(30.01.2003)
Am 16. Januar 2003 wurde offiziell erklärt, dass  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sechs Klagen  aus Tschetschenien für zulässig erklärte. Die Klagen waren im Frühjahr  2000 eingereicht worden und betreffen Vorfälle im Zusammenhang mit dem  bewaffneten Konflikt im Nordkaukasus. Das Gericht entschied am 19.  Dezember 2002.
 Die Interessen der Kläger werden durch einen Juristen des  Menschenrechtszentrums Memorial, Kirlill Korotejew, und den Professor an  der Universität Nord-London, William Bowring, vertreten. Bei der  Vorbereitung der Klage wurde das Menschenrechtszentrum Memorial durch  die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch  unterstützt.
 Insgesamt reichte Memorial 36 Klagen beim Straßburger Gerichtshof ein,  32 Klagen betreffen Vorfälle im Zusammenhang mit dem  Tschetschenienkonflikt. Die beim Straßburger Gerichtshof für  Menschenrrechte eingereichten Klagen werden zunächst auf ihre  Zulässigkeit hin geprüft. Nach Klärung der formalen Kriterien erfolgt  die sachliche Prüfung der Klage. Dies ist bei den sechs gegen Russland  eingereichten Klagen der Fall.
 Die sechs Klagen wurden zu drei Verfahren zusammengefasst. Das erste  Verfahren betrifft Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil, die nach einer  "Säuberungsaktion" in Gosny im Januar 2000 durchgeführt wurden. Eine  gerichtliche Untersuchung in Inguschetien wurde nach Aufnahme der  Vorfälle durch die Richter im Februar 2002 immer wieder ausgesetzt. Bei  dem zweiten Verfahren handelt es sich um den Luftangriff auf einen  Flüchtlingstransport im Oktober 1999, bei dem mehr als zehn Personen zu  Tode kamen oder verwundet wurden. Eine gerichtliche Untersuchung der  Vorfälle wurde im Mai 2000 aufgenommen, wegen Abwesenheit der Piloten  jedoch wieder ausgesetzt. Das dritte Verfahren betrifft die Opfer, die  nach dem Beschuss des Dorfes Katyr-Jurt Anfang Februar 2000 unter der  Zivilbevölkerung zu beklagen waren.
(31.01.2003)
Ausschuss für Menschenrechte  und Humanitäre Hilfe
 Berlin: (hib/RAB) Die Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte und  Humanitäre Hilfe sind "tief besorgt" über die anhaltenden schweren  Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. In einer am Freitagmorgen  einstimmig verabschiedeten Erklärung heißt es, beide Konfliktparteien,  das russische Militär und die tschetschenischen Kämpfer, seien für die  Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Ein aktueller Bericht einer  Delegation des Europarates, die sich vor wenigen Tagen in Tschetschenien  ein Bild von der Situation vor Ort gemacht habe, hat diese Sorge noch  verstärkt, schreiben die Parlamentarier weiter. In der Erklärung, die an  Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer  weitergeleitet werden soll, fordern die Abgeordneten den russischen  Präsidenten Putin auf, sich für eine dauerhafte politische Lösung in  Tschetschenien unter Einbeziehung authentischer tschetschenischer  Repräsentanten einzusetzen. Darüber hinaus müsse das humanitäre  Völkerrecht geachtet und den Menschenrechtsverletzungen mit Hilfe der  russischen Armee Einhalt geboten werden. Von zentraler Bedeutung sei es  auch, das Mandat der OSZE für Tschetschenien zu verlängern.
 Rudolf Bindig (SPD), Mitglied der Delegation des Europarates für  Tschetschenien, hatte zuvor im Ausschuss die Sicherheitslage vor Ort als  "extrem schwierig" bezeichnet. Offiziell befänden sich 80 000  Sicherheitskräfte in der Region, während sich lediglich 505 000  erwachsene Menschen in Tschetschenien aufhielten. Die Darstellung  russischer Vertreter gegenüber der Delegation des Europarates, die  wirtschaftliche Lage in Tschetschenien würde sich verbessern, stehe in  einem "krassen Widerspruch" zur Realität. Nach Auffassung Bindigs sind  sowohl die russischen Seite als auch die tschetschenischen Kämpfer für  die Konfliktlage verantwortlich. So gäbe es keine öffentliche Diskussion  über den Entwurf einer Verfassung, über den am 23. März ein Referendum  abgehalten werden soll. In dem Entwurf werde Tschetschenien als  Bestandteil Russlands bezeichnet und Russisch als Amtssprache  festgelegt. Den tschetschenischen Kämpfern warf der Abgeordnete  Menschenrechtsverletzungen durch Terroranschläge vor, mit denen die  Zusammenarbeit schwer belastet werde.
 Die CDU erkundigte sich nach Möglichkeiten der  Nichtregierungsorganisationen, auf die Lage vor Ort einzuwirken. Auch  solle beleuchtet werden, inwiefern ein politischer Prozess ohne den  tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow, mit dem die russische  Seite Verhandlungen ablehnt, möglich sei. Die FDP bedauerte, dass der  Tschetschenienkonflikt aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit  verschwunden sei. Dies sei fatal, da auf beiden Seiten  Menschenrechtsverletzungen ausgeübt würden. Somit sei der internationale  Druck auf Putin, für Frieden in der Region zu sorgen, zu gering. Die  Fraktion forderte die Bundesregierung auf, in bilateralen Gesprächen und  auf EU-Ebene auf die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien  hinzuweisen. Die Bündnisgrünen sprachen Schwierigkeiten in Zusammenhang  mit dem geplanten Referendum an. Es sei unklar, wer sich an der  Befragung beteiligen dürfe. Weiter müsse gefragt werden, welche  Vorschläge die Russische Förderation mache, um das Problem zu lösen.
 Weitere Informationen auf der Website des  Deutschen Bundestages.
(07.12.2002)
Die erste Militäraktion in Tschetschenien (Tsch.)  (1994-96) wurde bekanntlich nicht mit klaren Rechtsbegriffen bezeichnet,  sondern durch Euphemismen wie "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen  Ordnung" oder "Lösung der Verfassungskrise" umschrieben.
 Diese rechtliche Unklarheit herrscht auch in Bezug auf den derzeit  durchgeführten militärischen Einsatz. Zu ihrer Rechtfertigung wird  offiziell zumeist auf den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus  verwiesen und von Anti-Terror-Operation gesprochen; gelegentlich ist  auch die Rede von der Antwort auf Angriffe durch organisierte Banden  oder einfach nur "Tschetschenen". Diese Äusserungen besitzen  deklaratorischen Wert, stellen jedoch keine rechtliche Begründung dar.
 Das Konzept der nationalen Sicherheit, das mit Präsidentenerlass Nr.  1300 vom 17.12.97 bestätigt wurdet, sieht vor, dass "die Anwendung  militärischer Gewalt gegen Zivilisten oder zur Umsetzung  innenpolitischer Ziele nicht zulässig ist. Gleichzeitig ist der Einsatz  von Einheiten der Streitkräfte der Russischen Föderation zusammen mit  anderen Truppen, bewaffneten Kräften und Einrichtungen in Bezug auf  illegale bewaffete Gruppen, die eine Gefahr für das nationale Interesse  der Russischen Föderation darstellen, in strikter Übereinstimmung mit  der Verfassung der Russischen Föderation und föderalen Gesetzen  zulässig". Das Konzept unterstreicht auch die Notwendigkeit, "die Normen  des Völkerrechts und die russischen Gesetze bei der Anwendung von  Zwangsmaßnahmen(einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt)  einzuhalten".
 Es ist also davon auszugehen, dass die Anwendung militärischer Gewalt  mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit nicht nur  dadurch bestimmt werden kann, was die für die entsprechenden  Entscheidungen zuständigen Stellen für zweckmäßig halten, sondern auf  konkrete Rechtsnormen gestützt und in einen rechtlichen Rahmen gestellt  sein muss.
 Wie sehen also die rechtlichen Möglichkeiten aus, auf die die Regierung  bei der Rechtfertigung der breitangelegten militärischen Aktionen in  Tsch. verweisen kann?
 1. Artikel 88 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im Falle einer  realen Gefahr für die Sicherheit der Bürger oder die verfassungsmäßige  Ordnung, die außerordentliche Maßnahmen erforderlich macht, durch Erlass  im gesamten Hoheitsgebiet oder in einzelnen Regionen den  Ausnahmezustand erklärt und den Föderationsrat sowie die Staatsduma  unverzüglich davon in Kenntnis setzt. Der entsprechende Erlass muss  durch den Föderationsrat bestätigt werden. Die Formulierung dieser  Verfassungsnorm lässt jedoch die Frage offen, ob die Erklärung des  Ausnahmezustands ein Recht des Präsidenten ist, das dieser nach eigenem  Ermessen ausübt, oder eine Pflicht, die er zu erfüllen hat.
 Das Gesetz über den Ausnahmezustand wurde bereits 1991 angenommen (Nr.  1252-1 vom 17.05.91). Es wurde jedoch weder während des ersten  bewaffneten Einsatzes in Tsch. noch in der jetzigen Situation  angewendet, obwohl die Machtorgane bei der Begründung des militärischen  Einsatzes auf eben diese Situation Bezug genommen haben, die nach  Artikel 4 Buchstabe a des Gesetzes Grundlage für die Erklärung des  Ausnahmezustands sind: Versuch einer gewaltsamen Veränderung der  verfassungsmäßigen Ordnung, Massenunruhen mit Gewaltanwendung,  internationale Konflikte, Blockade einzelner Gebiete, Gefahr für Leben  und Sicherheit der Bürger oder die ordentliche Tätigkeit staatlicher  Einrichtungen.
 Die Tatsache, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand nicht angewendet  werden soll, erklärt sich zunächst damit, dass dieses die Teilnahme der  Streitkräfte an Maßnahmen zur Normalisierung der Lage nicht vorsieht und  diese Aufgabe den Truppen des Innenministeriums (MWD) überträgt (der  Einsatz der Streitkräfte ist ausschließlich im Rahmen der  Katastrophenhilfe zugelässig). Ein weiterer Grund, der nicht offen  ausgesprochen wird, sind die präzisen Vorschriften des Gesetzes über den  Ausnahmezustand, das eine rechtliche Regelung für den Ausnahmezustand  vorgibt und die genaue Angabe der staatlichen Stellen fordert, die für  die entsprechenden Maßnahmen zuständig sind, sowie die Angabe von Ausmaß  und Umfang der außerordentlichen Maßnahmen in dem entsprechenden Erlass  und die erschöpfende Aufzählung der zeitweiligen Einschränkung der  Rechte und Freiheiten der Bürger und darüber hinaus Garantien enthält  für die Rechte des Bürgers und den Schutz dieser Rechte (Artikel 8, 17,  18 ff) schafft. Artikel 27 bestimmt deutlich, dass die Einführung des  Ausnahmezustands nicht als Grund für die Anwendung von "Folter,  grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" dienen darf; die  Artikel 28 und 33 bestimmen, dass die gesetzlich geregelte Anwendung von  Gewalt und der Einsatz von Feuerwaffen während des Ausnahmezustand  nicht geändert werden dürfen und Angehörige des Innenministeriums und  Wehrpflichtige für die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt und die  Überschreitung ihrer dienstlichen Befugnisse, einschließlich der  Verletzung der garantierten Bürgerrechte, zur Verantwortung gezogen  werden. In der Tat werden mit dieser Regelung "die Hände gebunden" und  der Ermessensspielraum (oder einfacher gesagt, die Willkür) bei der  Durchführung bewaffneter Operationen erheblich eingeschränkt.
 Man kann dem zustimmen, dass das Gesetz über den Ausnahmezustand extreme  Situationen, die die zusätzliche Beteiligung der Streitkräfte zur  Stabilisierung des Ausnahmezustands rechtfertigen, nicht in vollem  Umfang in Betracht zieht; dass das Gesetz also auch Normen enthalten  sollte, die eine solche Beteiligung und die Anwendung bewaffneter Gewalt  in einen festen rechtlichen Rahmen stellen. Seit seiner Annahme wurde  das Gesetz jedoch nicht geändert. Formal ist es weiterhin in Kraft, in  der Praxis wird es jedoch ignoriert.
 2. Nach dem föderalen Gesetz über die Verteidigung Nr. 61-FS vom  24.04.96 sind die Streitkräfte (die als "staatliche militärische  Organisation (definiert werden,) die die Grundlage der Verteidigung der  Russischen Föderation" bilden) dazu bestimmt, "einen Angriff gegen die  Russische Föderation abzuwehren, die Integrität und Unverletztlichkeit  des Hoheitsgebiets der Russischen Föderation mit Waffengewalt zu  schützen und darüber hinaus Aufgaben zu erfüllen, die sich aus  völkerrechtlichen Verträgen der Russischen Föderation ergeben. Das ihrer  Zweckbestimmung nicht entsprechende Heranziehen der Streitkräfte der  Russischen Föderation zur Erfüllung von Aufgaben mit Waffengewalt  erfolgt durch den Präsidenten der Russischen Föderation nach Maßgabe der  föderalen Gesetze" (Artikel 10 Absatz 2 und 3). Im Zusammenhang mit dem  genannten Artikel ist ohne Frage die Rede von bewaffnetem Schutz vor  einem Angriff von außen, denn rechtlich gesehen kann bei einem Subjekt  der Föderation (d.h. einer territorialen Einheit innerhalb des Landes)  &_65533; und als solches gilt Tsch. offiziell &_65533; nicht von  einem Angriff gegen die Russische Föderation gesprochen werden. Doch  selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich im vorliegenden Fall um  einen Angriff handelt, muss Artikel 19 des Gesetzes über die  Verteidigung zur Anwendung gelangen, der die Einführung des  Kriegszustands vorsieht. Der Artikel definiert den Kriegszustand als  besondere rechtliche Regelung, die das Handeln der staatlichen und  Selbstverwaltungsorgane bestimmt und mit der eine Einschränkung der  Rechte und Freiheiten verbunden ist. "Im Kriegszustand können die  Streitkräfte, andere Truppen, bewaffnete Kräfte und Einrichtungen  militärisch zur Abwendung eines Angriffs unabhängig von der Ausrufung  des Krieges eingreifen. Der Kriegszustand wird nach Artikel 87 der  Verfassung jedoch durch den Präsidenten verhängt, der den Föderationsrat  und die Staatsduma unverzüglich davon in Kenntnis setzt, der  entsprechende Erlass muss durch den Föderationsrat bestätigt werden.  Hier sollte nicht vergessen werden, dass der Kriegszustand in  Übereinstimmung mit der Verfassung durch ein föderales Verfassungsgesetz  geregelt werden muss (ein solches Gesetz wurde bislang nicht  verabschiedet).
 In diesem Fall wurde der Kriegszustand nicht ausgerufen. Wenn man also  die Militäroperation in Tsch. aus Sicht des geltenden russischen Rechts  betrachtet, kann man nur festgestellen, dass es sich hier um einen  bewaffneten Einsatz der Streitkräfte handelt, der nicht zu ihrer  Zweckbestimmung entspricht. Dies ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen,  das bereits zitierte Konzept der nationalen Sicherheit weist darauf  hin; der "politische" Charakter des Konzept geht jedoch deutlich aus  seinem Wortlaut hervor. Gesetze, die die Modalitäten des Einsatzes von  Waffen und militärischer Kontingente außerhalb ihrer Zweckbestimmung  regeln, gibt es gegenwärtig nicht. Es folgt jedoch aus Artikel 5 Absatz 1  Unterabsatz 3 des Gesetzes über die Verteidigung, dass ein Heranziehen  der Streitkräfte und anderer bewaffneter Kräfte außerhalb ihrer  Zweckbestimmung durch Erlass des Präsidenten erfolgen muss, der der  durch den Föderationsrat bestätigt wird. In diesem Fall wurde kein  derartiger Erlass veröffentlich und zur Bestätigung vorgelegt, der  Einsatz der Streitkräfte zur Durchführung von Aufgaben, die nicht mit  ihrer Zweckbestimmung verbunden sind, wird damit unmöglich.
 3. Die breitangelegten militärischen Aktionen in Tsch. werden zumeist  als Anti-Terror-Aktion begründet, wobei auf das Gesetz über den Kampf  gegen den Terrorismus verwiesen wird (Nr. 130-FS vom 03.07.98).  Tatsächlich heißt es in Artikel 7 dieses Gesetzes, das die Zuständigkeit  der Stellen zur Bekämpfung des Terrorismus festlegt, dass das  Verteidigungsministerium den Schutz von militärischen Objekten und  Waffen, die Sicherheit der Seeschiffahrt und des Luftraums gewährleistet  und auch an der Durchführung von "Anti-Terror-Operationen teilnimmt".  Diese allgemeine Formulierung im Gesetzestext wird nicht näher erläutert  und die Frage nach dem Wie, der Art und des Umfangs der Beteiligung  bleibt offen.
 Artikel 3 des Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus definiert  eine Anti-Terroroperation als "besondere Maßnahmen, die Terroranschläge  verhindern, die Sicherheit von Menschen gewährleisten, Terroristen  unschädlich machen und die Folgen eines Terroranschlags gering halten  sollen". Kapitel III des Gesetzes regelt die Durchführung von  Anti-Terror-Operationen. Das Gesetz sieht die Einrichtung eines  Operationsstabs vor, der aufgrund eines Regierungsbeschlusses gebildet  wird und die unmittelbare Leitung einer solchen Operation unter Führung  eines Vertreters des FSB oder des Innenministeriums (je nachdem, in  wessen Kompetenzbereich die Durchführung einer bestimmten  Anti-Terror-Operation fällt) wahrnimmt und auf der Grundlage eines  besonderen Richtlinienpapiers tätig wird, das den Rahmenbestimmungen des  föderalen Anti-Terror-Ausschusses entspricht. Der Operationsstab für  die Anti-Terror-Operation hat allerdings das Recht, die notwendigen  Kräfte und Mittel der föderalen Organe anzufordern, die unmittelbar mit  dem Kampf gegen den Terrorismus befasst sind, u.a. auch des  Verteidigungsministeriums (Artikel 11). Eine Analyse der oben genannten  Definition einer Anti-Terror-Operation sowie verschiedener weiterer  Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere des Artikels 2 über die  Grundsätze des Kampfs gegen den Terrorismus ("Priorität der Maßnahmen  zur Vorbeugung des Terrorismus", "Zusammenwirken offener und verdeckter  Methoden des Kampfes", "Priorität des Schutzes der Rechte derjenigen,  die aufgrund eines Terrorakts gefährdet sind"), führt zu dem Schluss,  dass das Gesetz bei Durchführung einer Anti-Terror-Operation den  Spezialdiensten vorrangige Bedeutung einräumt und der Einsatz der  Streitkräfte und deren Waffen nur als ergänzende Unterstützung erfolgen  kann, in jedem Fall jedoch nicht zu schwerwiegenderen Folgen im  Verhältnis zum eigentlichen Terrorakt führen darf, der verhindert werden  sollte (Tod von Zivilisten, Zerstörung von Gebäuden, Infrastruktur  usw.).
 Gleichzeitig folgt daraus, dass die Rechtsgrundlage für den Kampf gegen  den Terrorismus nicht nur durch das genannte Gesetz, sondern auch durch  die Verfassung und andere föderale Gesetze sowie die allgemeingültigen  Grundsätze und Normen des Völkerrechts gegeben ist (Artikel 1 des  Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus). Das bedeutet  insbesondere, dass die Normen des Gesetzes über den Kampf gegen den  Terrorismus systematisch unter Berücksichtigung der bereits genannten  Verfassungsnormen und Bestimmungen föderaler Gesetze über den Einsatz  der Streitkräfte interpretiert und angewendet werden müssen.
 Insofern entbehrt der breitangelegte Einsatz der schwer bewaffneten  Streitkräfte in Tsch. einer überzeugenden Rechtsgrundlage durch  Verfassung und föderale Gesetze sowie einer ordentlichen Rechtsform. Der  Einsatz der Streitkräfte erfolgt im rechtlichen Vakuum und lässt  breiten Raum für Willkür und Nichteinhaltung der grundlegenden  Verfassungsrechte der Zivilbevölkerung.
 Aus dem Russischen übersetzt im Dez. 2002; der Artikel wurde von  Memorial am 27.12.1999 in russischer Sprache publiziert
(09.07.2004)
1.	Wie bewerten Sie als verantwortlicher  Wirtschaftsexperte der Weltbank in Moskau die Auswirkungen der  Jukos-Affaire?   Letztlich wird diese Sache den Haupterfolg Putins, die Stabilität  nämlich, die die Investionstätigkeit angekurbelt hat, in Frage stellen.  Die Investitionsquote ist erst Ende 2002 wieder angestiegen. Für  Russland ist es nicht so wichtig, ausländische Investoren zu gewinnen;  vielmehr muss die Rückkehr des seit 1991 ins Ausland geflossenen  Kapitals bewirkt werden: dieses Kapital wird mit 245 Milliarden Dollar  angegeben,das ist mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts. Putin  war es gelungen, die Kapitalflucht zu bremsen; das zurückgeflossene Geld  kommt größtenteils aus Zypern oder off-shore-Gebieten, wo die  Oligarchen angelegt haben; es sind Gewinne aus Erdölexporten, Gelder der  Freunde Chodorkowskijs also! Jetzt stellen wir fest, dass das Geld  erneut ins Ausland fließt. Die russischen Banken haben kürzlich ihre  Aktiva im Ausland aufgestockt. Das alles verstärkt die Unruhe, die  diesen Sektor erfasst hat.   2.	Welche Ziele verfolgt der Kreml?   Die entscheidende Frage lautet doch, ob die Jukos-Affäre ein Einzelfall  oder aber Teil einer umfassenden Strategie ist? Im Kreml glaubt man  wahrscheinlich, dass man überzeugend dartun kann, dass Jukos ein  Einzelfall sein und diese Krise bei den ausländischen Investoren schnell  in Vergessenheit geraten wird, so wie das auch 1998 der Fall war. Das  Spiel mit den Eigentumsrechten in Russland ist aber ein Spiel mit dem  Feuer, denn der Begriff des Privateigentums ist noch relativ neu. Die  Jukos-Affäre zeigt, dass die Privatisierungen der neunziger Jahre kein  abgeschlossenes Kapitel sind; dass immer wieder eine Revidierung dieser  Verkäufe drohen kann. Wenn es sich hier um eine teilweise  Wiederverstaatlichung handeln sollte, so wäre das verheerend. Alle  Untersuchungen belegen, dass die vom Staat kontrollierten Unternehmen in  Russland weitaus weniger erfolgreich sind als die Privatwirtschaft.   3.	Ist der Konkurs von Jukos unvermeidlich?   Mehrere Situationen sind denkbar. Es sieht so aus, als wolle der Staat  einen Teil des Erdölgeschäfts wieder unter seine Kontrolle bringen. Die  Lage ist nicht aussichtslos, ihre jetzige Entwicklung jedoch  bedauerlich. Wenn es Regeln für die Geschäfte der Oligarchen geben soll,  dann müsste zuallererst ein unabhängiges Rechtssystem geschaffen  werden. Oder man müsste allgemein verbindliche Regeln aufstellen, die  Monopolbildung verhindern oder den Wettbewerb schützen sollen. Nicht  diese Art von Guerilla-Krieg gegen eine einzige Gruppe. Mich besorgt,  dass es keine offene Debatte in Russland darüber gibt, welche Regeln für  diese Gruppen gelten sollen.   Übersetzt aus dem Französischen, LE MONDE vom 09.07.04
Weiterlesen … LE MONDE befragt Kristof Ruehl, Wirtschaftsexperte der Weltbank, zur Jukos-Affaire
Die Nationale Stiftung für Demokratie (National  Endowment for Democracy, NED) wird ihre jährliche Auszeichnung, den  "Demokratie-Preis" ("Democracy Award"), den Führern von vier  herausragenden Nichtregierungsorganisationen verleihen, die sich für die  Bewahrung und Entwicklung der Demokratie in Russland einsetzen. Die  Preisverleihung findet am 9. Juni in Washington statt.
 Preisträger sind Ljudmila Aleksejewa, Vertreterin der "Moskauer  Helsinki-Gruppe", Arsenij Roginskij, Vorsitzender der Internationalen  Gesellschaft "Memorial", Aleksej Simonow, Präsident der "Stiftung zur  Verteidigung von Glasnost", und Mara Poljakowa, Direktorin des  Unabhängigen Rechtsexpertenrats.
 Der Preisverleihung wird eine Diskussion vorangehen - ein Runder Tisch  zum Thema "Perspektiven von Demokratie und Menschenrechten in Russland".  Moderator ist der Direktor der Kongressbibliothek James Billington,  Teilnehmer sind die russische Bürgerrechtlerin und Witwe Andrej  Sacharows, Jelena Bonner, und der Russlandexperte Michael McFaul.  Kommentieren werden US-Senator John McCain, der Kolumnist der Washington  Post Jackson Diehl sowie der Russlandexperte Stephen Sestanovich.
 NED-Präsident Carl Gershman erläuterte die Auswahl der Preisträger mit  folgenden Worten: "Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Fall des Kommunismus  steht Russland an einem Scheidewege. Es kann sich weiter in Richtung  einer Demokratie, wirtschaftlichen Wohlstands und Gesetzlichkeit  entwickeln oder aber zurück zu einer Gesellschaftsordnung, in der der  Staat in Gesellschaft und Wirtschaft die beherrschende Stellung  einnimmt, elementare Freiheiten beschnitten werden und die von  Korruption und Autokratie geprägt ist. Die hier ausgezeichneten Gruppen  sind führende Verfechter einer demokratischen und freiheitlichen Zukunft  Russlands. Sie verdienen unsere uneingeschränkte Unterstützung."
 Ljudmila Michailowna Aleksejewa: Gründungsmitglied der Moskauer  Helsinki-Gruppe, seit 1998 Präsidentin der Internationalen  Helsinki-Stiftung. 1950 Abschluss des Geschichtsstudiums in Moskau.  Unterstützung politischer Gefangener und ihrer Familien. Ausführliche  Schriften über Menschenrechte in der UdSSR. 1976 Mitglied der Moskauer  Helsinki-Gruppe. Nach Verhaftung des Vorsitzenden Jurij Orlow Ausreise  in die USA. 1993 Rückkehr nach Russland. Seit 1989 Mitglied der  wiederhergestellten Moskauer Helsinki-Gruppe, 1996 Wahl zur  Vorsitzenden.
 Mara Fjodorowna Poljakowa: Führende Anwältin im Bereich der  Menschenrechte und derzeit Direktorin des Unabhängigen  Rechtsexpertenrats (dieser Rat überprüft die Gesetzgebung hinsichtlich  der Grundrechte und leistet juristische Hilfe bei der Verteidigung  dieser Rechte). Ebenfalls Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe,  Leiterin des Expertenrats im Büro des Menschenrechtsbevollmächtigten der  Russischen Föderation, Mitglied der Russischen Sektion der  Internationalen Kommission von Anwälten. In den 90er Jahren im  Mitarbeiterstab der Duma-Abgeordneten Jurij Tschernitschenko, Galina  Starowojtowa und Sergej Kowalew.
 Arsenij Borisowitsch Roginskij: Geb. 1946. Mitbegründer der Gesellschaft  Memorial für Geschichte, Aufklärung und Menschenrechte, seit 1988 im  Vorstand, derzeit Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft  Memorial. In den 70er Jahren Sammlung von Samisdat-Materialien über die  Geschichte der politischen Repression in der UdSSR für eine Publikation  in Paris. Von 1981 bis 1985 wegen Veröffentlichung historischer,  literarischer und politischer Schriften inhaftiert. Herausgeber des  historischen Almanachs "Svenja" ("Kettenglieder").
 Aleksej Kirillowitsch Simonow: Geb. 1939. Seit 1991 Präsident der  Stiftung zur Verteidigung von Glasnost. 1991-1995 Dekan und Professor am  Institut für Kinematographie. Autor zahlreicher Artikel zum Thema  Pressefreiheit. Tätig in der Ausbildung von Journalisten für die Arbeit  in Kriegsgebieten.
08.06.2004
 Übersetzung aus dem Amerikanischen
 Quelle: National Endowment for Democracy,  NED
Seit gestern, dem 2. Juni, hält sich eine Delegation der  Parlamentarischen Versammlung des Europarats in der militärischen  Konfliktzone in Tschetschenien auf, unter anderem die  Sonderberichterstatter Rudolf Binding und Andreas Gross. Zuvor waren die  Treffen der Delegation mit gesellschaftlichen Organisationen, so auch  mit "Memorial" in Grosnyj und Nasran, geplant und abgestimmt worden.  Allerdings blockieren die russischen Begleiter der Berichterstatter mit  Erfolg diesen Teil des Besuchsprogramms. Insbesondere teilte der  Abgeordnete der Staatsduma Leonid Sluzkij (LDPR) Andreas Gross mit, die  Büros von "Memorial" seien angeblich geschlossen, und die vorgesehenen  Treffen könnten nicht stattfinden. Man kann sicher sein, dass auch alle  übrigen Informationen, die die Berichterstatter aus dieser Quelle  erhalten, ebenso "zutreffend" sind. Übrigens haben die Behörden auch  früher schon bei anderen ausländischen Delegationen solche Methoden  angewandt.
 In den Büros von "Memorial" werden die Gäste des Europarats nach wie vor  erwartet, in der Hoffnung, sie werden sich aus der "Gefangenschaft"  befreien können.
 Vertreter des Europarats trafen doch mit Menschenrechtlern  zusammen
 3.6.2004
 Im Gebäude von "Memorial" in Nasran fand ein Treffen der  Sonderberichterstatter des Europarats Rudolf Binding und Andreas Gross  mit Einwohnern Tschetscheniens und Inguschetiens statt. Es handelt sich  um Angehörige von Personen, die während des militärischen Konflikts  entführt und ermordet wurden, sowie um Juristen, die ihre Interessen  vertreten. Die Begegnung dauerte von 15 bis 17 Uhr.
 Themen waren das Verschwinden von Personen, das Ausbleiben der  Verfolgung von Verbrechen, die Lage der Zwangsmigranten - kurz, der  Kontext des "politischen Prozesses" in der Tschetschenischen Republik.
 Ursprünglich waren zwei Treffen geplant - heute in Grosnyj und morgen in  Nasran, aber der Duma-Abgeordnete der LDPR Leonid Sluzkij, der die  Delegation begleitete, gab vor, alle Büros von "Memorial" seien  geschlossen. Bei der Begegnung erklärte er den Mitarbeitern von  "Memorial", er habe nur die Räumlichkeiten in Grosnyj im Auge gehabt.  Die Änderung des Termin- und Arbeitsplans der Delegation rechtfertigte  er damit, dass man versuchen wolle, die Aufständischen zu überlisten.
 Menschenrechtszentrum "Memorial"
 Quelle: russischer  Nachrichten-Server von MEMORIAL
Der Deutsch-Russische Austausch Berlin (DRA) verurteilt das tödliche  Attentat auf den tschetschenischen Präsidenten Achmad Kadyrow und die  anderen Mitglieder der tschetschenischen Führung. Der Mord an Menschen,  so umstritten ihre politische Tätigkeit auch gewesen sein mag, ist nicht  zu rechtfertigen.
 Gleichzeitig warnt der DRA vor einer Eskalation der Gewalt in Grosnyj.  Die Fahndung nach den Schuldigen des Anschlags darf nicht zu einer  weiteren Einschränkung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten in  der Republik führen. Für notwendig hält der DRA stattdessen eine  Politik der Deeskalation, die die Spirale der Gewalt durchbricht, die  auf die Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung eingeht und die die  Tschetschenen an allen sie betreffenden Entscheidungen durch die  Einbeziehung lokaler Initiativen beteiligt. Es darf nicht darüber  hinweggesehen werden, dass viele Anhänger der Separatisten in  Tschetschenien erst unter dem Eindruck von Menschenrechtsverletzungen  durch die russischen Behörden und Streitkräfte auf die Seite  aufständischer Gruppierungen gewechselt sind. Für die Legitimität der  russischen Führung in Tschetschenien ist es daher unabdingbar, dass alle  ihre Vertreter, vom Präsidenten bis zum einfachen Soldaten und  Geheimdienstmitarbeiter, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit  uneingeschränkt achten.
 In diesem Zusammenhang begrüßt der DRA ausdrücklich die Verleihung des  Aachener Friedenspreises an die Organisation "Petersburger  Soldatenmütter", mit der den DRA seit 1992 eine vielfältige, enge  Zusammenarbeit verbindet. Die langjährige Arbeit der "Petersburger  Soldatenmütter" für mehr Rechtsstaatlichkeit in den Streitkräften,  gegenüber jedem einzelnen Angehörigen der Streitkräfte und gegenüber den  Wehrpflichtigen hat Tausenden Menschen zur Wahrung ihrer Rechte  verholfen und das Rechtsbewusstsein in den Streitkräften und in der  Gesellschaft Russlands und nicht zuletzt in Tschetschenien insgesamt  gestärkt.
 Deutsch-Russischer Austausch e.V.
 Stefanie Schiffer, Geschäftsführerin
 Brunnenstrasse 181
 10119 Berlin
 Tel 030 446680 22, Fax 030 444 94 60
 Berlin, 11. Mai 2004
Den diesjährigen Nansen-Flüchtlingspreis erhält  das Moskauer Menschenrechtszentrum Memorial für seine Arbeit zugunsten  von Tausenden von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in der russischen  Föderation.
 "Letztes Jahr hat das Zentrum mehr als 21.300 Menschen rechtlich beraten  - unter ihnen Zwangsmigranten, Binnenvertriebene und Asylsuchende",  sagte UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers zur Begründung für die  Preisvergabe. Viele dieser Menschen stammten aus Ländern außerhalb der  Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Memorial habe seine Arbeit  unter oft sehr schwierigen Bedingungen geleistet, zum Beispiel im  Nordkaukasus, betonte Lubbers. "Ihnen gebührt der Respekt der  internationalen humanitären Gemeinschaft".
 Das Menschenrechtszentrum Memorial hat eine beeindruckende Geschichte.  Formal wurde es im Jahre 1987 als eine Abteilung der  Memorial-Gesellschaft gegründet, einer der ersten  Nichtregierungsorganisationen des Landes. Das Zentrum wurde im Jahre  1993 unabhängig. Es übernahm die Aufgabe, die Menschenrechtssituation in  Russland und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu überprüfen  und über diese zu berichten. Seine Aktivitäten richteten sich rasch auf  Millionen von Zwangsmigranten aus den GUS-Staaten und dem Baltikum sowie  Vertriebenen des Tschetschenien-Konfliktes. Zudem sammelte Memorial  Erfahrung bei der Unterstützung Tausender von Flüchtlingen aus anderen  Teilen der Welt.
 Heute arbeiten für das Memorial-Zentrum rund 150 Mitarbeiter in über 45  Regionen der Russischen Föderation. Es hat über die Jahre eine zentrale  Rolle bei wichtigen Entscheidungen russischer Gerichte gespielt,  angefangen von Fragen der Staatsbürgerschaft und der  Residenzgenehmigungen bis hin zu Entschädigungen für Binnenvertriebene.  Im Jahr 2002 forderte Memorial eine Ergänzung des neuen russischen  Staatsbürgerschaftgesetzes und setzte sich damit durch.
 Der jährlich vergebene Nansen-Preis ist nach Fridtjof Nansen benannt,  dem international bekannten Polarforscher, der 1921 vom Völkerbund zum  Flüchtlingskommissar ernannt wurde. Der 1954 ins Leben gerufene Preis  ist mit 100.000 US-Dollar dotiert, die der Preisträger für ein  Flüchtlingsprojekt seiner Wahl verwenden kann.
 Der Nansen-Preis an Memorial wird am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag,  in Barcelona verliehen.
30.04.2004
 Quelle: UNHCR
Weiterlesen … Nansen-Flüchtlingspreis 2004 des UNHCR geht an Moskauer Menschenrechtszentrum Memorial
Gestern, am 13. April 2004, verbreitete das  Menschenrechtszentrum "Memorial" die vorläufige Mitteilung: "Am 9. April  gegen 14 Uhr Moskauer Zeit sind in dem Bergdorf Rigachoj im Vedensker  Bezirk von Tschetschenien nach einem Luftangriff eine Frau, Marit  Zinzajewa, und fünf Kinder ums Leben gekommen. Das älteste war sieben  Jahre alt. Als das Bombardement einsetzte, versammelte die Frau ihre  Kinder um sich, aber die Bombe traf ihr Haus." Diese Mitteilung wurde  von einigen Nachrichtenagenturen aufgegriffen, darunter "Interfaks",  NEWSru.com, Polit.ru und andere.
 Am selben Tag stritt der Pressesprecher der Luftstreitkräfte, Oberst  Alexander Drobyschewskij, jegliche Beteiligung an der Tragödie in  Rigachoj ab: "Am Freitag sind in dieser Region Russlands keine Bomber  aufgestiegen." "Die diesbezüglichen Mitteilungen einiger russischer und  ausländischer Massenmedien sind völlig falsch." (ITAR-TASS, 13.4.2004).
 Heute, am 14. April, waren Mitarbeiter von "Memorial" am Ort des  Geschehens. Nach präzisierten Informationen fand am 8. April tagsüber,  zwischen 14 und 14.30 ein Bombenangriff auf den abgelegenen Berghof  Rigachoj im Vedensker Bezirk statt (eine der Bomben trug die Nummer 350 F  5-90). Infolge des unmittelbaren Einschlags in das Haus Imar-Ali  Damajews kam fast seine ganze Familie ums Leben: seine Frau - Maidat  Kudusovna Zinzajewa, geb. 1975, die Kinder - Dshanasi, geb. 1999,  Sharadat, geb. 2000, Umar-Chashi, geb. 2002, Sara, geb. 2003, Sura, geb.  2003. Wie gewaltig die Explosion war, geht daraus hervor, dass auch die  Schafe und das Pferd der Familie getötet wurden, die sich außerhalb des  Hauses befanden. Dank eines glücklichen Zufalls blieben der Vater der  Familie, Imar-Ali, und der siebenjährige Sohn Umar am Leben: Ersterer  war gerade auf dem Friedhof, wurde aber Zeuge der Bombardierung, und  letzterer war im Nachbardorf in der Schule.
 Nach Aussagen der Dorfbewohner trafen am 13. April gegen 10 Uhr  Mitarbeiter der Militärstaatsanwaltschaft und der Vedensker  Staatsanwaltschaft in Hubschraubern ein. Nach oberflächlicher  Untersuchung des Orts des Geschehens erklärten sie, es habe sich um die  Explosion einer Landmine gehandelt. Ein Grund zur Einleitung eines  Strafverfahrens bestehe nicht.
 In den letzten zehn Jahren haben die Vertreter der russischen  Machtstrukturen immer wieder versucht, ihre Beteiligung an  Bombardierungen und Artilleriebeschuss tschetschenischer Siedlungen  abzustreiten und behauptet, "dass sie sich selbst in die Luft jagen". Im  vorliegenden Fall sprechen die Umstände klar gegen solche "Versionen".  Wir hoffen, dass die Tragödie in Rigachoj sorgfältig untersucht und die  Schuldigen bestraft werden.
 Quelle: russischer  Nachrichtenserver von MEMORIAL
Weiterlesen … Bombardierung des Gehöfts Rigachoj - friedliche Einwohner getötet
Die Internationale Gesellschaft "Memorial"
 Die Kommission für die Rehabilitierung der Opfer politischer  Repressionen beim Präsidenten der Russischen Föderation
 Das Sacharow-Museum und -Zentrum
 Die regionale gesellschaftliche Organisation "Offenes Russland"
 Am 24. März um 14 Uhr hat im "Haus des Journalisten", Nikinstij bulvar 8  (Metrostation: Arbatskaja) die Präsentation der neuen elektronischen  Ausgabe "Opfer des politischen Terrors in der UdSSR" stattgefunden.
 In der Datenbank finden sich Informationen über Repressionsopfer aus  Russland (62 Regionen), Kasachstan, Usbeskistan sowie der Ukraine. Unter  den über 1,3 Millionen Namen sind 120 Nationalitäten vertreten, aus  allen Gebieten der ehemaligen UdSSR und vielen anderen Ländern. Ein  großer Teil der Informationen war bisher noch nicht veröffentlicht.
 In die Edition wurde ein kommentiertes Verzeichnis der Gedenkbände  aufgenommen, die im Gebiet der ehemaligen UdSSR publiziert wurden, mit  über 600 Positionen.
 Darüber hinaus gibt es einen umfangreichen dokumentarischen Apparat mit  Suchfunktionen. Die hier veröffentlichen Stalinschen Erschießungslisten  beweisen unwiderleglich, dass die höchste Parteiführung an der  Organisation des Terrors direkt und unmittelbar beteiligt war, sie  demonstrieren den Mechanismus außergerichtlicher Entscheidungen.  Nachschlagewerke zur Struktur des GULag und über die Leiter des NKWD,  Dokumentensammlungen zur Geschichte der WTschK-OGPU-NKWD-KGB und des  GULag, eine detaillierte Karte des GULag, die Geschichte der  Rehabilitierungen, die Beschreibung der Gedenkstätten auf dem  Territorium der ehemaligen UdSSR lassen das Ausmaß der Verbrechen des  totalitären Regimes begreifen.
 Die wesentlichen Ziele der Edition sind, den Verwandten der Opfer dabei  behilflich zu sein, etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen zu  erfahren, eine breite Öffentlichkeit über den Terror zu informieren und  vor der Gefahr einer Staatsmacht zu warnen, die keiner Kontrolle  unterworfen ist.
 Die Doppel-CD-ROM kann über das Büro von MEMORIAL Deutschland für 19  Euro erworben werden.
 Weitere  Informationen zur CD-ROM 
Weiterlesen … CD-ROM zur sowjetischen Repressionsgeschichte neu aufgelegt
„Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln...“
(Art. 11 Europäische Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten)
„Die Bürger der Russischen Föderation haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Versammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen und Umzüge durchzuführen sowie Streikposten aufzustellen“
(Art. 31 der Verfassung der Russischen Föderation)
Bei Demonstrationen und Mahnwachen von Menschenrechtsorganisationen oder oppositionellen Gruppen in der Russischen Föderation kommt es immer wieder zu Übergriffen. Demonstrationen werden mit Tricks der Behörden verhindert, Demonstranten verprügelt und festgenommen. Das ist ein klarer Verstoß gegen nationale und internationale Verpflichtungen, denen sich der russische Staat freiwillig unterworfen hat.
Die Verfassung der Russischen Föderation garantiert die Versammlungsfreiheit in Art.31. Menschenrechtsorganisationen in Russland demonstrieren deshalb seit einiger Zeit an jedem 31. eines Monats, um diesem Recht zum Durchbruch zu verhelfen und die papierne Garantie der Verfassung zur erlebbaren Realität zu machen. Sie wissen: Es gibt keine Demokratie ohne Versammlungsfreiheit! Und fordern: Schluss mit den Behinderungen und Übergriffen!
Um unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Freundinnen und Freunde dabei tatkräftig zu unterstützen, rufen wir zur Teilnahme an der Mahnwache für die Versammlungsfreiheit in Russland auf,
am 31. des jeweiligen Monats 2011 vor der Botschaft der Russischen Föderation,
Unter den Linden 63-65 (S-Bahnhof Brandenburger Tor).
A.I.   MEMORIAL Deutschland e.V.   Deutsch-Russischer Austausch e.V.  
Der Münchner MEMORIAL-Verband organisierte auch
am 31. März 2011 von 17.30 bis 18.30 Uhr eine Mahnwache vor dem Russischen Konsulat/Europaplatz. 
Weiterlesen … Mahnwachen für Versammlungsfreiheit zum 31. des jeweiligen Monats
Chodorkovskij wollte vor allem darauf aufmerksam machen, dass die fortwährenden Gesetzesverstöße der russischen Justiz die Autorität und die Reformbemühungen von Präsident Medvedev unterminieren, und darüber hinaus verhindern, dass die Missachtung der Gesetze in seinem prominenten Fall zu einem Präzedenzfall wird, der korrupte Beamten ermutigt, auch in weniger bekannten Fällen das Recht zu beugen.
Wie dringend und berechtigt dieses Anliegen ist, zeigt die Entscheidung des Moskauer Stadtgerichts, das die Berufung Chodorkovskijs gegen die Verlängerung der U-Haft ablehnte. Das Chodorkovskij&Lebedev-Kommunikationszentrum teilte am 21. Mai mit, dass gegen das Urteil vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Berufung eingelegt werden wird.
  
In Moskau ist ein schreckliches Verbrechen verübt  worden. Einmal mehr haben sich die Organisatoren eines furchtbaren  Terroraktes ihre Opfer bewusst und vorsätzlich unter der  Zivilbevölkerung gesucht.
 Wir trauern um die Toten und empfinden tiefes Mitleid mit den  Verletzten.
 Es gibt und kann keine Rechtfertigung geben für jene, die dieses  Verbrechen geplant und ausgeführt haben. Die Täter müssen gefunden und  hart bestraft werden.
 Der Präsident und die Strafverfolgungsbehörden halten überzeugt an der  Version einer "tschetschenischen Spur" fest. Beweise dafür wurden bisher  nicht vorgelegt. Aber wenn diese Version zutrifft, dann war diese  Tragödie leider ganz offenkundig vorhersehbar.
 Die Weigerung der Führung unseres Landes, auch nur kleinste Schritte in  Richtung auf eine wirkliche und nicht nur kosmetische politische  Regelung des Konflikts zu unternehmen, hat den Extremisten Vorschub  geleistet, die keine vertretbaren politischen Ziele haben, auf deren  Basis ein Kompromiss möglich wäre.
 In den letzten Jahren haben Vertreter der Menschenrechtsorganisationen  sowie zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen  Lebens immer wieder davor gewarnt, dass das unmenschliche Vorgehen der  föderalen Kräfte in Tschetschenien eine Gefahr für jeden Bewohner  Russlands darstelle.
 Hunderttausende von Menschen sind seit vielen Jahren täglich mit dem Tod  konfrontiert, werden daran gehindert, ein zivilisierten Leben zu  führen. Tausende erniedrigter Menschen, deren Angehörige und Freunde  ermordet, entführt, physisch und moralisch zerstört wurden, sind das  Milieu, aus dem die zynischen und gewissenlosen Führer von Terrorgruppen  ihre Gefolgschaft rekrutieren, die Selbstmordattentäter, die die  Terrorakte ausführen.
 Nur eine entschiedene Änderung der Politik der russischen Führung kann  den Bürgern Russlands Frieden und Ruhe bringen.  
Weiterlesen … Erklärung des Menschenrechtszentrums MEMORIAL zum Terrorakt in der Moskauer Metro
06.02.2004
Die heutige Explosion in der Moskauer Metro ist  eine weitere furchtbare Tragödie, die die Einwohner der russischen  Hauptstadt betroffen hat. Wir drücken den Angehörigen der Toten und  Verletzten unser tiefes Mitgefühl aus.
 Die Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass es sich um einen  Terrorakt handelt. Wenn das zutrifft, wurden wir erneut Zeugen eines  schrecklichen Verbrechens, der offenen Missachtung des Lebens von  Zivilisten, einer brutalen Verletzung des Rechts auf Leben.
 Menschen, die solche abscheulichen Gewaltakte organisieren und  durchführen, sind Verbrecher, die gefunden und dem Gericht überantwortet  werden müssen. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ist durch keinerlei  politische, ideologische oder sonstige Ziele zu rechtfertigen.
 Gewalt wird indes zu einer Alltagserscheinung, und sie wird immer  häufiger ungezielt ausgeübt. In den letzten Jahren hat die Zahl der  Terrorakte zugenommen. Das ist eine unmittelbare Folge des fortdauernden  inneren bewaffneten Konflikts in Tschetschenien.
 Die Weigerung der russischen Führung, eine echte politische Regelung, d.  h. Verhandlungen unter Beteiligung aller interessierten politischen und  gesellschaftlichen Kräfte in Angriff zu nehmen, sowie massenhafte  brutale Verletzungen der Rechte der Zivilbevölkerung (einschließlich  wahlloser und ungesetzlicher Gewaltanwendung) durch Vertreter der  föderalen Machtstrukturen schaffen immer wieder die Basis für die  Bildung und die Aktivitäten von Terrorgruppen.
 Nach wie vor wird öffentlich nicht explizit eingestanden, dass in  unserem Land bereits im fünften Jahr ein Krieg stattfindet und nicht  etwa eine Anti-Terror-Operation. Damit wird das politische Problem auf  ein kriminelles reduziert. Die Politiker schieben so die Verantwortung  ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden zu. Der tschetschenische  Konflikt als politisches Problem ist im Rahmen der Terrorismusbekämpfung  allerdings nicht zu lösen.
 Nichtsdestoweniger appellieren wir an die russischen  Behörden, eine sorgfältige Untersuchung durchzuführen und die Ergebnisse  der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Diese Untersuchung darf nicht so  ablaufen wie bei den Sprengstoffanschlägen auf die Wohnhäuser im Jahre  1999 und der Geiselnahme an der Dubrowka im Theater "Nord-Ost" 2002.  Hier hat das Fehlen vollständiger Informationen über Verlauf und  Ergebnisse der Untersuchung zu einem erheblichen Vertrauensverlust der  Bevölkerung in die Behörden geführt und den Verdacht eines  schwerwiegenden Versagens der Sicherheitskräfte hervorgerufen.
Weiterlesen … Erklärung der Moskauer Helsinki-Gruppe anlässlich der Explosion in der Moskauer Metro
 Vor fünfzehn Jahren, am 16. Januar 1989, wurde der  Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets "Über die zusätzlichen  Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit für die Opfer der  Repression in den 30er/40er Jahren und den frühen 50er Jahren"  verkündet.
 Zu diesem Zeitpunkt war der Zuspruch für die Rehabilitierung der Opfer  des politischen Terrors durch die Bevölkerung außerordentlich groß. Die  Forderungen nach Rehabilitierung wurden nicht nur in den Zeitungen oder  auf Demonstrationen formuliert, sie bestimmten das Handeln politisch  aktiver Gruppen und führten zur Herausbildung erster unabhängiger  Organisationen. Diese Reaktion war angesichts des ungeheuren Ausmasses  der Repression in der UdSSR, von denen fast jede Familie betroffen war,  nur natürlich.
 Dieser Erlass war von sehr großer Bedeutung für die spätere  Demokratisierung der Gesellschaft. Erstmals wurde ein rechtsstaatlicher  Ansatz formuliert, der heute normal zu sein scheint, damals aber einen  revolutionären Durchbruch darstellte. Die aus NKWD, OGPU (Vereinigte  Staatliche Politische Verwaltung) und den "Sonderberatungen" bestehende  Troika wurde für verfassungswidrig erklärt. Daraus ergab sich, dass alle  von der Troika (außergerichtlich) verhängten Urteile nichtig und die  betroffenen Bürger automatisch rehabilitiert waren.
 Die Mehrheit der außergerichtlich Verurteilten wurde nach diesem Erlass  rehabilitiert. Mit diesem Erlass begann die zweite  Massenrehabilitierungswelle (Die erste Welle begann unter Chruschtschow  und wurde abgeschlossen, als Breschnjew an die Macht kam.). Für einige  Sowjetrepubliken blieb dieser Erlass die wichtigste Grundlage für die  Rehabilitierung.
 Sicherlich könnte man heute zahlreiche Unzulänglichkeiten (viele davon  wurden im Gesetz der Russischen Föderation zur Rehabilitierung der Opfer  politischer Repression von 1991 korrigiert) des Erlasses kritisieren.  Diese sind aber nicht der Grund dafür, dass der Prozess der  Rehabilitierung in Russland nach fünfzehn Jahren noch längst nicht  abgeschlossen ist.
 Nicht rehabilitiert bleiben nicht nur Zehntausende erschossene und in  Lagern internierte Menschen, sondern auch Millionen Enteigneter und  Deportierter, denen das Wahlrecht aberkannt wurde.
 Man kann nicht behaupten, dass diesem Problem heute überhaupt keine  Beachtung mehr geschenkt wird. So hat die Generalstaatsanwaltschaft im  Jahre 2002 den schnellstmöglichen Abschluss der Überprüfungen  angeordnet. Es wurden jedoch ungenügend Mittel bereit gestellt, so dass  es nur langsam vorangeht. Schlechte Kenntnis der Sachlage, das Fehlen  von wichtigen Dokumenten sowie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern  verzögern den Prozess der Rehabilitierung.
 Weitaus gefährlicher ist aber etwas anderes. Vieles deutet nämlich  darauf hin, dass die russischen (und nicht nur die russischen)  Verantwortlichen dieses Kapitel am liebsten abschließen würden.  Natürlich wird niemand behaupten, dass es keine Repressionen gegeben  hat. Die gab es, wir haben sie verurteilt, und nun können wir diese  dunklen Seiten der Geschichte vergessen und uns unserer - insgesamt doch  durchaus glorreichen - Vergangenheit rühmen.
 Der Sinn einer Rehabilitierung besteht nicht nur darin, dass man den  guten Ruf der Opfer (und nach Möglichkeit ihre Rechte) wiederherstellt.  Dies ist natürlich unerlässlich, aber bei weitem nicht ausreichend.  Wichtig ist, dass die Erinnerung daran erhalten bleibt, und zwar nicht  nur in den Familien der Opfer, sondern in der Gesellschaft insgesamt.  Dies kann nur erreicht werden, wenn das Wissen um die tragischen Kapitel  der Geschichte nicht aus den Geschichtsbüchern und dem Bewusstsein der  jungen Generation verschwindet, wenn es nicht hinter den verschlossenen  Türen der historischen Archive verstaubt.
 Die allerwichtigste Aufgabe besteht aber darin, diejenigen  Besonderheiten unserer Gesellschaft zu verstehen und zu bekämpfen, die  diese Tragödie erst möglich gemacht haben. Die alten russischen Laster,  nämlich die unkontrollierte Macht der Machtinhaber und die Missachtung  der Rechte und Freiheiten des Einzelnen, sind nicht nur nicht  überwunden, sondern treten offenbar verstärkt wieder auf.
 Wir möchten daran erinnern, dass die Unkenntnis der eigenen Geschichte  nicht vor Verantwortung schützt und dass die Verdrängung der  Vergangenheit verheerende Folgen für die Gesellschaft haben kann.
 Moskau, den 16. Januar 2004		
 Der Vorstand der internationalen Gesellschaft MEMORIAL
  
Weiterlesen … MEMORIAL zum 15. Jahrestag der Rehabilitierung der Repressionsopfer
The Martin Ennals Foundation announced today that  Lida Yusupova has been selected as the winner of the 2004 Martin Ennals  Award for Human Rights Defenders (MEA).
 Lida Yusupova is since 3 years the coordinator of the Grozny office of  the Moscow-based human rights organisation Memorial. It is a small  office with only 6 staff members and one of the few human rights  organisations still operating in Chechnya, providing the world with  crucial information on violations of human rights in this Russian  republic.
 Lida collects testimonies from those victims who dare to come to the  Grozny office but also goes herself out to the places where killings and  disappearances have occurred. She accompanies the victims in their  claims to the Russian Army and Security Services and provides legal  assistance to the extent that the judicial system still functions in  that part of Russia.
 The Chairman of the Jury of the MEA, Hans Thoolen, called Lida one of  the most courageous women in Europe today. He states that "there is  complete consensus among all human rights organisations that Lida  deserves the award for her tireless efforts in a situation of war and  extreme danger, with increased risk for women". Moreover, the Grozny  office has to function in almost complete isolation, the access to  Chechnya for international NGOs, intergovernmental organisations and  independent media being very restricted. Last year Lida`s office was the  target of a direct attack by the army but the staff has continued its  indispensable monitoring work.
 The ceremony will take place in Geneva on 7 April 2004. It will be  transmitted live by Swiss Television and re-transmitted by TV5 to  millions of households.
 The Martin Ennals Award for Human Rights Defenders (MEA) is a unique  collaboration among ten of the world`s leading non-governmental human  rights organisations. The Jury is composed of the following: Amnesty  International, Defence for Children, German Diakonie, Human Rights  Watch, Huridocs, International Alert, International Commission of  Jurists, International Federation for Human Rights, International  Service for Human Rights and the World Organisation Against Torture. The  previous 10 recipients of the MEA are: Alirio Uribe Muńoz, Colombia  (2003); Jacqueline Moudeina, Chad; Peace Brigades International,  Immaculée Birhaheka, DRCongo; Natasa Kandic, Yugoslavia; Eyad El Sarraj,  Palestine; Samuel Ruiz García; Mexico; Clement Nwankwo, Nigeria; Asma  Jahangir, Pakistan; Harry Wu, China (1994).
 Martin Ennals (1927-1991) was instrumental to the modern human rights  movement. He was the first Secretary-General of Amnesty International  and the driving force behind many other organisations. His deep desire  was to see more cooperation and solidarity among NGOs: the MEA is  evidence that this is possible.
 Stockholm, 5/12/03
 Copyright 1994-2003 Martin Ennals Foundation 
 Quelle: Martin Ennals Award  for Human Rights Defenders  
23.09.2003
Die Internationale Gesellschaft MEMORIAL wird auf  der Frankfurter Buchmesse 2003 mit einem eigenen Stand vertreten sein  sowie in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung die Ausstellung  "Langes Echo: Russland im 20. Jahrhundert: Konstanten und Variablen"  präsentieren. Nachfolgend der Veranstaltungsplan von MEMORIAL:   Donnerstag, 9 Oktober    17:00-18:30 Uhr   Buchpräsentation "Russlands Gedächtnis. Jugendliche entdecken vergessene  Lebensgeschichten" (Memorial-Körber-Stiftung) und Diskussion: "Braucht  Russland ein anderes historisches Gedächtnis?"  Fritz Pleitgen im Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL  und Russlandexperten über die "Gegenwart der Vergangenheit" in Russland.   TeilnehmerInnen: Gernot Erler (MdB, SPD), Arsenij Roginskij (Memorial)  Gabriele Bucher-Dinc (Körber-Stiftung), Katja Gloger (Stern), Sonja  Margolina (Journalistin). Irina Scherbakowa (Memorial)  Empfang im Forum.   Veranstalter: Körber-Stiftung( Hambug) und MEMORIAL (Moskau)  Ort: Mittel- und Osteuropaforum der Frankfurter Buchmesse, Halle 5.0    Freitag, 10. Oktober   17.30-18.15 Uhr   Pressekonferenz/Eröffnung der Ausstellung "Langes Echo":  Alexander Jakowlew (Vorsitzender der Rehabilitierungskommission beim  Präsidenten der Russischen Föderation) eröffnet die Ausstellung "Langes  Echo - Variablen und Kontinuitäten im Russland des XX. Jahrhunderts".  TeilnehmerInnen: Arsenij Roginskij (Memorial), Jens Siegert  (Heinrich-Böll-Stiftung), Irina Scherbakowa (Memorial), Pawel Poljan  (Institut für Geographie der Akademie der Wissenschaften der RF),  Marckus Meckel (MdB, SPD.   Veranstalter:Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und MEMORIAL (Moskau)  Ort: Stand Memorial, bei Ausstellung "Langes Echo", Halle 5.0, C942-44   18.30-20.00 Uhr  Podiumsdiskussion "Russlands Vergangenheit heute - Langes Echo"   Deutsche Politiker und Historiker im Gespräch mit russischen Historikern  und Menschenrechtlern über die Mythen und Stereotypen der heutigen und  der vergangenen Epoche in Russland.  TeilnehmerInnen: Elisabeth Weber (Moderation), Arsenij Roginskij  (Memorial), Alexander Jakowlew (Stiftung der Demokratie), Wolfgang  Eichwede (Osteuropa-Institut, Universität Bremen) Marcus Meckel(MdB,  SPD)   Veranstalter:Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und MEMORIAL (Moskau)  Ort: Forum Halle 5.0   20.00  Emfang am Stand von Memorial (Halle 5.0, C942)     Samstag, 11. Oktober    11.30-13.30 Uhr   Buchvorstellung "Die Häftlinge von Algier"  Diskussion  "Das Frauengesicht des GULAG"  TeilnehmerInnen: Ljudmila Ulitzkaja(Moskau) Irina Scherbakowa  (Memorial), Marina Beyer (OWEN),   Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin) und  MEMORIAL, Moskau  Ort: Stand Memorial, Halle 5.0, C942    19.30-22.00 Uhr   Roundtable zum Thema   "Welche Vergangenheit braucht Russland?"  TeilnehmerInnen: Gerd Koenen (Moderation), Elena Zhemkova, Swetlana  Gannuschkina, Irina Scherbakowa und Arseni Roginski Alexander  Tscherkassow (Memorial Moskau), Jörg Baberowski, (Humboldt-Universität  Berlin, Frank Westerman ( Amsterdam)  Mitveranstalter: Palais Jalta e.V. (Frankfurt) und Heinrich Böll  Stiftung (Berlin)   Im Anschluss (ab 22.00 Uhr) ein West-östlicher Diwan mit Büffet, Musik  und Gesprächen zum Ausklang der Messe und zum Abschied vom Palais Jalta,  dem 1989 gegründeten Ost/Westeuropäischen Kulturzentrum in Frankfurt am  Main  Diese Veranstaltung findet in den Räumen der ehemaligen Theologischen  Zentralbibiliothek, Römerberg 9, 60311 Frankfurt, statt.    Sonntag 12.Oktober   15.30-17.00 Uhr   Diskussion : "Menschenrechte in Russland heute. Flüchtlinge. Ethnische  Diskriminierung"   Russische und deutsche Politiker, Journalisten, Historiker im Gespräch  über die Menschenrechtssituation im heutigen Russland  TeilnehmerInnen: Jens Siegert (Moderation), Swetlana Gannuschkina  (Memorial), Alexander Tscherkassow (Memorial), Gerd Poppe ( Heinrich  Boell- Stiftung ),   Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin) und  MEMORIAL, Moskau  Ort: Forum Halle 5.0.
20.08.2003
Am 14.08.03 wurde das Büro von MEMORIAL St.  Petersburg überfallen. Ziel der Aktion war das gesammelte Datenmaterial  der Organisation. Die maskierten und mit Hämmern bewaffneten Männer  gaben sich als Sympathisanten des kürzlich verurteilten Oberst Budanow  aus. Laptop, Organiser und private Datenträger der Mitarbeiter wurden  gestohlen. Die Mitarbeiter selbst waren in einen Nebenraum gefesselt und  später durch Passanten befreit worden.
 MEMORIAL St. Petersburg leistet vor allem praktische Hilfe zur  Verbesserung der sozialen und rechtlichen Situation ehemals Verfolgter.  Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die aktuelle Menschenrechtsarbeit und  die Aufarbeitung der Geschichte.
 Auch das Moskauer Büro der Organisation wurde vor kurzem Opfer gezielter  Störaktionen. Die von MEMORIAL Moskau betriebene Site  www.kavkaz.memorial.de, auf der Nachrichten über die aktuelle Lage in  Tschetschenien abgerufen werden können, wurde von Hackern gezielt  angegriffen und konnte kurzzeitig nicht mehr aufgerufen werden.
 Das MEMORIAL-Büro in Grosny ist im Juli vergangenen Jahres im Zuge einer  "Säuberungsaktion" überfallen worden.
(05.06.2003)
Kowaljow (Dumaabgeordneter/Vorstand Memorial) und  Orlow (Vorstand Memorial) sind Mitunterzeichner einer Erklärung vom  05.06.03, deren Autoren tiefe Besorgnis über die jüngste Eskalation des  Krieges in Tschetschenien zum Ausdruck bringen.
 Seit Durchführung des Verfassungsreferendums im März habe sich die  dortige Lage nur noch verschärft. Die Hoffnung auf mehr Sicherheit, die  die Menschen zur Teilnahme am Referendum bewog, sei nicht erfüllt  worden. Im Gegenteil, neue Terroranschläge durch unabhängig operierende  Selbstmordattentäter ließen befürchten, dass es zu einer  "Palästinisierung" des Konflikts komme.
 Direkte Gespräche zwischen der Föderation und dem politischen Flügel der  Rebellen seien dringend erforderlich, solange dieser als  Gesprächspartner überhaupt noch zur Verfügung stehe. Putin und Maschadow  werden aufgefordert, gemeinsam der katastrophalen Radikalisierung des  Krieges entgegenzutreten. Die politische Initiative müsse vom Kreml  ausgehen. Umfragen zufolge würden mehr als 60% der russischen  Bevölkerung eine friedliche Lösung des Konflikts befürworten.
 Den Wortlaut der Erklärung in russischer Sprache finden Sie auf www.memo.ru
Der furchtbare Terroranschlag, der am gestrigen 12. Mai 2003 im  tschetschenischen Snamenskoje verübt wurde, forderte mehr als 50  Menschleben.
 Die Mehrzahl der Toten und Verwundeten sind Zivilisten, obgleich der  Anschlag offensichtlich gegen die Bezirksämter des Innenministeriums und  des Föderalen Sicherheitsdienstes FSB gerichtet war. Die Terroristen  haben die Opfer unter den Bewohnern der benachbarten Häuser wissentlich  in Kauf genommen. Der Tod von Zivilisten macht allen -vor allem den  Bewohnern Tschetscheniens - klar, dass den Auftraggebern, Planern und  Vollstreckern von Terrorakten das Leben gänzlich unschuldiger Menschen  gleichgültig ist. Die Antwort der Streitkräfte der Föderation lässt sich  aufgrund des bisherigen Verlaufs des "Zweiten Tschetschenienkriegs"  voraussagen: "Sonderoperationen", bei denen die Festgenommenen ermordet  werden oder verschwinden, Folter und Gewaltanwendung gegenüber  Zivilisten.
 Der Kampf gegen den Terrorismus muss geführt werden, und der russische  Staat hat die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz seiner  Bürger vor diesem Übel zu unternehmen. Ebenso offensichtlich ist jedoch,  dass der Terrorismus mit Mitteln des Terrorismus nicht besiegt werden  kann. Nur eine politische Lösung kann dem Terrorismus im Nordkaukasus  ernsthaft gefährlich werden und ihm den Boden unter den Füßen entziehen. 
 Der Staat hat jedoch anders entschieden. Das sogenannte "Referendum" in  Tschetschenien ist nur dem Schein nach eine Willensäußerung des Volkes,  der Beginn eines politischen Prozesses wird vorgetäuscht und steht in  keinerlei realem Bezug zur Lösung des Konflikts. Hinter der Fassade geht  der Kreislauf der Gewalt weiter: Terror gegenüber der Bevölkerung  Tschetscheniens durch die Streitkräfte der Föderation einerseits und  Sabotage und Anschläge der Rebellen andererseits.
 Es ist dringend erforderlich, den Teufelskreis der Gewalt zu  durchbrechen und tatsächlich eine politische Lösung des bewaffneten  Konflikts in der Republik Tschetschenien einzuleiten.
 Der Vorstand der internationalen Menschenrechtsgesellschaft MEMORIAL
13.5.2003