Nachdem am 23. Juni bei Memorial in Jekaterinburg eine sechsstündige Durchsuchung vorgenommen worden war, begaben sich am 24. Juni Ermittler des „Extremismus“-Zentrums ins Jelzin-Zentrum. Sie wollten dort Mitarbeiter von Memorial Jekaterinburg vernehmen, die an der dort stattfindenden Stalinismus-Konferenz teilnahmen.

Bei der Durchsuchung am Tag zuvor waren über 40 Bücher, zwei Festplatten und ein Notebook beschlagnahmt worden, darunter auch eine, die in Russland tatsächlich verboten ist („Eiszeit im Kreml. Das Komplett der russischen Geheimdienste“ von Alexander Litvinenko, der 2006 in London durch eine Polonium-Vergiftung ermordet wurde). Für die Aufbewahrung eines verbotenen Buchs ist in der russischen Gesetzgebung allerdings keine Strafe vorgesehen, wie die Anwältin von Memorial Irina Rutschko betont. Anders verhält es sich bei den Flugblättern zu Navalnyj, den das russische Justizministerium als Extremisten und Terroristen einstuft. Hier kann eine Ordnungsstrafe von 100.000 bis zu 1 Mio. Rubeln verhängt werden.

Offenbar werden noch weitere Vorwürfe gegen Memorial in Jekaterinburg erhoben. Die Überprüfung habe nicht nur extremistische Literatur vorgefunden, sondern auch Belege für die fortgesetzte Arbeit „im Interesse ausländischer Stiftungen“, von denen einige in Russland für „unerwünscht“ erklärt wurden (mit denen per Gesetz jegliche Kooperation untersagt ist). Nach Einschätzung von Irina Rutschko droht schlimmstenfalls auch Memorial Jekaterinburg eine Auflösung nach dem Moskauer Vorbild, also die Zwangsauflösung wegen angeblicher Missachtung der Vorschriften des „Agentengesetzes“.

24. Juni 2022

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