Nachrichten

Kurswechsel in Dagestan?

Am 7. April 2011 fand ein Treffen zwischen dem Präsidenten von Dagestan, Magomedov, und Oleg Orlov sowie Ekaterina Sokirjanskaja und Svetlana Gannushkina als Vertreter des MEMORIAL-Menschenrechtszentrums statt.
Hauptthema des Treffens, an dem u.a. auch die Bevollmächtigte für Menschenrechtsfragen Omarova und MEMORIAL-Mitarbeiter aus Dagestan teilnahmen, war der Dialog zwischen Staat und Gesellschaft in Dagestan und insbesondere die Einbeziehung von Vertretern unterschiedlicher Strömungen innerhalb des Islam, wie Salafisten und Sufisten. Ebenfalls angesprochen wurde das Vorgehen der Sicherheitskräfte bei Anti-Terror-Einsätzen, das im Rahmen von Recht und Ordnung erfolgen muss.
Als Ergebnis des Treffens vereinbarte man die Durchführung eines Runden Tisches am 18. und 19. Mai 2011, der sich mit Fragen der Zivilgesellschaft in Dagestan und einem Ausweg aus der jetzigen Krise befassen soll.

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Foreign Office-Jahresbericht zur internationalen Menschenrechtslage übt scharfe Kritik an Russland

In seinem Jahresbericht zur internationalen Menschenrechtslage 2010, der am 31. März dem britischen Parlament vorgelegt wurde, übt das Foreign Office scharfe Kritik an der Situation in Russland.
Trotz geringfügiger Reformen und vielversprechender öffentlicher Erklärungen seien im vergangenen Jahr keinerlei Anzeichen für eine systematische und grundlegende Änderung der Verhältnisse zu erkennen gewesen. Die Versammlungsfreiheit sei weiterhin eingeschränkt, und die Behörden behinderten die Arbeit von Journalisten und Nichtregierungsorganisationen.
Besonders besorgniserregend seien das zweite Strafverfahren gegen Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev, aber auch die Lage der Ermittlungen zu den Mordfällen Politkovskaja und Estemirova sowie der Tod des Anwalts Sergej Magnitskij, der unter ungeklärten Umständen in seinem Moskauer Gefängnis starb.

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"Demokratie in Russland" - Moskauer Seminarreihe von MEMORIAL International

Demokratie und freie Wahlen, Wahlen in Russland: Realität oder Imitat, Wahrung des Status Quo oder Wandel zum Besseren? – Dies sind die Themen des 2. Seminars, das MEMORIAL International am 7. April 2011 im Rahmen des Projekts „Demokratie in Russland“ veranstaltet.
Die interdisziplinären Seminare zu Fragen der Demokratisierung, der bürgerlichen Solidarität und Überwindung der totalitären Vergangenheit Russlands sollen Anstoß zu einer Diskussion zwischen Wissenschaftlern, Bürgerrechtsaktivisten, Experten, Journalisten und einem interessierten Publikum sein, um in diesem Kreis die soziologisch begründete Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Fragen im heutigen Russland zu fördern.
Das erste dieser Seminare, an dem in- und ausländische Experten teilnehmen, veranstaltete MEMORIAL International am 1. März 2011 zum Thema „Perspektiven der Bürgergesellschaft und Probleme bürgerlicher Solidarität in Russland“.

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Ella Pamfilova mit Preis des Deutsch-Russischen Forums ausgezeichnet

Ella Pamfilova, die für ihre zivilgesellschaftlichen und politischen Verdienste bereits mit zahlreichen Orden und Auszeichnungen geehrt wurde, erhielt am 31. März 2011 den mit 5000 € dotierten Dr. Friedrich Joseph Haass-Preis des Deutsch-Russischen Forums.
Ella Pamfilova ist seit 2001 Vorsitzende des Präsidiums der Allrussischen gesellschaftlichen Bewegung "Würde des Bürgers". Im Jahr 2002 ernannte Putin sie zur Vorsitzenden der damaligen Menschenrechtskommission, heute neu organisiert zum Rat für die Entwicklung von Zivilgesellschaft und Menschenrechte beim Präsidenten der Russischen Föderation. Von diesem Amt trat sie im Juli 2010 zurück.
Gewürdigt wurden ihre "hohe Integrität, Durchsetzungsvermögen und außerordentliches Engagement".

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Erneute Festnahmen bei Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg zum 31.

Auf den nach wie vor nicht genehmigten Demonstrationen zur Durchsetzung der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 31. der russischen Verfassung kam es erneut zu Festnahmen in Moskau und St. Petersburg. Trotz des großen Aufgebots an Sicherheitskräften hatten sich auf dem Moskauer Puschkin-Platz etwa 800 Personen versammelt. Nach Auskunft der Polizei wurden in Moskau etwa 50 Personen festgenommen, in St. Petersburg u.a. auch Boris Nemzov.

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Europäischer Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Russland zu Entschädigungszahlung von 1,5 Mio €

Am 29. März 2011 gab der Gerichtshof nach Informationen von IA Rosbalt der Klage der Einwohner des Dorfes Kogi statt, das 1999 durch Luftangriffe zerstört wurde. Zwei Kinder und drei Frauen kamen damals ums Leben. Die zweite Klage hatten die Angehörigen des Vermissten Ajuba Mursatova, gebürtiger Tschetschene, eingereicht, der 2002 von Unbekannten in Tarnanzügen entführt worden war. Die russischen Behörden hatten keine Ermittlungen zum Verschwinden von Mursatova eingeleitet. Der Gerichtshof hat die Beweisgründe der Kläger anerkannt und Russland zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1,5 Mio € verpflichtet.

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Putin und die Gewissenspflicht

In ihrer Erklärung vom 24. März 2011 kritisiert die Internationale Gesellschaft MEMORIAL die Äußerungen Putins, der anlässlich seines Besuchs in Slovenien am 22. und 23. März die Zahl der Opfer beklagte, die der Bürgerkrieg in Libyen und, mehr noch, die jüngsten Raketen- und Bombenangriffe auf das Land forderten, und erinnerte die Beteiligten an ihre Gewissenspflicht.
MEMORIAL International erinnert den Premierminister aus diesem Anlass an die Bombardierung von Zivilisten in Tschetschenien in den Jahren 1999/2000: So kamen bei dem Raketenbeschuss auf Grosny am 21.10.1999 mehr als 100 Menschen ums Leben, der Angriff auf eine Flüchtlingskolonne am 29.10.1999 forderte 16 Menschenleben und der Beschuss des Dorfs Katyr-Jurt vom 4. bis 7.02.2000 kostete mehr als 100 Personen das Leben.
Diese wenigen Beispiele schon sollten auch für Putin, damals ebenfalls Premierminister, eine Erinnerung an die Pflichten des Gewissens sein.

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Menschenrechtler kritisieren Politik der Ermittlungen im Mordfall Estemirova

Das Menschenrechtsportal hro.org berichtet dazu am 22.03.2011, dass die zunächst aufgenommenen Ermittlungen in Bezug auf offizielle Persönlichkeiten in Tschetschenien auf Eis gelegt worden seien. Svetlana Gannushkina, die Leiterin der Organisation Bürgerhilfe (Гражданское Содействие), erklärte, dass ihre Anwälte keinen Zugang zu entsprechenden Unterlagen erhielten und dies auch gerichtlich nicht durchsetzen konnten.
Die unzureichenden Ermittlungen im Mordfall Estemirova, insbesondere die Weigerung, den Vertretern der geschädigten Partei den geforderten Zugang zu Unterlagen zu gewähren, sollen auch Gegenstand einer Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof werden.
Seitens des Ermittlungsausschusses wurde darauf hingewiesen, dass Einzelheiten zu den Ermittlungen in der Mordsache Estemirova unter Verschluss gestellt seien und deshalb auch nicht darüber informiert werden könne. Es würden jedoch alle erforderlichen Maßnahmen, Anhörungen und Untersuchungen vorgenommen.
Zur Kritik der Menschenrechtler an den Ermittlungen wollten die Vertreter des Ausschusses keine Stellung nehmen.
Mehr in russischer Sprache unter http://www.hro.org/node/10568

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Amnesty International soll Chodorkovskij und Lebedev als Gewissensgefangene anerkennen

Namhafte Vertreter des russischen Kulturlebens, wie Boris Strugatzkij, Boris Akunin, Oleg Basilashvilij und viele andere, haben sich an das russische Büro von Amnesty International mit der Bitte gewandt, Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev als Gewissensgefangene anzuerkennen.
Als Gewissensgefangene gelten Personen, die durch äußere Umstände wie Haft o.ä. gehindert werden, das Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben und die Anwendung von Gewalt weder billigen noch dazu aufrufen.

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7. Chodorkovskij-Seminar in Moskau

Am 22. März 2011 findet zum 7. Mal das sog. Chodorkowskij-Seminar im Rahmen der Konferenz "Alternativen für Russland" statt. Diskussionsschwerpunkte sind dieses Mal die Grenzen der Stabilität im Zeichen einer zyklisch angelegten Politik, die Situation der Gesellschaft in Zeiten der Ungewissheit und spezifische Faktoren der Instabilität.
Veranstalter sind neben MEMORIAL der Fonds Informatik für Demokratie und der Gesellschaftsvertrag (Общественный Договор).

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Persecution of NGOs and Human Rights Defenders in Russia

Introduction

Throughout 2006 the situation of human rights defenders in Russia has continued to deteriorate, the freedom of association has become even more restricted, and attacks of the Russian government on independent non-governmental organizations (NGOs) have intensified. Among numerous manifestations of growing government pressure on human rights defenders and independent NGOs in 2006 there are the following: coming into force of the new restrictive NGO legislation in April this year; extremely problematic process of mandatory re-registration of foreign NGOs in September-October; increasing use of anti-extremist and counter-terrorist legislation against NGOs and activists; shutting down of Russian-Chechen Friendship Society in October – a first group falling victim of repressive provisions of the new NGO law combined with anti-extremist law; attempts to close several leading nation-wide human rights organizations on charges of alleged tax evasion and poor reporting; increasing monopolisation of public life by the government by limiting interaction between the state bodies and civil society institutions to artificially created top-down structures such as the Public Chamber and its analogues at the regional level; new phenomenon of wide-scale detainment and harassment of NGO activists traveling to conferences; growing use of unlawful restriction of the right for peaceful assembly by illegitimately forbidding activists to organize demonstrations and beating, detaining and levying administrative penalties on participants of the demonstrations; continued government inaction in response to death threats and violence against human rights defenders from neo-Nazi groups, and, finally, continued hostile rhetoric by government officials against independent NGOs and human rights defenders accusing them in working against national interests, undermining political stability, engaging in espionage and being paid by hostile foreign governments and domestic political opposition. It is continued hostility of the government against independent activists that made possible the horrendous murder of internationally renowned investigative journalist and human rights defender Anna Politkovskaya on October 7 this year. Pressure on independent civil society organizations in Russia has taken truly a systemic form in 2006, with the government putting the issue of the work of NGOs firmly in the context of security concerns and an alleged threat they pose to political stability and the state itself.

“Orange Paranoia”: Russia Leading a New Global Assault on Independent Civil Society

While many governments across the globe after 9/11 have widely used security and counter-terrorism concerns to justify crackdown on human rights defenders, a new global phenomenon has emerged in the last two years when authoritarian states and “hybrid democracies” with imitational democratic institutions started to vigorously oppose international human rights cooperation and democracy promotion, in essence organizing a global backlash against independent civil society, using the argument of the alleged use by foreign governments of NGOs to interfere in political life and destabilize and undermine ruling regimes.

Today, more than 20 regimes across the world impose tough control over civil society under the pretexts of ensuring security, political stability and non-interference in the country’s “internal affairs.” These regimes include openly authoritarian governments and semi-authoritarian states, or “hybrid democracies,” where democratic transition has been stalled and democratic institutions are dysfunctional and often imitational, creating only a mere façade of democracy. These governments are placing unlawful restrictions on NGO activities, constrain and silence their work, harass and intimidate civil society activists. Particularly targeted are those NGOs that advocate for human rights and democracy and work in conflict zones. They are the ones that draw the most fire from those governments who view them as a threat to their power and are growing increasingly intolerant to independent thought and speech.

Authoritarian governments feel threatened by work of NGOs and are developing tools to suppress and silence these organizations. They create restrictive laws and regulations. They impose burdensome registration and tax requirements. Charges are vague, such as “disturbing social order” and “undermining security”, and implementation and enforcement are arbitrary, fostering a climate of self-censorship and fear. Russia is not the only country where NGOs face serious legal challenges. In Belarus, China, Venezuela, Zimbabwe, Eritrea, Ethiopia, Burma, Uzbekistan, Azerbaijan, Egypt, Algeria and other countries on different continents new restrictive NGO legislation has been adopted or is in the making.

When states find that their efforts to pass or apply restrictive laws and regulations against NGOs are not enough, they resort to extralegal forms of intimidation or persecution, including imprisonment, torture, threat to lives, enforced disappearances, and even murder. Often these regimes justify their actions by accusations of treason, espionage, subversion, foreign interference or terrorism. These are rationalizations; the real motivation is political. This is not about defending their citizens from harm; this is about protecting positions of power.

A decisive role in the growing suspicion of Russian government officials towards foreign funding of NGOs has been played by what many experts call the “orange paranoia.” After the so-called “color revolutions” in neighboring countries, many politicians and state officials in Russia came to believe that these events were fully instigated and directed from abroad through foreign support for NGOs within these countries. The role of members of the general public outraged by manipulations at the elections is disregarded.

This assessment has resulted in seeing by the state officials of those Russian NGOs who receive foreign funding as potentially dangerous and threatening political stability. In 2005-2006 we have seen dozens of statements to this effect by government officials and numerous articles in the media, many of which can be categorized as smear and defamation campaigns. Russian authorities have made repeated accusations against NGOs and allegations that independent civil society groups in Russia are financed by the country`s enemies – foreign intelligence services, oligarchs, terrorists, criminal gangs, etc. An ugly example of an anti-NGO smear campaign in mass media was the infamous British “spy rock scandal” in January this year when the Federal Security Service (FSB) made allegations that more than a dozen leading Russian NGOs, including Moscow Helsinki Group, Center for the Development of Democracy and Human Rights, Committee against Torture and others were funded by British intelligence officers acting under the cover of diplomatic service in the UK embassy in Moscow. For two weeks in the row after the broadcasting of a TV program with this story in the prime time, the allegations were repeated in the government controlled electronic and print media as well as by the top government officials several times a day, engraving a strong connection in the public opinion between human rights NGOs and foreign spies. In the end no foreign diplomats were sent away, no investigations and formal proceedings against NGOs were conducted, no legal motions were made. The spy scandal dissolved. However, the operation was successful: damage reputation was done; the work of human rights NGOs was firmly put in the context of state security and their acting against their own country for foreign money. Not surprisingly, this Soviet-style “operation” took place just a few days after signing of the restrictive NGO law by President Putin, clearly aimed at justifying its adoption.

The fact that in a globalized world NGOs work across and beyond borders in their international projects and that the practice of provision of funding by donors from other countries has become a recognized norm of life in civil society is not taken into account by Russian government officials and is obscured by plot theories, isolationist tendencies, and irrational fear of hostile foreign interests allegedly using Russian NGOs to undermine the regime and interfere in domestic politics.

Adoption of Restrictive NGO Legislation

Unfounded fears of the Russian government about foreign manipulation of NGOs and its hostility against independent groups lead to the introduction to the State Duma and swift adoption at the end of 2005 of fundamental amendments to the NGO legislation, often referred to as “the new NGO law.” NGOs and numerous domestic and international experts believe it is a politically motivated and poorly written law which is difficult to implement. Driven by suspicion towards foreign funding and international cooperation of Russian NGOs and by the premise of their impermissible “political activity,” the law imposes strict control over international funding and partnerships of Russian civil society groups.

It requires Russian organizations to report in detail on their use of foreign funds while authorities can prohibit foreign NGOs from providing funds to specific Russian partners or order stopping any of their programs if they “threaten constitutional order, territorial integrity, public health and morals and rights of third parties.” Registration Service officials can do it by their own decision rather than file a case to a court. Registration Service, in addition to reviewing annual reports by NGOs, can conduct full-fledged inspections of NGOs, request and evaluate their administrative, programmatic and financial documentation, attend their meetings without warning, and on the grounds of their observation decide whether an organization operates in compliance with the goals stated in its charter, and initiate liquidation if they believe this is not the case. Such sweeping powers of the state control bodies to interpret compliance of the organization’s work with its own goals clearly constitute interference in private civic initiatives and the work of independent organizations.

Foreign NGOs are singled out for even more extensive reporting requirements, including submission of papers describing their planned activities and expenses and quarterly financial reports, subject to comparison and review by authorities. Authorities may deny or revoke registration of a foreign organization whose activity, goals and objectives are found to “...create a threat to the sovereignty, political independence, territorial integrity, national unity, unique character, cultural heritage and national interests of the Russian Federation.”

In addition, the law imposes unconstitutional restrictions on who may be a founder and a participant of an NGO, including foreigners not legally present in Russia, people serving a prison term or persons previously convicted on “extremist” charges. Concern about unconstitutionality of these provisions as well as about overall excessively restrictive character of the law that negatively affects all civil society institutions has been expressed not only by NGOs but by the Council of Europe, Russian Ombudsman Vladimir Lukin and the chair of the presidential Council on Civil Society and Human Rights Ella Pamfilova.

Above-mentioned and several other provisions of the law are not based on legal notions and do not contain clear and unambiguous definitions. This constitutes the most problematic aspect of the legislation. Excessively vague wording grants public officials broad powers to interpret and apply provisions of the law at their discretion. There are well-grounded fears that because government deems NGOs “good” or “bad” (loyal and independent) and views some NGOs as suspicious, the law will be implemented accordingly, on a selective basis. Although all NGOs will suffer from increased administrative burden by having to fill in numerous reporting forms, including description of every event and activity they have organized throughout the year, it is the chilling effect of potential selective application of the law that is most problematic and leads to self-censorship and stopping of activities of many groups. There are reports coming from the provinces that smaller organizations are seriously considering to stop working because of their expected inability to cope with increased administrative burden or of fear of being singled out for special treatment.

The law has the potential to cripple the vital work of many NGOs, including foreign NGOs who support local groups, and could retard Russia’s democratic development. The Russian foreign ministry has claimed on its web site that the new NGO law is similar to that of Western countries. However, according to an expertise of a leading expert organization in this field, the International Center for the Not-for-Profit Law, the Russian law is “substantially different from the laws of the selected countries” and is “more restrictive”, both in terms of the specific provisions of the Russian law and in its cumulative effect.

Reasons for possible selective application of the law not on the basis of legal requirements but on political interpretation of its provisions or, more precisely, of its spirit, are quite strong. In November last year, when spelling out the key goal of the legislation, President Putin said it was to block foreign-funded Russian NGOs from “carrying out what amounts to political activity... Whether these organizations want it or not, they become an instrument in the hands of foreign states that use them to achieve their own political objectives.” During the “Civic G8” international NGO conference this July President reiterated that his only concern was about possible use of foreign funds for political activity of NGOs that may interfere in political life of the country and undermine political stability. The key problem is that while the law does not contain any definition of impermissible “political activity” every implementing official has to guess and figure out on his or her own what exactly the President means. Negative rhetoric by the state officials, often bordering with hostility towards foreign-funded public interest groups will very likely influence this process.

The President stated at the same conference in July that if he is provided with sufficient evidence that the law impedes development of civil society, he will personally introduce amendments to the State Duma. Russian NGO experts believe that among the most immediate tasks are development and discussion with the government of amendments eliminating unconstitutional restrictions on founding and participation in NGOs, changing the vague wording of several other key restrictive provisions, and eliminating burdensome reporting of NGOs and excessive powers of the state bodies to what amounts to intervention in the work of NGOs. Parallel to that there is an urgent need for analysis and public discussion, including one with the government, of the notion of “political activity.” It is crucially important to clarify this key issue and confirm full legitimacy of the NGO work in the fields of human rights, freedom of speech, anti-corruption, environment, democracy promotion, etc., and their funding from any legal sources at home and from abroad while confirming and strengthening an already existing ban in Russia on foreign funding for election campaigns and activity aimed at taking over political power.

The first test of the implementation of the new legislation has been quite negative. The law required mandatory re-registration of all foreign and international NGOs present in Russia by October 18 this year. Just two weeks before the expiration of the deadline, only 50 organizations out of estimated 500 foreign groups were registered. This was a result of extremely restrictive and excessive application of requirements by the Registration Service. Foreign NGOs were told to provide information that is not required by the law, including translation into Russian of their national laws pertaining NGOs which many countries do not have as separate laws; personal data such as home addresses and telephones of their founders and Board members, leading to absurd situations when founders were long time dead; internal documents of the organizations and decisions of their Boards that do not exist; etc. Many groups had to spend several thousand Euro on translation, certification by notary public and apostil, resubmit their applications several times. Registration Service had only three hours a week for consultations and never provided written explanation of why they turned down applications. As a result of international outcry and anticipating a huge looming scandal, the Registration Service changed its approach in the last two weeks, increased the number of office hours and somewhat liberalized its requirements. It also announced that groups that would fail to get re-registered by October 18 will not have to close down, pack their suitcases, and leave country but rather suspend all their programmatic activity as they await the decision on re-registration. As a result some 100 groups were registered before the deadline while several dozens more were still awaiting the decision or re-submitting their applications. A number of leading human rights groups had to suspend all their work in Russia, including Human Rights Watch, Amnesty International, Medicines Sans Frontiers, Legal Initiative for Russia, and Penal Reform International. In the last three weeks already after the deadline several more groups have been registered now totaling more than 140 while several dozen are still awaiting their fate. Registration Service blamed the problem on NGOs claiming they were irresponsible, “undisciplined” and not up to the rigorous Russian standards. This highly bureaucratic process not only undermined the work of many leading organizations and threatened their legitimacy in Russia but clearly manifested hostile and suspicious attitude of Russian authorities towards international civil society organizations, demonstrated the new “balance of power” and flagged the intrusive way the law will be implemented.

Increasing Use of Anti-Extremism and Counter-Terrorism Legislation against NGOs

In this climate of hostility Russian law enforcement authorities increasingly use anti-extremism and counter-terrorism legislation against NGOs. Anti-extremist legislation was originally adopted in 2002 and since then has been continuously amended with new provisions adopted every year expanding the definition of “extremist” activity. Encompassing a very broad range of deliberately vaguely defined public actions and statements, including such indefinite concept as “other actions aimed at undermining the state security,” this definition is a subject to major concern by human rights defenders. The first instance of the use of anti-extremist legislation against NGOs took place in 2004-05 when director of Andrey Sakharov Museum and Public Center Yuri Samodurov was convicted for alleged extremist incitement to religious hatred by organizing a controversial modern art exhibition on religious freedom issues. The key problem here is that the new NGO law of 2006 forbids persons convicted with extremist crimes to be founders, members or participants in NGOs while the anti-extremism law requires the organization to condemn its member and dissociate itself from his or her activity after the court verdict comes into force.

These provisions of the law laid ground to the first historical decision of a court in Nizhniy Novgorod to liquidate Russian-Chechen Friendship Society in October this year. It became the first Russian NGO victim of the new NGO law. The group has been a subject of judicial, administrative, financial, and verbal harassment during the last two years for its unrelenting and uncompromising coverage of continued human rights violations in the North Caucasus. Attack has been waged on numerous fronts – through the Ministry of Justice, tax inspection, prosecutors office, defamation against and death threats to its leaders, etc., culminating in criminal conviction on extremist charges of its director Stanislav Dmitrievsky in February 2006 for alleged incitement to ethnic hatred by placing anti-war appeals of rebel Chechen leaders in a newspaper published by the organization. The court verdict was based on a highly biased linguistic expertise and completely disregarded testimonies of other experts and numerous witnesses of the defense, including Sergey Kovalev and Anna Politkovskaya. It is exactly because the organization did not “condemn” Dmitrievsky for his “extremist” actions and did not disassociate itself from him after he was convicted, the Society was announced liquidated in October.

A leading Russian human rights organization, International Memorial Society, received official warning on February 26 this year from Moscow city prosecutor for incriminated violation of the anti-extremist law by allegedly using Internet for extremist activity by publishing on its web site an expert assessment by an Islamic scholar of materials of Islamic movement Hizb-ut-Tahrir which had been forbidden by the Russian government as an extremist organization. The scholar claimed that the materials of the movement did not contain extremist content and questioned the Supreme Court’s judgment. Memorial was warned that it would be liquidated if it did not eliminate this expertise from its web site in three days. The organization complied with the requirement to avoid closure.

Increasing number of NGOs and activists in the North Caucasus are charged with extremism or with alleged participation in terrorist activities, assisting terrorist groups, preparation of terrorist acts, and illegal possession of weapons.

A case against an NGO “Chechen Committee of National Salvation” based in Nazran (Ingushetia) was opened in 2004 and is still being investigated. The NGO is accused in publishing “extremist” materials allegedly “inciting to ethnic hatred, discrediting law enforcement agencies and justifying activities of illegal armed formations on the territory of Chechen Republic.”

Another example is persecution of Osman Boliev, director of “Romashka” NGO in Khasavyurt (Dagestan) who pressed charges against local law enforcement bodies for enforced disappearances and a murder of a six-year old girl by the police, including by submitting complaints to the European Court of Human Rights. An attack against him intensified when the Court in Strasbourg admitted the complaint with high priority, and Boliev was accused in illegally possessing a grenade. When the investigation made allegations this spring that he had been involved in assisting the hostage taking in the Nord-Ost theatre in 2004, Boliev had to flee for his life and applied for an asylum in Sweden which he was successfully granted this summer.

On October 13, the state-controlled television network NTV showed a documentary entitled “Humanitarian Issue” which made damaging accusations in assisting terrorists against human rights and humanitarian organizations working in the North Caucasus, including “Save the Generation” NGO. The organizations portrayed that way in a program are now in danger. Moreover, the program effectively defamed and put in danger Timur Aliev, an editor of the “Chechen Society” weekly newspaper who was described as linked with the recently killed terrorist leader Shamil Basayev responsible for the Beslan school hostage-taking and many others terrible terrorist acts. This program, which was not announced in the TV guide, was shown on Friday night, prime time, to a 120-million Russian audience and is not only enormously detrimental to the image of international humanitarian organizations, local NGOs and independent media but also raises concerns for the security of several individuals, including Timur Aliev and “Save the Generation” activists.

Use of Taxation Laws and Reporting Requirements to Undermine the Work of NGOs

Repressive tax laws make virtually every NGO in Russia a potential tax offender. Many leading civil society groups in Russia have recently been targeted for lengthy, biased tax inspections, resulting in very high penalties threatening bankruptcy. As a rule, such inspections are triggered by an organization’s criticism of government`s actions and are aimed at paralyzing an organization’s work and threatening it with closure. Absurd tax violation charges often include claims of profit tax on charitable grants, personal income tax and social tax on compensation for expenses of volunteers, compensation for travel expenses of participants of conferences, and awards to winners of high school student essay competition. Similarly, legal requirements on NGO reporting to the Ministry of Justice and the Registration Service are excessively and aggressively used against leading human rights groups.

The year 2006 has witnessed an intensified attack on tax and reporting grounds against a number of internationally renowned NGOs. Most recent targets of harassment by tax and controlling authorities in 2006 include “Memorial” Society, Russian-Chechen Friendship Society, “Open Russia” Foundation, Union of Soldiers’ Mothers Committees, Russian Research Center for Human Rights, Russian Pen Centre, Forum of Migrant Organizations, Center for International Protection, etc. The latter is a leading Russian NGO in submitting complaints to the European Court of Human Rights; it was charged with more than 135 thousand Euros in allegedly unpaid taxes on grants.

Most recently, in October, a liquidation of an NGO “International Standard” in Ufa (Bashkortostan) was initiated by the Registration Service for alleged minor mistakes in documentation without even issuing a required initial warning. The organization had apparently irritated authorities by investigating cases of violent abuse by the police and initiating legal proceedings against the perpetrators.

Increasingly hostile rhetoric by public authorities creates a climate of suspicion against NGOs in society, marginalizes them, and effectively encourages arbitrary actions of the law enforcement and tax authorities against civil society groups.

Government Inaction in Response to Death Threats against Activists and Attacks by the Neo-Nazi Groups. Impunity of the Perpetrators.

Encouraged by the government’s anti-NGO attitudes, law enforcement authorities fail to respond to increasing number of death threats and attacks by neo-Nazi and other radical nationalist groups against NGO activists and offices, creating a climate of impunity conducive of repeated attacks, death threats, and murders of human rights defenders.

Death threats increasingly used by neo-Nazi groups and other NGOs haters against human rights defenders remain ignored and uninvestigated by authorities. They include death threats against Oksana Chelysheva and Stanislav Dmitievsky of Russian-Chechen Friendship Society in Nizhny Novgorod and Dmitry Krayukhin of United Europe Institute in Oryol. Office of St. Petersburg “Memorial” Society was broken in and vandalized several times and its director Vladimir Shnitke physically assaulted by unknown persons shouting this was done in revenge for conviction of colonel Yuri Budanov who had been sentenced for kidnapping and killing a young Chechen woman. Head of St. Petersburg-based North-Western Center for the Rights of the Roma Stephania Koulaeva received repeated telephone threats from racists. Names and home addresses of Svetlana Gannushkina of “Civic Assistance” Committee and Memorial Human Rights Center and numerous other activists were published in various lists of “enemies of Russian people” on neo-Nazi web sites with direct calls for their violent “extermination.” No reaction by public officials followed. In October this year the FSB refused to open an investigation into the publication of death threats and private addresses and telephones in one of this death lists in the Internet arguing that there was no real threat, that “reputation of the people on the list and attitude towards them in the society was controversial” and the site was not really popular among radical groups anyway. The name of assassinated independent journalist and human rights defender Anna Politkovskaya had been also placed on neo-Nazi death lists for long while before her murder in October this year. A murder of a human rights activists and a leading expert in studying racial extremism Nickolay Girenko in St Petersburg in 2005 still remains unsolved. It is the impunity of the perpetrators and the government inaction to investigate and protect that makes violence against independent activists possible.

Boris Kreyndel, director of Tomsk Regional Public Human Rights Commission who has been active in advocating for minority rights, including protection of the Roma in Siberia, received death threats against his 16-year old daughter in a form of leaflets posted in his neighborhood with her name and address. The leaflets appeared after a defaming article was published in a national daily Izvestiya claiming Boris Kreyndel was protecting drug dealers. Kreyndel and his family were closely followed by unidentified people. Having failed to find protection from the law enforcement bodies despite of appeals by NGOs and the Russian Ombudsman Vladimir Lukin, Kreyndel and his family had to find refuge in the USA where they were granted asylum.

Lidya Yussupova, a defense attorney from Grozny (Chechnya) who headed the local office of the “Memorial” between 2000 and 2005 and remains a committed activist of that organization, was nominated for the Nobel Peace Prize in 2006. Her name was put on the list of the top ten candidates a few days before the Nobel Prize Committee was to announce the winner. In this context, Lidya, who had already won the very prestigious Martin Ennals Human Rights Award for her very courageous work in extreme danger, was interviewed by numerous Russian and foreign media outlets and spoke a lot of the continuing human rights crisis in Chechnya. On October 12, the day before the announcement of a name of the actual recipient of the Nobel Peace Prize for 2006, Lidya Yussupova received a threatening phone call from a stranger on her mobile phone. The man said in Chechen: “You’re a lawyer? And you’ve been dreaming of that prize? Do you think with this prize you’ll be able to do all these things in Chechnya like you’re doing now? You’ll have to live long enough to see that prize!” He also used obscene language. Lidya Yussupova herself was not gravely concerned over that incident. However, her colleagues are very worried for her safety, particularly as the threats were made just a few days after the murder of Anna Politkovskaya.

Harassment of Participants of NGO Conferences and NGO Demonstrations

A new phenomenon of wide-scale detainment and harassment of human rights defenders and NGO activists traveling to conferences that irritate the government emerged in 2006. Two incidents were particularly striking, and both happened in July in the context of the G8 summit in Russia. NGOs organized a number of parallel activities aimed at drawing attention of the international community to democracy backslide and growing human rights violations in Russia. Some of them were deemed by the government as particularly dangerous, namely “Another Russia” conference of NGOs and opposition political parties in Moscow, and the Second Social Forum of left-wing and alter-globalist groups in St Petersburg. In a clearly coordinated effort of the FSB and the police hundreds of activists across the country were visited in their homes and offices or called by the law enforcement representatives and were told not to go the conferences or they would regret it. A total number of more than two hundred activists from across Russia were detained, beaten, harassed, their documents and tickets unlawfully confiscated. They were charged with various violations ranging from minor offence of allegedly insulting the police or urinating in public to serious crimes of possessing weapons and explosives. All this was aimed at preventing their participation in these events during the G8 summit. Prosecutor General’s office acknowledged the unlawful character of these actions later in October.

Similarly, growing use of unlawful restriction of the right for peaceful assembly has been increasingly taking place in 2006 by public officials illegitimately forbidding NGO activists to organize demonstrations and pickets and by beating, detaining and levying administrative penalties on participants of demonstrations.

The most notorious recent cases include unlawful forbidding of a memorial picket on the anniversary of the Beslan tragedy in September 2006 in Moscow leading to detainment and cruel treatment of several activists who came to Lubianka square with flowers and candles. Lev Ponomarev, director of All-Russia Movement for Human Rights and organizer of the picket, was kept in custody for three days.

On October 16, 2006, in Narzan (Ingushetia) local human rights defenders planned a picket to commemorate Anna Politkovksaya, a journalist of “Novaya Gazeta”, assassinated in Moscow on October 7. By the time when the picket was supposed to start, the area was encircled by the police and young men in civilian clothing who stopped people on their way to the picket site and ordered them to leave in a very insulting manner. Those who tried to inquire about the reason were physically abused.

When a key organizer of the picket Magomed Mutsolgov from an Ingush NGO “Mashr” arrived to the square with his colleagues, a crowd of people in civilian clothing immediately surrounded them. The crowd was joined by policemen in uniform, who were standing in cordon. Together they pushed the newly arriving, insulted them, screamed obscenities and used physical force – hit on the head, back and other parts of body, grabbed documents from the hands of Mutsolgov, threw them to the ground and trampled over them. Mutsolgov tried to make a phone call, but the policemen trying to take away his phone, twisted his arms, forced him into a police car and took him to Nazran city police station.

Then, several representatives of “Memorial” Human Rights Center – Shamsudin Tangiev, Ekaterina Sokirianskaia, Zarema Mukusheva, Zoja Muradova, Fatima Yandieva, and Albert Khantygov – arrived, carrying portraits of Anna Politkovskaya and flowers. The men in civilian clothing and the policemen, including senior officers, started screamed obscenities at them, snatching pictures and bouquets from their hands and throwing them into the mud. Shamsudin Tangiev said to the police colonel swearing in presence of females, in particular, is not appropriate for policemen. At that point he was pressed to a nearby car and physically attacked. At the same time, a young man in a dark baseball cap with white strip and longish hair hit Ekaterina Sokirianskaia in the face. Later that day, in the hospital she was diagnosed with an open fracture of her nose and a brain concussion.

Albert Khantygov, Fatima Yandieva, Zarema Mukusheva and Zoja Muradova were detained and brought to the Nazran police station. The three women were detained when they already left the place of the picket. Several armed men forced them into a car under threat of violence. When they asked the attackers to identify themselves and explain the situation, one of them said responded “Consider yourself abducted”. The women-activists were taken to the Nazran police station, where Magomed Mutsolgov and Albert Khantygov were also held.

The women were held in custody for approximately eight hours. It is only after several media reportages and inquiries from the Federal Ombudsman’s office that a judge was brought to the police station to make a decision on the fate of the detainees. With no lawyer present, the judge ruled that the three female staff members of the “Memorial” were guilty of administrative misdemeanor and fined them by 500 rubles each. The two male activists, Albert Khantygov and Magomed Mutsogov refused from the very start to speak in the absence of their lawyer. At midnight (after 8 hours of detention) their defense attorney was finally admitted to the police station. The judge postponed the hearing on their case for the next day, then for the day after.

Finally, the hearing was held on October 31, 2006. The judge insisted that the three female activists also participate. As a result of the hearing, the Court actually ruled to close the case in connection with alleged breach of administrative law by all the four staff-members of the “Memorial”, namely Albert Khantygov, Fatima Yandieva, Zarema Mukusheva and Zoja Muradova, “due to the absence of any breach of law in their actions”. Magomed Mutsolgov from “Mashr”, on the other hand, was found guilty in violation of rules for organizing rallies and fined by 1000 roubles.

It is particularly important to stress that although the policemen present at the picket site were obviously collaborating with the men in civilian clothing and never stopped them from insulting and physically abusing the activists, the press-secretary of the Ingushetia Interior Ministry stated that all the actions of the policemen involved were aimed at maintaining public order and breaking the fight between the activists and the men in civilian clothing. The leadership of the “Memorial” received the same unsatisfactory answer from the Administration of the President of Ingushetia. It should be also stressed that while Magamed Mutsolgov from “Mashr” is attempting to appeal the judicial decision on his case and protest against his illegal detention, the Ingushetia Interior Ministry officials are questioning the registration documents of his organization which works to support relatives of those residents of the republic who were abducted and “disappeared” in the course of the “anti-terrorist operation”.

Most recently, on November 4, Alexander Bragin of the local branch of the Russian Anti-Fascist Front and an activist of Yabloko Party and the United Civic Front in Ulyanovsk, was detained along with his two colleagues for an attempt to lawfully organize a demonstration “For Russia without Fascism” and charged with “extremist activity”. Earlier in July Alexander was told by the FSB not to participate in “Another Russia” conference in Moscow and was looked for by the police at the conference site when he nevertheless arrived at the conference.

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Persecution of NGOs and Human Rights Defenders in Russia
© Center for the Development of Democracy and Human Rights, 2006
Written by Yuri Dzhibladze and Darya Tsybulskaya

A study that served as a basis for this report was conducted by the authors in spring and summer of 2006 in the framework of the project ”Persecution of Human Rights Defenders: Study of the Problem” coordinated by the Interregional Group “Human Rights Network”, Russia.

Authors of the report used in preparation of the report their own information as well as materials of “Demos” Center, Human Rights First, Amnesty International, Observatory
for the Protection of Human Rights Defenders, International Center for the Not-for-Profit
Law and other colleagues and would like to cordially thank them for their support.

Center for the Development of Democracy and Human Rights is a Russian non-governmental public policy and advocacy organization. The Center`s mission is to support development of democratic institutions and sustainable mechanisms of human rights protection in Russia by addressing public policy issues and facilitating civic participation in policy decisions.
Center for the Development of Democracy and Human Rights
ul.Volkhonka, 14, 4th fl., Moscow, 119992 Russia
tel+fax: +7 (495) 203-9196, center@demokratia.ru, www.demokratia.ru

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NGO-Gesetz: Nesawissimaja Gaseta informiert über Änderungen aufgrund massiven Protests der Betroffenen

1. Die russischen Vertretungen ausländischer Stiftungen müssen die Behörden über ihr Bestehen und die Absicht, in Russland tätig zu werden, unterrichten.
URSPRÜNGLICH sollten die russischen Vertretungen ausländischer Stiftungen verpflichtet werden, sich als gesellschaftliche Vereinigungen anzumelden.
2. Die erneute Anmeldung nichtkommerzieller Organisationen, u.a. gesellschaftlicher Vereinigungen, im Zusammenhang mit dem In-Kraft-Treten des vorliegenden Föderationsgesetzes entfällt.
URSPRÜNGLICH mussten alle nichtkommerziellen Organisationen erneut angemeldet werden.
3. Der vorgeschriebene Nachweis über die Verwendung ausländischer Gelder gilt nur für die russischen Empfänger dieser Gelder.
URSPRÜNGLICH war dies für alle Empfänger ausländischer Gelder vorgesehen.
4. Das In-Kraft-Treten des Gesetzes wird verschoben und erfolgt nunmehr drei Monate nach seiner Unterzeichnung durch den Präsidenten. Die ausländischen NGOs, einschließlich der nichtkommerziellen Organisationen verfügen sodann über weitere 6 Monate, um die Benachrichtigung der staatlichen Stellen vorzunehmen.
URSPRÜNGLICH sollte das Gesetz am 1. Januar 2006 in Kraft treten. Die erneute Anmeldung der betroffenen Organisationen sollte im Laufe des Jahres erfolgen.

Nesawissimaja Gaseta wies am 22.12.05 allerdings auch darauf hin, dass die Auflösung ausländischer NGOs, die die vorgeschriebene Anmeldung als russische juristische Person durchgeführt hatten, in der ursprünglichen Variante nur auf dem Rechtsweg erfolgen konnte. Den neuen Erleichterungen steht allerdings entgegen, dass der Staat jetzt über breite Möglichkeiten, unliebsame Einrichtungen schließen zu lassen, verfügt.
So kann die für die Anmeldung zuständige Behörde (FRS) ausländische Einrichtungen einfach von der Liste streichen, wenn notwendige Angaben immer wieder fehlen bzw. die tatsächliche Tätigkeit der Unterrichtung über Ziele und Aufgaben nicht entspricht, wobei das Gesetz selbst keine Kriterien festlegt, anhand derer die Tätigkeit und deren Übereinstimmung mit der konkreten Arbeit der Stiftung zu bewerten wäre. Darüber hinaus ist die Behörde berechtigt, das Programm einer Stiftung insgesamt oder teilweise zu streichen und vorzuschreiben, welche russische Einrichtung überhaupt unterstützt werden darf. Bei Zuwiderhandlung wird man von der Liste gestrichen. Ob eine ausländische Einrichtung sich nach den Ereignissen des vergangenen Jahres noch an ein russischen Gericht wenden wird, bleibt zu bezweifeln.

Quelle: Nesawissimaja Gaseta vom 22.12.05 (gekürzte Zusammenfassung, Übersetzung aus dem Russischen)

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Erklärung russischer Nichtregierungsorganisationen: Nein zur Verschärfung der Kontrolle über die Zivilgesellschaft

Wir, Vertreter russischer Nichtregierungsorganisationen, drücken unsere äußerste Besorgnis im Zusammenhang mit der Behandlung des Gesetzentwurfs "Über einige Änderungen an Gesetzesakten der Russischen Föderation" in der Staatsduma aus, dessen Ziel die Verschärfung der Kontrolle über die Institute der Zivilgesellschaft ist. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen widersprechen völlig den Erklärungen der russischen Staatsführung, in denen sie die Entwicklung der Zivilgesellschaft unterstützt. Anstelle der von den Autoren des Gesetzesentwurfs deklarierten "Stabilisierung" und "Gleichberechtigung" wird die Annahme solcher Änderungen zur Lähmung des gesellschaftlichen Lebens, zur Destabilisierung und zur Rechtswillkür führen.

Die Annahme des von einer Abgeordnetengruppe der Fraktionen Einiges Russland, Rodina, KPRF und LDPR vorgeschlagenen Gesetzes führt zur Einstellung der Tätigkeit einer großen Zahl von Organisationen und fügt den Interessen unseres Landes erheblichen Schaden zu. Wir sind davon überzeugt, dass Gesellschaft und Staat bisher noch nicht vollständig bewusst ist, in welchem Maße die russischen Nichtregierungsorganisationen einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft und zur sozialen Entwicklung des Landes leisten und dabei Funktionen übernehmen, die weder der Staat noch die Marktinstitute ausfüllen.

Nach übereinstimmender Einschätzung von Experten diskriminiert das Gesetz Nichtregierungsorganisationen und schränkt das Verfassungsrecht der Bürger auf Vereinigung erheblich und unbegründet ein. Es verschlechtert die Rechtsstellung von gesellschaftlichen Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen und begrenzt die Freiheit ihrer Tätigkeit. Damit werden sie kommerziellen, staatlichen und kommunalen Organisationen gegenüber benachteiligt.

Ebenso wird das Verfassungsrecht der Bürger auf nichtformale, nichtregistrierte Vereinigung, also ohne den Status einer juristischen Person anzustreben, eingeschränkt. Künftig sollen solche Vereinigungen sie die staatlichen Registrierungsbehörden über ihre Existenz informieren müssen. Dabei soll die Form dieser Benachrichtigung nicht durch das Gesetz, sondern durch die Regierung der Russischen Föderation bestimmt werden. Außerdem beinhaltet der Gesetzentwurf eine sehr schwammige Aufzählung zusätzlicher Gründe, aus denen Organisationen die Registrierung verweigert werden kann.

Der Gesetzentwurf beinhaltet die ungerechtfertigte Verschärfung der Kontrolle über die Tätigkeit aller russischen Nichtregierungsorganisationen, unabhängig davon, womit sie sich beschäftigen. Es ist geplant, dass die staatlichen Registrierungsorgane mit zusätzlichen Kontrollvollmachten versehen werden. Künftig sollen sie die Tätigkeit nichtkommerzieller Organisationen inhaltlich und finanziell kontrollieren, zu jeder Zeit und ohne irgendeine Begründung Finanz- und andere Dokumente anfordern können. Damit verlieren gesellschaftliche Vereinigungen nicht nur endgültig den Status der Selbstverwaltung, sondern damit wird auch der Boden für Beamtenwillkür und selektive Rechtsanwendung bereitet.

Besonders streng wird die Tätigkeit ausländischer nichtkommerzieller Organisationen in Russland eingeschränkt. Vorgesehen ist es, die Tätigkeit von Vertretungen und Filialen ausländischer und internationaler nichtkommerzieller Organisationen zu verbieten. Sie sollen sch künftig nur noch in der Form einer gesellschaftlichen Vereinigung, also als russische juristische Personen vertreten lassen können. Das ist aus rechtlichen Gründen für den größten Teil ausländischer Organisationen nicht möglich. Dadurch wird die Tätigkeit vieler ausländischer NGO, die in ganz unterschiedlichen Sphären, darunter im Bereich von Kultur, sozialer Unterstützung der Bevölkerung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Umweltschutz, arbeiten faktisch ungesetzlich. Außerdem verlieren ausländische Bürger, die kein ständiges Aufenthaltsrecht in Russland haben, das Recht, russische NGO zu gründen oder in ihnen aktiv zu sein. Das verletzt direkt die Verfassung der Russischen Föderation, die jedem (und nicht nur russischen Bürgern) das Recht auf Vereinigung garantiert.

Eine Reihe der vorgeschlagenen Änderungen widersprechen direkt den Normen des Völkerrechts und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Russland ratifiziert hat. Dadurch wird das Ansehen Russlands als Garant des Völkerrechts untergraben. Als Ergebnis einer Annahme des Gesetzentwurfs wird Russland großer Schaden zugefügt, was sich besonders deutlich am Vorabend der Übernahme des Vorsitzes der in der G8 zusammengeschlossenen Industrieländer durch Russland zeigt.

Juristische Expertisen des Gesetzesentwurfs zeigen, dass eine Annahme in den kommenden Monaten schwerwiegende Folgen für das Funktionieren der Zivilgesellschaft haben wird. Die Satzungen aller nichtkommerziellen Organisationen in Russland müssen unter der Drohung ihrer Schließung binnen einen Jahres mit den neuen Forderungen in Übereinstimmung gebracht und von den Justizorganen genehmigt werden. Diese Prozedur steht mehreren Hunderttausend Organisationen bevor. Wenn man die im Gesetzentwurf enthaltenen verschwommenen, rechtlich kaum fassbaren und sehr breit angelegten Gründe für eine Ablehnung der Registrierung in Betracht zieht, dann wird diese Umregistrierung ohne Frage die Arbeit der meisten NGO lähmen. Das betrifft wohltätige Organisationen ebenso wie kulturelle, Behindertenverbände wie Jugendorganisationen, Menschenrechtler und Umweltschützer. Der Prozess der gleichzeitigen Registrierung hunderttausender russischer NGO und ebenso die bürokratische Kontrolle ihrer Arbeit wird zu erheblichen Mehrausgaben aus dem Staatsbudget führen, was die Autoren des Gesetzentwurfs bewusst verschweigen.

Mit den nichtkommerziellen Organisationen wurde über den Gesetzentwurf - im Widerspruch zu den wiederholten Erklärungen der russischen Staatsführung, dass der Dialog des Staates mit der Zivilgesellschaft notwendig sei - überhaupt nicht gesprochen. Die nichtöffentliche Vorbereitung des Gesetzentwurfs zeugt davon, dass sich seine Initiatoren im Klaren darüber sind, dass er gegen die Interessen der Zivilgesellschaft gerichtet ist und bei einer wirklichen und offenen Debatte nicht durchsetzbar wäre.

Wir sind davon überzeugt, dass die Zivilgesellschaft in Russland nicht "stabilisiert" werden muss, si muss sich entwickeln können. Totale Kontrolle hilft ihrer Entwicklung dagegen nicht. Weil der vorgeschlagene Gesetzentwurf diskriminierenden Charakter hat, weil er nicht verfassungskonform ist, weil die Gefahr bürokratischer Willkür bei seiner Anwendung besteht, weil die zu erwartende Kürzung der Programme der nichtkommerziellen Organisationen negative soziale und wirtschaftliche Folgen haben wird, weil er den Staat viel Geld kosten wird und weil es keine vernünftigen Argumente für seine Annahme gibt, appellieren wir an die Regierung und an das Parlament mit der Forderung, diesen Gesetzentwurf nicht zu unterstützen.
Wir erklären unser Nein zur Verschärfung der Kontrolle über die Zivilgesellschaft und unser Ja für ihre freie Entwicklung zum Wohl unseres Landes.
Unterschriften:

Initiatoren der Erklärung:
Ljudmila Alxejewa, Moskauer Helsinki Gruppe
Manana Aslamsjan, Agentur "Internews"
Alexander Ausan, Institut Nationales Projekt "Gesellschaftsvertrag"
Ljudmila Wachnina, Menschenrechtszentrum Memorial
Walntin Gefter, Institut für Menschenrechte
Lidija Grafowa, Forum der Umsiedlerorganisationen
Leonid Grigorijew, Assoziation unabhängiger Wirtschaftsanalysezentren
Galina Grischina, "Ost-West: Fraueninnovationsprojekte"
Alexander Daniel, Internationales Memorial
Jurij Dschibladse, Zentrum zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten
Swjatoslaw Sabelin, Internationale Sozial-Ökologische Union
Olg Komarowskij, Institut Nationales Projekt "Gesellschaftsvertrag"
Ida Kuklina, Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands
Tatjana Lokschina, Zentrum "Demos"
Arsenij Roginskij, Internationales Memorial
Jelena Rusakowa, Jugendzentrum für Menschenrechte und Rechtskultur
Natalja Samower, Historikerin
Natalja Taubina, Fonds "Gesellschaftliches Verdikt"
Michail Timentschik, Fond "Stützpunkte"
Jelena Topolewa, Agentur für Soziale Information
Grigorij Schwedow, Internationales Memorial

Bis 15.11.05 haben auf der Website "Menschenrechte in Russland" (
Übersetzung: Jens Siegert

Quelle:
http://www.memo.ru/daytoday/5nko1114.htm

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MEMORIAL mit Max von der Stoel-Preis 2005 ausgezeichnet

Am 12. Oktober wurde der Max van der Stoel-Preis 2005 im Rahmen einer Feierstunde im Spanischen Hof in Den Haag der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL verliehen. Die Preisübergabe an die Geschäftsführerin der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL, Frau Elena Schemkowa, und den Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums MEMORIAL, Oleg Orlow, erfolgte durch den niederländischen Außenminister Dr. Bernhard Bot.

Der 2001 vom niederländischen Außenministerium zu Ehren des ehemaligen Hochkommissars der OSZE für nationale Minderheiten, Max van der Stoel, gestiftete Preis wird alle zwei Jahre an Einzelpersonen, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Forschungsinstitute oder Regierungsbehörden vergeben, die wesentlich zur Verbesserung der Lage der nationalen Minderheiten im OSZE-Raum beigetragen haben.

Die Jury setzt sich aus namhaften Persönlichkeiten zusammen, deren Arbeit mit nationalen Minderheiten internationale Anerkennung gefunden hat. Ihr gehören Rolf Ekeus, Hochkommissar der OSZE für nationale Minderheiten, der polnische Außenminister, Professor Adam Rotfeld, die ehemalige Vorsitzende der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Frau Helle Degn, der Direktor des Instituts für Ethnologie und Anthropologie der russischen Akadmie der Wissenschaften, Dr. Walerij Tischkow sowie Professor Ed van Tijn aus den Niederlanden an.

Der Preis wurde erstmals im Jahr 2003 der Direktorin des lettischen Zentrums für Menschenrechte und ethnische Forschung, Frau Ilse Brands Kehris, verliehen. Die Missionen und Institute der OSZE, die Botschaften der Niederlande im OSZE-Raum und der Hochkommissar für Menschenrechte konnten Vorschläge für die Preisverleihung 2005 unterbreiten. Die Gesellschaft MEMORIAL ist der zweite Träger des Max van der Stoel-Preises.

Die Jury begründete ihre Entscheidung mit der "unermüdlichen und mutigen Arbeit, mit der die Gesellschaft MEMORIAL sich dafür einsetzt, dass Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen wahrgenommen werden und Vertrauen zwischen den ethnischen Gruppen geschaffen wird; dem Kampf gegen ethnische Diskriminierung und Unterdrückung und der Prävention interethnischer Spannungen und Konflikte durch Monitoring, Untersuchungen und Information und dem Schutz der Menschenrechte Einzelner - Männer, Frauen und Kinder - , die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft verfolgt werden".

Der Preis wurde in Gegenwart von Max van der Stoel und den Jury-Mitgliedern Rolf Ekeus, OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten, sowie Frau Helle Degn, Dr. Walerij Tischkow und der Preisträgerin des Jahres 2003, Frau Ilse Brands Kehris, verliehen.

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Erklärung russischer Nichtregierungsorganistaionen an die Regierungen der Russischen Föderation und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Föderale Versammlung der Russischen Föderation, das Europäische Parlament, die Europäische Kommissio

Sehr verehrte Damen und Herren,

Wir, die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen aus der Russischen Föderation, erachten es als notwendig, Ihnen unsere Vorschläge in Bezug auf das Format und die Tagesordnung der Menschenrechtskonsultationen zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union darzulegen.

Wir begrüßen die Einrichtung dieser konsultativen Treffen und sind überzeugt, dass sie zu einem überaus wichtigen Instrument zum Schutz und zur Wahrung der Menschenrechte, zur Festigung der Stabilität und zur Beförderung demokratischer Werte im europäischen Raum werden können. Sowohl Russland als auch die Europäische Union müssen daher an einem offenen, produktiven Dialog zu den aktuellen Menschenrechtsfragen sowie an einer neuen Zusammenarbeit zur schrittweisen Lösung anstehender Probleme interessiert sein. Dieser neue Konsultationsprozess erscheint uns angesichts der in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Schwächung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen als dem traditionellen Instrument zur gegenseitigen Überwachung bei der Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards von besonderer Bedeutung.

Gleichzeitig erfüllt uns mit Besorgnis, dass die erste Runde der Konsultationen, die am 1. März 2005 in Luxemburg stattfand, unzureichend vorbereitet war und keinerlei Fortschritte erbrachte. Offizielle Vertreter mehrer europäischer Staaten wiesen in Gesprächen mit russischen Bürgerrechtlern darauf hin, dass das Luxemburger Treffen praktisch "inhaltsleer" gewesen sei und zu keinerlei nennenswerten Ergebnissen geführt habe. Während Teilnehmer von Seiten der Europäischen Union erklärten, dass für die EU allein das Zustandekommen des Luxemburger Treffens wichtig war und die Tatsache, dass es den Beginn regelmäßiger Konsultationen bedeutete, veröffentlichte die Russische Regierung zu den Konsultationsergebnissen einseitig eine mit der EU nicht abgestimmte Presseerklärung, aus der hervorging, dass die EU mit der Lage der Menschrechte in Russland vollauf zufrieden sei. Soweit uns bekannt ist, entspricht diese Behauptung nicht der Wirklichkeit. Angesichts des bilateralen Charakters der Konsultationen hoffen wir, dass künftig Dokumente zu den Ergebnissen der Treffen durch beide Seiten abgestimmt und gemeinsam veröffentlicht werden, um ein reales und möglichst vollständiges Bild der Treffen wiederzugeben. Falls die folgenden Treffen im "Luxemburger Format", ohne eine hinreichend substantielle inhaltliche Vorbereitung erfolgen sollten, würde die Menschrechtsdiskussion zwischen Russland und der EU praktisch aus dem öffentlichen Raum heraus verlagert und könnte sich zu einer "Konsultation um der Konsultation Willen" wandeln, also lediglich zu einem Imitat eines inhaltlichen Dialoges. Dies wäre kontraproduktiv, und es erscheint uns daher wichtig, dass zu den Ergebnissen der Treffen ausführliche Communiques verfasst werden, die die jeweils behandelten Fragen, die Positionen der beiden Seiten zu diesen Fragen, eine kurze Darstellung des Verhandlungsverlaufs und die Ergebnisse der Beratungen enthalten könnten, all das, was bei der Diskussion erreicht oder eben nicht erreicht wurde.

Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass russische und internationale Nichtregierungsorganisationen (NRO), die zu Menschenrechtsfragen arbeiten, bei dem Dialog zwischen Russland und der EU zu Fragen der Wahrung der Grund- und Menschenrechte eine bestimmte, der internationalen Praxis entsprechende Rolle spielen sollten. Diese Praxis wird bei Fragen des Schutzes und der Wahrung der Menschenrechte zunehmend durch die Zusammenarbeit zwischen den Staaten und den Institutionen der Zivilgesellschaft geprägt. Vor allem würden die Konsultationen durch die Beteiligung von NRO an Gewicht und Offenheit gewinnen und ergebnisorientierter werden. Zu diesem Zweck schlagen wir folgendes Format einer Einbeziehung von NRO in den Konsultationsprozess vor:

- Russische und internationale NRO sollten über effektive Kanäle verfügen, um den Regierungen der Russischen Föderation und der Europäischen Union vorab ihre Vorstellungen über die Tagesordnung anstehender Konsultationen vorlegen zu können, und zwar rechtzeitig, vor Verabschiedung der Tagesordnung.
- Nach Verabschiedung der Tagesordnung einer Konsultationsrunde sollten russische und internationale NRO die Möglichkeit haben, den beteiligten Seiten zu konkreten Fragen der Tagesordnung ihre eigenen Materialien vorzulegen.
- Es sollte bei den Konsultationen ein Verfahren zur Akkreditierung von Vertretern russischer und internationaler NRO geben. Die Akkreditierung könnte bei den einzelnen Treffen jeweils denjenigen NRO erteilt werden, die zu einer der Fragen auf der Tagesordnung Materialien vorgelegt haben und von mindestens einer der Dialogseiten zur Teilnahme empfohlen wurden. Auf Vorschlag einer der Dialogseiten kann Experten der NRO die Möglichkeit zur Teilnahme an den Diskussionen gegeben werden.
- Unmittelbar vor der jeweiligen Konsultationsrunde sollte von den Organisatoren ein eigenes Arbeitstreffen mit den Vertretern der akkreditierten russischen und internationalen NRO abgehalten werden, bei dem Form und Ablauf der Diskussionsbeiträge abschließend besprochen werden.
- Es sollte zu den Ergebnissen jeder Konsultationsrunde ein Briefing für die russischen und internationalen NRO durchgeführt werden, bei dem die Vertreter der NRO die Gelegenheit erhalten, Fragen an die Vertreter der Delegationen zu richten.

Gegenwärtig wird die zweite Konsultationsrunde vorbereitet, die für den Herbst 2005 vorgesehen ist. Es ist nur natürlich, dass wir, die Vertreter von Menschenrechtsrechtsorganisatoren aus der Russischen Föderation, durch die in den letzten Jahren erfolgte Verschlechterung der Menschenrechtssituation in der Russischen Föderation in besonderem Maße beunruhigt sind. Deshalb halten wir es für vordringlich, dass folgende drei Fragen, die in unserem Land in besonderem Maße nach einer Lösung verlangen, in die Tagesordnung des kommenden Treffens aufgenommen werden:

1. Einhaltung der Menschrechte durch die Mitarbeiter der Sicherheitsorgane sowie die Reform des Polizei- und Justizsystems
Dieses Problem ist sowohl für Russland als auch für die EU aktuell. Es wäre für die russischen Behörden von besonderem Nutzen, sich mit den Erfahrungen, die bei den Reformen in Frankreich und Großbritannien gemacht wurden, vertraut zu machen, um eine Minimierung der Willkür und eine wirksame Modernisierung des Polizei- und Justizapparates zu erreichen. Für Russland erhält dieses Thema durch eine Reihe von Umständen eine besondere Aktualität. In den letzten Jahren haben russische Medien und Menschenrechtsorganisation eine Vielzahl von Bürgerrechtsverletzungen zur Sprache gebracht, die von Angehörigen der Miliz und anderer Sicherheitsorgane begangen wurden. Hierzu gehörten u.a. willkürliche Festnahmen, Folter, grausame und erniedrigende Behandlung, Missachtung des Rechts auf Leben. Auch die Führung Russlands hat ihre Sorge angesichts der von Seiten der Miliz ausgehenden Willkür zum Ausdruck gebracht. In den Jahren 2004 und 2005 ist es dennoch in mehreren Regionen der Russischen Föderation zu Masseneinsätzen von Ordnungskräften gekommen, die an die zu trauriger Berühmtheit gelangten "Säuberungen" in Tschetschenien erinnern. Diese Einsätze wurden von ungesetzlichen Festnahmen, körperlichen Misshandlungen und erniedrigender Behandlung der Bevölkerung begleitet. Seit dem Frühling dieses Jahres liegen den Menschrechtlern in der Russischen Föderation mehrere rechtswidrig geheim gehaltene Anweisungen aus den Innenbehörden vor. Nach Einschätzung führender Juristen und Menschenrechtsexperten sind diese Dokumente verfassungswidrig und widersprechen auf drastische Weise den internationalen Verpflichtungen der Russischen Föderation, da sie die Einrichtung von sog. "Filtrationspunkten" (gesetzlich nicht vorgesehenen Inhaftierungsorten) vorsehen und praktisch einen Einsatz von Gewalt und Waffen durch die Miliz sanktionieren, der das vom Gesetzgeber vorgesehene Maß deutlich übersteigt. Einige Bestimmungen dieser Dokumente lassen sich sogar derart interpretieren, dass sie die Angehörigen der Miliz zu außergerichtlichen Hinrichtungen und zum Einsatz von Kollektivstrafen animieren.

2. Der Kampf gegen den Terrorismus und die Menschenrechte. Die Wahrung der Menschenrechte als zentrales Element zur Gewährleistung von Sicherheit
Diese Frage ist für alle Länder von Bedeutung die antiterroristische Operationen durchführen und am globalen Kampf gegen den Terror beteiligt sind. Für unser Land ist diese Frage vor dem Hintergrund des fortwährenden Blutvergießens in Tschetschenien sowie der Terroranschläge in Russland besonders aktuell. Wir sind überzeugt, dass Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschrechte für Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ein Unterpfand und keine Beeinträchtigung darstellen. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Kampf gegen den Terrorismus als Rechtfertigung für massenhafte Menschenrechtsverletzungen dient. Eben dies geschieht aber Russland. Bei der antiterroristischen Operation im Nordkaukasus kommt es ständig zu Entführungen und Morden, es bestehen dort illegale Gefängnisse, die Festgenommenen und Haftgefangenen sind dort Folter ausgesetzt und bei den "Säuberungen" von Ortschaften kommt es permanent zu Morden und Plünderungen. Die Behörden schaffen im Gebiet der antiterroristischen Operation zielstrebig einen rechtsfreien Raum. Diese Art des Vorgehens der Sicherheitskräfte breitet sich vom Nordkaukasus über ganz Russland aus. Das Problem wird durch bereits vorgenommene oder vorgesehene Änderungen in der Gesetzgebung verschärft, die den internationalen Standards und der Verfassung der Russischen Föderation zuwiderlaufen. Wir sind der Ansicht, dass die europäischen Staaten - unser Land eingeschlossen - an einem offenen und aufrichtigen Dialog zu diesem ernsten Thema interessiert sein müssen. Bei einem solchen Dialog wäre es von Nutzen die Situation im Nordkaukasus, vor allem in der Tschetschenischen Republik (Russische Föderation), sowie die positiven und negativen Erfahrungen in Nordirland (Vereinigtes Königreich), im Baskenland (Spanien) und auf dem Balkan eingehend zu erörtern. In diesem Kontext wäre ein Austausch der Überlegungen zu einer veränderten Gesetzgebung, die die Befugnisse der Polizei- und Justizbehörden erweitert und fundamentale Rechte und Freiheiten einschränkt, überaus hilfreich. Hierzu zählt auch ein Austausch von - positiven wie negativen - Erfahrungen in Bezug auf unlängst eingeführte neue Gesetzesbestimmungen zum Kampf gegen den Terrorismus und zur Erhöhung der Sicherheit.

3. Wahrung der Wählerrechte
Angesichts der Tatsache, dass die Institution fairer und freier Wahlen ein Fundament für einen demokratischen Staat darstellen, ist dieses Thema von höchster Wichtigkeit. In Russland ist ein Abbau wichtiger Institutionen der Volksherrschaft zu beobachten. Das im Jahre 2004 verabschiedete Gesetz "Über die Volksabstimmung in der Russischen Föderation" schließt praktisch die Möglichkeit aus, dass eine Volksabstimmung auf Initiative von Bürgern oder oppositioneller Parteinen durchgeführt wird. Es verwandelt die Volksabstimmung in ein Instrument allein des herrschenden Regimes. Die Direktwahl der Gouverneure wurde abgeschafft. Der Präsident verfügt nun über das Recht, die Volksvertretungen in den Subjekten der Föderation aufzulösen und die seinerzeit von der Bevölkerung gewählten Oberhäupter der Föderationssubjekte ihres Amtes zu entheben. Die neuen Bestimmungen für die Wahlen zur Staatsduma legen fest, dass die Abgeordneten zukünftig ausschließlich über Parteilisten gewählt werden, wobei Wahlblöcke verboten sind und eine 7-Prozent-Hürde besteht. Zudem wurden für die bereits im Parlament vertretenen Parteien und für Parteien, die einen Einzug ins Parlament anstreben, ungleiche Wahlkampfbedingungen per Gesetz festgeschrieben. Das Oberhaus hingegen wird nicht von der Bevölkerung gewählt und besteht zur Hälfte aus Beamten, die von den Leitern der Exekutiven in den Subjekten der Russischen Föderation bestimmt werden. Das überaus wichtige Prinzip der Gewaltenteilung und der checks and balances wird auf diese Weise unterminiert. Unserer Ansicht nach sollte die Situation, die sich in unserem Land entwickelt hat, zum Gegenstand höchster Aufmerksamkeit in Rahmen des Dialoges zwischen Russland und der EU werden.

Nicht weniger wichtig und aktuell sind folgende Themen, die wir zur Aufnahme in die Tagesordnung zukünftiger Menschenrechtskonsultation vorschlagen.

1. Freiheit der Medien
Diese Freiheit ist eine grundlegende Voraussetzung für den Übergang zu einem demokratischen Aufbau von Staat und Gesellschaft. In der Russischen Föderation sind jedoch in den staatlichen oder vom Staat kontrollierten Fernsehkanälen alle Arten von Liveübertragung (mit Ausnahme von Sportsendungen), abgeschafft worden. Es fehlen dort freie, vollwertige politische Diskussionen, und es besteht ein zwar ungeschriebenes, jedoch unbeirrt befolgtes Verbot von Auftritten von oppositionellen Politikern und Bürgern mit abweichenden Überzeugungen sowie der Behandlung einer Reihe aktueller politischer Themen. Es werden informelle Treffen von Vertretern der Präsidentenadministration mit den Leitern der Fernsehkanäle abgehalten, auf denen die letzteren Anweisungen erhalten, wie und worüber berichtet oder nicht berichtet werden darf. In unserem Land fehlt die Institution des öffentlichen Fernsehens. Die Presse hat keinen gleichberechtigten Zugang zu den verschiedenen Formen staatlicher Subventionen. Die Zahl privater Zeitungen sinkt zu Gunsten staatlicher Zeitungen, die aus kommunalen, Gebiets- und städtischen Haushalten versorgt werden. Viele Zeitungen sehen sich unberechtigten und in der drohenden Strafsumme riesigen Klagen ausgesetzt, die zum Schutz von Ehre und Würde von Beamten angestrengt werden. Bei einer hörigen Gerichtsbarkeit werden solche Klagen zu einem Strick am Hals der Presse. Bis heute fehlt sowohl ein Gesetz über die Offenlegung von Informationen durch die Behörden als auch ein Gesetz über ein Zugangsrecht der Bürger zu Informationen.

2. Die Praxis politisch motivierter Verfolgung und das Problem der Unabhängigkeit des Gerichtssystems
Wir sind der Ansicht, dass außerrechtliche Bewertungen und Überlegungen im Bereich der Rechtsprechung prinzipiell nicht zugelassen werden können und dass in einem Gerichtsverfahren eine politische Motivation unausweichlich zu einer Verletzung der Rechte des Beschuldigten führt. Sowohl die Länder der Europäischen Union als auch die Russische Föderation müssen ein Interesse an der restlosen Beendigung einer solchen Praxis haben. In unserem Land sind dabei seit 2000 immer häufiger Gerichtsverfahren zu beobachten, die sich gegen Kritiker von Beamten oder staatlicher Behörden richten, bzw. gegen jene, die sich den Unwillen der Zentralregierung oder regionaler Regierungen zugezogen haben. Die Zahl der gesetzeswidrig Inhaftierten und zu unrecht Verurteilten, in deren Verfahren es eine politische Komponente gibt, wächst nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen beständig.
Ebenso bringen wir unsere große Besorgnis über die zunehmende Abhängigkeit der Rechtsprechung von der Exekutive zum Ausdruck, die sowohl durch die jüngsten Änderungen der Gesetzgebung als auch durch direkten Druck der Exekutive auf Berufs- und Schöffenrichter sowie in letzter Zeit auch auf Anwälte hervorgerufen wird.

3. Die Rechte von Armeeangehörigen und Zivildienstleistenden
Die Gewährleistung angemessener Bedingungen bei der Ableistung des Militärdienstes, die Schaffung einer wirksamen gesellschaftlichen Kontrolle, die Einbeziehung des internationalen humanitären Rechtes in die Vorschriften, die die Armeeangehörigen zu befolgen haben und ein zuverlässiger Schutz der Rechte von Armeeangehörigen müssen unabdingbare Komponenten im Modernisierungsprozess der Streitkräfte in der Russischen Föderation sein. Die Entfaltung einer derartigen Modernisierung in Russland würde den Sicherheitsinteressen sowohl unseres Landes als auch der Länder der Europäischen Union entsprechen.
In den vergangenen Jahren haben wir jedoch keinerlei nennenswerten Fortschritt in dieser Richtung beobachten können. Ganz im Gegenteil. Die Verbrechen, die in den Einheiten von Kommandeuren begangen werden, grausame Behandlung der Militärdienstpflichtigen, die Verletzungen der Menschenwürde, die Erpressung von Geld bei Soldaten und deren Familien, der Sklavenarbeit von Soldaten bei militärdienstfernen Tätigkeiten, die erzwungene Abkommandierung von Militärdienstleistenden in die Gebiete der militärischen Auseinandersetzung in Tschetschenien und vieles andere wird von den Behörden verheimlicht und bleibt in den meisten Fällen ungestraft.
Fälle von illegalem Handel mit Waffen und Munition sind kein Geheimnis. Eine objektive Untersuchung der Taten und eine gerechte Aufarbeitung vor Gericht wird durch den Korpsgeist der Offiziere, Militärstaatsanwälte und Militärrichter behindert.
Eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle im Militärbereich wird durch das Fehlen der hierfür notwendigen Gesetzgebung erschwert. Die Zerrüttung der Streitkräfte stellt eine reale Bedrohung für die Sicherheit Russlands als auch der Länder der Europäischen Union dar.
Die Umsetzung des Rechts auf einen alternativen Zivildienst aus religiösen oder anderen Gründen in Russland ist ein weiteres wichtiges Problem. Nach Ansicht der NRO in der Russischen Föderation stellt das Anfang 2004 in Kraft getretene Gesetz über den alternativen Zivildienst durch die dort vorgeschriebene Dauer und die Bedingungen des Zivildienstes praktisch eine Bestrafung der Betroffenen für ihre Überzeugung dar. Die Institution des alternativen Zivildienstes in der Russischen Föderation basiert nach Einschätzung der VN und des Europarates nicht auf den international anerkannten Menschrechtsprinzipien und entspricht nicht den europäischen Standards. Zur Angleichung an diese Standards ist eine Revision des Gesetzes nötig.

4. Migration und Menschenrechte
Die Änderung des Status der ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR auf dem Gebiet der Russischen Föderation, die durch die Mitte 2002 in Kraft getretenen Gesetze "Über die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation", "Über den rechtlichen Status ausländischer Staatsangehöriger" erfolgte, hat Hunderttausende Bewohner der Russischen Föderation zu illegalen Migranten gemacht, die dadurch wesentliche soziale Rechte, das Recht auf Freizügigkeit und stellenweise - hieraus resultierend - das Recht auf Leben verloren haben.
Das System der Asylgewährung auf dem Gebiet der Russischen Föderation wurde praktisch aufgelöst. Das mit dieser Frage betraute Personal der Ministerien und Behörden blieb zahlenmäßig unverändert. Doch die Zahl der anerkannten Flüchtlinge hat sich von 290.000 im Jahre 1996 auf 500 im Jahre 2004 verringert. Die Russische Föderation weigert sich, die Last der Verantwortung für dieses Problem mit den Ländern der EU zu teilen und erfüllt also nicht ihre Verpflichtungen, die in der Flüchtlingskonvention der VN von 1951 festgelegt sind.

Gleichzeitig steht Russland bereits das zweite Jahr unter den Herkunftsländern von Asylsuchenden an erster Stelle. Ein großer Teil unserer Bürger, die im Ausland um Asyl nachsuchen, besteht aus Tschetschenen, die auf dem Gebiet der Russischen Föderation keine alternative Möglichkeit der Niederlassung erhalten. In Bezug auf diese Menschen erfüllt die Russische Föderation bereits mehrere Jahre nicht die von den VN verabschiedeten "Guiding Principles on Internal Displacement". Durch diese Nichteinhaltung wird den Ländern der Europäischen Union eine erhöhte Belastung aufgenötigt.

Ein gemeinsames Problem für Russland und die EU ist die Alterung der Bevölkerung und die demographische Krise. Es sind dies Probleme, die ohne eine ernsthafte Revision der Migrationspolitik nicht gelöst werden können.

5. Diskriminierung
Über die letzten Jahre sind in der Russischen Föderation Diskriminierung aus ethnischen Gründen und rassistisch motivierte Gewalt zu besonders akuten Problemen geworden. Das russische Rechtssystem verfügt über kein wirksames Instrumentarium zur Bekämpfung von Diskriminierung und Anstachelung zum Rassenhass. Wir müssen zu unserem Bedauern bei der Bekämpfung von Diskriminierung und rassistisch motivierter Gewalt ein praktisch gleichgültiges Verhalten der staatlichen Stellen aller Ebenen konstatieren. Besondere Besorgnis erregt dabei der Umstand, dass staatliche Stellen oft genug selbst Bürger mit bestimmten ethnischen Merkmalen diskriminieren, etwa Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens, Turko-Meschetinzen im Gebiet Krasnodar sowie Roma und Sinti, oder aber der Diskriminierung Vorschub leisten. Ein ernstes Problem stellt auch die diskriminierende Behandlung von ethnischen Minderheiten und Ausländern durch die Polizei- und Justizbehörden sowie die weit verbreitete Erstellung ethnisch definierter Fahndungsprofile durch die Miliz dar. Unserer Ansicht nach könnte ein Dialog der Europäischen Union mit der Regierung der Russischen Föderation weitere gewichtige Impulse für eine Korrektur der Politik in diesem Bereich mit sich bringen.

Gleichzeitig teilen wir die Besorgnis der Regierung der Russischen Föderation angesichts der Lage der ethnischen und sprachlichen Minderheiten in einigen Nachfolgestaaten der UdSSR. Insbesondere sind wir über die Situation der russischsprachigen Bevölkerung in Lettland und Estland beunruhigt. Ein Dialog zwischen der EU und der Russischen Föderation zu diesen Problemen in den Mitgliedsstaaten der EU könnte die Suche nach konstruktiven Lösungen erleichtern und die Erörterung dieser Frage von der politischen Ebene auf die Ebene pragmatischer Zusammenarbeit verlagern. Wir bringen unsere Überzeugung zum Ausdruck, dass ein Fortschritt in diesem Bereich auch auf die Menschenrechtssituation in der Russischen Föderation eine positive Wirkung haben kann.
Wir möchten nochmals betonen, dass ein Dialog zwischen Russland und der Europäischen Union zu den Menschenrechten nur dann eine positive Wirkung in unserem Land haben kann, wenn im Zentrum des Dialoges die offene Erörterung der jeweils drängendsten und schwierigsten Probleme steht, und wenn die Diskussion nicht aus dem öffentlichen Raum herausverlagert wird.
Im Laufe unserer Gespräche mit Vertretern der europäischen Regierungen haben wir mehrfach die Versicherung vernommen, dass unsere Besorgnis hinsichtlich der Menschenrechtsprobleme in Russland auch in den Hauptstädten der EU geteilt wird. Unserer Meinung nach stellen jedoch die übermäßigen Befürchtungen europäischer Politiker, dass ein offenes Gespräch mit den russischen Partnern über Menschenrechtsprobleme eine empfindliche Reaktion der russischen Führung hervorrufen und zu deren Rückzug aus dem Dialog führen könnte, ein ernstes Hindernis für die Lösung der Probleme dar.
Diese Haltung scheint uns ein Irrweg zu sein. Wir rufen keinesfalls zu einem neuen containment unseres Landes im Geiste des Kalten Krieges auf. Eine Isolierung Russlands bedeutete tatsächlich eine große Gefahr und könnte zu einem Anwachsen von Nationalismus, Militarismus, imperialen Ambitionen und dem endgültigen Abbau von Demokratie und Menschenrechten führen. Ein klarer Verstand kann nicht zu einer Isolierung Russlands aufrufen. Ein dualistischer, schwarz-weiß strukturierter Ansatz von "entweder Dialog oder Isolation" scheint uns der falsche zu sein. Der Dialog kann und darf sich nicht in den bereits zum Ritual gewordenen Beschwörungen einer strategischen Partnerschaft und der Bedeutung des Zusammenstehens gegenüber gemeinsamen Bedrohungen erschöpfen, sondern muss auch in einem offenen sachlichen Gespräch über ernste Probleme des Innenlebens der Partner und in einer gemeinsamen Suche von Lösungen bestehen. Partner haben das Privileg, offen miteinander reden und eine ausführliche und ehrliche Antwort erwarten zu können, ebenso wie eine Erörterung der Wege zur gemeinsamen Überwachung der getroffenen Entscheidungen.

Wir sind überzeugt, dass ein solches offenes Gespräch über Menschenrechtsfragen und gerade die Suche nach gemeinsamen Lösungen im Interesse Russlands und der EU liegen. Die Europäische Union und die Russische Föderation sind Nachbarn mit gemeinsamen Grenzen und jedes Problem im Bereich der Menschenrechte in Russland hat auch seine Auswirkung auf das Leben innerhalb der EU. Daher sind wir der Ansicht, dass ein Fortschritt bei den Menschenrechtskonsultationen zwischen Russland und der EU auch ein Fortschreiten des allgemeinen Verhandlungsprozesses zu den vier "gemeinsamen Räumen" - in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit, Visaregelungen, Kultur und Wissenschaft - mit sich bringen wird, und damit eine Fortführung und Weiterentwicklung der bereits 1975 in der Schlussakte von Helsinki begründeten Prinzipien des untrennbaren Zusammenhangs von Sicherheit und Menschenrechten wie auch des Grundsatzes, dass Menschenrechtsfragen nicht allein "innere Angelegenheit" des jeweiligen Staates sind.

Wir hoffen, dass sich unsere Vorschläge für Sie als konstruktiv erweisen und bei der Vorbereitung der im Herbst 2005 anstehenden Konsultationsrunde berücksichtigt werden. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung und Führung dieses Dialoges wird diesem zu mehr Offenheit und Ergebnissen verhelfen sowie zur Stärkung und Entwicklung der Werte von Demokratie und Menschenrechten auf dem gesamten europäischen Kontinent beitragen.

Unterzeichnende:

Russische Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge MEMORIAL,
S. A. Kowaljow, Vorsitzender

Menschenrechtszentrum MEMORIAL,
O. P. Orlow, Ratsvorsitzender

Verband der Komitees der Soldatenmütter,
V. D. Melnikowa, Verantwortliche Sekretärin

Moskauer Helsinki-Gruppe,
L. M. Alexejewa, Vorsitzende

Allrussische Bewegung "Für die Menschenrechte",
L. A. Ponomarjow, Geschäftsführer

Zentrum DEMOS,
T. I. Lokschina, Vorstandsvorsitzende

Zentrum zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten,
Ju. D. Dshibladse, Präsident

Komitee BÜRGERBETEILIGUNG,
S. A. Gannuschkina, Vorsitzende

Stiftung zur Verteidigung von Glasnost,
A. K. Simonow, Präsident


und 77 weitere Unterschriften von VertreterInnen russischer Menschenrechtsorganisationen.





Übersetzung: Hartmut Schröder

Quelle: russisches Nachrichtenportal von MEMORIAL: http://www.memo.ru/hr/news/5russiaeuhr.htm

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Presseerklärung Amnesty International: Fall Chodorkowski - Russland von Rechtsstaatlichkeit weit entfernt

Anlässlich des Urteils gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden des russischen Öl-Konzerns Yukos, Michail Chodorkowski, hat amnesty international (ai) erhebliche rechtsstaatliche Defizite in Russland bemängelt. "Russland ist von einem Rechtsstaat weit entfernt", sagte Peter Franck, Russland-Experte der deutschen ai-Sektion. "Immer wieder entsteht der Eindruck einer Justiz, die sich mehr den Interessen der politischen Macht als den Prinzipien des Rechts verpflichtet fühlt."

Im Fall Chodorkowski lasse vieles auf eine politische Motivation der strafrechtlichen Verfolgung schließen, kritisierte ai-Experte Franck. Dieser Eindruck habe sich im Laufe des Prozesses durch eine Vielzahl im einzelnen dargelegter Verfahrensverstöße verstärkt. "ai kann die Stichhaltigkeit der gegen Chodorkowski erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht abschließend beurteilen, doch wir haben uns wegen Verletzungen der Grundsätze über ein faires Verfahren an die russischen Behörden gewandt." Chodorkowski war offen gegen die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin aufgetreten und hatte oppositionelle Parteien sowie Organisationen der Bürger- und Menschenrechtsbewegung finanziell unterstützt.

ai wies darauf hin, dass das Urteil gegen Chodorkowski in einer Linie mit weiteren Verfahren, wie die gegen den russischen Atomphysiker Igor Sutjagin oder die Tschetschenin Sara Murtasalijewa, zu sehen sei. Murtasalijewa wurde im Januar 2005 auf der Grundlage sehr fragwürdiger Beweismittel wegen "terroristischer Aktivitäten" zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. "Die Urteile erscheinen wie politische Botschaften: Einflussreiche Unternehmer sollen sich nicht politisch betätigen, Wissenschaftler dürfen selbst öffentlich zugängliche Informationen nur unter staatlicher Kontrolle austauschen und die staatlichen Organe präsentieren Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus," sagte Franck.

Die in Tschetschenien stationierten russischen Truppen hingegen genießen weitgehend Schutz vor Strafverfolgung. "Diejenigen, die sich schwerer Verbrechen schuldig machen, müssen die russische Justiz kaum fürchten", sagte Franck. "Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in sechs Fällen zu Tschetschenien festgestellt, dass von einer wirksamen Strafverfolgung nicht die Rede sein kann."


Für Nachfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an die ai-Pressestelle, Dawid Bartelt, Tel. 030 - 420248-306

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Versuche einer politischen Rehabilitierung Stalins - Aufruf der Gesellschaft MEMORIAL

In letzter Zeit sind in Russland erneut Aufrufe zu vernehmen, "die Verdienste Stalins anzuerkennen" und seinen "Namen in ewigem Angedenken zu ehren". Büsten des Generalissimus stehen bereits in Ischim (Gebiet Tjumen), in Tscheljabinsk und im Tscheljabinsker Gebiet. In Machatschkala wurde eine neue Gedenktafel aufgestellt, wo Stalin als "großer Führer der Völker" bezeichnet wird. Auch die Behörden von Volgograd, Mirnyj (Jakutien), Narym (Gebiet Tomsk), Vologda, des Gebiets Belgorod, Krasnojarsk und Kaliningrad erklärten die Absicht, zu Ehren Stalins Denkmäler, Büsten und Gedenktafeln zu errichten. (In Kaliningrad wurde schon 1999 eine Büste des "Führers der Völker" aufgestellt, dann jedoch wieder entfernt.)

Bisher wurde versucht, die Bedeutung dieser Aufrufe zu verschleiern, indem man sich auf unterschiedliche Umstände berief. Das ging von lächerlichen Beschwörungen des ästhetischen Werts von Surab Zeretelis Skulpturen bis zu der Behauptung, es sei notwendig, unsere Vergangenheit "ohne Vorurteile" zu betrachten und allen Personen der vaterländischen Geschichte eine ausgewogene und angemessene Bewertung zuteil werden zu lassen.

Der Stadtrat von Orel schließlich richtete einen Appell an den russischen Präsidenten, die Bundesversammlung der Russischen Föderation sowie verschiedene repräsentative Machtorgane ihrer Subjekte und an russische Stadtverwaltungen. Ohne Umschweife forderte er offen Stalins politische Rehabilitierung. Wer sich dem widersetzt, wird von vornherein zum Vaterlandsverräter erklärt.

In den nächsten Tagen dürfte es noch in anderen russischen Regionen zu einer Kampagne für die "Wiederherstellung des guten Namens" des verblichenen Diktators kommen. Die Stalinisten berufen sich meist auf die Tätigkeit Stalins als Oberster Befehlshaber im Großen Vaterländischen Krieg.

Stalin als Haupturheber des Sieges und als Banner des sowjetischen Volkes in den Kriegsjahren hinzustellen hieße, die Heldentat des gesamten Volkes und deren sittliche Bedeutung bewusst zu entwerten. Nicht Stalin hat den Krieg gewonnen, sondern das Volk, das gegen den Nationalsozialismus nicht "für Stalin" gekämpft hat, sondern für die Rettung des Vaterlandes und der ganzen Welt.

Selbst wenn Stalin wirklich der "genialste Feldherr aller Zeiten und Völker" gewesen wäre, wenn unter seiner Führung die UdSSR einen schnellen und leichten Sieg über Deutschland errungen hätte, "mit wenig Blut, durch einen mächtigen Schlag" - auch dann bliebe er einer der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts, der Initiator und Leiter eines im Ausmaß präzedenzlosen staatlichen Terrors.

Indes geht es gar nicht darum, ob Stalin ein guter oder schlechter Befehlshaber war, nicht darum, welchen Beitrag er zum Sieg 1945 geleistet hat, ja nicht einmal darum, dass gerade er die militärischen Aktionen während der katastrophalen Niederlagen der Roten Armee im Sommer und Herbst 1941 geleitet hat. Ausschlaggebend für seine Rolle im Großen Vaterländischen Krieg sind andere Umstände.

Stalin ist es, der die Verantwortung für die falsche Beurteilung des Zeitpunkts eines möglichen Angriffs der Wehrmacht auf die UdSSR trägt. Aufgrund dieser Fehleinschätzung konnte Hitler unser Land völlig unvorbereitet überfallen. Dieser Fehler hängt untrennbar mit Stalins zynischer und kurzsichtiger Politik gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland von 1939 bis 1941 zusammen. Die riesigen menschlichen und territorialen Verluste der UdSSR zu Kriegsbeginn waren der Preis dafür.

Gerade Stalin hat Millionen sowjetischer Soldaten verraten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Der Oberste Befehlshaber sagte sich öffentlich von ihnen los, erklärte sie zu Feiglingen und Verrätern und tat nichts, um das Los der sowjetischen Gefangenen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu erleichtern. In der Folge starben über drei Millionen unserer Landsleute in der Gefangenschaft an Hunger, Krankheiten und übermäßig schwerer Arbeit.

Der Sieg des sowjetischen Volkes im antifaschistischen Befreiungskampf wurde von Stalin zynisch dazu genutzt, um seine persönliche Macht in der UdSSR zu stärken und sie auf viele osteuropäische Länder auszudehnen. Dort setzte er Marionettenregime ein, die ihm und seinen Nachfolgern im Kreml gefügig waren und die die Völker dieser Länder bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abschüttelten.

Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die Vorkriegspolitik Stalins - die Entkulakisierung, die in der Vernichtung und Versklavung der Bauernschaft endete, die durch Verschulden der Stalinschen Regierung ausgelöste Hungersnot, die sechs bis zehn Millionen Menschenleben kostete, die politischen Repressionen, von denen Millionen unserer Mitbürger betroffen waren, die Aufteilung Polens im Abkommen mit Hitler, die Annexion des Baltikums - dass diese Vorkriegspolitik nicht nur an sich verbrecherisch war, sondern auch empfindlich die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes schwächte. Man bedenke nur, dass sich unter den über 700.000 Personen, die in den Jahren 1937-38 erschossen wurden, viele Tausende Kommandierender der Roten Armee befanden, darunter etwa 80 % des höchsten Kommandobestandes der Roten Arbeiter-und-Bauern-Armee.

Diejenigen, die dazu aufrufen, "die Gerechtigkeit in der Bewertung der historischen Rolle Stalins wiederherzustellen", wissen bestens über seine wahre Rolle in unserer tragischen Geschichte Bescheid und versuchen schon längst nicht mehr, die Fakten zu bestreiten. Sie sind ganz einfach der Auffassung, Dutzende Millionen von Menschenleben und die Zerstörung der Freiheit der Völker seien für die "Größe des Imperiums", die unter Stalin erreicht wurde, kein zu hoher Preis. Heute sprechen bekannte Politiker solche Auffassungen offen aus, sie finden sich sogar in einigen Hochschullehrbüchern für Geschichte.

Gerade deshalb ist die "Wiederherstellung des guten Namens Stalins" heute eine tödliche Gefahr für die Zukunft unseres Landes: Sie würde die moralische Messlatte in der Politik erheblich senken, da sie beliebige Verbrechen sanktioniert, solange sie nur politischen Erfolg garantieren.

Der Vorstand der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Quelle: russischer NAchrichtenserver von MEMORIAL: http://www.memo.ru/daytoday/5stalin4.htm

Überstetzung aus dem Russischen: Vera Ammer (MEMORIAL Deutschland)

26.4.2005

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Russische NGOs unter Steuerdruck? (11.04.2005)

Die russische Führung scheint nach den Medien nun auch den NGO-Sektor und dessen Finanzierung unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Nach einer seit bereits zwei Jahren bestehenden Praxis müssen die Stiftungen sich bei einer Regierungskommission registrieren lassen, damit ihre Zuwendungen an russische NGOs als solche deklariert werden können. Das derzeit der Duma vorliegende Gesetz sieht zudem vor, dass alle Zuwendungen von Stiftungen, die nicht von der Kommission registriert wurden, mit einer Gewinnsteuer von 24,5% belastet werden sollen. Vorbereitet und flankiert wurde dieser Vorstoß durch wiederholte staatliche Kritik der NGOs, die angeblich nicht die Interessen der russischen Gesellschaft, sondern die ihrer ausländischen Geldgeber verfolgen. Andererseits sind diese Pioniere einer russischen Zivilgesellschaft immer noch ganz wesentlich auf die auch finanzielle Unterstützung von außen angewiesen. Die deutliche Einflussnahme des Kreml auf politisch unliebsame Organisationen lässt befürchten, dass auch unsere MEMORIAL-Partner in Russland ihre für die Entwicklung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit unverzichtbare und anerkannte Arbeit in der bisherigen Form nicht fortführen können.

Folgendes Rechtsgutachten wurde in dieser Sache erstellt:

Gutachten zu Artikel 1 Absatz 6 des Entwurfs eines föderalen Gesetzes zur Neufassung der Kapitel 23 und 25 Teil 2 des russischen Steuergesetzbuchs sowie weiterer gesetzlicher Bestimmungen in Bezug auf Steuern und Abgaben
Stand: 23.09.04
Die von der Regierung der Russischen Föderation (RF) vorgelegte Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 5 des russischen Steuergesetzbuchs zeigt auf, welche Ziele mit dem vorgeschlagenen Text verfolgt werden:
1. die Abschaffung der Möglichkeit, gewinnsteuerfreie Spendengelder von natürlichen Personen zu erhalten, deren steuerrechtlicher Wohnsitz nicht in der Russischen Föderation liegt (dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die diesbezüglich vorgeschlagene Formulierung " von russischen natürlichen Personen" in den Gesetzestexten zu Steuern und Abgaben nicht enthalten sind und darüber hinaus in keinem der föderalen Gesetze zur Regelung sonstiger gesellschaftlicher Beziehungen Anwendung findet);
2. die Einführung bürokratischer Einschränkungen für russische nichtkommerzielle Organisationen, die als Sponsoren gelten können (neu eingeführt: die notwendige Aufnahme der nichtkommerziellen Spenderorganisationen in eine von der russischen Regierung zu bestätigende Liste);
3. die Verschärfung bürokratischer Einschränkungen für ausländische und internationale Spenderorganisationen (Behandlung steuerfreier Spendengelder als steuerfreie technische und humanitäre Hilfe).
Die im gleichen Artikel Absatz 1 Unterabsatz 14 vorgelegte Fassung von Ziffer 6 des russischen Steuergesetzbuchs zeigt, dass der Staat die Notwendigkeit staatlicher Förderung durch Gewährung steuerlicher Vergünstigungen anerkennt, und zwar nicht nur in den Bereichen Bildung, Kunst, Kultur und Umweltschutz sowie zur Durchführung konkreter Forschungsarbeiten, sondern auch auf den Gebieten öffentliche Gesundheit (gedacht ist an Aids, Drogenkonsum, Krebs bei Kindern, einschließlich Leukämie, Endokrinologie des Kindes, Hepatitis und Tuberkulose), Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten, soziale Betreuung von einkommensschwachen und sozialschwachen Bürgern.
Das Verfassungsgericht der RF hat im Zusammenhang mit der Untersuchung steuerlicher Fragen wiederholt den Rechtsstandpunkt formuliert, dass Steuervorteile und die Begründung ihrer Nutzung durch den Steuerzahler im Rahmen der Steuer- und Abgabengesetze nur in als notwendig erkannten Fällen vorgesehen werden können, da Begünstigungen bei der Festlegung der grundlegenden Elemente einer Steuer nicht zwangsläufig zu gewähren sind. Dabei darf der Gesetzgeber die Grundsätze der Besteuerung nicht verletzen.
Aus dem Regierungsentwurf geht hervor, dass die Gewährung von Steuervorteilen die Arbeit der nichtkommerziellen Organisationen unterstützen soll, die auf die Wahrnehmung sozialstaatlicher Aufgaben der RF ausgerichtet ist. Dies entspricht den als Hauptaufgaben der Haushaltspolitik bezeichneten Vorgaben, die die am 30.05.03 an die Föderalversammlung der RF gerichtete Botschaft des Präsidenten zur Haushaltspolitik 2004 enthält: Verringerung der Armut und Garantie sozialer Stabilität.
Die vorgeschlagenen Mechanismen für die praktisch genehmigungspflichtige Steuerbefreiung von Spendengeldern verletzen jedoch einen der Grundsätze der Besteuerung (Ablehnung von Steuervorteilen aufgrund der Eigentumsform, der Staatsbürgerschaft natürlicher Personen oder der Herkunft des Kapitals), d.h. das Verfassungsprinzip der Rechtsgleichheit.
Sie stehen auch im Widerspruch zu der in der Botschaft des Präsidenten an die Föderalversammlung der RF vom 26.05.04 genannten Aufgabe, eine Vereinfachung der Besteuerung durch die Steuerreform zu bewirken, und zwar nicht nur hinsichtlich der Höhe der Steuersätze, sondern auch der Berechnung und der Entrichtung von Steuern, der Verfahren der Steuerprüfung und Rechnungslegung; darüber hinaus enthalten sie Unsicherheitsfaktoren, da keinerlei Kriterien aufgeführt werden, nach denen juristische Personen in entsprechende Listen aufzunehmen oder als Sponsoren zu registrieren sind.
Nach dem Rechtsstandpunkt des Verfassungsgerichts schafft dies die Möglichkeit, das Recht nach freiem Ermessen anzuwenden und führt unvermeidlich zu Willkür, d.h. die Grundsätze der Gleichheit und der Vorherrschaft des Rechts werden verletzt. Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass die neuen Vollmachten, die das Gesetz dem Staatsapparat einräumt, im Widerspruch zu der beabsichtigten Entbürokratisierung der Wirtschaft stehen.
Nach Sponsorenpraxis wird der überwiegende Teil der Gelder nur für den Zeitraum einiger Monate zur Verfügung gestellt. Unter diesen Umständen nimmt das Prüfungsverfahren für Spendengelder im Rahmen der steuerlich freigestellten technischen und humanitären Hilfe (nach rechtlicher Praxis zwei Monate unter der Voraussetzung, dass alle Unterlagen beim ersten Versuch vollständig und korrekt vorgelegt werden) genauso viel Zeit in Anspruch wie der zeitliche Rahmen, der für die Verwendung dieser Gelder vorgesehen ist.
Die Vorschläge zur Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 6 des russischen Steuergesetzbuchs werden also der heutigen Aufgabe einer Reform des Steuergesetzbuchs gerecht. Die Vorschläge zur Neufassung von Artikel 251 Absatz 1 Unterabsatz 14 Ziffer 5 sind aus dem Gesetzesentwurf zu streichen.

Übersetzt aus dem Russischen: MEMORIAL Deutschland e.V.

11.4.2005

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Erklärung von MEMORIAL zur Untersuchung des `Verbrechens von Katyn` in Russland

Vor 65 Jahren, im April und Mai 1940, wurden fast 22.000 polnische Staatsbürger von Mitarbeitern des NKWD der UdSSR erschossen: gefangene polnische Offiziere und andere Gefangene der Kriegsgefangenenlager von Koselsk, Ostaschkowsk und Starobelsk, sowie polnische Gefangene aus den Gefängnissen der westlichen Bezirke der Weißrussischen SSR und der Ukrainischen SSR. Diese "Operation" des NKWD ist unter der Bezeichnung "Verbrechen von Katyn" bekannt geworden (vom Namen des Örtchens Katyn in der Nähe von Smolensk, an dem zuerst die Begräbnisstätten einer Gruppe von Erschossenen gefunden worden waren).

50 Jahre lang hat die Führung der UdSSR die Wahrheit über das Verbrechen von Katyn sorgfältig verborgen, es abgelehnt, auch offensichtliche Beweise anzuerkennen und versucht, die Schuld auf Nazideutschland abzuwälzen. Erst im April 1990 hat die Sowjetunion offiziell anerkannt, dass polnische Staatsbürger vom NKWD erschossen wurden, und der Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow hat dem polnischen Präsidenten Wojciech Jaruselski Archivdokumente übergeben, die eine namentliche Liste mit 14589 hingerichteten Gefangenen enthielten. Kurz darauf hat die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft auf Anordnung des Präsidenten der UdSSR eine Untersuchung des Falls "Über das Schicksal polnischer Offiziere, die in den Lagern Koselsk, Ostaschkowsk und Starobelsk gefangen gehalten wurden" eingeleitet.

Im Oktober 1992 wurden dem polnischen Präsidenten Lech Walesa im Auftrag des Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin neue Dokumente übergeben, darunter der Beschluss des Politbüros des ZK der Kommunistischen Allunionspartei (Bolschewisten) mit den pesönlichen Unterschriften von Stalin, Woroschilow, Molotow und Mikojan und dem Zusatz "haben mit ja gestimmt" zu Kalinin und Kaganowitsch. Diese Dokumente bestätigten, dass der Beschluss zu diesen außergerichtlichen Hinrichtungen polnischer Kriegsgefangener von den höchsten Führern der UdSSR gefasst wurde. Außerdem zeigten diese Dokumente erstmals, dass gleichzeitig mit den gefangenen Offizieren weitere 7.305 Gefangene aus Gefängnissen im Westen Weißrusslands und der Ukraine außergerichtlich vernichtet wurden. Eine Namensliste von 3.435 Gefangenen, die in der Ukraine erschossen worden waren, wurde der polnischen Seite vom ukrainischen Staat im Mai 1994 übergeben. Der weißrussische Teil der Liste wurde bis heute nicht gefunden (die Staatsführung der Republik Weisßrussland behauptet, die Suche in den Archive habe ergebnislos geendet).

In den 62 Jahren, die seit der Entdeckung der Gräber bei Katyn vergangen sind, wurde über das "Verbrechen von Katyn" nicht wenig gesagt und geschrieben, allerdings sind viele wichtige Fragen bis heute unbeantwortet geblieben. Dessen ungeachtet erklärte der Hauptmilitärstaatsanwalt Russlands Alexander Sawenkow auf einer extra anberaumten Pressekonferenz am 11. März 2005, die Untersuchung des "Falls Katyn" sei eingestellt worden, weil der "Tatbestand des Genozids im Verbrechen" nicht festgestellt werden könne und weil die Amtspersonen, die Schuld an dem Verbrechen tragen, inzwischen gestorben seien.

Wir halten die Einstellung der Untersuchungen für nicht hinnehmbar.

Zum ersten: Selbst wenn es keinen Genozid gegeben hat, bleibt es trotzdem notwendig zu sagen, wie die ungerichtlichen Erschießungen zu qualifizieren sind - als Kriegsverbrechen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als geplanter Mord unter erschwerenden Umständen? Den Fall ohne rechtliche Bewertung abzuschließen sieht wie der Versuch aus, jede Verantwortung für das Verbrechen von sich zu weisen.

Zum zweiten: Bis heute ist die Identität eines bedeutenden Teils der Opfer (fast 4.000 Menschen) noch nicht geklärt, eben der Gefangenen, die in Weißrussland erschossen wurden. Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft beruft sich hier darauf, dass die Verbrechen außerhalb Russlands verübt wurden und deshalb von den Justizbehörden des entsprechenden Landes untersucht werden müssten. Dieser Einwand wirkt allerdings in diesem Fall nicht besonders überzeugend, weil der Beschluss die polnischen Staatsbürger zu erschießen in Moskau getroffen wurde, von hier aus die gesamte Operation gelenkt wurde und hier alle Berichte über ihre Ausführung zusammen kamen (zum Beispiel wird die Liste von Offizieren aus dem Lager Starobelsk, die im ukrainischen Charkow erschossen wurden, im Moskauer Archiv aufbewahrt). Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft hat die Pflicht zu beweisen, dass sie in russischen Archiven nach der "weißrussischen" Liste gesucht hat. Sie muss nachweisen, dass sie sich an die Justizbehörden der Republik Weißrussland gewandt hat und die Antworten dieser Behörden vorweisen.

Zum Dritten: Die Behauptung des Hauptmilitärstaatsanwalts Russlands, dass mit "absoluter Genauigkeit" nur der Tod von 1.803 Menschen bestätigt werden könne, muss aufgeklärt werden, wenn gleichzeitig allgemein bekannt ist, dass die Zahl der umgekommenen Gefangene höher als 14.500 ist.

Und zum Schluss: Der "Fall Katyn" kann nicht als abgeschlossen gelten, ohne das die Namen aller Personen, die an der Ausführung dieses Verbrechens beteiligt waren, festgestellt und öffentlich zugänglich sind. Das betrift sowohl die Initiatoren, deren Namen bereits bekannt sind, als auch die ausführenden Personen auf allen Ebenen. Wir verstehen, dass es nicht möglich ist, die Verbrecher dem Gericht zu übergeben, wenn sie schon gestorben sind. Ihre Namen müssen aber genannt werden. Das wurde und wird in allen zivilisierten Ländern so gemacht, in der Regel ohne die Einrichtung spezieller Tribunale. Das fordert auch die russische Gesetzgebung, unter anderem das Gesetz der Russischen Föderation "Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung", Teil 2, Absatz 18.

Es ist unmöglich, der Entscheidung der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Rusischen Föderation zuzustimmen, den größten Teil der Untersuchungsmaterialien für geheim zu erklären (unter Einschluss des Beschlusses über die Einstellung der Strafsache selbst). Diese Entscheidung ist völlig rechtswidrig, weil in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Russischen Föderation "Über Staatsgeheimnisse" "Informationen über Fakten der Verletzung von Rechten und Freiheiten des Menschen und der Staatsbürger (...) nicht als Staatsgeheimnis geführt oder als geheim eingestuft werden dürfen" (Absatz 7). Die Einstufung von Fällen durch die Staatsanwaltschaft als geheim, die Anzeichen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit enthalten, wird von der öffentlichen Meinung in Russland und im Ausland unausweichlich als Rückkehr zur alten sowjetischen Politik verstanden werden, die darauf zielte, die verbrecherischen Machenschaften des Stalinregimes zu verbergen und ihre Organisatoren und Initiatoren zu decken. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Reputation des Landes und seine Beziehungen mit anderen Staaten einer korporativen "Ethik" und Amtsnormen zum Opfer gebracht werden.

Ob das die Militärjuristen nun wollten oder nicht, aber die Erklärung zur Einstellung der Untersuchung des "Falls Katyn", noch dazu am Vorabend des 60. Jahrestages des Sieges, erinnert die ganze Welt daran, dass die Sowjetunion nicht nur Mitglied der Antihitlerkoalition war und auf ihren Schultern die Hauptlast des Kampfs gegen den Faschismus getragen hat, sondern auch jene unzweifelhafte Tatsache, dass die UdSSR, nachdem sie im August 1939 mit Hilterdeutschland einen Pakt geschlossen hatte, eine Reihe von Annexionen vornahm und sich die östlichen Gebiete des damaligen polnischen Staates, Litauen, Lettland, Estland, die Nordbukowina und Bessarabien einverleibte. Und dass in diesen Gebieten unverzüglich der Massenterror einsetzte, dessen Bestandteil, in einer Reihe mit Verhaftungen und Deportationen, die "Sonderorperation" zur Vernichtung der polnischen Kriegsgefangenen und Häftlinge war.

Das Gedächtnis an den Sieg 1945 ist untrennbarer Bestandteil des Gedächtnisses an alle Menschen, die durch die totalitären Regime des XX. Jahrhunderts vernichtet wurden - von den an den Fronten Gefallenen bis zu den in den Folterkammern Umgekommenen des Zweiten Weltkriegs. Versuche, dieses Gedächtnis zu beschweigen oder zu schwächen sind Angriffe auf Sinn und Ziele des großen antifaschistischen Krieges.

Wir rufen die oberste Führung des Landes auf, die Politk der Präsidenten der UdSSR Michail Gorbatschow und des Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin fortzusetzen, die Wahrheit über die Ereignisse des Jahres 1940 aufzudecken und alles Notwendige zur Wiederaufnahme der Untersuchungen der "Verbrechen von Katyn" zu unternehmen. Das Verbrechen muss juristisch bewertet werden. Die Namen aller Opfer müssen herausgefunden werden. Die Namen aller Schuldigen und Ausführenden müssen veröffentlicht werden. Alle Untersuchungsmaterialien müssen nach ihrem Abschluss der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht werden, vor allem aber der polnischen und der russischen Öffentlichkeit. Wir sind davon überzeugt, dass nur diese Handlungen einem großen Land würdig sind, einem Land, das den Faschismus besiegt hat, dass sich vom Kommunismus losgesagt hat und das einen demokratischen Entwicklungsweg gewählt hat.

Wir sind ebenso von der Notwendigkeit überzeugt, alle Opfer des "Verbrechens von Katyn" zu rehabilitieren und wir wenden uns, in Übereinstimmung mit Absatz 6 des Gesetzes der Russischen Föderation "Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung" vom 18. Oktober 1991, mit der Forderung an die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, sie zu rehabilitieren.


Vorstand der Internationalen Gesellschaft Memorial


Quelle: russischer Nachrichtenserver von MEMORIAL (http://www.memo.ru/daytoday/5katyn.htm)


Übersetzung: Jens Siegert, Moskau

4.4.2005

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Neonazistische Szene in Petersburg - gewaltsame Übergriffe auf Nichtregierungsorganisation MEMORIAL

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde von Memorial!


In Petersburg häufen sich gewaltsame Übergriffe auf Mitarbeiter und
Einrichtungen der Nichtregierungsorganisation MEMORIAL. Von
Untersuchungsbehörden wird zumeist "Rowdytum" als Tatmotiv angegeben, die
Täter selbst nur selten gefunden bzw. rechtskräftig verurteilt. Dass die
eigentlichen Hintergründe dieser Gewaltakte jedoch politischer Natur sind
und die Täter der neonazistischen Szene entstammen, wird jedoch allzu häufig
verschwiegen.

Der jüngste Überfall fand auf das Wissenschaftliche Informationszentrum
MEMORIAL in St. Petersburg (uliza Rubinstejna, 23) in der Nacht auf den
19.02.2005 statt: 3 Unbekannte geben sich als Kollegen von MEMORIAL Moskau
aus und schlagen nach Öffnen der Tür den Mitarbeiter Emmanuil Lazarewitsch
Poljakow brutal zusammen. Der 59-jährige Übersetzer erleidet eine
Gehirnerschütterung und liegt seitdem mit Kiefer- und Knochenbrüchen im
Krankenhaus. Ob er aufgrund starker Augenverletzungen seine volle
Sehfähigkeit wieder zurück erhält, wird von einer dringend notwendigen
Operation abhängen.

Über die Herkunft der Täter kann noch keine genaue Aussage getroffen werden.
Das Büro wurde nicht ziellos verwüstet, vielmehr gezielt durchsucht und
ausgeraubt: aus einer großen Anzahl von Ordnern wurden zwei mit der
Aufschrift "Neonazismus" und "Chodorkowskij" durchwühlt. Entwendet wurden
keine Computer, kein Geld, sondern transportable Geräte wie ein
Multimedia-Projektor, Kopierer, Kommunikationstechnik etc. Die Polizei geht
- wie bereits bei früheren Überfällen - von "Rowdytum" als Tatmotiv aus.
Gerade aber die Wiederholung derartiger Überfälle lassen politische Gründe
für diese Gewalttaten immer realistischer erscheinen, zumal MEMORIAL St.
Petersburg seit Jahren Projekte zu Antirassismus und Neonazismus durchführt
sowie mit öffentlichen Aktionen und Publikationen für eine politische Lösung
des Tschetschenienkonfliktes eintritt:

14.08.2003:
2 Männer überfallen das Büro von MEMORIAL St. Petersburg (uliza Rasjeshaja,
9) und fesseln die anwesenden Mitarbeiter - darunter den Geschäftsführer
Wladimir Schnitke. Entwendet werden weder Geld noch Wertgegenstände, sondern
ausschließlich Computer mit entsprechenden Daten. Die polizeilichen
Untersuchungen verlaufen erfolglos, als Tatmotiv wird "Rowdytum" angegeben.
Nur durch Hilfe einer privat engagierten Detektei wird einer der Täter
ausfindig gemacht: Vladimir Goljakov, der sich als Führer einer
heidnisch-nazistischen Sekte ausgibt. Goljakov wird am 18.06.2004 zu 5
Jahren Haft verurteilt. Einen Tag später ereignet sich die Ermordung des
Wissenschaftlers und MEMORIAL-Mitglieds Nikolaj Girenko.

19.06.2004:
Nikolaj Girenko - Wissenschaftler des St. Petersburger Museums für
Ethnografie und Anthropologie und langjähriges Mitglied von MEMORIAL - wird
durch seine Wohnungstür hindurch erschossen. Girenko hatte vor Jahren
bereits eine Methode entwickelt, mit der ethnisch motivierte Gewalttaten von
"gewöhnlichen" Delikten unterschieden werden können. Rassistische
Gewalttaten wurden bis dahin aufgrund fehlender wissenschaftlicher Kriterien
zumeist nur als "Rowdytum" eingestuft. Girenko hat ferner zahlreiche
Gutachten über neonazistische Gruppierungen erstellt, die bei der
Verurteilung von Tätern aus der rechten Szene von Bedeutung waren. Die
Staatsanwaltschaft wollte auch in diesem Mordfall "Rowdytum" als Tatmotiv
nicht ausschließen, bis kurz nach dem Mord eine Gruppe namens "Russische
Republik" ein so genanntes Todesurteil gegen Girenko veröffentlichte, der
als "Feind des russischen Volkes" verurteilt worden sei. Girenko, so der
Vorwurf, habe dabei geholfen, "russische Patrioten" zu inhaftieren.

11.12.2004:
Vor seiner Wohnungstür wird Wladimir Schnitke, Geschäftsführer von MEMORIAL
St. Petersburg, von hinten auf den Kopf geschlagen und bricht bewusstlos
zusammen (bereits vor 1 1/2 Jahren wurde er im MEMORIAL-Büro überfallen). Aus
seiner Tasche werden Computer und Notizbuch entwendet, Geld und Mobiltelefon
hingegen werden nicht geraubt. Schnitke wird mit schwerer
Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert.


MEMORIAL Deutschland bewertet mit großer Besorgnis die zunehmenden Angriffe
auf seine Partnerorganisationen in Russland, die sich für die Wahrung von
Menschenrechten in aktuellen Krisenzonen, den Schutz von Minderheiten
innerhalb der russischen Gesellschaft und die Aufarbeitung totalitärer
Vergangenheit einsetzen.

Kurz nach dem jüngsten Überfall auf das Wissenschaftliche
Informationszentrum MEMORIAL besuchten wir unsere Petersburger Kollegen. Sie
bewerten die Überfälle als massive Bedrohung und Versuch der
Einschüchterung. Ihre Arbeit an den unterschiedlichen Projekten von MEMORIAL
werden sie trotzdem fortsetzen. Mit großer Besorgnis sprechen sie von Ihrem
Kollegen Emmanuil Poljakow, dem 59-jährigen Übersetzer, der nun mit schweren
Verletzungen im Krankenhaus liegt. Eine Augenoperation ist dringend
notwendig, um eine Erblindung zu verhindern. Für eine solche Operation
einschließlich einer möglicherweise langen Nachversorgung werden
entsprechende finanzielle Mittel benötigt, die momentan weder das Opfer
selbst noch das Wissenschaftliche Informationszentrum von MEMORIAL besitzen.
Wir bitten Sie dringend darum, mit einer Spende dazu beizutragen, diese
notwendige medizinische Behandlung zu ermöglichen:

MEMORIAL Deutschland e.V.
Bank für Sozialwirtschaft Berlin
BLZ: 100 205 00
Konto-Nr.: 33200 00
Stichwort: Emmanuil Poljakow

Bitte berichten Sie auch in Ihrem Umkreis von diesen Vorfällen. Wir danken
Ihnen für Ihre Unterstützung!


Sebastian Prieß, für den Vorstand Memorial Deutschland e.V. (Berlin)

Anna Schor-Tchoudnovskaia, Memorial Deutschland e.V. (Frankfurt a.M.)

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