Die Gesellschaft Memorial ist eine grundsätzliche und konsequente Anhängerin der Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft einerseits und dem Staat sowohl im Ganzen als auch seiner unterschiedlichen Strukturen und Behörden im Einzelnen. Die Gesellschaft Memorial ist unverändert zur Fortsetzung des Dialogs des zivilgesellschaftlichen Sektors mit dem Staat bereit, solange es sich um einen gleichberechtigten und ehrlichen Dialog von zwei voneinander unabhängigen Partnern handelt.
Die "Gesellschaftskammer der Russischen Föderation", die gegenwärtig geschaffen wird, ist unserer Meinung nach weder von den für sie formulierten Zielen und Aufgaben her noch davon, wie ihre Mitglieder ausgewählt werden oder wie stark sie in staatliche Strukturen integriert ist, eine geeignete Plattform für solch einen Dialog. Mehr noch sind wir der Meinung, dass die "Gesellschaftskammer" in der Form, in der sie in dem gegenwärtig in der Staatsduma behandleten Gesetzentwurf beschrieben wird, in der Lage ist, Positives zu bewirken, sondern eher dem notwendigen nationalen Dialog Schaden zufügen wird.
Wir bestreiten nicht das Recht der Staatsmacht, beliebige Beratungs- und Expertenstrukturen aufzubauen, die natürlich auch aus Vertretern der Zivilgesellschaft bestehen können. Wir halten solche Strukturen sogar für nützlich. Vertreter von Memorial arbeiten in vielen solcher Strukturen auf regionaler oder Bundesebene mit und arbeiten dort, so hoffen wir, zum gemeinsamen Wohl.
Die im Gesetzentwurf genannten Ziele der "Gesellschaftskammer" gehen aber weit über die Grenzen von beratenden und Expertenaufgaben hinaus. Allumfassend und unkonkret wie sie sind, stimmen diese Ziele kaum oder gar nicht mit den politischen Realitäten der vergangenen Jahre überein. Das bringt uns zu der Überzeugung, dass die Kammer die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Lenkung des Landes nur imitieren soll und wohl das nächste Instrument zur Manipulation des öffentlichen Bewusstseins werden wird.
Unsere Zweifel werden noch größer, wenn wir uns anschauen, wie die Kammer gebildet werden soll.
Zwei Drittel dieses, wie wir es uns vorstellen, gesellschaftlichen Gebildes werden direkt oder indirekt durch den Präsidenten ausgewählt. Dieses Auswahlprinzip gilt natürlicherweise für beratende Organe beim Präsidenten, aber nicht für ein Organ, dass, wie im Gesetzesentwurf beschrieben, dabei helfen soll, eine gesellschaftliche Kontrolle der Tätigkeit staatlicher Strukturen, darunter auch Bundesbehörden, auszuüben.
Noch größeren Widerspruch ruft der Mechanismus zur Berufung des letzten Drittels der Mitglieder der Kammer hervor. Auf den ersten Blick wirkt er demokratischer, denn die Kandidaten müssen sich Konferenzen stellen, die in den sieben föderalen Bezirken einberufen werden. Unser Widerspruch entzündet sich aber nicht einmal daran, dass sich im Gesetzentwurf keine Regelungen finden, nach denen diese Konferenzen einberufen werden und sich so den regionalen Staatsstrukturen viele Möglichkeiten zur Manipulation der Nichtregierungsorganisationen bieten. Etwas anderes ist viel wichtiger: Für die Zivilgesellschaft ist die Idee selbst unannehmbar, solche Konferenzen durchzuführen, auf denen Künstlervereinigungen und Menschenrechtsorganisationen, Verbraucherschutzverbände und Industrievereinigungen, Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften, Kosaken und Angler gemeinsam und dauerhaft ihre Vertreter in irgendein höheres Gremium entsenden, dass ihre Interessen dem Staat gegenüber vertreten soll. In der Praxis wird dieser Prozess mit großer Wahrscheinlichkeit zur Selektion der gesellschaftlichen Organisationen in "saubere" und "unsaubere", in zum Dialog zugelassene und zu ihm nicht zugelassene führen. Und dabei ist es nicht einmal wichtig, ob diese Selektion durch den Staat oder durch die Nichtregierungsorganisationen selbst durchgeführt wird. Beides ist für die Zivilgesellschaft gleich zerstörerisch.
Die Kammer selbst, so sie auf diese Weise gebildet wird, wird vom Staat und einem Teil der Gesellschaft zweifellos als "gesetzmäßige Vertretung" der gesamten Zivilgesellschaft wahrgenommen werden. Die Zivilgesellschaft ist aber, im Gegensatz zum Staat, von Natur aus nicht hierarchisch und jeder Versuch sie zu hierarchisieren ist kontraproduktiv. Die Zivilgesellschaft ist ein prinzipiell horizontales und offenes System. Sie hat keine "Vertretung" und kann keine haben. Sobald in ihr eine "Vertikale" erscheint, hört sie auf sie selbst zu sein und verwandelt sich in eine bürokratisierte Korporation, die leicht durch die Exekutive gelenkt werden kann.
Die Zivilgesellschaft und der Staat müssen unabhängige Partner im nationalen Dialog sein. Alle Versuche, diesen Dialog in einem Organ zu konzentrieren werden lediglich zur Imitation dieses Dialogs führen. In einer Kammer, die in das System der staatlichen Macht eingebaut ist, wird der Staat nur mit sich selbst reden.
Ein anderer Weg wäre produktiver: Der Weg, Bedingungen zu schaffen, unter denen vielfältige und unabhängige Zellen der Zivilgesellschaft zum Wohl der Bürger Russlands und des Landes insgesamt nützliche Arbeit tun können.
Nichts hindert Staat und Gesellschaft daran, die bereits existierenden Kanäle des Zusammenwirkens zu nutzen und die gemeinsame Arbeit anhand vielzähliger Vorschläge gesellschaftlicher Organisationen zur Lösung konkreter und ernsthafter Probleme weiter zu entwickeln. Dabei geht es um das Recht der Bürger, sich an die Staatsorgane zu wenden, um die öffentliche Kontrolle von Gefängnissen, Straflagern und geschlossenen Anstalten, um eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle der Einhaltung der Rechte von Soldaten, um eine unabhängige ökologische Expertise, um die Stimulierung von gemeinnützigem Handeln und vielem anderen mehr.
Dazu muss kein neuer bürokratischer Überbau über den Nichtregierungsorganisationen geschaffen werden.
Im Zusammenhang mit dem oben Dargelegten ist für Memorial eine Beteiligung an der "Gesellschaftskammer der RF" nicht möglich.
Wir wenden uns auch an die Kollegen aus anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Hoffnung, dass sie unsere Argumente bei ihrer Entscheidung über eine Beteiligung an der Gesellschaftskammer zu Kenntnis nehmen.
Vorstand der Russischen Gesellschaft Memorial
Quelle: Russischer Nachrichtenserver von Memorial: http://www.memo.ru/daytoday/5palata1.htm
Übersetzung aus dem Russischen: Jens Siegert
Weiterlesen … Erklärung von MEMORIAL zur geplanten `Gesellschaftskammer der Russischen Föderation`
Weiterlesen … Michail Fedotov zur Zivilgesellschaft in Russland
Die Gesellschaft „MEMORIAL“ hat die Annahme der Resolution zur Rechtsstaatlichkeit in Russland vom 17. Februar 2011 durch das Europäische Parlament begrüßt.
Die Resolution greife wesentliche kritische Aspekte der Menschenrechtslage in Russland auf, um diese einer genauen und objektiven Beurteilung zu unterziehen. Das Europäische Parlament habe hier zu Themen und Sachverhalten Stellung genommen, die die russische Zivilgesellschaft in den vergangenen Jahren immer wieder zur Sprache gebracht hat.
MEMORIAL appelliert an die Regierungsstellen der Russischen Föderation, den Empfehlungen dieser Resolution Beachtung zu schenken. Diese umzusetzen, könne für Russland nur von Vorteil sein.
Quelle: http://www.memo.ru/2011/02/17/resolution2.htm
Die Resolution finden Sie hier:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20110217+ITEMS+DOC+XML+V0//DE&language=DE#sdocta6
Weiterlesen … MEMORIAL begrüßt Resolution des EU-Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit in Russland
Die Pressesprecherin des Moskauer Bezirksgerichts, die in einem Interview mit Gazeta.ru zum Zustandekommen des Urteils Stellung nahm (mehr dazu finden Sie in russischer Sprache unter Platon Lebedev hat in dem Urteil des Moskauer Bezirksgerichts nach Darstellung des russischen Menschenrechtsportals www.hro.org/node/10453
Dem Einspruch der Anwälte Chodorkovskijs gegen die Haftbedingungen hat der russische Oberste Gerichtshof inzwischen stattgegeben.
Mehr in englischer Sprache unter (www.khodorkovskycenter.com)
Weiterlesen … Chodorkovskij-Urteil/Expertengutachten zu Jukos
Zum diesjährigen Treffen des russischen Menschenrechtsrats unter Vorsitz von Präsident Medvedev am 01.02.2011 in Jekaterinburg, das der Thematik des Gedenkens an die Opfer des Totalitarismus und der Frage der nationalen Versöhnung gewidmet war, verweisen wir auf die links http://hro.org/node/10209 und http://hro.org/node/10218 in russischer Sprache. Sie finden hier auch den entsprechenden Beitrag von MEMORIAL International.
Die Reaktion von Präsident Medvedev in der Sache Chodorkovskij behandelt der deutsche Beitrag unter www.n-tv.de/politik/Chodorkowski-darf-hoffen-article2506476.html.
Weiterlesen … Russischer Menschenrechtsrat zur Frage des Gedenkens und in Sachen Chodorkovskij
Nach Mitteilung der Berliner Zeitung vom 5./6.02.2011 wurde der Chodorkovskij-Film des Regisseurs Cyril Tuschi aus dessen Arbeitsräumen in Berlin-Mitte gestohlen. Die Premiere auf der Berlinale am 14. Februar sei jedoch nicht gefährdet, da eine Kopie ohne Untertitel bereits an die Berlinale gegeben worden war.
löste scharfen Protest seitens des Gedenkstättenvereins und der Zeitzeugen-Initiative aus, die am 05.02.2011 zu einer Mahnwache vor der Gedenkstätte aufriefen, um die von September bis Februar 2012 geplante Schließung der Gedenkstätte zu verhindern. Für Februar 2012 ist die Eröffnung der neuen Dauerausstellung vorgesehen. Etwa 25 Personen waren dem Aufruf gefolgt, darunter auch die damalige brandenburgische Ministerin, Prof. Wanka, die sich seinerzeit engagiert für die Gedenkstätte eingesetzt hat. Kulturstaatssekretär Gorholt wandte sich vermittelnd an die Anwesenden und schlug ein Treffen Mitte Februar vor, an dem auch die Diktaturbeauftragte Brandenburgs, Ulrike Poppe, und ein Vertreter von MEMORIAL Deutschland teilnehmen sollen, um eine Interimslösung für die Zeit vom September 2011 bis Februar 2012 zu finden. Einzelheiten zum KGB-Gefängnis Potsdam Leistikowstraße finden Sie auf unserer Projektseite.
Weiterlesen … Vorübergehende Schließung der Potsdamer Gedenkstätte Leistikowstraße
In ihrem Scheiben vom 03.01.2011 weisen die Unterzeichner darauf hin, dass namhafte Vertreter der Opposition wie Boris Nemzov, Ilja Jaschin, Eduard Limonov und andere offensichtlich auf Weisung von oben für Vergehen während der Kundgebungen am 31.12. zur Verantwortung gezogen würden, die sie nicht begangen hätten.
Weiterlesen … Mitglieder des St. Petersburger Menschenrechtsrats appellieren an Präsident Medvedev
Das Moskauer Gericht hat sein Urteil über Michail Chodorkovskij und Platon Lebedev gefällt. Hart, ungerecht, unrechtmäßig. Alles in dieser Sache ist bereits gesagt. Eines nur bleibt hinzuzufügen: Dies ist nicht die letzte Instanz.
Dabei geht es nicht um das Moskauer Gericht, nicht um den Obersten Gerichtshof Russlands und nicht um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Wir meinen den Richterspruch der Geschichte. Die Autoren des Urteils über Chodorkovskij und Lebedev - die wahren Autoren dieses Urteils - glauben ebenso wenig wie ihre sowjetischen Vorgänger an den Richterspruch der Geschichte.
Ein Irrtum, wie sie höchst wahrscheinlich noch zu Lebzeiten erfahren werden.
Weiterlesen … MEMORIAL International zum Chodorkovskij-Urteil
Erklärung vom 21. Dezember 2010
„Der Grund für die Vorfälle vom 19. und 20. Dezember in Minsk liegt auf der Hand: Die Wahlen in Belarus haben ihren Inhalt und Sinn verloren.
Der Sinn der Wahlen liegt nicht allein in der praktischen Durchführung des Urnengangs und Auszählens der abgegebenen Stimmen, obgleich auch diese Vorgänge von den Machthabern in Belarus genutzt wurden, um das Ergebnis zu verfälschen.
Sinn der Wahlen ist vielmehr die Förderung eines ehrlichen Wettbewerbs zwischen den politischen und wirtschaftlichen Programmen der unterschiedlichen politischen Kräfte. Dazu bedarf es zumindest der Versammlungsfreiheit und freier Medien sowie des gleichberechtigten Zugangs aller Gruppen und Kandidaten zu diesen Medien. Das alles ist in Belarus nicht der Fall.
Die derzeitigen Machthaber in Belarus sind vielmehr an der langfristigen Konsolidierung ihrer Macht interessiert und lassen daher dem politischen Wettbewerb seit Jahren keinen Raum mehr. Die Menschen werden der Möglichkeit ihrer Meinungsäußerung beraubt und sind gezwungen, auf die Straße zu gehen. Die Verantwortung für die Ereignisse vom 19. und 20. Dezember liegt bei den belarussischen Machthabern, die die Wahlen zur Farce degradierten.
Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller Oppositionspolitiker, einschließlich all derer, die auf den Kundgebungen und Demonstrationen der letzten Tage festgenommen wurden.“
Am frühen Morgen des 7. Dezember führten russische Sicherheitskräfte in Moskau eine Spezialaktion gegen den „islamistischen Extremismus“ durch. Betroffen war auch die Familie des in Zentralasien geborenen Aziz, der inzwischen die russische Staatsangehörigkeit erworben hat. Als etwa 20 Sicherheitsbeamte in die Wohnung der Familie eindrangen, verständigte Aziz den MEMORIAL-Mitarbeiter Bachram Chamrojew und bat ihn um Hilfe. Chamrojew, der im Menschenrechtszentrum von MEMORIAL beschäftigt ist, informierte seinerseits die Presse und fuhr zum Wohnsitz von Aziz, wurde dort jedoch bereits am Betreten des Gebäudes durch Uniformierte gehindert, obgleich er sich als MEMORIAL- Mitarbeiter ausweisen konnte. Er wurde anschließend durch einen Unbekannten in Zivil (möglicherweise ein Angehöriger der Miliz) brutal bewusstlos geschlagen und musste notärztlich versorgt werden.
MEMORIAL hat in den vergangenen Monaten immer wieder die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte bei ihrem Vorsehen gegen den sog. islamistischen Extremismus kritisiert. Die Organisation geht davon aus, dass die Attacke auf einen ihrer Mitarbeiter im Zusammenhang mit dieser Kritik steht und fordert die unverzügliche Aufklärung aller Umstände nicht nur dieses Einsatzes, sondern des gesamten Vorgehens der Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer Spezialoperationen in der russischen Hauptstadt.
Weiterlesen … MEMORIAL verurteilt erneut exzessiven Gewalteinsatz durch Sicherheitskräfte
Israilov Case to be Monitored by A Coalition of Human Rights NGOs
16 November 2010 - The International Federation for Human Rights (FIDH), together withHuman Rights Center “Memorial” (Russia),People in Need (Czech Republic), Norwegian Helsinki Committee for Human Rights, Austrian Helsinki Association for Human Rights and Novaya Gazeta (Russia) welcome the opening of the trial in Vienna, Austria, of the alleged perpetrators of the murder of Umar Israilov, a Chechen refugee in Austria. This coalition has decided to send an observation mission to Vienna from 16 to 26 November 2010, for the purpose of observing the court hearings.
Our organisations consider this trial particularly significant because there exist necessary conditions for an independent court investigation that would make it possible to name all the guilty in this murder. The indictment presented by the Prosecutor’s office of Austria states that the aim of the immediate executors of the crime was the “forced abduction of Umar Israilov with the aim of taking him out of the country and his subsequent transfer to the authorities in the Chechen Republic or in case this plan fails; the murder of Umar Israilov”, and it also points to the obvious involvement of the Chechen authorities in this crime. It is important that during the trial all persons who were involved in planning; organising and executing this crime are identified and named regardless of their position or status. This will contribute to combat of impunity for crimes committed in Chechnya and outside Chechnya. Unfortunately in Russia itself an independent trial into such a case cannot take place.
Mehr in russischer Sprache unter www.memo.ru
Zum vierten Mal hat MEMORIAL in diesem Jahr am 29. Oktober, einen Tag vor dem Gedenktag an die Opfer politischer Verfolgungen, die Aktion „Rückgabe der Namen“ durchgeführt, die dem Andenken der Moskauer gewidmet ist, die in den Jahren des Stalinismus erschossen wurden.
2010 ist ein Jubiläum. Genau vor 20 Jahren, am 30. Oktober 1990, wurde auf dem Lubjanka-Platz, gegenüber dem Gebäude der WTscheka-OGPU-NKWD-KGB-FSB, der Solowezki-Stein aufgestellt, der von den Solowezki-Inseln herbeigeschafft worden war. Anfang der 1920er Jahre befand sich dort das „Lager besonderer Bestimmung“, das die Grundlage für das System der Stalinschen Konzentrationslager bildete. Bis zum heutigen Tag ist dieser Stein das einzige offizielle Denkmal an die Opfer der politischen Verfolgungen in der russischen Hauptstadt.
Trotz leichten Schneefalls zog von 10 Uhr vormittags bis 22 Uhr abends eine lange Menschenschlange zur Tribüne am Solowezki-Stein. Wie üblich, machte Wladimir Lukin, der Menschenrechtsbeauftragte in der Russischen Föderation, bei der Lesung der Namen den Anfang. Ihm folgten Personen aller Alters- und Berufsgruppen sowie verschiedener Nationalitäten. (…) Insgesamt nahmen 500 Personen teil. Es wurden 3 267 Namen aus einem von MEMORIAL-Mitarbeitern zusammengestellten Gedenkband vorgetragen. Viele Teilnehmer fügten Namen von Verwandten und ihnen nahestehender Personen hinzu, die erschossen worden oder im Lager umgekommen waren.
Quelle: http://www.memo.ru/2010/10/30/vozvrashchenie_imen_2010.htm
Siehe auch den Bericht in russischer Sprache http://hro.org/node/9401
In einem offenen Brief an Präsident Medwedew berichtet MEMORIAL von zahlreichen Funden menschlicher Überreste, die bei Ausgrabungen an den Mauern der St. Petersburger Peter-Paul-Festung entdeckt wurden, und plädiert für eine Fortsetzung der archäologischen Untersuchungen.
Weiterlesen … Funde menschlicher Überreste an der St. Petersburger Peter-Paul-Festung
Russische Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Vereinigungen ehemaliger KZ-Häftlinge, Ghetto-Insassen, ehemaliger Zwangsarbeiter und minderjähriger Häftlinge des Faschismus haben einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben auf auf die bevorstehende Schließung der „Stiftung für Verständigung und Versöhnung“, der russischen Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verständigung und Zukunft (EVZ) hingewiesen.
Anfang Oktober hatte der Aufsichtsrat der Stiftung mitgeteilt, dass auf einer Sitzung beim Vizepremier der russischen Regierung Zhukov am 29. September entschieden worden sei, die Stiftung umgehend zu liquidieren und alle von ihr durchgeführten Programme einer nicht genannten NGO zu übertragen.
Diese Pläne haben bei den Opfern des Nationalsozialismus „tiefe Besorgnis“ ausgelöst. Angesehene Vertreter internationaler, russischer und regionaler Häftlingsverbände beklagen, dass die Regierung keine Lösung gefunden habe, um eine organisatorische Struktur zu erhalten, die eine in ihrer Art einzigartige Kooperation der Völker Russlands und Deutschlands ermöglicht habe. Dies könne nicht wiedergutzumachende Folgen haben. Durch den Verlust des Dokumenten-Archivs überlebender Opfer gehen unschätzbare Erinnerungen verloren; zudem werden damit die Programme der EVZ beendet, die der jungen Generation in Russland Verantwortungsgefühl gegenüber den Opfern des Zweiten Weltkriegs vermitteln und der Bewahrung des historischen Gedächtnisses, der Entwicklung antifaschistischer pazifistischer Überzeugungen dienen sollten.
Die Vertreter der einschlägigen gesellschaftlichen Gruppen haben sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt mit der Bitte, die russische Regierung auf die kritische Situation aufmerksam zu machen. Sie erinnern daran, dass eine Schließung der Stiftung es auch unmöglich machen wird, die am schwersten betroffenen Opfer des Zweiten Weltkrieges weiterhin zu unterstützen, nämlich die ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen, die von der Stiftung EVZ offiziell keine Entschädigungszahlungen erhalten haben. „Diese Personen – die Soldaten des Zweiten Weltkriegs – haben Schwerstes durchgemacht – die faschistischen Konzentrationslager für Kriegsgefangene, die sie nach der Rückkehr in die Heimat gegen die Stalinschen Lager eintauschten. Heute sind diese Personen 90 Jahre und darüber, sie leben in den abgelegensten und ärmsten Regionen Russlands, ohne qualifizierte medizinische und soziale Versorgung“, heißt es in der Erklärung.
Moskau, 28.10.2010
Quellen: http://hro.org/node/9351
Weiterlesen … Ehemalige KZ-Häftlinge und Ghetto-Insassen wenden sich an Bundeskanzlerin
Weiterlesen … Europäische Menschenrechtskonvention auch in der Russischen Föderation durchsetzen
Den Opfern des Konflikts und ihren Familien eine Stimme geben, dies wollte Anna Politkowskaja mit ihrer Arbeit in Tschetschenien erreichen. In seiner Erklärung vom 07.10.2010 hat das Komitee daran erinnert und diesen Einsatz ausdrücklich gewürdigt. Der Mord an Politkowskaja habe dem russischen Volk eine „schwärende Wunde“ zugefügt. Denn nach wie vor seien weder die Mörder noch deren Auftraggeber vor Gericht gestellt und verurteilt worden erklärte das Komitee, das die Lage in Tschetschenien und insbesonders die Anti-Terror-Aktionen im Nördlichen Kaukasus beobachtet und darauf hinweist, dass die Praxis des gewaltsamen Verschwindens von Menschen, Folter und Mord nun auch auf das benachbarte Dagestan und Inguschetien ausgeweitet worden sei.
18 Journalisten seien seit 2000 in Russland im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit ermordet worden. Russland bzw. der nördliche Kaukasus zählten zu den gefährlichsten Arbeitsstätten der Journalisten. Deren Informationsarbeit werde inzwischen vor allem von Menschenrechtlern übernommen. Dazu gehörte die am 15. Juli 2009 ermordete Natalja Estemirowa, eine Freundin von Anna Politkowskaja. Auch dieser Mord blieb bisher unaufgeklärt.
Das Komitee appelliert deshalb an die russische Regierung, die Lage im Nördlichen Kaukasus mit Vorrang zu behandeln und der dort herrschenden Straflosigkeit und Missachtung der Menschenrechte endlich ein Ende zu setzen.
Weiterlesen … Norwegisches Helsinki-Komitee zu Politkowskaja und Estemirowa
Vom 13. bis 16. September führten Vertreter der Staatsanwaltschaft umfangreiche Überprüfungen von Nichtregierungsorganisationen in Moskau und weiteren russischen Städten durch. Betroffen waren in erster Linie Menschenrechtsorganisationen, darunter MEMORIAL Moskau, die Moskauer Helsinki-Gruppe, „Golos“ („Stimme“, eine Organisation für die Rechte der Wähler), das Zentrum für die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten, die Moskauer Abteilung von „Transparency International“, das Komitee gegen Folter in Nizhnij Novgorod u. a. m. Die Überprüfungen fanden im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft, der Moskauer Staatsanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft des Zentralen Moskauer Verwaltungsbezirks statt; es wurden in kürzester Frist etliche Dokumente (beglaubigte Kopien) verlangt, nicht nur Unterlagen zu Satzung oder Registrierung, sondern auch Sitzungsprotokolle, Steuerunterlagen, Abrechnungen und vieles mehr. Angeblich galten die Kontrollen der Einhaltung der NGO-Gesetze durch die jeweiligen Organisationen; die Art der Überprüfung entsprach jedoch ganz dem bei Verdacht auf Straftat üblichen Vorgehen. Einige der Kontrolleure räumten ein, selbst nicht zu verstehen, um was es eigentlich ging, andere gaben zu, dass sie „irgendeine Gesetzesverletzung finden“ sollten.
Der NGO-Gesetzgebung zufolge ist das Justizministerium das zuständige Kontrollorgan. Dieses muss eine anstehende Überprüfung einige Tage vorher ankündigen und ein Verzeichnis der zu prüfenden Dokumente vorlegen. Die Staatsanwaltschaft darf nur eingeschaltet werden, wenn bereits ein konkreter Verdacht vorliegt.
„Wir sind empört über die präzedenzlose Kampagne gegen Nichtregierungsorganisationen und fordern die Generalstaatsanwaltschaft und die Moskauer Staatsanwaltschaft auf, Anlass und Gründe für diese Überprüfungen zu nennen. Wir bestehen auf der Einhaltung der Gesetzgebung über NGOs sowie der internationalen Rechtsnormen über Vereinigungsfreiheit.“
Mehr unter http://www.hro.org/node/9052 und (in englischer Sprache) unter http://sites.google.com/a/rightsinrussia.info/www/home/hro-org-in-english-1/ngos/inspections
Weiterlesen … Protest russischer NGOs gegen staatsanwaltschaftliche Kontrollen
Die von der Opposition am 31. des jeweiligen Monats veranstalteten Demonstrationen für die Einhaltung des Art. 31 der russischen Verfassung, der die Versammlungsfreiheit garantiert, sind nach wie vor offiziell nicht zugelassen und werden unter erheblicher Gewaltanwendung massiv gestört.
Nach Angaben der Veranstalter kamen am vergangenen 31. Juli in Moskau etwa 500 Personen zusammen, 75 Personen, darunter auch Boris Nemtsov, wurden festgenommen und gegen 22.00 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt.
Auch in anderen Städten Russlands fanden Protestaktionen statt – in St. Petersburg, wo 60 Personen festgenommen wurden, sowie u.a. in Vladivostock, Jekaterinburg und Stavropol.
Das brutale Vorgehen der Polizei soll Gegenstand einer internen Untersuchung sein mit dem Ziel, die Anwendung von Gewalt künftig auf ein Minimum zu reduzieren.
Mit ihren Aktionen wollen die Veranstalter sowohl die staatlichen Behörden als auch die öffentliche Meinung für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sensibilisieren.
Solidarische Kundgebungen zur Unterstützung der Aktionen in Russland fanden auch in Berlin und München, u.a. mit Beteiligung von a.i. und MEMORIAL statt. Näheres finden Sie unter "Veranstaltungen".
Weiterlesen … Protestaktionen in Russland zum 31. Juli erneut massiv gestört