Digest der russischen Anti-Kriegsproteste vom 29.01.2023 – 04.02.2023 

Mahnmale für die beim Beschuss ukrainischer Städte Getöteten

 

Schon mehr als zwei Wochen legen Menschen in vielen Städten Russlands weiterhin Blumen und Kinderspielzeug nieder zur Erinnerung an die in Dnipro getöteten Menschen. Die Polizei beseitigt die spontanen Mahnmale regelmäßig, aber sie entstehen immer wieder neu. In dieser Woche wurde eine interaktive Karte der „Blumenproteste“ erstellt, auf der man Städte und Fotografien der Denkmäler finden kann, an denen Blumen liegen. Bis zum 25. Februar waren es 73 solcher Plätze. Der oder die Verfasser der Karte möchten anonym bleiben.


Volksdenkmäler zum Gedenken an die Ukrainer, die am 14. Januar durch russische Raketen getötet wurden. Wählen Sie eine Stadt, um eine Liste der Orte zu sehen. Die Links zu den Fotografien werden bei Telegram in einem neuen Fenster geöffnet (blau: Denkmäler für Ukrainer und Plätze, die mit der Ukraine in Verbindung stehen, lila: Denkmäler, die mit der Ukraine in

Verbindung stehen und solche, die das nicht tun, rot: andere Denkmäler und Plätze). 

Nur einige Fotografien der Denkmäler dieser Woche: St. Petersburg, Tscheboksary (Tschuvaschien), Tomsk, Miass (Gebiet Tscheljabinsk) und weitere.

Moskau, Lesja-Ukrajinka-Denkmal. Foto der Autoren.

 

 

Protest in Kultur, Kirche und Gerichtssaal

Am 31. Januar wurde im Petersburger Büro der Partei „Jabloko“ eine Ausstellung mit Anti-Kriegsplakaten der 77-jährigen Künstlerin Jelena Osipova eröffnet, die weiterhin trotz Verfolgung Einzelkundgebungen mit Plakaten durchführt. Die Ausstellung sollte bis 24. Februar zugänglich sein, wurde jedoch bereits am 1. Februar wegen einer angeblichen Bombenwarnung geschlossen, die Polizei beschlagnahmte die Arbeiten der Künstlerin. Jelena Osipova malt seit 20 Jahren Plakate zu politischen Themen und ging mit jedem davon in St. Petersburg auf die Straße. Sie wird regelmäßig von der Polizei festgenommen und ihre Werke werden konfisziert. 

Der Patriarch der Russisch Orthodoxen Kirche Kirill untersagte dem Priester Ioann Koval, der in dem Gebet „Von der Heiligen Rus“ das Wort „Sieg“ durch das Wort „Frieden“ ersetzt hatte, die weitere Abhaltung von Messen. Am 2. Februar erschien auf der Webseite der Moskauer Diözese der Russisch Orthodoxen Kirche ein spezieller Erlass, der dem Kleriker der Kirche des Heiligen Apostels Andreas in Lublino, Region Moskau, die Abhaltung der Messe verbietet. Vermutlich wurde Ioann aufgrund einer Anzeige eines Besuchers der Kirche vom Dienst suspendiert. 

Während der Verhandlung im Verfahren wegen Verbreitung von Falschmeldungen über die Armee gegen den Studenten der MGU Dmitrij Ivanov beantragte die Anwältin Marija Ejsmont, den Außenminister Sergej Lavrov, den Sprecher des Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkov sowie den Vertreter der Russischen Föderation bei der UNO Vasilij Nebensja als Zeugen vorzuladen. Sie sollten erklären, worauf sich die Position der Behörden zur Ukraine stützt. Die Anwältin hält die Aussagen der Zeugen für relevant, weil Ivanov wegen abweichender Meinung zur offiziellen Version der Ereignisse eine nicht unerhebliche Haftstrafe droht. Das Gericht entschied, dem Antrag der Verteidigung stattzugeben und die genannten Personen vorzuladen. 

Einzelkundgebungen 

In Krasnodar nahm die Polizei Natalja Buschujeva fest, weil sie eine Einzelkundgebung mit dem Plakat „Für Frieden“ abgehalten hatte. Die Aktivistin wurde zur Polizeiwache gebracht, die Polizei nahm ein Protokoll wegen „Diskreditierung der Russischen Armee“ auf.

 

Foto Activatica

 

In Voronezh wurde Andrej Pustovalov festgenommen, weil er sich mit einem Plakat mit der Aufschrift „Alles läuft nach Plan. Wir werden ins Paradies kommen.“ vor das Gebäude der Regionalregierung gestellt hatte. 2018 hatte Vladimir Putin anlässlich eines drohenden Atomkrieges gesagt: „Wir werden als Märtyrer in das Paradies eingehen, aber sie werden einfach krepieren.“

 Foto OVD-Info

 

Einzelkundgebung der Aktivistin Viktorija Kotschkasova am Puppentheater in Voronezh mit einem Plakat mit der Aufschrift: „net vosne“ (Nein zum Gepolter)“ (statt „net vojne“ – „Nein zum Krieg“)

 Foto Activatica

 

Brandstiftung an Autos 

Zu Brandanschlägen auf Autos mit „Z-Symbolik“ kam es in Moskau auf der Altufevskoe Chaussee sowie in Schtschelkovo bei Moskau.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beschädigungen an Bahngleisen

Am 2. Februar versuchte ein Unbekannter im Moskauer Gebiet einen Sabotageakt an der Eisenbahn durchzuführen, wurde dabei jedoch vom Lokführer entdeckt, die Polizei fahndet nach ihm. Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden versuchte er, in der Nähe der Station Stolbovaja im Gebiet Moskau einen Schaltkasten neben den Bahngleisen aufzubrechen. 

In Tschechov, einer weiteren Stadt im Gebiet Moskau, wurden drei Schüler wegen Brandstiftung an einem Schaltkasten festgenommen. Der FSB vermutet, dass die Achtklässer über Telegram mit Unbekannten, die ihnen Geld für Schäden an der Verkehrsinfrastruktur angeboten hatten, in Kontakt getreten waren. Die Taten der Schüler könnten als Terrorakt oder Sabotage eingestuft werden, wofür Haftstrafen von 10 Jahren bis hin zu lebenslänglich drohen. (Der entsprechende Paragraph gilt für Personen ab 14 Jahren.). 

In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar unterbrachen unbekannte Partisanen den Eisenbahnverkehr auf der Strecke Ivanovo – Kostroma.

 

Verschiedenes 

In Krasnodar wurde das Ehepaar Olesja und Aleksej Ovtschinnikov wegen Anti-Kriegsäußerungen in einem privaten Gespräch festgenommen. Das Ehepaar hatte bei einem Restaurantbesuch über den Krieg gesprochen. Ein anderer Gast hatte das Gespräch mit angehört und die Polizei gerufen. Als diese kam, legten sie das Ehepaar in Handschellen auf den Boden, zwangen es, etwa eine Stunde in dieser Position zu verharren und nahmen das mit einer Kamera auf. Dann wurde das Ehepaar auf die Polizeistation gebracht, wo man sie bis zum Morgen festhielt. Aleksej erhielt eine Haftstrafe von 15 Tagen, seine Frau Olesja wurde zu 1000 Rubel Geldstrafe [ca. 12,50 Euro] verurteilt. 

Gegen Viktorija T., Bewohnerin der Stadt Sotschi, wurde ein Verfahren eröffnet wegen ihres Status' bei WhatsApp. Dort hatte sie am 1. Februar die Losung „Slava Ukraine“ auf Koreanisch in ihren Status gesetzt. Die Anzeige stützt sich auf den Paragraphen über „Propaganda oder öffentliche Zurschaustellung von Naziutensilien oder -symbolen.“ Viktorija drohen bis zu 15 Tagen Haftstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 2000 Rubel.

 

Eine hundert Meter lange Abbildung der Friedenstaube von Pablo Picasso tauchte auf dem Eis des zugefrorenen Onegasees auf. Die Friedenstaube wurde von dem Fotografen Igor Podgornyj zusammen mit anderen Aktivisten angebracht.

 

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

25. Februar 2023

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