 2014 durch das Oberste Gericht der RF verboten wurde.

Das Menschenrechtszentrum Memorial prüfte die Entscheidung des Obersten Gerichts zum Verbot des „Rechten Sektors“ und kommt zu dem Schluss, dass dessen Argumente keiner Kritik standhalten: Grundlage des Verbots sind Mutmaßungen und ungeprüfte Fakten einschließlich eines gefälschten Schreibens von Dmytro Jarosch an Doku Umarov, dessen Urheberschaft der „Rechte Sektor“ dementiert. Das Menschenrechtszentrum Memorial ist der Auffassung, dass ein Verbot, welches auf solche Weise zustande gekommen ist, einer Strafverfolgung nicht zugrunde liegen kann.

Das Menschenrechtszentrum Memorial vertritt die Ansicht, dass Denis Bacholdin ohne tatsächliche Rechtsverletzung die Freiheit entzogen wurdeund fordert seine Freilassung.

Die Anerkennung von Personen als politische Gefangene durch Memorial bedeutet keine Übereinstimmung oder Billigung mit deren Ansichten, Äußerungen und Handlungen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

17. November 2017

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Festgenommene der Proteste vom 26. März wenden sich an Europäischen Gerichtshof

Anwälte des Menschenrechtszentrums Memorial haben sich mit einer Klage von 12 Personen, die an den Protestveranstaltungen vom 26. März teilgenommen hatten, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt.

Sie klagen gegen Verletzung der Artikel 3 (Verbot der Folter), 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit), 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) und 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Alle Kläger, mit Ausnahme von Aleksandr Djatschenko, hatten an den von Aleksej Navalnyj organisierten Protesten am 26. März in Moskau teilgenommen und waren festgenommen worden.

Bei den Verhaftungen war es zu unterschiedlichen Rechtsverstößen gekommen. Die Antragsteller wurden am selben bzw. am darauffolgenden Tag wieder freigelassen. Die Fälle waren im Tverskoj Gericht in Moskau verhandelt worden. Das Gericht sprach alle Antragsteller schuldig. Gegen diese Entscheidung wurde beim Moskauer Stadtgericht Berufung eingelegt. Im Fall von neun Personen blieben die Urteile in Kraft.

Nach Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht das vom Russischen Gericht gegen die Antragsteller verhängte Urteil in keinem Verhältnis zu deren Taten.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

5. November 2017

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MEMORIAL International verliert Klage gegen REN TV

MEMORIAL International hat vor Gericht in erster Instanz eine Klage gegen REN TV verloren.

Die Klage richtete sich gegen die diffamierende Berichterstattung des Senders über den Festakt zum Abschluss des Schülerwettbewerbs im Frühjahr 2016. In der Sendung wurde behauptet, Memorial vermittle den Kindern die Ansicht, die Nationalsozialisten hätten in der UdSSR „europäische Werte“ etablieren wollen.

Memorial hatte sich zunächst an den Presserat gewandt, der der Organisation in vollem Umfang Recht gab. Die Berichterstattung sei kein Journalismus, sondern reine Propaganda, um Memorial zu diskreditieren.

Memorial wandte sich daraufhin mit einer Klage ans Gericht. Das zuständige Moskauer Bezirksgericht wies die Klage indes am 3. Oktober Begründung für dieses Urteil vor.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die oben zitierte Behauptung der Sendung über Memorial nichts enthalte, was Memorial belaste, da sie weder eine Gesetzesverletzung noch unredliches oder unmoralisches Verhalten unterstelle.

Marina Agalzowa, die Memorial bei Gericht vertrat, bemerkt hierzu: Das Gericht „sieht in den Aussagen, dass Hitler der UdSSR europäische Werte gebracht hat, nichts Belastendes. Es behauptet also, dass Memorial damit keine amoralische oder gesetzwidrige Handlung nachgesagt wird. Mit anderen Worten, es ist demnach in Ordnung und zulässig, zu sagen, Hitler habe der UdSSR Gutes und Positives gebracht.“ Unverständlich bleibe hierbei nur, wie sich diese Auffassung des Gerichts mit dem Verbot der Rehabilitierung des Nationalsozialismus (Art. 354.1 StGB der Russischen Föderation) in Einklang bringen lasse.

4. November 2017

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Denkmal für Opfer des Stalinismus in Moskau eingeweiht

Am 30. Oktober wurde in Moskau das Denkmal für die Opfer der sowjetischen politischen Verfolgungen

Das Denkmal stellt menschliche Figuren – die Opfer der Repressionen – dar, darauf steht das Wort „Gedenke“ in 22 Sprachen. Das Terrain um das Denkmal ist mit Steinen gepflastert, die aus ehemaligen Lagern und Gefängnissen des GULAG stammen.

Mit der Aufstellung des Denkmals wird eine der zentralen Forderungen erfüllt, mit denen MEMORIAL seinerzeit angetreten war.

Aufgrund der aktuellen Menschenrechtssituation in Russland war die Reaktion hierauf zwiespältig. Ein heftiger Protest kam von einer Reihe ehemaliger politischer Häftlinge, die angesichts der heutigen politischen Situation und der Tatsache, dass es auch heute politische Gefangene in Russland gibt, kategorisch jede Kooperation mit dem Staat im Zusammenhang mit Gedenkaktionen ablehnen: „Man kann sich nicht an Gedenkmaßnahmen der Machthaber beteiligen, die die Opfer des Sowjetregimes verbal beklagen, in der Tat jedoch die politischen Verfolgungen fortsetzen und die Freiheit im Land unterdrücken. Man darf nicht zulassen, dass die autoritäre Regierung einerseits Denkmäler für Opfer von Verfolgungen einweiht und andererseits Willkür und Gesetzlosigkeit schafft. Eine Zusammenarbeit mit der Regierung in dieser Frage ist zumindest

Das Denkmal sei „ein Zeichen der Anerkennung der Verbrechen, die in den 30er Jahren begangen wurden. Leider ist diese Tragödie noch immer nicht zu einem Ende gekommen.
Bekanntlich nahmen die Stalinschen Verfolgungen mit einer Hetzjagd gegen Oppositionelle in der Presse und auf Parteiversammlungen ihren Anfang, und sie endeten mit den Foltern in den Kellern der Lubjanka, mit Hinrichtungen durch Genickschuss und mit Massenerschießungen. Heute, achtzig Jahre später, möchten wir die Regierung darauf aufmerksam machen, dass die Atmosphäre in den letzten Jahren, seit 2012, zu Besorgnis Anlass gibt: Anstelle der alten Begriffe – ‚Volksfeind‘, ‚Spion‘ oder ‚Schädling‘ wurden neue Termini eingeführt, die sich von den vorigen allerdings kaum unterscheiden: ‚ausländischer Agent‘, eine ‚unerwünschte Organisation‘, ‚fünfte Kolonne‘.(...)

Die Aufstellung eines Denkmals für politisch Verfolgte des Stalin-Regims muss eine Garantie dafür werden, dass unsere Nachkommen nach achtzig Jahren nicht ein weiteres Denkmal einweihen müssen, für die Opfer der Verfolgungen der Zehner und Zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts.

Diese Erklärung wurde von über 2000 Personen Listen politischer Gefangener (mit Stand vom 29. Oktober), in denen insgesamt 117 Personen verzeichnet sind.

31. Oktober 2017

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Bundespräsident Steinmeier bei MEMORIAL International in Moskau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat MEMORIAL International am 25. Oktober anlässlich seiner Moskau-Reise besucht.
Nachdem er das Archiv und die Bibliothek besichtigt und mit den Mitarbeitern diskutiert hatte, hinterließ er folgenden Eintrag im Gästebuch:

„Dank und Anerkennung unseren russischen Freunden von Memorial, die eine ebenso schwierige wie wichtige Arbeit leisten. Die Vergangenheit zu kennen, sie nicht zur Waffe zu schmieden, sondern mit all’ ihren hellen und dunklen Seiten anzunehmen, ist Grundlage für eine friedliche Zukunft.
Herzliche Grüße und auf Wiedersehen,
Ihr
Frank-Walter Steinmeier
25. Okt. 2017“

29. Oktober 2017

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Artjom Tschijgoz und Ilmi Umerov in die Türkei ausgeschafft

Die beiden Krimtataren Artjom Tschijgoz und Ilmi Umerov wurden in die Türkei ausgeschafft. In den nächsten Tagen werden sie jedoch in Kiew erwartet.

Beide lebten auf der Krim und waren kürzlich aus politischen Gründen verurteilt worden - Artjom Tschijgoz zu acht Jahren Haft (ihm wurde die Anstiftung von Massenunruhen unterstellt) und Ilmi Umerov zu zwei Jahren (dieses Urteil war noch nicht rechtskräftig).

Die genauen Umstände ihrer Entlassung und ihres Transports in die Türkei sind bisher nicht bekannt, er lief offenbar unter strenger Geheimhaltung ab. Für eine Begnadigung gibt es keine offizielle Bestätigung. Refat Tschubarow, der Vorsitzende des Medzhlis, der in Russland inzwischen verbotenen Vertretung der Krimtataren, geht davon aus, dass Tschijgoz und Umerov die Rückkehr auf die Krim verwehrt werden soll.

26. Oktober 2017

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Appell von Ljudmila Ulizkaja zugunsten von Jurij Dmitriev

Neben vielen anderen Künstlern und Schriftstellern hat sich auch Ljudmila Ulizkaja im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jurij Dmitriev zu Wort gemeldet – sie richtet einen eindringlichen Appell an die Staatsanwaltschaft und das Gericht in Petrozavodsk.

Sehr geehrter Herr Staatsanwalt! Sehr geehrte Richterin!

Ich bin noch nie in eine Situation gekommen, dass ich mich meiner Auszeichnngen hätte rühmen wollen, aber in diesem Fall füge ich eine entsprechende Liste an – in der Hoffnung, Gehör zu finden.

Das Verfahren gegen Jurij Dmitriev bewegt die gesamte russische Gesellschaft, und nicht nur jene, die sein fast dreißigjährigen heroisches und segensreiches Wirken kennen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen von Berufs wegen klar sein muss, in welchem Maße sämtliche Anschuldigungen gegen ihn ohne Beweisgrundlage und erfunden sind.

Gerade deshalb entsteht bei allen vernünftigen Personen der Eindruck, dass Sie Gefangene einer schwierigen Situation sind, in der Sie genötigt sind, als botmäßige Angestellte zu agieren und nicht als unabhängige Bürger, die die Wahrheit über einen Menschen sagen können, der kein einziges der Verbrechen begangen hat, die man ihm vorwirft. Ich kann nur mutmaßen, wie weit ihre Abhängigkeit von Ihren Vorgesetzten geht und wie schwierig Ihre Lage ist, wenn man Sie auffordert, etwas zu tun, was negative Folgen für Ihre weitere Karriere haben kann.

Die letzten Jahre denke ich oft darüber nach, dass jeder Mensch seine persönliche Grenze für die Angst, für den Schmerz und für die Scham hat, und es ist sehr wichtig, dass sich der Mensch diese Grenzen bewusst macht.

Dennoch wende ich mich an Sie in der Hoffnung, dass Sie mir Gehör schenken: Von ihrer persönlichen Redlichkeit, dem Gefühl für Ihre eigene Würde hängt nicht nur das Schicksal Jurij Dmitrievs ab, eines der würdigsten und großartigsten Menschen unserer Zeit in unserem Land, sondern auch Ihre eigene Reputation. Ihre Entscheidung kann jener Indikator werden, den Sie nie wieder loswerden können. Ihre Kinder werden sich ihrer schämen und leiden, ebenso wie heute die Nachkommen der Täter leiden, die in den dreißiger Jahren Unschuldige erschossen haben.

Schenken Sie dem Gehör, was ich Ihnen jetzt sage. Wir leben nur ein einziges Leben. Ich weiß nicht, ob Sie in ansatzweise an ein Höheres Gericht, an ein Leben nach dem Tod, an die Idee einer höheren Gerechtigkeit, die sich jenseits unseres Erdenlebens vollzieht, glauben, und erst recht nicht davon, ob Sie ahnen, mit welcher Gewissenslast Sie all die Jahre leben werden, die Ihnen noch bevorstehen.

Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Sie mir Gehör schenken – nicht nur um Jurij Dmitrievs willen, sondern um unserer aller willen, denen das Schicksal Russlands am Herzen liegt.

26. Oktober 2017

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Zahlreiche Einzelmahnwachen gegen die Verfolgung der Krim-Tataren auf der Krim

Am 14. Oktober führten Dutzende Krim-Tataren in verschiedenen Bezirken der Krim Einzelmahnwachen durch als Reaktion auf Durchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit zwei neuen Strafverfahren auf der Halbinsel am 2. und 11. Oktober. Zu Kundgebungen kam es in Simferopol, Dschankoe, Sudak, Feodossija, Starij Krym, Kirovskoe, Aluschta, in den Bezirken Sovetskij und Belogorsk und auf der Strecke Simferopol-Bachtschissaraj.

Die Menschen hielten Plakate mit den Aufschriften: „Moslems auf der Krim – Unsere Nachbarn, keine Terroristen“, „Stoppt die Willkür der Sicherheitsorgane der Krim“, „Freiheit für politische Gefangene“, „Auf der Krim gab es, gibt es und wird es keine Terroristen geben“, „1944 – Verräter, 2017 – Terroristen“.

Mehr als 30 Personen wurden verhaftet und auf die örtlichen Polizeireviere gebracht. Einige Verhaftungen wurden auf aggressive Weise durchgeführt. Dokumentiert sind Fälle, in denen Personen in Zivil Demonstranten ohne Vorweisung von Dokumenten in Autos ohne [polizeiliche - Anm. d. Übs.] Erkennungszeichen wegbrachten. Auf einigen Polizeirevieren ließ man keine Anwälte zu den Verhafteten vor, holte Erklärungen ein, nahm Plakate weg, kopierte Kontaktlisten aus Handys, nahm Fingerabdrücke und versuchte Speichelproben zu bekommen.

So steckten Sicherheitsbeamte Memet Ljumanov, der in Simferopol auf der Straße der Helden Stalingrads eine Einzelmahnwache abhielt, grob in ein Auto. Auf dem Polizeirevier des Kievsker Bezirks hielten vier Polizeimitarbeiter den verhafteten Ruslan Gostev fest und versuchten eine Speichelprobe zu entnehmen. Aktivisten versuchten alle Festnahmen zu verfolgen und zeichneten Gespräche der Demonstranten mit der Polizei auf Video auf. Zur Polizeiwache in Dschankoe kamen etwa 50 Personen, um die Festgenommenen zu unterstützen.

Nach den Worten des Anwalts Rustem Kjamilev wurden bei den Verhafteten keine Protokolle wegen Gesetzesübertretungen erstellt: „Protokolle der Überstellungen gab es, Verhaftungsprotokolle nicht, weil kein Tatbestand nach § 20.2 OWIG RF [Ordnungsstrafrecht, Verstoß gegen das Versammlungsrecht; Anm. d. Übs.] vorlag. Folgen darf es keine geben. Ein Verfahren muss bei Gericht im Verlauf von 24 Stunden geprüft werden. Und weil morgen Sonntag ist und es keine Verhaftungsprotokolle gibt, kann man am Montag niemanden mehr zur Verantwortung ziehen.“

Am Abend des 14. Oktober wurden alle Festgenommenen auf der Krim freigelassen. Einige Teilnehmer der Kundgebungen schrieben Beschwerden über das ungesetzliche Vorgehen der Polizei bei den Verhaftungen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

25. Oktober 2017

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Zum Tod von Tamara Wladislawowna Petkewitsch

Am 18.10.2017 verstarb im Alter von 97 Jahren Tamara Wladislawowna Petkewitsch.

Tamara Petkewitsch war Schauspielerin und Theaterwissenschaftlerin und verfasste zwei Autobiografien.

Tamara Petkewitsch wurde am 29. März 1920 in Petrograd geboren. Als sie 17 war, wird 1937 ihr Vater verhaftet. In der Besucherschlange des Gefängnisses lernte Tamara Petkewitsch ihren zukünftigen Mann kennen, mit dem sie nach Zentralasien zog und dort als Krankenschwester arbeitete. Fünf Jahre nachdem ihr Vater erschossen worden war, wurde auch sie 1943 mit ihrem Mann verhaftet und zu 7 Jahren Lagerhaft verurteilt.

Im Lager begann sie mit Gefangenen in einem Theaterensemble zu schauspielern. Nach ihrer Freilassung war sie an kleineren Theatern in der Provinz tätig.

Erst nach ihrer Rehabilitierung 1957 konnte Tamara Petkewitsch 1959 ins damalige Leningrad zurückkehren, wo sie das Studium der Theaterwissenschaften aufnahm.

1993 kam ihre erste Autobiografie „Žizn – sapožok neparnyj“ (Deutsche Ausgabe: „Die Liebe gab mir Hoffnung“) über ihr Leben im GULag heraus und wenige Jahre später die Fortsetzung „Na fone zvёzd i stracha“, in der sie ihr Leben nach der Entlassung aus dem Lager beschreibt.

Trotz des unendlichen Leids, das ihr widerfahren war, spürte man bis zuletzt ihre Lebensfreude. Sie haderte nicht mit ihrem Schicksal und lebte nicht in der Vergangenheit. Ihre Wohnung war stets offen für Menschen jedes Alters. Sie begegnete allen auf Augenhöhe und war vor allem vom Engagement junger Menschen begeistert. Sie interessierte sich für ihre Besucher genauso sehr, wie sich ihre Besucher für sie interessierten.

Mit ihr geht ein Mensch, der das Positive in anderen sah, der das Leben liebte und der anderen nur das Beste wünschte.

Tamara Wladislawowna Petkewitsch verneigte sich auf der Bühne, nun verneigen wir uns ein letztes Mal vor ihr.

21. Oktober 2017

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Krim: Über die Gerichtsverhandlung und das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov

Am 27. September 2017 wurde im Bezirksgericht Simferopol, Krim, das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov, einem der Führer der Nationalen Bewegung der Krim-Tataren, verkündet. Das russische Gericht verurteilte ihn zu einem Freiheitsentzug von zwei Jahren. [Der Freiheitsentzug beinhaltet die Haftstrafe der Ansiedelung in einer Kolonie. Die Bedingungen dort sind etwas besser als in den Strafkolonien allgemeinen und strengen Regimes. Anm. d. Übs.]

Im Mai 2016 waren in Bachtschyssaraj unter den Krim-Tataren Massendurchsuchungen und Verhaftungen durchgeführt worden. Im Ergebnis wurden vier einheimische Bewohner verhaftet, die vom FSB beschuldigt werden, der in Russland verbotenen muslimischen Partei Hizb ut-Tahrir anzugehören. An diesem Tag wurde in seinem Haus in Bachtschyssaraj auch der stellvertretende Vorsitzende des Medschlis Ilmi Umerov verhaftet. [Medschlis ist ein Selbstvertretungsorgan der Krim-Tataren, das seit April 2016 in der Russischen Föderation als „extremistische Organisation“ eingestuft und verboten ist; Anm. d. Übs.]

Man brachte ihn zur Vernehmung nach Simferopol und beschuldigte ihn des Separatismus, genauer des öffentlichen Aufrufs zur Verletzung der territorialen Integrität Russlands [§ 280.1.(2) StGB RF].

„Im März 2016 trat Umerov, als er sich auf dem Territorium der Ukraine aufhielt, in einer direkten Übertragung des Ukrainischen Fernsehsenders ATR auf, wo er öffentlich dazu aufrief, die territoriale Einheit der Russischen Föderation zu verletzen. Danach wurde der Auftritt Umerovs ins Internet gestellt,“ kommentiert die damalige Staatsanwältin der Krim Natalja Poklonskaja das Verfahren gegen Umerov.

Umerov drohten bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Gegen Ende des Gerichtsverfahrens, das im Juni des darauffolgenden Jahres im Bezirksgericht Simferopol begann, forderte Staatsanwalt Denis Sementschuk dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug auf Bewährung und ein dreijähriges öffentliches Auftrittsverbot. Doch der Richter verhängte, wie ein Korrespondent von Radio Svoboda berichtet, anstelle der Bewährungsstrafe eine Haftstrafe von zwei Jahren „Ansiedelung in einer Kolonie“.

Gegen dieses Urteil hat die Verteidigung Umerovs Berufung eingelegt. Bis zur Prüfung befindet sich Umerov zuhause.

Zuvor hatte das Bezirksgericht Simferopol am 11. August eine psychiatrische Zwangsuntersuchung angeordnet und Umerov gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik bringen lassen, wo man ihn für fast einen Monat festhielt.

Das Menschenrechtszentrum Memorial (Moskau) bezeichnet das Verfahren gegen Ilmi Umerov als ungesetzlich und politisch motiviert.

Am 25. September wurde in Genf der Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) über die Lage auf der Krim vorgestellt.


Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

14. Oktober 2017

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Zahlreiche Festnahmen bei Demonstrationen in Russland

Bei den Demonstrationen am 7. Oktober, zu denen Alexej Navalnyj aufgerufen hatte, ist es in zahlreichen russischen Städten zu Festnahmen Festnahmen).

Die meisten Personen wurden noch im Laufe des Tages wieder freigelassen, etliche wurden jedoch mit einer Ordnungsstrafe belegt oder es wurde ein „Protokoll“ erstellt, was heißt, dass sie eine solche noch zu erwarten haben.

Die meisten Festnahmen erfolgten in Petersburg (68 Personen), von denen mindestens zwei die Nacht in Polizei-Gewahrsam verbringen mussten (Alexej Piwowarow und Wassilij Kunin). Unter den Festgenommenen war auch Ildar Dadin. Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei in Petersburg mit besonderer Brutalität vor.

8. Oktober 2017

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Zahlreiche Haussuchungen bei Mitarbeitern von "Otkrytaja Rossija" in Moskau

Am 5. Oktober wurden in Moskau bei mehreren Mitarbeitern von „Open Russia“ (Otkrytaja Rossija, Offenes Russland) Haussuchungen vorgenommen, die mehrere Stunden andauerten. Betroffen waren unter anderem Veronika Kazyllo, die Chefredakteurin der Website der Organisation, deren Geschäftsführer Timur Walejew, der bekannte Politologe Stanislav Belkowskij und etliche weitere Personen, außerdem wurde die Wohnung der Eltern von Alexander Solowjow (dem Vorsitzenden von „Otkrytaja Rossija") durchsucht.

Im Februar dieses Jahres war bereits eine Haussuchung bei Soja Swetowa durchgeführt worden, die ebenfalls bei Otkrytaja Rossija mitarbeitet und sich vor allem in der Gefangenenbetreuung engagiert hatte (bis vor kurzem hatte sie einer der Öffentlichen Beobachtungskommissionen angehört, die Haftanstalten inspizieren).

Laut Auskunft des Emittlungskomitees stehen die Haussuchungen im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jukos-Funktionäre und Aktionäre wegen angeblichen Diebstahls und Geldwäsche.

Die in Großbritannien ansässige Organisation „Otkrytaja Rossija“ (deren Gründung Michail Chodorkovskij initiiert hatte) war im April dieses Jahres für „unerwünscht“ erklärt worden, was sich aber nur die ausländische Zentrale und nicht auf ihren russischen Zweig bezieht. Russischen NGOs ist daher jegliche Kooperation mit ihr untersagt.

Das Ermittlungskomitee unterstellt den Mitarbeitern von Otkrytaja Rossija in Russland, dass sie weiterhin finanziell von „unerwünschten Organisationen“ aus dem Ausland unterstützt werden, darunter auch mit Geldern, die aus angeblich gestohlenem Vermögen erklärte, die Durchsuchungen seien mit übermäßiger Gewaltanwendung vorgenommen worden und sollten offensichtlich der Abschreckung dienen. Ihr demonstrativer Charakter (in Anwesenheit eines Fernsehteams) lasse keinen Zweifel daran, welche Politik die russischen Machthaber gegenüber Andersdenkenden betrieben – eine „Politik der Einschüchterung und politischen Repression“.

6. Oktober 2017

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