Das Stadtgericht von Petrozavodsk hat heute entschieden, dass Jurij Dmitriev zunächst für zwei Monate in Haft bleibt.

Anlässlich seiner gestrigen Festnahme hat seine Begleiterin erklärt, er habe keineswegs vorgehabt, sich nach Polen abzusetzen.
Allerdings wurde ein neues Verfahren gegen ihn eingeleitet wegen angeblicher gewaltsamer sexueller Handlungen gegen Minderjährige unter 14 Jahren nach Art. 132, Abschn. 4 b des russ. StGB, der eine Haftstrafe von zwölf bis zwanzig Jahren vorsieht. Die Anklage wurde Dmitriev noch nicht vorgelegt. Dieser neue Prozess läuft unabhängig von dem noch anhängigen Verfahren, dessen Urteil kürzlich kassiert und das zur Neuverhandlung ans Stadtgericht zurückverwiesen wurde.

„Es liegt auf der Hand, dass es sich um eine rein politische Verfolgung handelt.“, so Oleg Orlov vom Menschenrechtszentrum Memorial. Nachdem sie mit dem ersten Verfahren gescheitert war, wolle die Staatsanwaltschaft nicht nachgeben: „Jetzt machen sie gute Miene zum bösen Spiel, angeblich sind neue Fakten aufgetaucht, und sie leiten ein neues Verfahren ein. Es ist völlig klar, dass sie einfach nicht aufhören können, obwohl sich die vorige Anklage in Luft aufgelöst hat und unverständlich ist, worauf sich eine neue Anklage gründen sollte.“ Auch die zweite Anklage werde sich ebenso als unhaltbar erweisen wie die erste.

 

28. Juni 2018

 

 

Jurij Dmitriev wurde heute in Olonez (Südkarelien) festgenommen. Offenbar wird ihm unterstellt, gegen Auflagen verstoßen zu haben, nach denen er das Land nicht verlassen darf. Sollte das zutreffen, könnte er in Haft gehalten werden. Der für seine Hetzkampagnen gegen Memorial und andere unabhängige NGOs bekannte Sender NTV meldete auf seiner Seite, Dmitriev habe möglicherweise nach Polen ausreisen wollen, jedenfalls habe er einen Koffer mit Wäsche dabei gehabt, außerdem habe er seinen Hund in Verwahrung gegeben.

Dmitriev hatte sich mit einer Bekannten zu einem Friedhof in Vilga begeben, wo Freunde von ihm bestattet sind, und wollte danach ein Kloster aufsuchen. Da auf dem Friedhof Arbeiten anfielen, hatte er nach Auskunft seiner Tochter eine Tasche mit Wäsche (Oberkleidung) zum Wechseln dabei.

Seine Tochter bestreitet die Behauptungen von NTV. So befinde sich auch Dmitrievs Hund zu Hause und sei keineswegs weggeben worden.

Ob Dmitriev in Haft verbleiben wird, soll morgen ein Gericht entscheiden.

 

27. Juni 2018

 

 

Erklärung des Menschenrechtszentrums Memorial

Während in Russland die Fußballweltmeisterschaft 2018 begonnen hat und Fans aus aller Welt nach Russland kommen, um ihre Mannschaften zu unterstützen, sitzen in den russischen Gefängnissen Hunderte von politischen Gefangenen. Das sind nicht nur diejenigen, deren Schicksal die Weltöffentlichkeit bewegt, wie der ukrainische Regisseur Oleg Sentsov, der sich derzeit im Hungerstreik befindet und die Freilassung von allen ukrainischen politischen Gefangenen fordert, oder der bekannte tschetschenische Menschenrechtler und Leiter von Memorial Groznyj, Ojub Titiev, sondern auch viele andere zu Unrecht Verurteilte, von denen die Öffentlichkeit wissen muss.

Die Listen, die wir veröffentlichen, enthalten die Namen von 158 Menschen. 50 von ihnen sind in einer allgemeinen Liste politischer Gefangener aufgenommen, 108 befinden sich auf einer Liste Gefangener, denen die Freiheit im Zusammenhang mit ihrem Glaubensbekenntnis entzogen wurde [Link]. In die Listen sind nur diejenigen aufgenommen, zu deren Verfahren genügend Material gesammelt und geprüft werden konnte, um von einer politisch motivierten und rechtswidrigen Art der Strafverfolgung sprechen zu können. In den drei Monaten seit dem 1. März, als wir die letzten Listen veröffentlichten, ist die Zahl der politischen Gefangenen abermals um 15 Personen gestiegen.

Fußball ist ein Spiel nach fairen Regeln. Es ist unmöglich, fair zu spielen, dabei gleichzeitig die Menschenrechte nicht zur respektieren, Dissens zu bekämpfen und Unerwünschte hinter Gitter zu bringen. Genau deshalb ist es am Vorabend der Fußballweltmeisterschaft so wichtig, die Aufmerksamkeit auf die Situation der politischen Gefangenen in Russland zu lenken und mehr über ihre Schicksale zu berichten. Wir tun dies im Rahmen der Kampagne „FIFA: Spiel fair! Steh auf für die Vergessenen!“, die gemeinsam mit der Fraktion „Die Grünen / Europäische Freie Allianz“ im Europäischen Parlament ins Leben gerufen wurde.

 

17. Juni 2018

 

 

 

Sommerschule zur Geschichtsaufarbeitung und -interpretation in Kutaisi/Georgien, 14.-21. Oktober 2018

 

Die Interpretation der Vergangenheit beinhaltet großes Konfliktpotenzial. Deshalb ist es von großer Bedeutung, durch das Freilegen von gemeinsamen Werten, die als Basis für Interpretationen von Ereignissen in der Vergangenheit dienen, Geschichtswissen von der Einflusssphäre eines Konflikts zu lösen.

Memorial Deutschland e.V. veranstaltet in Zusammenarbeit mit Memorial Perm und der Staatlichen Universität Odessa ein Projekt für Studierende mit dem Ziel, Wissen über mögliche Wege und Mittel der Konfliktlösung zu verbreiten. Interessierte Studierende aus Deutschland, Belarus, Russland und der Ukraine sind eingeladen, daran mitzuwirken.

Der erste Projektabschnitt findet in den Ländern der TeilnehmerInnen statt und besteht aus Seminaren zu Problematiken in der Vergangenheitsbewältigung. Das Seminar für die Teilnehmenden aus Deutschland findet voraussichtlich Ende August 2018 in Mainz oder Berlin statt. Den zweiten Abschnitt (14.-21. Oktober 2018) stellt eine Sommerschule in Georgien dar, in der thematische Vorlesungen gehalten werden. Außerdem erarbeiten die Studierenden gemeinsam Geschichtslehrmaterialien, die in allen teilnehmenden Ländern genutzt werden könnten. Im dritten Abschnitt soll eine gemeinsame Internetseite mit den Projektergebnissen entstehen, die als Plattform für eine langfristige Zusammenarbeit und zum Austausch für die TeilnehmerInnen dienen soll. Außerdem sollen die Teilnehmenden die Ergebnisse der Sommerschule an ihren Universitäten präsentieren.

Hast du Interesse? Wir freuen uns auf deine Bewerbung!

Zu deinem Hintergrund:

Du solltest:

  • an einer deutschen Hochschule immatrikuliert sein.
  • Interesse an Erinnerungskultur, -politik und europäische Nachkriegsgeschichte haben. Erste Arbeitserfahrungen oder Forschungsarbeiten zu diesen Themen sind von Vorteil.
  • Du kommunizierst mühelos auf Englisch, denn die Sommerschule findet auf Englisch statt.

Zu den Bewerbungsunterlagen, -verlauf und -fristen:

  • Wir erwarten einen tabellarischen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben auf Englisch (max. 2 Seiten).
  • Bitte schicke uns bis 15.07.2018 deine Unterlagen in einem pdf-Dokument an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
  • Aussichtsreiche KandidatInnen werden zu einem kurzen Skype-Interview in der letzten Juliwoche eingeladen.

Zu den Kosten:

  • Die Reise- und Verpflegungskosten an beiden Seminaren werden übernommen. Wir bitten die Teilnehmenden um einen Teilnahmebeitrag in Höhe von 180 €.

 

Bei Fragen wende dich an Daria Buteiko oder Christina Riek (Projektleiterinnen bei Memorial Deutschland e.V.) unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

 

Das Projekt wird im Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ des Auswärtigen Amts, sowie vom Memorialzentrum „Babij Jar“ (Kyiv) und der Stiftung „Nowaja Kollekzija“ (Perm) gefördert.

Alle Informationen auch hier auf einer PDF-Datei.

 

24. Juni 2018

 

 

 

 

 

 

Das Oberste Gericht in Karelien hat den Revisionsanträgen gegen das am 5. April im Verfahren gegen Dmitriev verkündeten Urteil stattgegeben.

Das Stadtgericht von Petrozavodsk hatte Dmitriev vom Vorwurf der Pornographie freigesprochen. Dagegen hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Großmutter vom Dmitrievs Pflegetochter Berufung eingelegt. Die Anklagevertretung hatte verlangt, zum Verfahren noch den Beauftragten für Kinderrechte sowie einen Psychologen hinzuzuziehen, der ein Gutachten über Dmitrievs Pflegetochter erstellen sollte.

Das karelische Oberste Gericht hob am 14. Juni das ergangene Urteil auf und verwies das Verfahren an das Stadtgericht von Petrozavodsk – in anderer Besetzung – zurück, da „neue Umstände“ bekannt geworden seien. Die ausführliche schriftliche Begründung des Gerichts liegt noch nicht vor.

 

15. Juni 2018

 

 

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