Nachrichten

Zahlreiche Einzelmahnwachen gegen die Verfolgung der Krim-Tataren auf der Krim

Am 14. Oktober führten Dutzende Krim-Tataren in verschiedenen Bezirken der Krim Einzelmahnwachen durch als Reaktion auf Durchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit zwei neuen Strafverfahren auf der Halbinsel am 2. und 11. Oktober. Zu Kundgebungen kam es in Simferopol, Dschankoe, Sudak, Feodossija, Starij Krym, Kirovskoe, Aluschta, in den Bezirken Sovetskij und Belogorsk und auf der Strecke Simferopol-Bachtschissaraj.

Die Menschen hielten Plakate mit den Aufschriften: „Moslems auf der Krim – Unsere Nachbarn, keine Terroristen“, „Stoppt die Willkür der Sicherheitsorgane der Krim“, „Freiheit für politische Gefangene“, „Auf der Krim gab es, gibt es und wird es keine Terroristen geben“, „1944 – Verräter, 2017 – Terroristen“.

Mehr als 30 Personen wurden verhaftet und auf die örtlichen Polizeireviere gebracht. Einige Verhaftungen wurden auf aggressive Weise durchgeführt. Dokumentiert sind Fälle, in denen Personen in Zivil Demonstranten ohne Vorweisung von Dokumenten in Autos ohne [polizeiliche - Anm. d. Übs.] Erkennungszeichen wegbrachten. Auf einigen Polizeirevieren ließ man keine Anwälte zu den Verhafteten vor, holte Erklärungen ein, nahm Plakate weg, kopierte Kontaktlisten aus Handys, nahm Fingerabdrücke und versuchte Speichelproben zu bekommen.

So steckten Sicherheitsbeamte Memet Ljumanov, der in Simferopol auf der Straße der Helden Stalingrads eine Einzelmahnwache abhielt, grob in ein Auto. Auf dem Polizeirevier des Kievsker Bezirks hielten vier Polizeimitarbeiter den verhafteten Ruslan Gostev fest und versuchten eine Speichelprobe zu entnehmen. Aktivisten versuchten alle Festnahmen zu verfolgen und zeichneten Gespräche der Demonstranten mit der Polizei auf Video auf. Zur Polizeiwache in Dschankoe kamen etwa 50 Personen, um die Festgenommenen zu unterstützen.

Nach den Worten des Anwalts Rustem Kjamilev wurden bei den Verhafteten keine Protokolle wegen Gesetzesübertretungen erstellt: „Protokolle der Überstellungen gab es, Verhaftungsprotokolle nicht, weil kein Tatbestand nach § 20.2 OWIG RF [Ordnungsstrafrecht, Verstoß gegen das Versammlungsrecht; Anm. d. Übs.] vorlag. Folgen darf es keine geben. Ein Verfahren muss bei Gericht im Verlauf von 24 Stunden geprüft werden. Und weil morgen Sonntag ist und es keine Verhaftungsprotokolle gibt, kann man am Montag niemanden mehr zur Verantwortung ziehen.“

Am Abend des 14. Oktober wurden alle Festgenommenen auf der Krim freigelassen. Einige Teilnehmer der Kundgebungen schrieben Beschwerden über das ungesetzliche Vorgehen der Polizei bei den Verhaftungen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

25. Oktober 2017

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Zum Tod von Tamara Wladislawowna Petkewitsch

Am 18.10.2017 verstarb im Alter von 97 Jahren Tamara Wladislawowna Petkewitsch.

Tamara Petkewitsch war Schauspielerin und Theaterwissenschaftlerin und verfasste zwei Autobiografien.

Tamara Petkewitsch wurde am 29. März 1920 in Petrograd geboren. Als sie 17 war, wird 1937 ihr Vater verhaftet. In der Besucherschlange des Gefängnisses lernte Tamara Petkewitsch ihren zukünftigen Mann kennen, mit dem sie nach Zentralasien zog und dort als Krankenschwester arbeitete. Fünf Jahre nachdem ihr Vater erschossen worden war, wurde auch sie 1943 mit ihrem Mann verhaftet und zu 7 Jahren Lagerhaft verurteilt.

Im Lager begann sie mit Gefangenen in einem Theaterensemble zu schauspielern. Nach ihrer Freilassung war sie an kleineren Theatern in der Provinz tätig.

Erst nach ihrer Rehabilitierung 1957 konnte Tamara Petkewitsch 1959 ins damalige Leningrad zurückkehren, wo sie das Studium der Theaterwissenschaften aufnahm.

1993 kam ihre erste Autobiografie „Žizn – sapožok neparnyj“ (Deutsche Ausgabe: „Die Liebe gab mir Hoffnung“) über ihr Leben im GULag heraus und wenige Jahre später die Fortsetzung „Na fone zvёzd i stracha“, in der sie ihr Leben nach der Entlassung aus dem Lager beschreibt.

Trotz des unendlichen Leids, das ihr widerfahren war, spürte man bis zuletzt ihre Lebensfreude. Sie haderte nicht mit ihrem Schicksal und lebte nicht in der Vergangenheit. Ihre Wohnung war stets offen für Menschen jedes Alters. Sie begegnete allen auf Augenhöhe und war vor allem vom Engagement junger Menschen begeistert. Sie interessierte sich für ihre Besucher genauso sehr, wie sich ihre Besucher für sie interessierten.

Mit ihr geht ein Mensch, der das Positive in anderen sah, der das Leben liebte und der anderen nur das Beste wünschte.

Tamara Wladislawowna Petkewitsch verneigte sich auf der Bühne, nun verneigen wir uns ein letztes Mal vor ihr.

21. Oktober 2017

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Krim: Über die Gerichtsverhandlung und das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov

Am 27. September 2017 wurde im Bezirksgericht Simferopol, Krim, das Urteil im Verfahren gegen Ilmi Umerov, einem der Führer der Nationalen Bewegung der Krim-Tataren, verkündet. Das russische Gericht verurteilte ihn zu einem Freiheitsentzug von zwei Jahren. [Der Freiheitsentzug beinhaltet die Haftstrafe der Ansiedelung in einer Kolonie. Die Bedingungen dort sind etwas besser als in den Strafkolonien allgemeinen und strengen Regimes. Anm. d. Übs.]

Im Mai 2016 waren in Bachtschyssaraj unter den Krim-Tataren Massendurchsuchungen und Verhaftungen durchgeführt worden. Im Ergebnis wurden vier einheimische Bewohner verhaftet, die vom FSB beschuldigt werden, der in Russland verbotenen muslimischen Partei Hizb ut-Tahrir anzugehören. An diesem Tag wurde in seinem Haus in Bachtschyssaraj auch der stellvertretende Vorsitzende des Medschlis Ilmi Umerov verhaftet. [Medschlis ist ein Selbstvertretungsorgan der Krim-Tataren, das seit April 2016 in der Russischen Föderation als „extremistische Organisation“ eingestuft und verboten ist; Anm. d. Übs.]

Man brachte ihn zur Vernehmung nach Simferopol und beschuldigte ihn des Separatismus, genauer des öffentlichen Aufrufs zur Verletzung der territorialen Integrität Russlands [§ 280.1.(2) StGB RF].

„Im März 2016 trat Umerov, als er sich auf dem Territorium der Ukraine aufhielt, in einer direkten Übertragung des Ukrainischen Fernsehsenders ATR auf, wo er öffentlich dazu aufrief, die territoriale Einheit der Russischen Föderation zu verletzen. Danach wurde der Auftritt Umerovs ins Internet gestellt,“ kommentiert die damalige Staatsanwältin der Krim Natalja Poklonskaja das Verfahren gegen Umerov.

Umerov drohten bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Gegen Ende des Gerichtsverfahrens, das im Juni des darauffolgenden Jahres im Bezirksgericht Simferopol begann, forderte Staatsanwalt Denis Sementschuk dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug auf Bewährung und ein dreijähriges öffentliches Auftrittsverbot. Doch der Richter verhängte, wie ein Korrespondent von Radio Svoboda berichtet, anstelle der Bewährungsstrafe eine Haftstrafe von zwei Jahren „Ansiedelung in einer Kolonie“.

Gegen dieses Urteil hat die Verteidigung Umerovs Berufung eingelegt. Bis zur Prüfung befindet sich Umerov zuhause.

Zuvor hatte das Bezirksgericht Simferopol am 11. August eine psychiatrische Zwangsuntersuchung angeordnet und Umerov gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik bringen lassen, wo man ihn für fast einen Monat festhielt.

Das Menschenrechtszentrum Memorial (Moskau) bezeichnet das Verfahren gegen Ilmi Umerov als ungesetzlich und politisch motiviert.

Am 25. September wurde in Genf der Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) über die Lage auf der Krim vorgestellt.


Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

14. Oktober 2017

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Zahlreiche Festnahmen bei Demonstrationen in Russland

Bei den Demonstrationen am 7. Oktober, zu denen Alexej Navalnyj aufgerufen hatte, ist es in zahlreichen russischen Städten zu Festnahmen Festnahmen).

Die meisten Personen wurden noch im Laufe des Tages wieder freigelassen, etliche wurden jedoch mit einer Ordnungsstrafe belegt oder es wurde ein „Protokoll“ erstellt, was heißt, dass sie eine solche noch zu erwarten haben.

Die meisten Festnahmen erfolgten in Petersburg (68 Personen), von denen mindestens zwei die Nacht in Polizei-Gewahrsam verbringen mussten (Alexej Piwowarow und Wassilij Kunin). Unter den Festgenommenen war auch Ildar Dadin. Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei in Petersburg mit besonderer Brutalität vor.

8. Oktober 2017

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Zahlreiche Haussuchungen bei Mitarbeitern von "Otkrytaja Rossija" in Moskau

Am 5. Oktober wurden in Moskau bei mehreren Mitarbeitern von „Open Russia“ (Otkrytaja Rossija, Offenes Russland) Haussuchungen vorgenommen, die mehrere Stunden andauerten. Betroffen waren unter anderem Veronika Kazyllo, die Chefredakteurin der Website der Organisation, deren Geschäftsführer Timur Walejew, der bekannte Politologe Stanislav Belkowskij und etliche weitere Personen, außerdem wurde die Wohnung der Eltern von Alexander Solowjow (dem Vorsitzenden von „Otkrytaja Rossija") durchsucht.

Im Februar dieses Jahres war bereits eine Haussuchung bei Soja Swetowa durchgeführt worden, die ebenfalls bei Otkrytaja Rossija mitarbeitet und sich vor allem in der Gefangenenbetreuung engagiert hatte (bis vor kurzem hatte sie einer der Öffentlichen Beobachtungskommissionen angehört, die Haftanstalten inspizieren).

Laut Auskunft des Emittlungskomitees stehen die Haussuchungen im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jukos-Funktionäre und Aktionäre wegen angeblichen Diebstahls und Geldwäsche.

Die in Großbritannien ansässige Organisation „Otkrytaja Rossija“ (deren Gründung Michail Chodorkovskij initiiert hatte) war im April dieses Jahres für „unerwünscht“ erklärt worden, was sich aber nur die ausländische Zentrale und nicht auf ihren russischen Zweig bezieht. Russischen NGOs ist daher jegliche Kooperation mit ihr untersagt.

Das Ermittlungskomitee unterstellt den Mitarbeitern von Otkrytaja Rossija in Russland, dass sie weiterhin finanziell von „unerwünschten Organisationen“ aus dem Ausland unterstützt werden, darunter auch mit Geldern, die aus angeblich gestohlenem Vermögen erklärte, die Durchsuchungen seien mit übermäßiger Gewaltanwendung vorgenommen worden und sollten offensichtlich der Abschreckung dienen. Ihr demonstrativer Charakter (in Anwesenheit eines Fernsehteams) lasse keinen Zweifel daran, welche Politik die russischen Machthaber gegenüber Andersdenkenden betrieben – eine „Politik der Einschüchterung und politischen Repression“.

6. Oktober 2017

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„Aufhebung des Ereignisses“: Wie Personen in Gerichtstalaren die Realität des 12. Juni aufheben

Bei den Antikorruptionsprotesten am 12. Juni in Moskau wurden 866 Personen verhaftet. Unter ihnen auch Sarema Saudinova, Regisseurin am Teatr.doc [Theater in Moskau; Anm. d. Übs.], die im Leopardenkostüm zu den Protesten ging, jedoch, sofern man den Polizeiberichten glaubt, in „Hose und Jacke“ verhaftet wurde. Am 27. Juli verurteilte Alexander Merkulov, Richter am Bezirksgericht Tverskoj, Saudinova zu 15.000 Rubel (etwas über 200 Euro) Geldstrafe wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Widersprüche und Merkwürdigkeiten in dem Verfahren auf Grund der Faulheit der Polizisten bemerkte der Richter nicht.

Es folgt der (leicht gekürzte) Bericht von Sarema Saudinova.

Aufhebung des Ereignisses: Wie man mir die Realitätraubte

Wenn ich mich bis zum 12. Juni noch vorstellen konnte, wie es mir gefiel: Regisseurin, tschetschenische Fürstin und was nicht noch alles, so nach dem 12. Juni nur noch so: Guten Tag, ich bin der Leopard. Ich bin die, die auf dem Tverskoj Boulevard im Leopardenkostüm verhaftet wurde.

Ich arbeite im Teatr.doc, die Realität, das ist mein Beruf, aber manchmal fügt sie einem Schmerz zu. Wie am 12. Juni 2017. - So ungefähr begann mein Monolog im Gerichtssaal.

Da wir unverbesserliche Theaterliebhaber sind und nichts zu verlieren haben, sollte nicht nur ich im Leopardenkostüm im Gerichtssaal sein, sondern auch noch eine Schauspielerin, die auf professionelle Weise die russische Rechtsprechung beweint. Es sollte keine Aussagen geben, sondern Monologe. Und alles sollte dramaturgisches Material sein.

So versammelte sich im Gerichtssaal ein Team unserer jungen Leute: Ich in der Rolle einer „Dokumentarfilm-Leopardin“, eine Schauspielerin mit Tränen in den Augen, der politische Gefangene Alexej Polichovitsch sowie der Korrespondent und Zeuge Alexander Tschernych in einem Shirt mit der Aufschrift „Tschetschenien.“ Und der Anwalt Denis Schedov. Eigentlich wollten wir noch Eintrittskarten für die Verhandlung verkaufen, aber dann sahen wir ein, dass Partisanentheater unbedingt bei freiem Eintritt stattfinden muss und entschieden uns dagegen.

Der Regisseur-Beruf ist im heutigen Russland kompliziert, weil man uns alles weggenommen hat. […] Es gibt so einen Schauspiel- und Dramaturgie-Begriff: „Aufhebung des Ereignisses“. Da haben wir die Hölle, aber der Schauspieler spielt so, als ob es die Hölle nicht gibt. […] Das machen wir im Leben auch oft so: mit jemandem schlafen, sich am Morgen wundern, ärgern und denken: Ereignis aufheben. Manchmal ist das die Rettung. Nur dann nicht, wenn der Richter deine Realität aufhebt. Noch dazu ohne dein Einverständnis.

Im Protokoll steht, dass mich zwei OMON-Mitarbeiter, geboren 1993 und 1994, festgenommen haben. Festgenommen hat mich aber ein großer Schnurrbärtiger über vierzig. Und ein Augenzeuge bestätigt das. Aufhebung des Ereignisses.

Ich hatte ein Leopardenkostüm an, da gibt es ein Foto auf der Straße und im Gefangenentransporter, aber im Protokoll steht, dass man mich „in Hosen, Jacke und Stiefeln“ verhaftet hat. Aufhebung des Ereignisses.

[…]
Da steht, dass ich auf der Tverskaja Straße in einer Gruppe von 500 Personen verhaftet wurde, aber ich wurde auf dem Tverskoj Boulevard festgenommen und da waren gar nicht so viele Leute. Aufhebung des Ereignisses.

Im Protokoll ist eine Liste von Losungen aufgeführt, die Allen nach dem gleichen Muster zugeschrieben wurden. Mit dem Wörtlichen nehmen es die Polizisten offenbar nicht so genau. Aber wozu brauchen sie das Wörtliche, wenn sie sich ihre eigene Realität schaffen und auf die authentische pfeifen.

Anwalt Denis Schedov sagt, die Protokolle seien sehr schlecht. Aber selbst wenn sie gut sind, habe ich gesetzlich nichts falsch gemacht. Aufhebung des Ereignisses. 15.000 Rubel Strafe.

Am Abend fragt Alexander Tschernych: Wie konnte es passieren, dass irgend so ein Kerl im Kleid einfach die Realität aufgehoben hat? Ich sage: Das ist irgendwie passiert, Sascha. Und wir haben nicht verfolgt, warum das heute die Norm ist. Wenn man in den 2000er-Jahren, bei dem Versuch der Generation der Regisseure einen Namen zu geben, von den „Neuen Leisen“ sprach, dann kann man heute „Neue Niemande“ sagen - man hat uns abgeschafft. Ich bin kein Regisseur, ich bin ein Gesetzesbrecher.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

2. Oktober 2017

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Russisches Justizministerium verteidigt "Agentengesetz"

Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gericht für Menschenrechte

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MEMORIAL Krasnodar ins Register für angebliche „ausländische Agenten“ aufgenommen

Ein weiterer Memorial-Verband ist zum „ausländischen Agenten“ erklärt worden: Seit dem 21. August ist Memorial Krasnodar in dem berüchtigten Register verzeichnet.

Vorangegangen war eine außerplanmäßige Überprüfung des Verbands, aus der sich in den Augen des Justizministeriums die entsprechende Einstufung von Memorial Krasnodar ergab. Dieses Verfahren wurde schon bei mehreren anderen Memorial-Verbänden angewendet.

Inzwischen wurden neben der internationalen Dachorganisation aller Memorial-Verbände Memorial International noch das Wissenschaftliche Informationszentrum Memorial Petersburg (NITs), Memorial Rjasan, beide Memorial-Verbände in Jekaterinburg, Memorial Komi sowie das Menschenrechtszentrum Memorial als „Agenten“ registriert. Memorial Komi hat sich aus diesem Grund inzwischen aufgelöst.

Insgesamt sind derzeit 88 Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" registriert.

23. August 2017

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Berichte zum Fall Ali Feruz

Anfang August wurde in Moskau der usbekische Journalist Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) festgenommen, ihm droht die Ausweisung nach Usbekistan. Nachfolgend dokumentieren wir einige Berichte und Kommentare zu seiner Situation. Die Ausweisung wurde einstweilen ausgesetzt. Eine Petition (in russischer Sprache) mit einem Aufruf gegen seine Abschiebung finden Sie hier.

Denis Krivoshejev, stellvertretender Direktor für Europa und Zentralasien bei Amnesty International, erklärte aus Anlass der drohenden Abschiebung: „Ali Feruz lebt offen homosexuell, ist Menschenrechtsaktivist und Korrespondent der unabhängigen Zeitung Novaja Gazeta. Da ist eine beinahe tödliche Kombination für jemanden, der drauf und dran ist, nach Usbekistan ausgeliefert zu werden, wo ‚Sodomie‘ ein Verbrechen und Folter endemisch ist.“

Article 20, 3. August 2017

Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz berichtete der ONK (Gesellschaftliche Beobachtungskommission – deren Mitglieder überwachen in Russland die Einhaltung von Menschenrechten in Haftanstalten; Anm. d. Übs.) von Schlägen und Anwendung von Elektroschocks gegen seine Person durch die Wachmannschaft.

Mitglieder der öffentlichen Überwachungskommission ONK besuchten den Journalisten Ali Feruz (richtiger Name Khudoberdi Nurmatov) im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung von Migranten in Sacharovo. Feruz berichtete, dass er bei der Begleitung aus dem Gericht verprügelt wurde.

„Beim Transport aus dem Gericht zum SUVSIG (Einrichtung für die zeitliche Unterbringung ausländischer Personen, die ausgewiesen werden sollen; Anm. Übs.) wurde er mit Flüchen beleidigt, danach wurden zweimal Elektroschocks angewendet – an der Hand und am Oberschenkel“, berichtete Evgenija Jenikejev, Mitglied der ONK, die Ali am heutigen Tag sah. „Dann schlug man ihn mit dem Griff des Elektroschockers auf das linke Schulterblatt, dort bildete sich ein großes Hämatom. Bei der Aufnahme leugnete man die Existenz eines Hämatoms. Man verbot uns, den blauen Fleck zu fotografieren.“

Ein Beobachter fügte hinzu, nach allem zu urteilen, sei er von einem „Gerichtsvollzugsdienst“ begleitet worden. Er behielt im Gedächtnis, dass derjenige, der geschlagen hatte, von Kollegen mit Sanja angesprochen worden war.

Jenikejev berichtete ebenfalls, dass Ali unter Bauschmerzen leidet, weil er gestern den ganzen Tag auf der Polizei und bei Gericht festgehalten wurde, ohne die Möglichkeit etwas zu essen. Am Vorabend hatte das Moskauer Basmanny Gericht die Entscheidung über die Zwangsausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz aus Russland nach Usbekistan getroffen. Dieses Urteil fällte das Gericht, nachdem am 1. August ein Protokoll wegen Verstoß gegen die Regelung für die Einreise in die und den Aufenthalt in der Russischen Föderation für Ausländer (§ 18.8 III.1 OWIG RF) gegen Feruz aufgenommen worden war.

Vor Gericht hatte Feruz sich „nicht schuldig“ bekannt: „Nein, ich bin nicht-schuldig. Schon seit drei Jahren befinde ich mich im Aufnahmeverfahren. Im Moment versuche ich, vorübergehendes Asyl zu erhalten.“

Im Gerichtssaal wurde er verhaftet und nach Sacharovo in Abschiedehaft gebracht. Nach den Verhandlungen versuchte Feruz nach Angaben seines Verteidigers, sich das Leben zu nehmen. Noch vor der Verhaftung hatte Feruz Berufung gegen die Ablehnung des MWD (Innenministerium), ihm vorübergehendes Asyl zu gewähren, eingelegt. Bis zur Prüfung durch das Gericht kann sich Feruz auf dem Territorium des Landes aufhalten.

Quelle: Novaja Gazeta

OVD-Info, 5. August 2017

Nach Schlägen durch die Begleitposten begannen beim Journalisten Ali Feruz Herzschmerzen

Der Journalist der Novaja Gazeta Ali Feruz (Khudoberdi Nurmatov) leidet unter starken Herzschmerzen und erhöhtem Blutdruck. Darüber berichtete der Chefredakteur der Novaja Gazeta Dimitry Muratov, der Feruz im Zentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländische Staatsbürger (ZVSIG) besuchte. Nach seinem Worten befand sich auf dem Rücken des Journalisten ein Hämatom in der Größe von etwa 20 – 23 Zentimetern. Wie Muratov berichtete, konnte Feruz wegen schlechtem Befinden drei Tage nicht normal essen. „Bei der Leitung des Zentrums beantragte ich eine sehr schnelle Untersuchung und medizinische Hilfeleistung. Einen gesonderten Antrag dazu wird Alis Anwalt am Montag einreichen,“ schrieb Muratov.

Er berichtete, dass Feruz die Bedingungen im ZVSIG als gut und das Personal als wohlwollend und kompetent bezeichnet habe. Ali Feruz war am 1. August festgenommen worden. Auf der Polizeiwache war gegen ihn, Staatsbürger Usbekistans, ein Protokoll gemäß § 18.8 III.1 des Ordnungsstrafrechts (Verletzung der Aufenthaltsbestimmungen in der Russischen Föderation durch einen ausländischen Staatsbürger), erstellt worden, was eine verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht. Am selben Tag entschied das Gericht, Feruz auszuweisen, und er wurde ins ZVSIG gebracht.

Während der Überführung in das ZVSIG verprügelte die Begleitmannschaft den Journalisten. Polizisten wendeten zweimal ein Elektroschockgerät an und schlugen Feruz danach mit dem Griff des Geräts auf das linke Schulterblatt, wo ein großes Hämatom zurückblieb.

Am 4. August untersagte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Russischen Regierung den Journalisten nach Usbekistan auszuweisen, solange sein Fall noch nicht abschließend vom Europäischen Gerichtshof geprüft wurde.

OVD-Info - 8. August 2017

Das Berufungsgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung von Ali Feruz aus

Das Moskauer Stadtgericht setzt die Ausführung des Urteils zur Ausweisung des Journalisten der Novaja Gazeta Ali Feruz nach Usbekistan auf der Grundlage einer Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus.

Der Europäische Gerichtshof untersagte Russland, Feruz auszuweisen. Bis zum Ende der Gerichtsverhandlung wird sich der Journalist im Übergangszentrum für ausländische Bürger (ZVSIG) aufhalten. Heute bei Gericht sagte Feruz‘ Mutter, dass sie Bürgerin der Russischen Föderation sei und alle ihre Kinder in Russland lebten.

Am Gebäude des Moskauer Stadtgerichts wurden Einzelkundgebungen zur Unterstützung von Feruz abgehalten.

Ali wurde am 1. August festgenommen und auf ein Polizeirevier gebracht, wo man ein Protokoll aufnahm wegen des Verstoßes eines ausländischen Bürgers gegen die Regelungen des Aufenthalts in der Russischen Föderation (§ 18.8 III.1 OWIG RF), der die verbindliche Ausweisung aus dem Land vorsieht.

Zuletzt hatte man ihn im März verhaftet, da sollte er bereits ausgewiesen werden. Bei der Polizei sah Ali eine Person, die er als Mitarbeiter des Geheimdienstes Usbekistans erkannte.

Vor acht Jahren hatte der Journalist Usbekistan verlassen, weil der Geheimdienst des Landes ihm eine Zusammenarbeit angetragen hatte, die er jedoch nicht wollte. Bevor Feruz die Flucht gelang, hatte man ihn gefoltert.

Ali stellte einen Antrag auf zeitlich begrenztes Asyl in Russland, der abgelehnt wurde. Gegen das Urteil legte er Berufung ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Die Ablehnung ist somit noch nicht rechtskräftig. Aus diesem Grund befindet er sich zu Recht und völlig legitim auf russischem Territorium.

Nach der Entscheidung des Basmanny-Gerichts über die Ausweisung wurde Feruz in das Zzentrum für die zeitweilige Unterbringung ausländischer Bürger (ZVSIG) gebracht. Bei der Überführung dorthin beleidigte ihn eine Begleitperson wegen seiner sexuellen Orientierung (Ali Feruz lebt offen schwul – OVD-Info), schlug ihn mit dem Elektroschockgerät und sagte: „Solche wie dich … sollte ich besser mit dem Elektroschocker einäschern.“ Nachdem er verprügelt worden war, setzten bei Ali Herzschmerzen ein.

Am 4. August verbot der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte per Gerichtsentscheid den russischen Behörden Ali nach Usbekistan auszuweisen.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

22. August 2017

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Irina Scherbakowa erhält Goethe-Medaille

Am 28. August wird in Weimar die Goethe-Medaille verliehen. Neben zwei weiteren Preisträgerinnen – der Verlegerin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Urvashi Butalia aus Indien und der Schriftstellerin Emily Nasrallah aus dem Libanon - wird Irina Scherbakowa ausgezeichnet.

Irina Scherbakowa setze sich seit Jahrzehnten dafür ein, über die Repressionspolitik der ehemaligen Sowjetunion aufzuklären, heißt es in der Erklärung des Goethe-Instituts. Als gefragte Gesprächspartnerin zu den deutsch-russischen Beziehungen wirke sie maßgeblich mit an der Verständigung zwischen beiden Ländern.

Die diesjährige Preisverleihung steht unter dem Motto „Sprache ist der Schlüssel“.

19. August 2017

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Berufung von MEMORIAL International abgelehnt

MEMORIAL International verliert Klage gegen Etikettierung als „ausländischer Agent“ auch in zweiter Instanz

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Verfahren gegen Valentina Tscherewatenko eingestellt

Wie heute bekannt wurde, hat das Ermittlungskomitee das Verfahren gegen Valentina Tscherewatenko eingestellt.

Gegen die Leiterin der "Don-Frauen" war 2016 ein Verfahren eingeleitet worden, weil sie sich "böswillig" der Registrierung ihres Verbands als "ausländischer Agent" entzogen (d. h. diese nicht selbst beantragt) habe. Dafür drohten ihr bis zu zwei Jahren Haft.

Es war der erste Fall, in dem gegen die Vertreterin einer NGO auf Grund des "Agentengesetzes" (das Nichtregierungsorganisationen, die ausländische Fördergelder erhalten und angeblich "politisch tätig" sind, zur Registrierung als "ausländische Agenten" verpflichtet) strafrechtlich ermittelt wurde.

Wie die zuständige Staatsanwaltschaft mitteilte, wurde das Verfahren bereits am 19. Juni wegen des Fehlens eines Straftatbestands eingestellt.

24. Juli 2017

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MEMORIAL Deutschland zur Situation in der Gedenkstätte Perm-36

Perm-36, Russlands einzige Lagergedenkstätte, die sich auf dem Gelände eines ehemaligen stalinistischen Arbeitslages befindet, wurde 2014 verstaatlicht. Gegen die anschließend vorgenommenen konzeptuellen Veränderungen zu einem "Strafvollzugsmuseum" wurde weltweit protestiert.
Seitdem der Direktor der Eremitage Michail Piotrowski und seineBeraterin Julija Kantor das Museum unter ihre Kuration genommen haben und die ehemaligen dissidentischen Insassen in den Führungen erneut Erwähnung finden, ist es wieder ruhig geworden um das Museum, deren Leitung sich in letzter Zeit verstärkt um Kooperation mit deutschen Gedenkstätten bemüht.

Warum dies MEMORIAL Deutschland e.V. kritisch sieht, erklären wir in unserer Stellungnahme, die auch auf eine Beschreibung der derzeitigen Situation im Museum des ehemaligen Direktors Viktor Schmyrow verweist.

16. Juli 2017

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Von Kaliningrad bis Wladiwostok: Mindestens 1720 Menschen in ganz Russland am 12. Juni festgenommen

In Moskau ist OVD-Info von 866 Festgenommenen bekannt, die in 42 Polizeiwachen gebracht wurden. Nicht weniger als 32 Personen verbrachten die Nacht in elf Polizeirevieren. In St. Petersburg wurden, nach vorläufigen Angaben von OVD-Info, mindestens 658 Personen festgenommen und auf 34 Polizeireviere gebracht, 247 ließ man über Nacht auf der Polizeiwache.

Insgesamt wurden in Russland nach Angaben von OVD-Info mindestens 1721 Personen festgenommen. Von ihnen in den Regionen (ausgenommen Moskau und St. Petersburg): 197 Personen.

Wir veröffentlichen die OVD-Info vorliegenden Daten zu Festnahmen und Einzelheiten der Vorfälle. Die Informationen sind unvollständig und werden ergänzt.
Moskau 866 Personen

- Etwa 32 Personen verbrachten die Nacht auf der Polizeiwache.

- Zu Verhaftungen kam es ebenfalls auf dem Sacharov-Prospekt, am Ort der abgesagten Protestversammlung.

- Die bekannten oppositionellen Aktivisten Mark Galperin und Ilja Raschin erhielten 15 Tage Arrest. Ebenfalls unter den Festgenommenen befindet sich der Direktor der Stiftung zum Kampf gegen Korruption Roman Rubanov.

- Alexej Navalnyj wurde am Eingang seines Hauses festgenommen und im Büro der Stiftung zum Kampf gegen Korruption der Strom abgeschaltet. Am Abend des 12. Juni wurde Navalnyj für den wiederholten Verstoß gegen das Versammlungsrecht zu 30 Tagen Arrest verurteilt. (§ 20.2. Ordnungsstrafrecht der RF, Verstoß gegen die festgelegte Ordnung für die Organisation oder Durchführung einer Versammlung, Kundgebung, Demonstration, eines Marsches oder einer Einzelkundgebung)

- Gegen den Aktivisten Michail Aralov wurde wegen wiederholter Verletzung gegen die festgelegte Ordnung zur Durchführung öffentlicher Veranstaltungen ein Protokoll aufgenommen, obwohl eine vorangegangene Verurteilung noch keine Gesetzeskraft besitzt.

Ein Verfahren wurde eingeleitet wegen Sprühen von Gas in das Gesicht eines Polizisten. Ein Verdächtiger wurde, nach Angaben des Untersuchungskomitees, festgenommen. Mindestens drei Festgenommene wurden in dieser Sache verhört.

Viele der in Moskau Festgenommenen wurden verprügelt. Unter den Verprügelten befindet sich auch die Moskauer Kommunalabgeordnete Julija Galjamina. Unter den Festgenommenen sind Minderjährige und einige Ausländer.

St. Petersburg: 658 Personen

Zu den Organisatoren der Protestaktionen, dem Vorsitzenden von „Offenes Russland“ in St. Petersburg, Andrej Pivovarov, dem Koordinatoren von „Frühling“, Nikolaj Artemenko, und einer der Leiterinnen des Wahlkampfstabes Alexej Navalnyjs in St. Petersburg, Polina Kostyleva, kamen zu Beginn der Aktion Mitarbeiter der Polizei und des Zentrums für den Kampf gegen Extremismus. Sie versuchten, mit den Genannten „prophylaktische Gespräche“ zu führen.

In der Leningrader Region wurde der Vertreter der „Neuen Opposition“ Rastorguev festgenommen und als Zeuge in einer Strafsache zu einem Autobrand vom 27. März 2017 verhört.
Ebenso wurde in St. Petersburg ein Verfahren auf der Grundlage des Paragraphen 318 STGB RF (Gewaltanwendung gegen einen Vertreter der Staatsmacht) eingeleitet. Das Untersuchungskomitee sucht nach einer Person, die einem Polizisten mit der Faust in das Gesicht geschlagen hat.

Urteile gegen die auf dem Marsfeld Festgenommenen begann man bereits am späten Abend des 12. Juni zu fällen. So wurde beispielsweise Angelina Vysozkaja zu fünf Tagen Haft und 10 000 Rubeln Strafe verurteilt. Am Morgen des 13. Juni wurde im Regionalgericht der Bürgerrechtler Dinar Idrisov verhaftet.

Auf einigen Polizeirevieren hielt man Festgenommene fest, ohne ein Protokoll aufzunehmen und zwang sie ihre Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Auf 64 Polizeiwachen waren sogar bis zum Morgen des 13. Juni noch keine Protokolle für die Festgenommenen aufgenommen worden.

Auf den Petersburger Polizeiwachen wurden nicht nur Telefone beschlagnahmt, sondern die Verhafteten bis auf die Unterhosen ausgezogen und verprügelt. Ebenfalls unter den Festgenommenen viele Minderjährige und auch Ausländer.

Sotschi: 48 Personen

Unter den Festgenommenen befindet sich ein Korrespondent von Radio Svoboda. Die Festgenommenen wurden psychischem Druck ausgesetzt.

Kaliningrad:34 Personen

Die Protestversammlungen waren mit den örtlichen Behörden nicht abgestimmt.

Tula: 24 Personen

Unter den Festgenommenen befinden sich Minderjährige. Eine Person wurde wegen eines gewissen Zeichen festgenommen.

Wladiwostok: 15 Personen

Dem Administrator der Wladiwostoker Gruppe Vkontakte „Wie fordern Antwort“ nahmen Kosaken eine Flagge ab und schlugen ihn. Ein weiterer Aktivist wurde mit einem zusammengerollten Plakat festgenommen. Einen Kameramann, der eine Übertragung ins „Periskop“ streamte, übergoss man mit grüner Flüssigkeit.

Unter den Verhafteten war auch der Abgeordnete der Städtischen Duma Jurij Kutschin. Er wurde an diesem Tag zweimal festgenommen.

Einem der Festgenommenen drohte man mit einem Strafverfahren wegen Angriff auf einem Polizisten.

Am Abend wurden 12 Personen von der Polizei auf freien Fuß gesetzt.

Norilsk: 10 Personen

Die Versammlung wurde von der Polizei vereitelt, ungeachtet des Vorhandenseins einer Erlaubnis zur Durchführung. Kosaken halfen der Polizei bei der Auflösung der Versammlung.

Blagoweschtschensk: 9 Personen

Die Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.

Tambow: 7 Personen

- Eine Protestaktion war in Tambov nicht vereinbart. Vor Beginn der Aktion wurden vor ihrem Haus der Koordinator von „Offenes Russland“, Vladimir Shilkin, und seine Frau Natalija verhaftet.

Kasan: 6 Personen

- Unter den Festgenommenen in Kasan sind der Organisator der Versammlung, einer der Auftretenden und drei Frauen wegen eines Plakates mit der Aufschrift „Kein Genozid an der Urbevölkerung Russlands“.

Samara: 5 Personen

- Als Grund für die Verhaftung diente das Zeigen der tschuwaschischen Flagge.

Almetjewsk: 5 Personen
Eine Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.

Wladimir: 3 Personen
Eine Versammlung war mit den Behörden nicht abgestimmt.

Jeisk: 8 Personen

- Die Teilnehmer der Versammlung wurden festgenommen, obwohl die Aktion in Form einer Serie von Einzelkundgebungen durchgeführt wurde. Fünf Minderjährige wurden auf freien Fuß gesetzt, eine Aktivistin wurde mit einer Strafe von 10 000 Rubeln belegt.

Lipezk; 3 Personen

- Unter den Festgenommenen befindet sich ein Teilnehmer einer Einzelkundgebung.

Nischni Tagil: 1 Person

- Polizisten hielten die Tatsache, dass sich ein Festgenommener auf der Polizeiwache befand, geheim.

Abakan: 1 Person
Der Teilnehmer einer Versammlung wurde wegen Tragen einer Maske festgenommen. Nach Protokollaufnahme wurde er entlassen.

In Machatschkala verlangten Polizisten vom Organisatoren eine Bescheinigung darüber, dass keine gesetzeswidrigen Handlungen verübt werden und setzten ihn innerhalb einer halben Stunde auf freien Fuß.

In Weliki Novgorod wurden 13 Personen festgenommen. Bekannt sind ebenfalls Verhaftungen von jeweils mindestens einer Person in Gattschina, Volgograd, Tjumen und Ischewsk.
§ 20.2. Ordnungsstrafrecht der RF
Quelle: OVD-Info

Wie es war: Erzählungen Verhafteter am Tag Russlands

15.06.2017 Moskau

Die Protestaktionen gegen Korruption umfassten eine präzedenzlose nie dagewesene Anzahl an Städten. Eine vergleichbare landesweite Verteilung der Proteste gab es bei Versammlungen gegen die KPDSU am Ende der 80er Jahre und bei dem „Schienenkrieg“ des Jahres 1998 [ „Schienenkrieg“: Historischer Terminus, beschreibt Anschläge und Sabotageaktionen gegen Eisenbahnlinien, u.a. während des Großen Vaterländischen Krieges durchgeführt von sowjetischen Partisanen. Hier sind Proteste und Aktionen streikender Kumpel gemeint, die 1998 wegen nicht ausgezahlter Löhne Eisenbahnstrecken der Transsibirischen Eisenbahn besetzten. Diesem „Schienenkrieg“ schlossen sich damals Krankenschwestern, Lehrer, Ärzte, Studenten und Professoren an. Anmerk. Übers.]. Am 12 Juni gingen Menschen aus etwa 200 Städten Russlands auf die Straße, Polizisten verhafteten mindestens 1720 Personen. Gemeinsam mit Meduza fahren wir fort, ein Fazit der Ereignisse aus dem Tag Russlands zu ziehen und tragen Erzählungen Verhafteter zusammen. Heute veröffentlichen wir fünf Zeugenberichte aus Moskau und jeweils einen aus St. Petersburg und Blagoweschtschensk.

Daria Koscheleva, Blagoweschtschensk, minderjährig:

Auf mich stürzte sich ein Ninja mit Schulterklappen

Ich laufe auf der Straße 50-Jahre-Oktober, mit der einen Hand streame ich in „Periskop“, in der anderen Hand habe ich die Verfassung Russlands. Es beginnt ein Dröhnen, ich versuche mich durchzuschlagen, um nachzusehen und plötzlich stürzt sich ein Ninja mit Schulterklappen auf mich. Natürlich hat er sich nicht vorgestellt und auch nicht gesagt, was überhaupt vor sich geht.

Nach einem kurzen Kampf trennte er mich von den Leuten, die in meiner Nähe liefen. Ich versuchte mich loszureißen, er stößt mich auf die Straße, auf der eine große Zahl Autos und Busse fuhren. Man führte mich zu einem Bus zusammen mit noch einem Jungen (Nikita Burmanin), dort waren ungefähr zehn Polizisten, die uns als einträchtige Gesellschaft unter Schimpfworten mit irgendeinem Kerl mit Schulterklappen an der Spitze in einen Shiguli ohne jegliche Kennzeichnungen setzten.

Man brachte uns auf ein Polizeirevier, führte uns in den dritten Stock zum Eingang einer Aula, wo schon ein paar Leute waren, fragte nach den Pässen zum Kopieren, wir gaben sie ab und besonnen uns erst danach, dass wir das nicht hätten tun sollen. Aber alles war gut und wir bekamen sie nach etwa 15 – 20 Minuten zurück. Sie nahmen eine Erklärung auf. Wir warteten lange auf meine Mutter. Während wir warteten, dass ein Büroraum frei wird, drängte sich frech so eine Tante auf, wie so ein Gopnik [ein abfälliger Begriff, im russischen Jargon eine Bezeichnung für Vertreter der Jugend mit kriminellem Verhalten, die oft keine Ausbildung haben und zu den schwachen sozialen Schichten der Gesellschaft gehören. Anmerk. Übers.], stellte sonderbare Fragen über Piercing, versuchte mich verlegen zu machen und zu erniedrigen.

Dann führte man uns weg in so ein „Folterzimmer“, das scharf nach Urin stank, mit einem schmutzigen Tisch, an dem Spuren von genommenen Fingerabdrücken waren. Dort setzte man ein Protokoll auf, gleichzeitig wurde ein Gespräch geführt und völliger Unsinn gequatscht. Sie sagten, dass die Korruption uns nichts angehe, dass das Problem nicht aktuell sei, dass wir uns besser mit wirklich wertvollen und interessanten Dingen beschäftigen sollten und so weiter. Das Protokoll übrigens diktierte genau der, der mich auf der Straße gepackt hatte, und ein anderer schrieb. Sie drohten mit einer Strafe von 10 000 Rubeln aufwärts, dem Beschluss zur Registrierung bei der Kommission für Minderjährige und der möglichen Anwendung einer Bestrafung der Eltern – dafür, dass sie ihren elterlichen Verpflichtungen schlecht nachkommen.
§ 20.2 Ordnungsstrafrecht der RF (Verstoß gegen die festgelegte Ordnung zur Durchführung öffentlicher Veranstaltungen)

Jegor Novusov, St. Petersburg, minderjährig

Als wir zum Marsfeld kamen, wunderten wir uns über die riesige, im Vergleich zum 26. März, Menge an Mitarbeitern der Rechtspflegeorgane. Wir waren zu viert, alle noch minderjährig. Die erste halbe Stunde beobachteten wir die für Veranstaltungen an diesem Ort klassische Situation: Die Polizei verjagte die Leute von den Denkmälern, nur dass sie das in einer viel aggressiveren Weise taten als beim letzten Mal.

Und dann, eine Stunde nach Beginn, fingen sie an, die Menschenmenge in einen Ring zu treiben. Es gab ein Gedränge, irgendjemand verwundete versehentlich einen Opa im Gesicht, in der Menge fand sich einer, der Pflaster bei sich hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Ring schon gebildet, aber wir hatten nicht das Glück von dort wegzulaufen. Die ersten fünf Minuten hätte man noch weglaufen können, indem man mit der gebotenen Sachkenntnis über das Denkmal gesprungen wäre, aber danach waren zwei Polizisten darauf. Man ließ die Presse aus dem Ring. Nach einer halben Stunde bildete sich ein Korridor, durch den die Polizisten wahllos und ohne viel Federlesens jeweils eine Person zu den Bussen führte. Und obwohl wir keinerlei Widerstand leisteten und freiwillig in den Bus gingen, beschuldigte man uns später gegen § 19.3 Ordnungsstrafrecht [Nichtbefolgen einer rechtmäßigen Anweisung eines Mitarbeiters der Polizei, Anmerk. Übers.] verstoßen zu haben.

Angekommen im Bus verstanden wir, dass die Lage hier nicht die allertraurigste sein würde, die Leute waren fröhlich gestimmt. Die Mitarbeiter der Polizei hatten sich bei der Festnahme weder vorgestellt noch mir meine Rechte und meinem Status erklärt. Später wurde das dann im Protokoll angegeben. Nach einer Stunde Fahrt kamen wir dann wohl bei dem Revier 64 an. Offenbar reichte der Platz dort nicht aus, weil wir sofort nach dem Parken aufs Neue weiterfuhren. Nach einer weiteren Stunde waren wir auf dem Polizeirevier Nr. 8.

Und dann gingen der Mist und die Heiterkeit los: Mit Hilfe des Türöffnungsmechanismus bei Unfällen entkamen plötzlich zwei Leute, die ganze Polizei rennt auf die Straße, kann die Flüchtigen aber nicht mehr einholen. Der Bus fuhr weiter, denn auch auf dem 8. Revier gab es keinen Platz. Nur dass jetzt an jeder Tür jeweils zwei Polizisten standen. Insgesamt fuhr man uns ungefähr vier Stunden durch die Stadt. Man muss berücksichtigen, dass man uns während dieser Zeit kein einziges Mal auf die Toilette ließ. Im Grunde war das ein Bestandteil von Folter. Die Mitarbeiter antworteten auf die Empörung giftig: Wartet. Die Vollendung unserer unglaublichen Reise, der Exkursion durch den Süden St. Petersburgs, war dann das Polizeirevier 55. Und hier begann man dann gemächlich, die völlig erschöpften Leute auf die Toilette zu lassen. Das lief nicht ohne Fluchtversuche ab: Ein Fliehender wurde gefasst und an Füßen und Händen zurück in den Bus geschleppt.

Kaum dass man uns aufgerufen hatte, wollte man uns zwingen eine Erklärung zu schreiben, aber nachdem sie erfuhren, dass wir noch Minderjährige waren, fotografierte man nur unsere Pässe und uns (ich persönlich verdeckte mein Gesicht).

Wie sich später herausstellte, waren die Männer ohne Uniform, die in der Aula saßen, Mitarbeiter des Zentrums für den Kampf gegen Extremismus. Sie benahmen sich besonders unverschämt und flegelhaft. Dann jagte man uns alle in die zweite Etage. Sie erstellten einen Bericht in meiner Sache und in der noch einer Person nach demselben Muster und schickten uns zum Warten auf den Inspektor für Angelegenheiten Minderjähriger auf den Flur auf ein Sofa. Wir warteten noch eineinhalb Stunden. Dass ich unbedingt ein Antibiotikum einnehmen musste, war allen völlig egal. Bei Ankunft der Inspektorin bat man mich ins Büro. Es begann mit der formellen Befragung: Wohnort, Geburtsdatum u.s.w. Nach zehn Minuten kam meine Mutter, die man zuerst nicht in die Polizeiwache einlassen wollte. Alle Mitarbeiter hatten keine Hemmungen die Teilnehmer der Versammlungen zu fragen, „wieviel man ihnen bezahlt habe.“

Die Inspektorin verkündete, dass jedem Studenten und Schüler etwa 1000 Rubel für die Teilnahme gezahlt worden seien, damit wollte man, gemäß den Worten der Inspektorin, die Teilnehmerzahl der Veranstaltung erhöhen. Angeblich habe man dafür Beweise und bald gäbe es eine Untersuchung.

Als man mir den Bericht zu lesen gab, stellte ich verwundert fest, dass ich beschuldigt wurde gegen § 19.3 verstoßen zu haben: Nichtbefolgen einer rechtmäßigen Anweisung eines Mitarbeiters der Polizei. Auf meine völlig natürliche Empörung sagte man mir, dass das Nichtbefolgen in meinem Fall darin bestehe, dass ich das Marsfeld nicht verlassen habe, als die Polizeimitarbeiter dies durch das Megaphon gesagt hätten. Der Inspektorin war völlig gleich, dass ich mich auf der anderen Seite des Marsfeldes hätte befinden und nicht hören können, was gesagt wurde.

Ich unterschrieb im Protokoll „Nicht einverstanden mit der Anschuldigung“. Nach ein paar Formalitäten ließ man uns frei und versprach, nach Erinnerung durch den Anwalt, im Verlauf von fünf Minuten Kopien der Protokolle anzufertigen. Im Ergebnis warteten wir eine halbe Stunde.

Man weigerte sich, die Kopien der Berichte auszuteilen. Sie sagten, es bedürfe dazu „einer schriftlichen Anfrage und danach werden wir prüfen.“

Insgesamt betrug unser „Freiheitsentzug“ vom Augenblick der Festnahme bis zur Freilassung acht Stunden 20 Minuten. Die Eltern wurden in die Schule zu einem Gespräch mit dem Direktor einbestellt.

Quelle: OVD-Info.

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

Juli 2017

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