Privatwohnungen und Räumlichkeiten von Memorial in Moskau durchsucht. Festnahmen und stundenlange Verhöre

Heute fanden bei einer Reihe von Mitarbeitern von Memorial in Moskau Haussuchungen statt, außerdem wurden die Räumlichkeiten in dem (beschlagnahmten) Gebäude (Karetnyj Rjad) sowie in dem Haus, das Memorial nach wie vor gehört (Malyj karetnyj pereulok) durchsucht.

Betroffen waren Mitarbeiterinnen des Archivs Aljona Koslova und Irina Ostrovskaja, die Buchhalterin Galina Jordanskaja, der Leiter des „polnischen Programms“ Alexander Gurjanov (maßgeblich beteiligt an der Erstellung der umfangreichen Gedenkbände zu Katyn und Mednoe), sowie die Vorstandsmitglieder von Memorial International Alexandra Polivanova (außerdem Vorsitzende des russischen Dachverbands von Memorial), der Vorsitzende des Vorstands Jan Raczynski und Oleg Orlov (ebenfalls im Vorstand des Zentrums zum Schutz der Menschenrechte Memorial) und Nikita Petrov (letzterer hielt sich nicht in Moskau auf, die Sicherheitskräfte trafen so nur seine Frau an). Ebenso wurde die Wohnung von Marina Polivanova (der Mutter von Alexandra P.) durchsucht.

Offiziell wurden die Durchsuchung begründet mit einem vor kurzem gegen Memorial eingeleiteten Verfahren wegen „Rehabilitierung des Nazismus“. Das bezieht sich auf einen alten, schon vor über einem Jahr von einschlägigen Kreisen (einer Bewegung der „Veteranen Russlands“) erhobenen Vorwurf, dass sich von Memorial erstellten Datenbank der Opfer des politischen Terrors auch Kollaborateure des NS-Regimes befänden. Seinerzeit ist Memorial auf diese (absurden) Vorwürfe eingegangen

Die heutigen Durchsuchungen – bei denen weitgehend keine Anwälte zugelassen wurden – endeten mit Verhören in verschiedenen Instanzen (Polizeirevier, Ermittlungskomitee, Staatsanwaltschaft), die zur Stunde noch andauern, ebenso wie die Durchsuchung im Haus von Memorial (zurzeit werden offenbar aus den Kellerräumen Dokumente und Publikationen abgeschleppt).

Mehrere der Betroffenen wurden als „Zeugen“ im Verfahren eingestuft und dürfen die Stadt nicht verlassen. Gegen Oleg Orlov wurde zusätzlich ein weiteres Verfahren wegen Diskreditierung der russischen Streitkräfte eingeleitet (was ebenfalls zu einer Haftstrafe führen kann). Zur Last gelegt wird ihm sein bei Facebook publizierter Aufsatz zum Thema des heute in Russland praktizierten Faschismus, der auch auf Deutsch publiziert wurde.

Das ist im Augenblick der Stand der Dinge. Aktualisierungen werden folgen.

21. März 2023

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