MEMORIAL führt Video-Interviews mit Opfern und Zeugen der sowjetischen totalitären Epoche durch, um ihre Erinnerungen einer interessierten Öffentlichkeit sowie der Fachwelt zugänglich zu machen.
Die Erinnerungen dieser Zeitzeugen sind eine der wichtigsten Informationsquellen, die uns über den Häftlingsalltag im GULAG und das (Über)Leben in einem totalitären Staat noch zur Verfügung stehen.
Vordringliches Ziel ist es, diese Zeugnisse zu sammeln und zu bewahren, solange noch Zeitzeugen am Leben sind. Bis heute existieren nur sehr wenige vergleichbare Filmaufzeichnungen von Gesprächen mit russischen Zeitzeugen.
Irina Abramowna Amenuel erinnert sich: Brief an Stalin
Irina Abramowna Amenuel wurde 1924 in Moskau geboren. Ihr Stiefvater Zsjan-Sy-Jan wurde 1938 verhaftet und erschossen. Ihre Mutter Klawdija Majazkaja schrieb einen Brief an Stalin, in dem sie Gerechtigkeit forderte. Sie wurde verhaftet und verurteilt. Sie starb im Lager. Irina wurde von der Schule verwiesen und verlor mehrmals ihre Arbeitsstelle. 1990 arbeitete sie aktiv in der gesellschaftlichen Organisation zur Hilfe für Opfer politischer Verfolgungen.
Abdul-Wachit Dadajew erinnert sich: Deportation
Abdul-Wachit Dadajew wurde 1936 im Dorf Samaschki, Tschetscheno-Inguschische ASSR geboren. Am 23. Februar 1944 wurden er und seine Familie nach Kasachstan deportiert.
1960 kehrte er mit Frau und Kindern zurück nach Samaschki. Während des ersten Tschetschenienkriegs 1995 wurden die Häuser von Abdul-Wachit als auch die von zweien seiner Söhne zerstört. Als Flüchtlinge lebten sie in Inguschetien, Nordossetien und nun bei Verwandten.
Juri Fidelgolz erinnert sich: Ich fühlte mich als Sowjetmensch
Juri Fidelgolz wurde 1948 verhaftet, der antisowjetischen Propaganda und Agitation sowie der organisierten konterrevolutionären Tätigkeit beschuldigt und zu 10 Jahren Besserungsarbeitslager verurteilt.
Er ist Bauingenieur und lebt heute in Moskau.
Juri Fidelgolz erinnert sich: Mein Leben im Lager
Juri Lwowitsch Fidelgolz wurde 1948 verhaftet und der Bildung einer antisowjetischen Organisation beschuldigt.
Er wurde zu 10 Jahren Besserungsarbeitslager verurteilt, die er in den Sonderlagern von Taischet und Kolyma verbrachte. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er 1954 entlassen.
Wladimir Kantowski erinnert sich: Das Schicksal eines glücklichen Menschen
Wladimir Kristapowitsch Kantowski, Jahrgang 1923, verbüßte zwei Haftstrafen. Während des zweiten Weltkrieges kämpfte er in einer Strafkompanie. Er ist von Beruf Maschinenbauingenieur.
Jelena Markowa erinnert sich: Zwangsarbeiterin
Jelena Markowa wurde 1923 in Kiew geboren. Die Eltern wurden verfolgt und der Vater 1937 erschossen. Von 1941 bis 1943 hielt sie sich im besetzten Gebiet Donezk auf. Nach der Befreiung des Gebiets durch die Rote Armee , wurde sie vom NKWD verhaftet und zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. 10 Jahre war sie im Lager von Workuta inhaftiert. Später wurde sie rehabilitiert. Jelena Markowa ist Doktor der Technischen Wissenschaften.
Leonid Jakowlewitsch Murawnik erinnert sich: Ein Leben als Landstreicher
L. J. Murawniks Vater war Parteifunktionär. 1937 wurden seine Eltern erschossen. Ab dem 9. Lebensjahr durchlief er verschiedene Kinderheime, aus denen er mehrmals floh und sich als Landstreicher herumtrieb. Er ist Flugzeugmechaniker und Journalist.
Edem Orazly erinnert sich: Wir hatten 20 Minuten, um uns fertig zu machen
Edem Abdulaewitsch Orazly wurde 1930 im Dorf Kozy auf der Krim geboren. 1944 wurde er als Krimtatare wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit nach Usbekistan deportiert. Er wurde rehabilitiert und lebt heute in Moskau.
Susanna Petschuro erinnert sich: Wir wollten frei sprechen
Susanna Petschuro wurde 1933 in Moskau geboren. In den Oberklassen wurde sie Mitglied der Jugend-Untergrundgruppe „Kampfbund für die Sache der Revolution“.
Im Januar 1951 wurden alle Mitglieder der Organisation verhaftet.
Drei Personen – Boris Sluzki, Wladilen Furman und Jewgeni Gurewitsch – wurden zur Erschießung verurteilt, die übrigen zu unterschiedlichen Haftstrafen in Gefängnissen und Lagern. Die 17jährige Susanna wurde zu 25 Jahren Besserungs-Arbeitslager verurteilt, die sie, nachdem sie mehrere Gefängnisse passiert hatte, in Inta, Abes und Potma verbüßte.
1956 wurde ihr Verfahren revidiert und die Haftstrafe auf fünf Jahre herabgesetzt. Noch im selben Jahr wurde Susanna Petschuro entlassen.
Sie absolvierte ein Studium am Moskauer Institut für Geschichte und Archivwissenschaften, arbeitete dann im Archiv für antike Akten im Afrika-Institut.
Sie ist langjähriges Mitglied von „Memorial“ und lebt in Moskau.
Aleksei Nikolajewitsch Prjadilow erinnert sich: “Meine Mutter erklärte mir, dass man für solche Sachen verhaftet werden kann.”
Aleksei Nikolajewitsch Prjadilow wurde 1927 geboren. Als er 16 Jahre alt war, wurde er zusammen mit seinen Schulkameraden wegen der Herausgabe einer handgeschriebenen satirischen Zeitschrift “Nalim” verhaftet. Prjadilow verbrachte 13 Jahre lang in Lagern und in der Verbannung.
Jelisaweta Riwtschun erinnert sich: „Sie haben meinen Vater vollkommen ausgelöscht“
Jelisaweta Riwtschun wurde 1924 in einer Musikerfamilie geboren. Bis 1935 lebte sie in China. Zwei Jahre nach der Rückkehr in die UdSSR wurde ihr Vater verhaftet und erschossen.
Sergei Lwowitsch Schtscheglow erinnert sich: Auf dem Schiff “Josef Stalin”
Sergei Lwowitsch Schtscheglow wurde 1921 geboren, seine Eltern waren Dorfschullehrer. 1937 fielen sie politischen Verfolgungen zum Opfer. Der Vater wurde erschossen und die Mutter zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Sie starb im Lager. Sergei Schtscheglow wurde am 22. Juni 1941 verhaftet, am ersten Kriegstag. Er wurde zu 5 Jahren Besserungsarbeiten im Lager verurteilt, die er in Norilsk verbüßte. Sergei Schtscheglow ist Mitglied des Schriftstellerverbandes, Autor von 16 Büchern, sein Hauptthema sind die politischen Verfolgungen in der UdSSR.
Rosa Schowkrinskaja erinnert sich: „Möge die Erinnerung an Tausende solcher Schicksale wie meines wach bleiben“
Rosa Schowkrinskaja wurde 1930 geboren. Der Vater Jussup Schowkrinski kämpfte im Bürgerkrieg und war Leiter der Kultur- und Propagandaabteilung des Dagestaner Gebietsparteikomitees. 1937 wurde er verhaftet und starb im Lager von Workuta. Die Schwester Oktjabrina wurde im Alter von 17 Jahren verhaftet und zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt.
Angst
Wer den Stalinismus nicht erlebt hat, kann kaum verstehen, wie Millionen völlig unschuldiger und regimetreuer Menschen den Repressionen massenhaft zum Opfer fielen.
Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass im Zuge des Stalinismus sich Angst über das ganze Land legte und jede Unmutsäußerung im Keim erstickte. Es galt, die Leute zu verängstigen, um sie gefügig zu machen. Diese Furcht setzte sich fest und tötete alle natürlichen Gefühle: Mitgefühl, Mitleid, Menschenwürde, sie marterte die Seelen und lähmte den Willen.
Briefe, Päckchen, Besuche
Briefe, Päckchen und Besuche – das sind die wenigen und großen Freuden der Gefangenen in Stalins Lagern. Die Briefe von Verwandten halfen ihnen, daran zu glauben, dass sie nicht vergessen waren. Lebensmittelpakete galten dem elementaren Überleben, und die seltenen Besuche waren, wenn sie zustandekamen, einfach ein Glück.
Erzählungen von der Entkulakisierung
Ihre Eltern waren gewöhnliche russische Bauern. Sie lebten in großen Familien, wo es viele Kinder gab, wo alle von morgens bis in die Nacht arbeiteten. Aber als in der UdSSR die Kolchosen gegründet wurden, wurden diese Bauern als Kulaken bezeichnet. Man verschickte sie mit ihren Kindern in den Norden oder nach Sibirien. Hier ihre Berichte.
Frauenarbeit in den Lagern
Frauen haben in den Stalinistischen Lagern die gleiche Arbeit wie Männer ausgeführt — in den Gruben, beim Holzfällen, auf dem Bau… Aber für die Frauen, denen die Lager ihre Familie und ihre Jugend nahmen, war diese Arbeit nicht nur schwer, sie war begleitet von Erniedrigung und Gewalt.
Kinder von „Volksfeinden”
Erinnerungen von Leonid Murawnik, Jelisaweta Riwtschun, Walentina Tichanowa, Olga Zybulskaja und Rosa Schowkrinskaja.
Verhaftung des Vaters – Verhaftung der Mutter – Kinderheim – Der Glaube an kommunistische Ideale – Diskriminierung – Psychische Folgen der Repressionen – Erinnerung an die Eltern
Medizin im Gulag
Eine medizinische Versorgung im Lager umfasste nicht nur Medikamente.
In ein Krankenhaus zu kommen bedeutete, für eine gewisse Zeit von übermäßiger Arbeit befreit zu werden, zusätzliche Nahrung und Schlaf zu erhalten. Das erhöhte die Chance zu überleben. Manchmal rettete auch die Kunst und die Barmherzigkeit von Ärzten …
Ehemalige Häftlinge berichten.
„So etwas kann man Stalin nicht verzeihen!“ Russlanddeutsche in der Arbeitsarmee
Am 28. August 1941 begann auf Grund eines Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR die vollständige Deportation der in der UdSSR lebenden Deutschen. Insgesamt wurde in den Kriegsjahren ungefähr eine Million Menschen umgesiedelt.
Anfang 1942 wurden Männer, Frauen und Jugendliche in Arbeitskolonnen mobilisiert, die als „Arbeitsarmeen“ bezeichnet wurde. 1948 wurden alle in den Kriegsjahren ausgesiedelten Deutschen zu ewiger Verbannung verurteilt. Auf Flucht vom Ort der Zwangsansiedlung stand 20jährige Katorga. Die Einschränkungen für die Deutschen, die sich in Sondersiedlungen befanden, wurden im Dezember 1955 aufgehoben.
Stalins Tod
Am 5. März 1953 starb der Führer der Sowjetunion, Josef Stalin. Das ganze Land erstarrte in Erwartung. Was würde jetzt passieren?
In den Bergwerken von Workuta, in den Minen von Kolyma. Arbeit in den Lagern
In allen Betrieben der UdSSR hingen Plakate mit den Worten Stalins: “Arbeit in der Sowjetunion ist eine Sache der Ehre, des Ruhms, der Tapferkeit und des Heldentums!” Den Zynismus dieser Worte spürten in voller Härte die Häftlinge der stalinistischen Lager, deren Arbeit in Folter und unendliche Erniedrigung umgewandelt wurde. Davon erzählen sie hier.
„Vor uns lag Magadan“ – Transport nach Kolyma
Wegen der geografischen Lage von Kolyma konnten Fracht und Arbeitskräfte, einschließlich Gefangener, vom Festland nur auf dem Seeweg dorthin kommen. Der Transport erfolgte von Wladiwostok aus zur Nagajew-Bucht. 1945 wurde der Hafen Wanino eröffnet.